• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Integration Ost-West: Die Gräben sind immer noch tief" (27.03.1998)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Integration Ost-West: Die Gräben sind immer noch tief" (27.03.1998)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ie Hoffnung auf die verheiße- nen blühenden Landschaften des Ostens ist manchem gut sieben Jahre nach der Wiedervereini- gung abhanden gekommen. Über- nommen haben die Ostdeutschen un- ter anderem das westdeutsche Ge- sundheitssystem – mit seinen guten Seiten, aber auch mit all seinen Män- geln. Vor allem diese werden allmäh- lich offenkundig und belasten den Alltag ostdeutscher Ärzte ebenso wie das Verhältnis zu den westdeutschen Kollegen. Viele „Ost-Ärzte“ haben mittlerweile das Gefühl, daß ihre Sor- gen und Nöte im Westen nicht ernst genommen werden. Die Frage der Honorierung ärztli- cher Leistungen beispielswei- se droht, die Ärzteschaft er- neut in Ost und West zu spal- ten. Das Deutsche Ärzteblatt hat einige Vertreter ostdeut- scher Ärzte nach ihren indivi- duellen Eindrücken und Er- fahrungen der Vor- und Nach- wendezeit befragt.

„Als Arzt konnte man fast alles erreichen, ohne große Zugeständnisse machen zu müssen.“ Dieses für man- chen „Wessi“ erstaunliche Zi- tat stammt von Prof. Dr. med.

Walter Brandstädter, Präsi- dent der Ärztekammer Sach- sen-Anhalt und Vizepräsident der Bundesärztekammer, und faßt die Widersprüche im Gesundheitssystem der DDR zusammen. Staatlich regle- mentiert und straff strukturiert, wurde das Gesundheitswesen seit 1945 zen- tral verwaltet. Unter Aufsicht des Ge- sundheitsministeriums leiteten 15 Be- zirksärzte und je Kreis ein Kreisarzt die Geschicke, wobei die SED ver- suchte, ihren ideologischen Einfluß

auf die Ärzte auszuüben. Diese Struk- tur blieb bestimmend bis zur Wieder- vereinigung 1990. Ärztekammern und andere ärztliche Organisationen wa- ren verboten. Die Ärzte sollten sich vielmehr im neuen Freien Deutschen Gewerkschaftsbund organisieren. Ei- ne offenbar erfolgversprechende Stra- tegie. Im Bereich Magdeburg waren 1955 mehr als 90 Prozent der Ärzte gewerkschaftlich organisiert. Die er- klärten Ziele des sozialistischen Ge- sundheitswesens lauteten: Verstaatli- chung, Einheitlichkeit, Kostenfreiheit und allgemeine Zugänglichkeit.

Da die Gesundheitsversorgung jedoch auch der Profilierung gegen- über dem Westen diente, war der Staat zu Zugeständnissen bereit:

„Man mußte die Ärzte bei Laune hal- ten“, kommentiert Brandstädter die paradoxe Situation. „Das funktionier- te nach dem Prinzip ,Zuckerbrot und Peitsche‘.“ Der ärztliche Alltag sei re- lativ unbeeinflußt von parteipoliti- schen Interessen geblieben. Bedrängt

worden seien die Ärzte, wenn sie An- sprüche gegenüber dem Staat geltend gemacht hätten. Der politische Ein- fluß sei allerdings an den Hochschu- len größer gewesen. Brandstädter selbst hat in der DDR alles erreicht,

„von der Auszeichnung bis zum Publi- kationsverbot“, wie er selber sagt.

Als erster habilitierter Spezialist im Transfusionswesen genoß er eine rela- tive Freiheit gegenüber dem System.

Brandstädters Einschätzung teilt auch Prof. Dr. med. Eggert Beleites, Präsident der Ärztekammer Thürin- gen: „Ein angesehener Arzt konnte fast systemunabhängig arbei- ten, ohne SED-Mitglied zu sein.“ Das mag so manches Vorurteil der West-Kollegen über ostdeutsche „Kader- schmieden“ relativieren. Zu- dem habe im Grunde jeder an- gehende Arzt nach dem Studi- um eine halbwegs ordentliche Stelle bekommen, so Beleites.

Trotzdem war die Unzu- friedenheit der DDR-Ärzte groß, vor allem, wenn sie ihren Status mit dem der Ärzte in Westdeutschland verglichen.

Zu einem vergleichsweise schlechten Gehalt (1 200 bis 1 400 Mark, was einem Fachar- beitereinkommen entsprach) kamen ein schlechtes Sozial- prestige, das die Ärzte mit den ande- ren Akademikern im Arbeiter- und Bauern-Staat teilten, sowie schlechte Arbeitsbedingungen, erinnert sich Dr.

med. Michael Burgkhardt, niederge- lassener praktischer Arzt in Leipzig.

Die Regeleinheit der DDR-Ge- sundheitsversorgung war die Polikli- nik, die 1947 nach sowjetischem Vor- bild eingeführt worden war. Sie wurde laut Brandstädter von kaum einem A-713

P O L I T I K DIE REPORTAGE

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998 (21)

Integration Ost–West

Die Gräben sind immer noch tief

Nach der Wende wurde das Gesundheitssystem West

im Osten übernommen. Heute ist mancher Arzt enttäuscht. Den Gründen spürt die folgende Reportage nach.

D

Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen

Die Reportage

IInntteeggrraattiioonnOOsstt––WWeesstt

Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen

(2)

Arzt in Frage gestellt. Die private Nie- derlassung galt in der DDR als seltene Ausnahme. Die wenigen niedergelas- senen Ärzte, die es gab, rechneten über eine eigene ärztliche Verrech- nungsstelle ab, die nach dem Prinzip der Kassenärztlichen Vereinigung funktionierte. Das System wurde ver- ständlicherweise nicht gefördert. Pra- xisnachfolger waren meist die Kinder, Fremdübernahmen eine Seltenheit.

„Nach der Wende sind die Poli- kliniken sehr undifferenziert mit dem Sozialismus und einem staatlichen Gesundheitswesen gleichgesetzt wor- den“, sagt Brandstädter. Im Rück- blick, so der Kammerpräsident, sind sie zu Unrecht verteufelt worden. Da- zu hätten sicherlich auch Befürchtun- gen aus dem Westen beigetragen, die Polikliniken könnten „rüberschwap- pen“. Daß die verschiedenen Fach- gruppen unter einem Dach versam- melt waren, habe durchaus Vorteile für die Patienten gehabt. Nach An- sicht von Brandstädter hätte man die vorhandenen Strukturen nutzen kön- nen, um freiberufliche Praxisgemein- schaften zu etablieren. In diesem Zu- sammenhang mute es fast paradox an, daß man sich derzeit krampfhaft um eine bessere Vernetzung der Ärzte untereinander bemühe. Ein weiterer Vorteil für die Ärzte habe darin gele- gen, daß sie frei waren von gewerbli- chen und unternehmerischen Zwän- gen. „Das hat dem Arzt ein gewisses Maß an innerer Freiheit gegeben“, meint Brandstädter. Heute stehe der

Arzt zwischen Ethik und Monetik.

Die Versuchung auch zu unlauteren Dingen sei unter solchen Bedingun- gen programmiert.

Zudem sei zu DDR-Zeiten auch die Überweisungspraxis unproblema- tisch verlaufen: Es habe keinen wirt- schaftlichen Grund gegeben, Patien- ten nicht zu überweisen.

Zuviel Lob spendet aber auch Brandstädter dieser untergegangenen Versorgungsform nicht. Negativ habe sich die Nivellie-

rung der Gehälter ausgewirkt. Die Motivation der niedergelassenen Ärzte sei nach der Wende sehr viel größer gewesen als in der Zeit ihrer Anstellung. Erst- mals habe sich die Möglichkeit eröff- net, gut zu verdie- nen. Thüringens Kammerpräsident Beleites hat eben- falls ein zwiespälti- ges Verhältnis zu den Polikliniken.

Er bescheinigt ih- nen eine zum Teil schlechte Bausub-

stanz und technische Mängel. Aber:

„In puncto Verschmelzung ambu- lant/stationär haben wir gar nicht ge- wußt, was wir hier für ein Kleinod hatten.“ Dem niedergelassenen Arzt

Burgkhardt fehlt bei diesem Thema jede Nostalgie:

Die Polikliniken in kommunaler Trä- gerschaft seien als System geschei- tert. Eine Einrich- tung mit teilweise rund 300 Mitarbei- tern und misera- blen technischen Bedingungen habe man nicht retten können.

Dennoch hat nach Ansicht von Burgkhardt in der Wendezeit der ex- plizite Wunsch nach Niederlas-

sung bei den meisten Ärzten keine Rolle gespielt. „Es herrschte Auf- bruchstimmung. Man wollte es anders haben, aber es gab wenige, die ein drittes Konzept gehabt hätten“, beur- teilt Brandstädter die wirre Zeit des Übergangs. Denn über allem Verän- derungsdenken schwebte immer das Vorbild des „Westens“.

Bereits im Februar 1990 hat eine Gruppe von zwölf Ärzten in Magde- burg die Gründung der Ärztekammer

vorbereitet, obwohl „keiner so genau wußte, was eine Ärztekammer ist“, räumt Brandstädter ein. Den Umge- staltungsprozeß in Sachsen-Anhalt hat von Anfang an die Ärztekammer Niedersachsen begleitet. In der hekti- schen Umbruchszeit war eine starke Interessenvertretung aus dem Westen sogleich zur Stelle. „Wir wollten eine rasche Umgestaltung. Dabei werden unweigerlich Fehler gemacht. Was mich stört, ist, daß diese nicht behoben werden“, zieht Brandstädter Bilanz.

Die Frage „Was wird nun eigent- lich?“ haben sich auch die Thüringer Ärzte gestellt. Im Januar 1990 reiste der spätere Kammerpräsident Belei- tes nach Erlangen und Göttingen, um dort zu hospitieren und die Struktu- ren des westlichen Systems kennenzu- lernen. Das hat ihm einen deutlichen Wissensvorsprung eingetragen: „Ich wußte nichts, die anderen wußten gar nichts.“ Denn auch in Thüringen wa- ren Bestrebungen im Gange, eine Ärztekammer zu gründen. Die Schil- A-714

P O L I T I K DIE REPORTAGE

(22) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998

„Die meisten klagen und tun nichts.“

„Wir waren beim

Punkt Null.

Wir waren nur gutwillig.“

Prof. Dr. med. Walter Brandstädter

Dr. med. Michael Burgkhardt Fotos (3): Heike Korzilius

(3)

derungen dazu muten fast anarchisch an. Engagierte Ärzte versammelten sich um den Beleitesschen Wohnzim- mertisch, um sich über Konzeptionen und eine Neugestaltung zu verständi- gen und auch zu verhindern, daß die sogenannten alten Kader das neue Sy- stem bestimmen. Nach der Anerken- nung der ostdeutschen Ärztekam- mern als Körperschaften des öffentli- chen Rechts durch das Kammergesetz der DDR am 13. Juli 1990 fand die thüringische Kammerarbeit

zunächst in Beleites’ Büro an der Hals-Nasen-Ohren- Klinik in Jena statt. Die Postberge wurden mit Hilfe der Familie bewältigt. Mitt- lerweile ist das längst Ver- gangenheit. Die Kammer re- sidiert in einem funktiona- len Neubau in Jena-Maua und hat ihre Arbeitsabläufe professionalisiert.

In der Zeit der Wende wurden die ostdeutschen Ärzte erstmals auch mit den Schwächen des westdeut- schen Systems konfrontiert.

Burgkhardt findet die

„Eins-zu-eins-Übernahme“

des Westsystems daher pro- blematisch: „Ich war noch bei der Kritik des alten Sy-

stems, da hatten sich die anderen schon die neue Mütze aufgesetzt.“

Als vorbildlich empfindet er nach wie vor den Impfstatus und die Organisa- tion des Rettungswesens in der DDR.

In einer freien Gesellschaft sei es kaum möglich, eine Impfpflicht zu verankern, räumt Burgkhardt ein.

Anders sei es beim Rettungswesen.

Das habe schlicht keinen der Berater aus dem Westen interessiert. Die Fi- nanzierungsprobleme des westlichen Gesundheitssystems hätten die mei- sten ostdeutschen Ärzte vor der Wen- de nicht wahrgenommen. Außerdem hätten viele Ost-Ärzte den betriebs- wirtschaftlichen Aspekt ärztlicher Tätigkeit nach Westniveau unter- schätzt. „Wir wollten weg von den al- ten Strukturen, hatten aber kein eige- nes Konzept“, resümiert Beleites. Es gab zu Beginn die Idee, eine Art Bun- desärztekammer Ost zu schaffen, die er persönlich jedoch abgelehnt habe.

Für ihn habe die Integration im Vor- dergrund gestanden. „Von einem Sy-

stem fiel man ins andere. Das hat die Idealisten unter uns enttäuscht“, faßt der Eisenacher Arzt Dipl.-Med. Ingo Menzel zusammen. Menzel zufolge haben viele am alten System festhal- ten wollen. Die Gründe: geregelte Arbeitszeiten, feste Weiterbildungs- verträge, keine wirtschaftliche Ver- antwortung. Während es früher bei Stellenantritt hieß: „Geben Sie dem jungen Mann mal einen anständigen Kittel, der bleibt die nächsten 30 Jah-

re“, seien die Zeiten unsicher gewor- den.

Und wie sehen die Ärzte der neu- en Bundesländer in die Zukunft? In einem jedenfalls ist man sich wohl ei- nig. „Die Stimmung ist schlecht“, bringt es Prof. Brandstädter auf den Punkt. Die Ärzte in den östlichen Bundesländern seien sich bewußt, daß es ihren Kollegen im Westen immer wesentlich besser gegangen sei als ih- nen. Um den großen Reichtum gehe es den meisten Kollegen aber nicht, betont der Kammerpräsident. Doch neben der Verabschiedung von einem staatlichen Gesundheitswesen hätten sich viele Mediziner im Osten auch eine angemessene Vergütung ge- wünscht. Denn während sich viele Ärzte im Westen ein Vermögen ver- dienen oder auch ererben konnten, hätten in der Regel die Ärzte in der DDR genausoviel oder sogar weniger als Krankenschwestern verdient.

Inzwischen überwiege allerdings die Enttäuschung, da viele Mediziner

mit ihrer Vergütung nicht annähernd zufrieden seien. „Die Ärzte, die in den Praxen sitzen, sind es leid“, sagt Brandstädter. Durch die limitierten Mittel, die nichts anderes seien als ei- ne neue Form der Planwirtschaft, würde inzwischen sogar die ärztliche Ethik in Frage gestellt. Auch das be- rufspolitische Engagement sei mini- mal. Viele Ärzte seien inzwischen hoch verschuldet. Beleites beklagt ebenfalls den dramatischen Punkt- wertverfall und die kaum nennenswerten Einkommen aus privater Liquidation.

Burgkhardt kann dies be- stätigen. „Im Osten sind wir von der Reglementierung und Budgetierung stärker betroffen als unsere Kolle- gen im Westen“, betont der praktische Arzt.

Ein weiteres Problem, auf das Brandstädter hin- weist, sei die zunehmende ärztliche Arbeitslosigkeit.

Nach Angaben der Kas- senärztlichen Bundesverei- nigung betrug Ende 1997 die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern 3,1 Prozent (1 300 arbeitslose Ärztinnen und Ärzte; 41 450 berufstätige Ärztinnen und Ärzte). Die Arbeitslosenquote liegt damit allerdings immer noch gering- fügig unter der Arbeitslosenquote der Ärzte (3,4 Prozent) in den alten Bun- desländern.

Die Vergangenheit muß bewältigt werden

Ursache für die Unzufriedenheit vieler Ärzte in den neuen Bundeslän- dern sei jedoch nicht nur die materiel- le Situation, so Brandstädter. Nach wie vor ein großes Problem sieht er in der Vergangenheitsbewältigung:

„Viele sogenannte alte Kader haben sich im Westen hervorragend eta- bliert. Viele haben sich privat nieder- gelassen, weil es in diesem Sektor kei- ne Kontrollen gab.“ Die Ärzte litten nicht zuletzt unter Mobbing und unter zuviel Bürokratie. Eine Spaltung der Ärzteschaft in den alten und neuen Bundesländern schließt der Vizeprä- sident der Bundesärztekammer nicht A-716

P O L I T I K DIE REPORTAGE

(24) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998

„Ich wußte nichts, die anderen wußten gar nichts.“

Prof. Dr. med. Eggert Beleites

(4)

aus. Käme es dazu, wäre es freilich ei- ne Katastrophe.

Beleites äußert Verständnis für einen Alleingang der ostdeutschen Ärzte. „Wenn wir ein einheitliches Wirtschaftssystem haben, ist es nicht richtig, daß einzelne Berufsgruppen im Osten weniger verdienen.“ Durch einen eigenen Kassenärztetag, der für Mitte April in Leipzig geplant ist, hät- ten die Ärzte in den neuen Bundes- ländern durchaus die Möglichkeit, mehr Druck auszuüben. Diese Auf- fassung wird von Burgkhardt geteilt.

Da die „Ost-Ärzte“ berufspolitisch nicht genügend repräsentiert seien, sollten sie die Inhalte einer

künftigen Gesundheitspoli- tik selbst gestalten. „Die Möglichkeiten sind uns je- denfalls gegeben.“ Seiner Ansicht nach klafft die Schere immer weiter aus- einander. Und unter die- ser auseinanderklaffenden Schere versteht der Leipzi- ger Arzt keineswegs nur die Schere Ost–West, sondern auch die Schere ambulant–

stationär.

Trotz all dieser Unzu- friedenheit ist man sich den- noch in einem einig: Es geht den Ärzten besser als vor der Wende und, so Brand- städter: „Die Umgestaltung der ambulanten Versorgung ist gelungen.“ Diese Ein-

schätzung wird im letzten Jahresbe- richt der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit, der Ende 1997 veröffentlicht wurde, bestätigt. „Die ärztliche und zahnärztliche ambu- lante Versorgung ist heute flächen- deckend gewährleistet“, heißt es in dem Bericht. Zwar sei die Niederlas- sungsdichte noch nicht überall gleich, jedoch seien weder regionale noch gravierende fachliche Engpässe be- kannt. Rund 90 Prozent der medizini- schen Versorgung werden von nieder- gelassenen Ärzten und Zahnärzten si- chergestellt.

Die Bundesregierung macht al- lerdings darauf aufmerksam, daß die schlechte Bausubstanz der Kranken- häuser noch weiterhin hohe Investi- tionen erfordere. Das Niveau der sta- tionären Versorgung in den neuen Bundesländern werde sich aber bis

zum Jahr 2004 dem Niveau der alten Länder angeglichen haben, prognosti- ziert die Bundesregierung. Dazu hat der Bund eine jährliche Finanzhilfe (1995 bis 2004) in Höhe von 700 Mil- lionen DM zugesichert. In mindestens gleicher Höhe beteiligen sich die Län- der an dem Programm. Außerdem werden, so der Jahresbericht, die Be- nutzer des Krankenhauses oder ihre Kostenträger einen gleich hohen Fi- nanzierungsbetrag aufbringen.

Pleite gegangen sei offenbar noch kein Arzt, sagt Brandstädter.

„In das allgemeine Wehklagen will ich keinesfalls einstimmen“, betont

auch Beleites. An den seit einiger Zeit in Jena stattfindenden Montags- demonstrationen nehme er nicht teil.

Wenn es auch dort nicht primär um die ärztliche Honorierung, sondern um gleiche Bedingungen im Gesund- heitswesen in Ost und West gehe, so sehe er diese Demonstrationen für nicht ganz so hilfreich an. Trotz der massiven finanziellen Probleme der Ärzte könne nur von einer relativen Armut gesprochen werden.

Burgkhardt wies darauf hin, daß zahlreiche Kollegen offenbar schon vergessen hätten, wie schlecht es ih- nen vor der Wende ging. Viele Men- schen in den neuen Bundesländern sehnten sich nach einer sozialen Si- cherheit zurück, die jedoch nur eine Scheinsicherheit gewesen sei. Anstatt zu jammern, müsse nach Lösungsvor- schlägen gesucht werden.

Brandstädter nennt einige

„Werkzeuge“ zur Erhöhung der Ef- fektivität des Gesundheitswesens: Die Bewertung der ärztlichen Tätigkeit müsse mit gleichen Maßstäben lei- stungsbezogen im Krankenhaus und im ambulanten Bereich erfolgen. Er schlägt außerdem vor, die Zahl der Medizinstudenten angemessen herab- zusetzen, um die Leistungsfähigkeit der Ärzteschaft als Ganzes zu erhal- ten. Weiterbildungsstellen sollten als Rotationsstellen eingerichtet werden, Zulassungssperren müßten abgebaut werden. Burgkhardt plädiert für mehr marktwirtschaftliche Elemente in der

Gesundheitsversorgung.

Dabei denkt er zum Beispiel an eine Ausweitung der Selbstbeteiligung und Ko- stenerstattung: „Der Patient sollte der Rechnungsschuld- ner des Arztes sein.“ Belei- tes ist dagegen der Ansicht, daß die Medizin nicht in die Marktwirtschaft passe.

„Diejenigen, die Leistung bringen, sollten nicht be- stimmen, wieviel Leistung erbracht werden sollte.“ Der Kammerpräsident schlägt deshalb unter anderem eine Abschaffung der Einzellei- stungsvergütung vor. Den- noch ist auch ihm bewußt, daß letztendlich die Ab- schaffung eines eher markt- wirtschaftlich orientierten Gesundheitswesens keine Patentlö- sung für die Probleme in den neuen Bundesländern darstellt.

Notwendig ist jedenfalls zunächst eine vielschichtige Analyse, in der das Gesundheitswesen in den neuen Bun- desländern unter unterschiedlichsten Aspekten beleuchtet werden müßte, zum Beispiel unter dem Blickwinkel der Patienten, der Krankenkassen und der Hochschulen. Auch auf die psychiatrische Versorgung, die Arz- neimittelversorgung und die medizi- nische Rehabilitation müßte unter an- derem noch ausführlich eingegangen werden.

Die Redaktion des Deutschen Ärzteblattes wird sich in nächster Zeit weiterhin mit diesen Themen der Ost- West-Angleichung auseinandersetzen.

Gisela Klinkhammer Heike Korzilius A-718

P O L I T I K DIE REPORTAGE

(26) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 13, 27. März 1998

„Von einem System fiel man ins andere.“

Dipl.-Med. Ingo Menzel Foto: Stadt Zeit

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Diese wurde von val-u-media soweit subventioniert, dass sich das Angebot für den Arzt zu- mindest kostenneutral dar- stellte.. Diese Rückfinanzie- rung über die

Der Zeitvorteil des POCT gegen- über der zentralen Labordiagnostik ga- rantiert nicht unbedingt ein verbesser- tes medizinisches oder ökonomisches Outcome, da häufig

Schuld daran trägt der IGEL, ein Katalog von rund 70 ärztlichen Leistungen, die nicht Bestandteil des gesetzlichen Lei- stungskatalogs sind und somit auch nicht von den Kassen

Eine Reihe von deutschen Journalisten begleitete den Bundesmini- ster für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Carl-Dieter Spranger, MdB, auf seiner neuntägigen Reise durch

Betrachtet man die direkten Arzt-Patienten- Kontakte, so können wir feststellen, daß im Osten pro Tag durchschnittlich fünf Patienten mehr, im Westen zwei Patienten weniger als 1992

Nach dem Papstbrief soll die Kirche künftig also keine Scheine mehr ausstellen, die als Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung aner- kannt werden. Das ungebore- ne Leben

Führt dieser Mangel mehr noch als der vielzitierte Wertewandel zu der immer stärker grassierenden Krankheit der " inneren Kündigung ", die sich durch viele

Die frühzeitige intravenöse Streptokinasein- fusion senkt die Letalität des akuten Herzinfark- tes im Vergleich zur konventionellen Therapie (GISSI-Studie): Die Klinikletalität