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Archiv "Der akute Herzinfarkt: Behandlungsmöglichkeiten werden immer besser" (04.06.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DAS EDITORIAL

Behandlungsmöglichkeiten werden immer besser

Der akute Herzinfarkt

Franz Schwarz

D

ie medikamentöse oder mechani- sche Rekanalisation verschlossener Koronararterien bei Patienten mit akutem Herzinfarkt hat sich als neue Behandlungsmethode in den letzten Jahren bewährt. Diese Behandlungsform wurde nach der Entwicklung der Ballondilata- tion zur Therapie von Koronararterienveren- gungen (Grüntzig 1977) von Rentrop 1978 erst- mals angewendet. Während der Nachweis der Beeinflussung des Verlaufes der chronischen ko- ronaren Herzkrankheit durch die Therapie mit- tels Ballonkatheter noch aussteht, ist die Ver- besserung der Prognose bei Patienten mit aku- tem Herzinfarkt in vier kontrollierten Studien nachgewiesen worden.

Die frühzeitige intravenöse Streptokinasein- fusion senkt die Letalität des akuten Herzinfark- tes im Vergleich zur konventionellen Therapie (GISSI-Studie): Die Klinikletalität konnte bei Behandlung innerhalb einer Stunde nach Schmerzbeginn von 15,4 Prozent auf 8,2 Prozent signifikant reduziert werden, bei Behandlung in- nerhalb von drei Stunden von 12,0 Prozent auf 9,2 Prozent (52 Prozent aller randomisierten Pa- tienten) und bei Therapie zwischen drei und sechs Stunden von 14,1 Prozent auf 11,7 Pro- zent. Eine Behandlung mehr als sechs Stunden nach Symptombeginn hatte keinen Effekt mehr.

Die Studie umfaßt 11 806 Patienten, als einmali- ge Dosis wurden 1,5 Mio. E Streptokinase in 100 ml physiologischer Kochsalzlösung über eine Stunde infundiert (oder Plazebo), eine Vorbe- handlung mit Heparin, Salicylsäure oder Me- thylprednisolon erfolgte nicht.

Einschlußkriterien waren Thoraxschmer- zen, eine ST-Hebung (oder ST-Senkung) im EKG von wenigstens 1 mm in wenigstens einer Extremitätenableitung oder 2 mm in einer Brustwandableitung und eine Zeit zwischen

Schmerzbeginn und Klinikaufnahme von unter 12 Stunden. Ausschlußkriterien waren akute Blutung, Schlaganfall innerhalb der letzten zwei Monate, Operation, Trauma oder Biopsie inner- halb der letzten zehn Tage, unkontrollierte arte- helle Hypertonie, Schwangerschaft, Blutungs- übel. Hohes Alter war kein Ausschlußkriterium:

zehn Prozent der Patienten waren über 75 Jahre alt.

Als Nebenwirkungen wurden 0,3 Prozent schwere Blutungen und 2,3 Prozent allergische Reaktionen in der Streptokinasegruppe beob- achtet. Die Rate an zerebralen Ereignissen lag in den beiden Behandlungsgruppen unter einem Prozent und war nicht signifikant unterschied- lich zwischen den Gruppen. Von 31 826 Patien- ten, die auf den Intensivstationen aufgenommen wurden, konnten 37,1 Prozent randomisiert werden. Die Mehrzahl der nicht randomisierten Patienten kam zu spät zur Klinikaufnahme.

Die zweite Studie (ISAM-Studie) umfaßt 1741 Patienten mit akutem Herzinfarkt. Die Einschlußkriterien waren wie in der GISSI-Stu- die. Ausschlußkriterien außer den in der GISSI- Studie genannten waren: Alter über 75 Jahre, Symptome länger als sechs Stunden. Von 7715 möglichen Kandidaten wurden schließlich nur 23 Prozent randomisiert. Als Prämedikation wurden Heparin, Salicylsäure und Methylpred- nisolon in beiden Gruppen verabfolgt. Die Stu- dienmedikation war 1,5 Mio. E Streptokinase (oder Plazebo) als Infusion über eine Stunde. Im Anschluß wurden sowohl Heparin als auch Phenprocoumon ab dem ersten Tag verabreicht.

Die Hospitalletalität betrug 6,3 Pozent in der Streptokinasegruppe und 7,1 Prozent in der Kontrollgruppe, der Unterschied war nicht si- gnifikant. Die enzymatisch gemessene Infarkt- größe war signifikant kleiner in der Streptokina- segruppe als in der Kontrollgruppe.

Dt. Ärztebl. 84, Heft 23, 4. Juni 1987 (63) A-1647

(2)

Systemische

Streptokinase-Infusion

Die Empfehlungen der Studien liegen auf der Hand: die intravenöse Applikation von Streptokinase (ohne Begleitmedikation) kann als sichere Behandlungsmethode des akuten Herzinfarktes gelten, bei strenger Beachtung der Kontraindikationen und innerhalb von sechs Stunden nach Symptombeginn. Patienten mit ei- nem Alter von über 75 Jahren müssen nicht aus- geschlossen werden. Mit zunehmender Zeit- spanne zwischen Symptombeginn und Behand- lung nimmt jedoch der Therapieerfolg ab. Die Verbesserung der Prognose ist Folge der Ver- kleinerung der Infarktgröße durch Reperfusion.

Die angiographisch nachgewiesenen Eröff- nungsraten des Infarktgefäßes nach intravenöser Streptokinaseinfusion liegen zwischen 35 Pro- zent und 55 Prozent. Höhere Eröffnungsraten von 60 bis 70 Prozent können durch den „tissue- type plasminogen activator" oder durch die Pro- urokinase erzielt werden. Beide Substanzen be- finden sich in klinischer Erprobung. Mit Ver- wendung dieser Substanzen lassen sich mögli- cherweise die Blutungskomplikationen reduzie- ren im Vergleich zur Streptokinasebehandlung.

Intrakoronare SK-Anwendung Ballondilatation

In kardiologischen Zentren können durch intrakoronare Streptokinaseinfusion oder durch Ballondilatation Eröffnungsraten von 65 bis 95 Prozent erreicht werden. Die Hospitalletalität konnte bei Patienten mit akutem Herzinfarkt durch intrakoronare Streptokinaseinfusion si- gnifikant von 11 Prozent auf 4 Prozent gesenkt werden (Western Washington Trial). Eine signi- fikante Verbesserung der Prognose wurde auch im Dutch Interuniversity Trial gefunden, wobei zusätzlich zur intrakoronaren Gabe von Strepto- kinase bei einem Teil der Patienten die sofortige Ballondilatation erfolgte.

Die verbleibende Koronararterienveren- gung nach erfolgreicher medikamentöser Reper- fusion des Infarktgefäßes ist die Hauptdetermi- nante des Reinfarktes nach Trombolyse: Patien- ten mit einer Reststenose über 50 Prozent hatten in 41 Prozent der Fälle Reinfarkte im Gegensatz zu null Prozent Reinfarkten bei Patienten mit Reststenose unter 50 Prozent (Heidelberger Er- fahrungen).

Es erscheint daher angezeigt, bei einer Rest- stenose über 50 Prozent eine sofortige Ballondi- latation an die Thrombolyse anzuschließen. Die Reinfarktrate ist geringer, die Verbesserung der

Kontraktionsfunktion der linken Herzkammer nach drei Wochen ist ausgeprägter, die Ischä- miereaktion unter Belastung in der Thallium- 201-Szintigraphie drei Wochen nach Infarkt ist geringer, und die Langzeitprognose ist günstiger nach zusätzlicher sofortiger Ballondilatation im Vergleich zur alleinigen Thrombolysetherapie.

Nachbehandlung

Als Nachbehandlung nach intravenöser Thrombolyse des Herzinfarktes empfiehlt sich:

Bestehen klinische Zeichen für eine erfolgreiche Wiedereröffnung des Infarktgefäßes (plötzliche Schmerzbesserung, abrupte Senkung der ST- Hebung im EKG, Reperfusionsarrhythmien), so sollte bei kreislaufstabilen Patienten die Verle- gung zur Koronarangiographie innerhalb der er- sten Tage nach dem Akutereignis mit notärzt- licher Begleitung erfolgen. Die Koronarangio- graphie klärt rasch, ob eine Ballondilatation zu- sätzlich erforderlich ist: bei Eingefäßerkrankung und Reststenose über 50 Prozent. Eine aortoko- ronare Bypassoperation ist notwendig, wenn die Koronarangiographie eine Hauptstammstenose über 50 Prozent, eine koronare Drei-Gefäßer- krankung mit oder ohne eingeschränkter links- ventrikulärer Funktion oder eine Zwei-Gefäßer- krankung mit über 75prozentiger proximaler Stenose des Ramus descendens anterior ergibt.

Die Operation ist desto dringlicher, je stärker die Beschwerden des Patienten sind. Zeigten sich nach der Thrombolyse keine klinischen Zei- chen einer Wiedereröffnung, so sollte die Koronarangiographie wie üblich zwei bis drei Wochen nach dem akuten Infarkt erfolgen.

Der Nachweis der Verbesserung der Pro- gnose durch die Thrombolysebehandlung hat zu einer neuen Behandlungsstrategie des akuten Herzinfarktes geführt: Eine enge Kooperation des Allgemeinkrankenhauses mit dem kardiolo- gischen Zentrum ist erforderlich, um die Be- handlung zu optimieren.

Literatur beim Verfasser

Professor Dr. med. Franz Schwarz Medizinische Universitäts-Klinik

Abteilung Innere Medizin 3 (Kardiologie) Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg

Neue Adresse:

Rotes-Kreuz-Krankenhaus Abteilung Kardiologie Königswarter Straße 16 6000 Frankfurt/M. 1 A-1650 (66) Dt. Ärztebl. 84, Heft 23, 4. Juni 1987

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