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Archiv "Ost-Afrika: Die Ausbreitung von AIDS wird immer dramatischer" (05.09.1991)

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Ost-Afrika

Die Ausbreitung von AIDS wird immer dramatischer

Eine Reihe von deutschen Journalisten begleitete den Bundesmini- ster für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Carl-Dieter Spranger, MdB, auf seiner neuntägigen Reise durch die ostafrikanischen Staaten Tansania, Kenia und Zimbabwe und informierten sich „vor Ort" über einige repräsentative Entwicklungshilfe-Projekte. Darun- ter waren auch Modell-Projekte aus dem Bereich des Gesund- heitswesens. Der Autor, Redakteur einer süddeutschen Tageszei- tung, informiert in dem folgenden Bericht über diese Studienreise.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

ramatisch breitet sich in den Entwicklungsländern Schwarzafrikas die „neue Krankheit" aus. Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hochgerechnet hat, werden im Jahr 2010 schätzungsweise 90 Prozent der AIDS-Virusträger in den Entwicklungsländern leben.

Heute sind es schon 65 Prozent; in zehn Jahren sollen es 15 bis 20 Mil- lionen sein, die den AIDS-Virus in sich tragen.

Die Schätzungen gehen ausein- ander. Fest steht nur, daß Schwarz- afrika von der Krankheit bedroht ist wie sonst kein Teil dieser Erde. Fünf Millionen Virusträger sollen dort nach WHO-Informationen heute le- ben (weltweit acht bis zehn Millio- nen), aber eine kenianische Wissen- schaftlerin hat auf dem AIDS-Kon- greß in San Francisco (1990) die Zahl der HIV-infizierten Schwarz- afrikaner schon auf 10 Millionen ge- schätzt!

In vielen Ländern Afrikas ver- doppelt sich jedes Jahr die Zahl der AIDS-Infizierten. Die Hälfte davon sind Frauen zumal aus Zentral- und Ostafrika. 20 bis 30 Prozent der jün- geren Erwachsenen sollen das Virus in sich tragen. Beunruhigend für die Experten ist, daß die HIV-Infektio- nen in den ländlichen Gebieten stark zunehmen. Nach WHO-Schätzungen wurden 1990 rund 200 000 infizierte Kinder in Schwarzafrika geboren.

Fachleute seines Hauses nehmen an, daß in den neunziger Jahren minde- stens eine weitere Million hinzu- kommt, was in den Städten zu einer fünfzigprozentigen Erhöhung der Kindersterblichkeit führen wird.

Angesichts ihrer enormen wirt- schaftlichen Probleme sparen die meisten afrikanischen Staaten am Gesundheitsbudget. Das Bundesmi- nisterium für wirtschaftliche Zusam-

Projekte für westliche Entwicklungshilfe

menarbeit in Bonn weiß, daß die Entwicklungsländer in den letzten Jahren die Etats für die Gesundheit um durchschnittlich 50 Prozent ge- kürzt haben. Manche afrikanische Länder können heute nur mehr zehn Dollar pro Kopf (!) der Bevölkerung für die Gesundheitsvorsorge ausge- ben. Die nationalen Dienste sind mit dieser Aufgabe überfordert, zumal die Probleme nicht weniger werden, ja sich gewaltig häufen. Allein, weil Spritzen und Nadeln fehlen, wird das Virus so häufig übertragen. Oftmals sind auch die Bluttransfusionen ur- sächlich. In Tansania hat der deut- sche Arzt Dr. med. Dieter Neuvians in der Provinz Mbeya ein Projekt ge- startet, das die Uberprüfung der Blutkonserven beinhaltet. Er kann

Verzweifelt kämpfen die staatlichen Stellen und die Entwicklungshelfer in Tansania, dem viertärmsten Land der Welt, gegen die Bevölkerungsexplosion. Die Experten freu- en sich über jeden zarten Ansatz, Frauen und Männer an ein gemeinsames Gespräch über den Themenkreis Geschlechtsverkehr und Familienplanung heranzuführen.

Die Bevölkerung Schwarzafrikas ist in ho- hem Maße AIDS-gefährdet. In vielen dieser Länder verdoppelt sich jedes Jahr die Zahl der HIV-Infizierten, Die Weltgesundheitsor- ganisation (WHO) hat bereits vorausgesagt, daß im Jahr 2010 voraussichtlich etwa 90 Prozent aller AIDS-Kranken aus dieser Re- gion stammen werden. Unser Bild: Im Rah- men staatlicher Programme werden Kondo- me kostenlos abgegeben.

A-2882 (36) Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991

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Unterricht im tansanischen Busch: Dorfhelferinnen gelingt es im Bezirk Bagamoyo (Tansa- nia), Frauen und Männer für das sensible Thema „Geburtenkontrolle" zu interessieren

1- otos (4): Uwe Ritzer, Weißenburg

Aufklärung auf tansanisch: Dorfhelferinnen im Dorf Kondo verschleudern die Präservative unter den Männern, deren Unbefangenheit auf Westeuropäer beeindruckend wirkt erste Erfolge feststellen. Aber was

heißt das schon angesichts der ge- waltigen Dimensionen?

Wie UNICEF festgestellt hat, haben die mehr als 400 000 AIDS- Toten in Afrika bisher schon viele Waisenkinder zurückgelassen.

500 000 AIDS-Waisen werden nach WHO-Angaben für nächstes Jahr er- wartet. Die Prognose für das Jahr 2000:

• 590 000 Mütter in zehn Län- dern Afrikas werden an AIDS allein sterben und 5,5 Millionen Waisen hinterlassen. Mehr als zehn Millio- nen Kinder haben — so Fachleute aus dem Bundesministerium für wirt- schaftliche Zusammenarbeit — eine HIV-infizierte Mutter, die innerhalb weniger Jahre sterben wird.

Gerade die gleichzeitige Abnah- me des „produktivsten" Teils der Be- völkerung wird große soziale und wirtschaftliche Probleme hervorru- fen. Alte Leute müssen auf die Für- sorge ihrer Kinder verzichten, weil diese an AIDS frühzeitig sterben.

Die Entwicklungshelfer sehen in der Aufklärung über Geschlechts- verkehr einen Ansatz, doch so ein- fach wie im tansanischen Dorf Kon-

do, wo einheimische Dorfhelferin- nen sogar die Männer bewegen kön- nen, öffentlich gegen die ungezügel- te Zeugung zu reden und Kondome

zur Welt. Sie ist 18mal schwanger.

Geheiratet wird oft erst, wenn das Kind unterwegs ist. Für eine HIV-in- fizierte Frau ist es schwer, von ihrem Mann Geschlechtsverkehr mit dem Kondom zu verlangen. Etwa zwei Millionen Frauen sind in Afrika infi- ziert. Sie verlieren häufig die Unter- stützung ihrer Familie. Das Sozialsy- stem fehlt. Was bleibt da manchen anderes übrig als der Selbstmord.

Auch Hilfen aus Deutschland

Was tut die deutsche Entwick- lungshilfe, um dem Problem zu be- gegnen?

In Ostafrika gibt es bilaterale Projekte zur AIDS-Prävention in den Ländern Tansania, Uganda und Ruanda. In fast allen Entwicklungs- ländern sind mit Hilfe der WHO AIDS-Komitees eingerichtet und na- tionale Kontrollprogramme entwik- kelt worden.

Allein für das Projekt in Mbeya (Tansania) hat die Regierung in Bonn in drei Jahren 2,2 Millionen DM ausgegeben. Heuer kommen 1,1 Millionen DM dazu. Wie der Bonner Entwicklungshilfeminister gegen- über den besorgten Afrikanern zusi- cherte, wird Bonn die Entwicklungs- länder auch dann nicht hängenlas- annehmen, liegen die Dinge nicht

überall.

Dem Minister aus dem Wohl- fahrtsstaat Deutschland wurde bei seinem Besuch in Tansania, dem viertärmsten Land der Welt, verdeut- licht, daß die soziale Stellung der Frau in vielen afrikanischen Ländern von der Mutterschaft abhängt. In ehemals Deutsch-Ostafrika bringt die Frau durchschnittlich 6,9 Kinder

Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991 (39) A-2883

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Krankenhausalltag im „Ozean Road" in Dar-es-Salaam: 30 Patientinnen und mehr teilen sich einen Raum. Für viele ist die Krebsklinik die letzte Hoffnung Foto: Werner Falk

„Ozean Road”:

Tansanisches Tumor-Zentrum

Daressalaam. Robert Koch forschte einst am „Ozean Road"- Krankenhaus, heute ist das „Tansa- nia Tumor-Zentrum" (TTZ) in dem von deutschen Kolonialisten 1896 erbauten Gebäude ansässig.

Mit tatkräftiger Unterstützung der 1984 gegründeten „ Tumor-Hilfe Heidelberg e. V", die von dem

Schriesheimer Dr. med. Gerd Wol- ber angeführt wird, werden dort

160 Krebspatienten behandelt.

Prof. Dr. med. Ulrich Hensch- ke war im Jahr 1968 von der tansa- nischen Regierung beauftragt wor- den, eine Strategie zur Krebsbe- kämpfung aufzubauen. Heute ist Professor Jeff Luande Direktor des TTZ in der tansanischen Haupt- stadt Daressalaam, in der 1,2 Mil- lionen Einwohner leben. Dank der Hilfe des Instituts für Nuklearme- dizin am Deutschen Krebsfor- schungszentrum in Heidelberg konnten in den vergangenen Jah- ren die notwendigen medizinisch- technischen Geräte nach Tansania gebracht werden.

Der Besuch des Bundesmini- sters für wirtschaftliche Zusam- menarbeit in dem ostafrikanischen Land wurde von den Heidelbergern genutzt, um mit der Luftwaffenma- schine des Ministers ein neues Be- strahlungsgerät nach Daressalaam zu schaffen. Von der „Tansania Tu- mor-Hilfe", in der Otto Pastyr und der Heidelberger Dr. med. Heinz

Dieter Messerschmidt als stellver- tretende Vorsitzende mitarbeiten, werden jährlich zweimal Arznei- mittelspenden organisiert und auch sonstige Hilfssendungen zusam- mengestellt.

Zu den 160 Patienten zählen auffällig viele jungen Frauen, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt sind. „Vor Ort" werden Bestrah- lungen vorgenommen; Operatio- nen sind nicht möglich. Vom Haut- krebs sind insbesondere auch Kin- der befallen.

Die Hauptsorge der Heidelber- ger Helfer ist derzeit, wie das Kran- kenhaus langfristig gesichert wer- den kann. Es sind nämlich die Plä- ne der tansanischen Regierung be- kannt geworden, das Haus zu ver- äußern, um einen Hotelbau zu er- möglichen. Deshalb wollen die Mit- arbeiter des TTZ erreichen, daß das Gebäude aus der Kolonialzeit

in die Denkmalschutzliste aufge- nommen wird.

Es soll ferner von der Regie- rung für ein staatliches Entwick- lungshilfeprogramm angemeldet werden. Bislang war nämlich eine Unterstützung aus deutschen Ent- wicklungshilfegeldern nicht mög- lich, da die tansanischen Vorgaben fehlten. Lediglich aus dem Fonds des Auswärtigen Amts wurde vor Jahren das Dach des Krankenhau- ses renoviert.

• Hilfe ist immer willkom- men. Deshalb appellieren die TTZ- Mitglieder an die Öffentlichkeit, Spenden auf das Konto „Tansania Tumor-Hilfe" bei der Dresdner Bank in Heidelberg am Neckar (Konto 540 391 100) einzuzahlen.

Zwei deutsche Ärzte kümmern sich ständig darum, daß der Betrieb im Sinne der Spender erfolgt.

Werner Falk

sen, wenn die Kosten der deutschen Einheit weiter steigen sollten. 7,9 Milliarden DM umfaßt das Bonner Budget heuer, das sind nach Spran- gers Mitteilung runde acht Prozent mehr als im Vorjahr. Die Bundesre- publik Deutschland wird ihre Hilfe nicht von der Voraussetzung abhän- gig machen, daß in den Nehmerlän- dern demokratische, pluralistische Strukturen westlichen Musters herr- schen, aber sie erwartet, daß die Menschenrechte gewahrt werden,

und sie wünscht sich marktwirt- schaftlich und ökologisch ausgerich- tete Steuerungssysteme.

„Die Deutschen stehen zu ihrer nach der Wiedervereinigung gewach- senen Verpflichtung gegenüber der Dritten Welt", sagte der Bundesent- wicklungshilfeminister in die Mikro- fone der afrikanischen Journalisten.

Er will Wort halten: 26,3 Millionen DM werden 1987-91 für bilaterale AIDS-Projekte der „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit"

(GTZ), Bad Homburg v.d.H. in 18 Ländern ausgegeben. Die finanzielle Hilfe ist auch bitter nötig, denn AIDS-Prophylaxe und Behandlung eines einzigen Erkrankten mit dem Medikament AZT kostet jährlich rund 2200 US-Dollar.

Anschrift des Verfassers:

Werner Falk Weinbergstraße 26 W-8820 Gunzenhausen A-2884 (40) Dt. Ärztebl. 88, Heft 36, 5. September 1991

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