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Archiv "Adjuvante Chemotherapie beim Mammakarzinom" (21.10.1983)

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Adjuvante Chemotherapie beim Mammakarzinom

Hans-Erik Wander und Gerhard A. Nagel

Aus der Abteilung Hämatologie und Onkologie (Vorsteher: Professor Dr. med. Gerhard Nagel) am Zentrum für Innere Medizin

der Georg-August-Universität Göttingen

Adjuvante Systemtherapie des Mammakarzinoms

Eine adjuvante Therapie ist per definitionem prophylaktischer Na- tur. Demnach wird unter einer adjuvanten Chemo- und/oder Hor- montherapie die systemische Be- handlung im Anschluß an die lo- kale Sanierung verstanden, ohne daß Anhaltspunkte für eine Meta- stasierung vorliegen. Sie hat zum Ziel, mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden nicht erfaß- bare, aber vermutete Metastasen zu eliminieren und sowohl Rezi- diven als auch einer Generalisa- tion des Tumors vorzubeugen.

Zwar sind unsere Kenntnisse des Mammakarzinoms im letzten Jahrzehnt zweifellos erweitert (z. B. Hormonrezeptorbestim- mung, Prognosefaktoren) und die systemische Zytostatika- und Hor- montherapie mit Erfolg weiterent- wickelt worden, ein therapeuti- scher Durchbruch ist dennoch bis heute nicht gelungen und un- sere Bemühungen haben sich nach wie vor an folgenden Fakto- ren auszurichten:

~ Metastasierende Mammakarzi- nome sind nicht heilbar. Nach drei Jahren leben nur noch rund 30 Prozent der Patientinnen.

~ Mammakarzinome müssen sehr früh als Systemerkrankung angesehen werden. 60 bis 70 Pro- zent aller in kurativer Absicht be- handelter Patientinnen erleiden ein Rezidiv (Tabelle 1).

~ Sichere Methoden der Früher- kennung gibt es nicht.

~ Entscheidende Fortschritte sind zur Zeit von der Systemthera- pie des metastasierenden Mam- makarzinoms nicht zu erwarten.

~ Neue therapeutische Konzepte bestehen nicht.

Es ist deshalb nicht überraschend, daß besonders in die adjuvante Chemotherapie große Hoffnungen gesetzt werden, da sie allein auch auf Grund tierexperimenteller Er- gebnisse und theoretischer Über- legungen die Chance einer Über- windung des bestehenden thera- peutischen Plateaus bietet. Sie ist aber auch eine äußerst aggressive und mit erheblicher Morbidität be- haftete Therapieform mit noch un- bekanntem Spätrisiko, die es not- wendig macht, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob die unter kontrol- lierten Bedingungen erhaltenen Ergebnisse auch unseren Erwar- tungen entsprechen. Leider sind nicht alle Studien miteinander ver- gleichbar (z. B. unterschiedliche Zytostatikakombinationen, nicht v.ergleichbare Patientengruppen).

Uberdies erfüllen nicht alle die er- forderlichen Kriterien einer kon- trollierten und randomisierten Studie.

Klinisch relevante Unterteilung Legt man axillären Lymphknoten-, Hormonrezeptor- und Menopau-

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die adjuvante Chemotherapie des Mammakarzinoms hat die in sie gesetzten hohen Erwar- tungen nur in beschränktem Umfang erfüllen können. Ein Erfolg ist nur bei Patientin- nen mit einem bestimmten Ri- sikomuster zu erwarten. Lie- gen diese Voraussetzungen vor, ist es gerechtfertigt, Pa- tientinnen auch außerhalb von Studien zu behandeln.

senstatus für eine Einteilung zu- grunde, ergeben sich zwölf mögli- che Patientenuntergruppen, von denen jedoch - mehrere zusam- mengefaßt- nur drei Gruppierun- gen zur Zeit klinische Relevanz be- sitzen (Tabelle 2).

Studienergebnisse und Diskussion

15 Jahre können bei der skandina- vischen Studie von Nissen-Meyer et al. (4)*) überblickt werden, in der intraoperativ beginnend über sechs Tage Cyclophosphamid (30 mg/kg) einmalig injiziert wurde {Tabelle 3). Der Gewinn an Rezi- divfreiheit und Überlebenszu- wachs beträgt ohne Berücksichti- gung unterschiedlicher Patienten- gruppen etwa 10 Prozent. Über die Rezidivfreiheit nach der 1 Ojähri- gen Thiotepa-Applikation (NSABP- Studie) informiert Tabelle 4. Über das Ergebnis nach fünf Jahren FAC(Fiuorouracii/Adriamycin/Cy- clophosphamid)-Behandlung be- richtet Tabelle 5 (A. Buzdar et al., 1981 ).

Schon die Ergebnisse dieser klei- nen AuswahlvonAdjuvans-Studien zeigen, daß die hohen Erwartun- gen, die in die adjuvante Chemo- therapie gesetzt wurden, sich nicht erfüllt haben. Sie verdeutlichen fer- ner, daß ein genereller Einsatz die- ser Therapie nicht gerechtfertigt

ist. 1>

') Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

(2)

No 18 28 78 65

N 1-3 50 64 62 38

N 4 79 86 32 13

Axillärer

Lymphknotenbefall

Rezidivrate in % nach

Überlebensrate in % nach

5 Jahren 10 Jahren 5 Jahren 10 Jahren

alle Patientinnen 45 50 61 46

Tabelle 1: Rezidivraten beim Fisher et al. 1964 (3)

in kurativer Absicht operierten Mammakarzinom, nach

Tabelle 2: Bezüglich adjuvante Mammakarzinome

Chemotherapie klinisch relevante Unterteilung der

Anzahl Patientinnen

Rezidive Todesfälle

Cyclophosphamid 559 241 234

Kontrollgruppe 577 294 283

Tabelle 3: Ergebnisse nach 15 Jahren Cyclophosphamid-Behandlung Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin Mammakarzinom

Untergruppen 1 bis 4

Lymphknoten-negative und Hor- monrezeptor-positive Tumoren re- zidivieren in weniger als 20 Pro- zent, d. h. eine prophylaktische Therapie kann den mehr als 80 Prozent verbleibenden Patientin- nen nicht zugemutet werden. Da-

gegen hat sich gezeigt, daß das Risiko mit N o und R— größer ist als das mit N 1-3, aber R+. Es betrifft vorrangig nur Frauen in der Prä-

menopause. Dennoch kann eine adjuvante Chemotherapie bei die- ser Gruppe (noch) nicht empfoh- len werden, weil noch keine stati- stisch abgesicherten Behand-

adjuvante Systemtherapie sinnvoll Prämenopause

Postmenopause Postmenopause

fraglich Prämenopause

Postmenopause Prämenopause Postmenopause Prämenopause Postmenopause Prämenopause Postmenopause

lungsergebnisse vorliegen. Pa- tientinnen der Prämenopause mit negativem Rezeptorstatus und fehlendem metastatischen Axilla- bdfall stellen jedoch vermutlich die Gruppe von Patientinnen dar, die am ehesten von der adjuvan- ten Chemotherapie profitieren dürften (Tabelle 6).

Untergruppen 5 bis 8

Am klarsten entspricht das theore- tische Konzept der Situation in den Untergruppen 5 bis 8. Eine Mikrometastasierung hat bereits stattgefunden, das Rezidivrisiko ist statistisch beträchtlich, die zu erwartende Tumormasse dagegen gering. In der Tat ist hier die Indi- kation einer adjuvanten Chemo- therapie am wenigsten umstritten und der Erfolg in allen entspre- chenden Studien ausgewiesen (Tabellen 6 und 7).

Der Einfluß der Rezeptoren und des Menopausenstatus bleibt bis- her noch unberücksichtigt, weite- re Gruppierungen mit erhöhtem oder vermindertem Risiko konn- ten noch nicht definiert werden.

Nichtsdestoweniger ist diese die eigentliche Zielgruppe der adju- vanten Chemotherapie.

Untergruppen 9 bis 12

Liegt bereits eine massive Lymph- knoteninfiltration vor (N > 3), muß von einer bereits stattgefundenen Generalisation des Mammakarzi- noms ausgegangen werden, der klinische Nachweis ist nur eine Frage der Zeit (abhängig vom Re- zeptorstatus? Siehe Tabelle 8).

Vom theoretischen Ansatz her be- steht zwar eine klare Indikation zur Therapie, die Studienergebnis- se aber sind widersprüchlich und lassen berechtigte Zweifel zumin- dest in der heute praktizierten

Form aufkommen. Denkbar sind intensivere, aggressivere und län- ger andauernde Zytostatikare- gime, eventuell kombiniert mit Strahlen. Denkbar ist ferner, daß Pa-

tienten- gruppe

9 10 11 12 1 2 3

5 6 7 8

axilläre Lymph- knoten

N 1-3 N 1-3 N 1-3 N 1-3 N 4 N 4 N 4 N 4

No N o Na No

Hormon- rezeptor

R+

R+

R—

R—

R+

R+

R—

R—

R+

R—

R—

Menopausen- status

Prämenopause

ja nein

fraglich

52 Heft 42 vom 21. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Mammakarzinom

prämenopausal

}4N 11 16 N = Anzahl der metastatisch befallenen axillären Lymphknoten Tabelle 4: Ergebnisse nach 10 Jahren Thiothepa-Applikation

FAC Kontrolle

N 1-3 75% 49%

N >_4 65% 42%

Tabelle 5: Ergebnisse nach fünf Jahren FAC-Behandlung

5 Jahre prämenopausal ER+

ER- postmenopausal ER+

ER-

Tabelle 6: Rezidivfreiheit in Prozent (464 Patientinnen) N o , keine Bestrahlung oder adjuvante Therapie, nach P. Valagussa et al. 1981 (5)

Kontrolle 179 Patienten N 1-3

N > 3

prämenopausal postmenopausal

55,7

Tabelle 7: Prozentuale rezidivfreie Überlebenszeit nach der Mailänder Studie von Bonadonna et al. 1982 (1)

die Überlebenszeit gleich bleibt, wenn erst nach Manifestwerden der Metastasierung mit der Be- handlung begonnen wird. Über- einstimmende Therapiekonzepte bestehen bisher nicht, so daß der Wert einer Prophylaxe zunächst in Studien abgeklärt bzw. eine Indi- kation nur sehr zurückhaltend ge- stellt werden sollte.

Adjuvante Chemo- und Strahlentherapie

Bis heute fehlt der statistisch gesi- cherte Nachweis, daß die adjuvan- te Strahlentherapie die Heilungs- chancen und Überlebenszeiten verbessert. Das Auftreten von Lo- kalrezidiven läßt sich mit alleiniger Systemtherapie in gleicher Weise senken, wie dies die Strahlenthe- rapie vermag. Eine Kombination von Chemotherapie und Strahlen- therapie ist deshalb in der Regel nicht sinnvoll, stellt eine Überbe- handlung dar und verzögert die Systemtherapie. Zudem sind Inter- ferenzen von Strahlen und insbe- sondere Substanzen wie dem Adriamycin bekannt. Auch Sitz und Größe des Primärtumors ver- schlechtern die Prognose nur ent- sprechend dem axillären Lymph- knotenstatus. Die Kombination beider Therapieformen sollte des- halb Sonderfällen vorbehalten bleiben, zumal verschiedene Auto- ren von ungünstigeren Studiener- gebnissen — verglichen mit Kon- trollgruppen — berichten (Tabelle 10).

Adjuvante Hormontherapie In den letzten Jahren wird ver- stärkt — auch wegen der bekann- ten Zytostatikanebenwirkungen — die adjuvante Hormontherapie ge- prüft. Die ersten Frühergebnisse sind vielversprechend. Es ist je- doch keineswegs klar, ob mit hor- monellen Maßnahmen Heilungen erzeugt werden können. Falls nein, wird nicht der gleiche Effekt erzielt, wenn erst bei Manifestwer- den der Erkrankung mit der Be- handlung begonnen wird? Denk-

Thiotepa Placebo

Anzahl Patientinnen

406 414

1-3 N 40 44

?4N 32 11

postmenopausal 1-3 N

43 32

3 Jahre 89,7 63,0 88,0 76,3

81,1 75,3 85,2 38,8

total

44,9 31,8

43,8 45,6

42,7

CMF 12x 207 Patienten

35,7

50,5 65,1

59,8

bar ist der frühe Einsatz einer Hor- montherapie bei massiv infiltrier- ten axillären Lymphknoten und bestehenden Kontraindikationen zur Chemotherapie.

Solange derart viele Unsicherhei- ten bestehen, scheint auch der

Einsatz kombinierter Hormon- Chemotherapie zumindest in der Routine und außerhalb von Stu- dien verfrüht.

Neben allen anderen ungeklärten Fragen sei noch die der optimalen Dosis und Therapiedauer heraus-

(4)

he Ergebnisse G. Bonadonna et al.

[1] ). Ist aber auch eine sechsmo- natige Dauer notwendig? Der Ver- such einer hochdosierten einmali- gegriffen. Es hat sich gezeigt, daß

eine Behandlungsverlängerung über sechs Monate hinaus keinen zusätzlichen Erfolg verspricht (sie-

14 39

23 23

14 36

17 18

N 4 33 29 14 43

N 1-3 17 27 12 44

N 4 61 22 15 8

bis 50 Jahre N 1-3

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Mammakarzinom

total 48,4 62,7 69,4

N 1-3 53,2 76,8 77,5

N > 3 36,5 43,6 56,9

prämenopausal 44,2 66,5 69,4

postmenopausal 75,2 57,4 68,8

Kontrolle 179 Patienten

CMF 12x 450 Patienten

CMF 6x 216 Patienten

Tabelle 8: Prozentuale rezidivfreie Überlebenszeit nach sechs bzw. zwölf Zyklen CMF, nach Bonadonna et al. 1982 (1)

Total 82 65

92 74

N 1-3 84 57

N 4 60 32

östrogenrezeptor positiv negativ

Prämenopausal 82 65

Postmenopausal 85 62

Tabelle 9: Rezidivfreies Überleben (Prozent) bei 281 Patientinnen ohne Therapie in Abhängigkeit vom Hormonrezeptorstatus nach zwei Jahren, nach C. K. Osborne et al., 1980

L-PAM L-PAM + S CMF CMF + S

ab 50 Jahre 40 25 13 24

Tabelle 10: Rezidivhäufigkeit (Prozent) im Vergleich einer Monosubstanz (L-PAM) mit der Kombination CMF ± Strahlentherapie (S) nach zwei Jahren, nach M. R. Cooper et al., 1981

56 Heft 42 vom 21. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

gen Zytostatikadosis intra- bzw.

perioperativ ist seit Nissen-Meyer (4) trotz positiver Ergebnisse nicht wiederholt worden. Gibt es nicht Hinweise dafür, daß eine aggressi- ve kurzfristige Induktionstherapie ausreicht? Diese Fragen sind je- doch ausschließlich in Studien zu klären.

Risiken und Nebenwirkungen der adjuvanten Chemotherapie Weil die adjuvanten Chemothera- peutika in der gleichen vollen Do- sierung gegeben werden und ge- geben werden müssen wie die Zy- tostatika bei manifest metastasie- renden Tumoren, stellt sich zu- mindest grundsätzlich das be- kannte Problem der erheblichen subjektiven und objektiven Neben- wirkungen dieser Substanzen. Wie aus den Studien von Bonadonna (1) hervorgeht, ist die Einhaltung der vorgeschriebenen Zytostatika- dosis für den maximalen Thera- pieerfolg äußerst kritisch. Beob- achtungen der Mailänder Gruppe ergaben, daß in einzelnen Studien nur 17 Prozent der Patientinnen überhaupt die vollen Zytostatika- dosen tolerierten, mit anderen Worten, bei 83 Prozent der Fälle Dosisreduktionen vorgenommen werden mußten. Damit waren je- doch auch erhebliche Einbußen an therapeutischem Gewinn ver- bunden.

Enorm problematisch ist die Ab- schätzung zweier Kategorien von Nebenwirkungen, die subjektiv psychischen und die Spät- schäden.

Eine adjuvante Chemotherapie wird unmittelbar postoperativ be- gonnen. Sie fällt also genau in je- ne Phase der Erkrankung, in wel- cher die Patientin mit dem Pro- blem des Verlustes der Brust, dem Versehrtsein als Frau und der Angst vor der Zukunft fertig zu werden hat. Die an sich viel Ruhe und psychische Arbeit vorausset- zende Rekonvalenszenz wird nun erheblich gestört, wenn adjuvante Chemotherapie verabreicht wird. >

(5)

Zum Verlust der Brust kommen die häufigen Arztgänge, die - wenn die psychische Führung und Einsicht in das kurative Therapie- konzept nicht optimal ist-ein per- manentes memento mori bedeu- ten, hinzu kommt häufig der Ver- lust von Periode, Haaren und - in seiner ganzen Dimension noch nicht adäquat untersucht und be- achtet- von Libido und Potenz. Es ist nicht genau bekannt, wie oft durch die adjuvante Chemothera- pie der psychische Verarbeitungs- prozeß, das Selbstwertgefühl der Frau und die partnerschaftliehe Beziehung noch zusätzlich gestört werden. Eigenen Erfahrungen nach wird diese Seite des Proble- mes unterschätzt.

Der zweite Problemkreis betrifft Spätschäden der Chemotherapien -insbesondere auch die Induktion von Zweittumoren. Gross hat im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 17/1983 im Editorial "Zytostatika: Nutzen und Gefahren" diesen Komplex abgehandelt. Bekannt ist von anderen Tumoren, daß nach Zytostatikatherapie die Zweittu- morrate ansteigen kann. Ob dies durch die Zytostatika selbst, durch die längere Überlebenszeit vieler Kranker, durch eine langfristige Immunsuppression oder zufällige Konstellationen bedingt ist, bleibt nach wie vor ein äußerst schwieri- ges epidemiologisches Problem. Nicht zu leugnen ist jedoch die grundsätzliche karzinogene Po- tenz, insbesondere von alkylieren- den Substanzen. Bezüglich der adjuvanten Chemotherapie des Mammakarzinoms fehlen bisher Belege über eine erhöhte Chemo- therapie-induzierte Zweittumorra- te. Allerdings sind die Beobach- tungszeiträume auch noch zu kurz, um definitive Schlußfolge- rungen ziehen zu können.

Schließlich sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, daß man noch nicht Bescheid weiß über die Entwicklung einer Chemothera- pieresistenz gegen Substanzen, die zu einem späteren Zeitpunkt bei manifester Metastasierung zum Einsatz kommen sollen, über

gesichert

~ Verlängerung der Rezidiv- freiheit

~ keine Verbesserung durch zusätzliche Strahlentherapie

~ therapeutischer Gewinn bei N 1-3

~ Überbehandlung bei Lymph- knoten-negativen und Hormon- rezeptor-positiven prä- und postmenopausalen Patien- tinnen

~ hohes Rezidivrisiko Lymph- knoten-negativer und Rezeptor- negativer prämenopausaler Pa- tientinnen

~ keine erhöhte Lokalrezidiv- rate

~ Kombinationstherapie in der Volldosis am wirksamsten

~ Therapiedauer von sechs Monaten ausreichend

~ Zweitneoplasierate bisher nicht erhöht

~ unspezifische Immunstimu- lation unwirksam

nicht gesichert

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Mammakarzinom

~ Verlängerung der Überle- benszeit

~ zusätzliche Strahlentherapie bei mehr als drei metastatisch befallenen axillären Lymphkno- ten und bereits fixierten Tumoren

~ Wert der adjuvanten Hor- montherapie

~ Wert der adjuvanten kombi- nierten Hormon- und Zytostati- katherapie

~ optimaler Therapiebeginn (vor, während oder wie lange nach der Operation)

~ optimale Therapiedauer

~ gleiches Therapiekonzept für alle Risikogruppen sinnvoll

~ Spättoxizität

~ Folgetherapien bei Metasta- sierung

Tabelle 11: Gesichertes und Nichtgesichertes über die adjuvante Systemtherapie die Induktion ungewöhnlicher Me-

tastasierungstypen, speziell Hirn- metastasen, und über die Bedeu- tung der chronischen Immunsup- pression und Anfälligkeit für virale Erkrankungen - insbesondere Vi- ren mit langer Inkubationszeit (slow virus, AIDS) - und schließ- lich über andere Organschäden.

Schlußfolgerung

Die Erwartungen, die in die adju- vante Systemtherapie gesetzt wer- den, haben sich nicht erfüllt. Nach dem heutigen Wissensstand scha- det eine unkritische und generelle Anwendung mehr, als sie nützt. Da aber Alternativen nicht bestehen, kann eine völlige Ablehnung die- ser Behandlungsform ebensowe- nig hilfreich sein wie eine kritiklo-

se Anwendung, es muß vielmehr konsequenterweise versucht wer- den, die Patientengruppen genau- er zu definieren, denen die Thera- pie Vorteile bringt bzw. für die sie eine Überbehandlung darstellt. So scheinen beispielsweise prämeno- pausale Patientinnen einen höhe- ren Gewinn von der adjuvanten Chemotherapie zu haben als post- menopausale. Viele offene und ungelöste Fragen der adjuvanten Chemotherapie werden frühe- stens in weiteren fünf Jahren zu beantworten sein, einige konnten bereits weitgehend geklärt wer- den. Sie sind bei einem Thera- pieentscheid selbstverständlich zu berücksichtigen.

Ist die Indikation gegeben, sollte eine adjuvante Systemtherapie nur dann eingeleitet werden, wenn

(6)

Medikament Nebenwirkungen

Vincristin Neuropathie, Alopezie, Hautnekrosen (!) bei paravenöser Injektion

Vindesin Neuropathie milder bei gleicher Wirkung Panzytopenie, Alopezie, Kardiomyopathie, Hautnekrosen (!) bei paravenöser Injektion Adriamycin

Cyclophosphamid Panzytopenie, Alopezie, Nausea

Methotrexat Panzytopenie, Stomatitis, Cave Nierenin- suffizienz

Fluorouracil Panzytopenie, Stomatitis, Nausea Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin Mammakarzinom

VAC Vincristin 1,0 mg/m2 Körperoberfläche (Oncovin) Tag 1 i. v.

Gesamtdosis nicht über 2 mg Adriamycin 40 mg/m 2 Körperoberfläche (Adriblastin®) Tag 1 i. v.

Cyclophosphamid 200 mg/m 2 Körperoberfläche (Endoxan®, Cyclostin® Tag 3 bis 6 per os

usw.)

oder Ersatz des Vincristin durch

Vindesin 3 mg/m 2 Körperoberfläche

(Eldisine®) Tag 1 i. v.

Wiederholung alle drei Wochen

CMF (P) Cyclophosphamid 100 mg/rn 2 Körperoberfläche (Endoxan®, Cyclostin® Tag 1 bis 14 per os

usw.)

Methotrexat 40 mg/m 2 Körperoberfläche Tag 1 und 8 i. v.

Fluorouracil 600 mg/m 2 Körperoberfläche Tag 1 und 8 i. v.

(Prednison) 1 mg/kg Körpergewicht Tag 1 bis 14 per os

Wiederholung alle vier Wochen

Tabelle 12: Dosierung einer adjuvanten Chemotherapie mit VAC oder CMF (P)

Tabelle 13: Zu befürchtende Nebenwirkungen bei adjuvanter Chemotherapie

die Patientin diese wünscht, nach- dem sie über alle Nebenwirkun- gen, Gefahren und Unsicherheiten aufgeklärt worden ist.

Informationen zu diesem Problem gibt Tabelle 11. Bei prämenopau- salen Frauen muß besonders das Mutagenitätsrisiko beachtet und müssen gegebenenfalls antikon- zeptionelle Maßnahmen eingelei- tet werden.

Die immer wieder erhobene For- derung, die prophylaktische The- rapie nur innerhalb von Studien durchzuführen, ist u. E. zum ge-.

genwärtigen Zeitpunkt unreali- stisch, zumal die verwendeten Zy- tostatikakombinationen mit denen bei stattgefundener Metastasie- rung benutzten identisch sind.

Zum anderen ist es beim heutigen Wissensstand nicht vertretbar, daß nur die Frauen diese Behandlung erfahren, die das Glück haben, in der Nähe eines Tumorzentrums zu wohnen.

Voraussetzung muß jedoch eine genaue Dokumentation verwende- ter Substanzen, Dosierungen, Dauer und Zyklusintervalle sein, da bei einer eventuellen Generali- sation die weitere Behandlung nur bei Kenntnis dieser Daten adäquat durchgeführt werden kann.

Unverzichtbar für die Indikations- stellung einer adjuvanten Chemo- therapie sind erstens der axilläre Lymphknotenstatus, wobei immer wieder gefordert wird, daß minde- stens acht bis zehn Lymphknoten histologisch untersucht werden müssen, auch oder gerade wenn diese makroskopisch unauffällig schienen, zweitens der Hormonre- zeptor (Östrogen- und Progeste- ronrezeptor) und drittens der Me- nopausenstatus.

Durchführung

Die Voraussetzungen zur adjuvan- ten Chemotherapie sind in der nachstehenden Aufreihung aufge- führt.

60 Heft 42 vom 21. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Mammakarzinom FÜR SIE GELESEN

Voraussetzungen einer adjuvanten Chemotherapie

• Mehr als acht axilläre Lymph- knoten auch histologisch unter- sucht,

€) Fernmetastasen ausgeschlos- sen — Minimalprogramm der dazu nötigen Untersuchungen: körper- liche Untersuchung, CEA, Rönt- gen-Thorax, Skelett-Szintigramm, Leber-Szintigramm (oder Sono- graphie bzw. Computer-Tomo- gramm),

O Hormonrezeptorstatus,

(!)

Einverständnis der Patientin nach adäquater Aufklärung,

11)

seit Operation noch nicht mehr als 14 Tage vergangen,

• gesicherte, ständige ärztliche Betreuung,

O Zuverlässigkeit der Patientin und gesicherte Durchführbarkeit der Therapie,

O Karnofsky-lndex > 60 Prozent,

• Keine Kontraindikation ZU r Chemotherapie,

(j) Bei prämenopausalen Patien- tinnen: Kontrazeption geregelt.

Auf Grund der bisher in Adjuvans- studien erarbeiteten Daten sollte die Therapie in folgender Weise konsequent durchgeführt werden :

• Beginn innerhalb von 14 Tagen post operationem,

(;) gängige und erprobte Zytosta- tikakombinationen anwenden (z. B. VAC-, CMF-Schema, siehe Tabelle 12),

• nur in der errechneten Voll- dosis,

lO möglichst keine Intervallver- längerung,

(i)

Therapiedauer sechs Monate.

Abweichungen verhindern nicht die Nebenwirkungen, sondern den eventuellen Therapieerfolg.

Auch eine Verlängerung der The- rapiedauer verspricht keinen zu- sätzlichen Effekt.

Über die Dosierung informiert Ta- belle 12, über zu befürchtende Ne- benwirkungen berichtet Tabelle 13.

Zusammenfassung

Die adjuvante Chemotherapie bie- tet als einzige heute denkbare Be- handlungsmodalität die Chance, das Stagnieren der Heilungsrate beim Mammakarzinom zu über- winden. Die Behandlungsergeb- nisse haben die hohen Erwartun- gen bisher jedoch nicht erfüllt. Ne- ben vielen ungeklärten Fragen wie der nach optimaler Dosis, Kombi- nation, Dauer, Zeitpunkt usw. mag dies an der mangelnden Patien- tenselektion liegen.

Sicherere Aussagen sind erst nach Ablauf von weiteren etwa fünf Jah- ren zu erwarten. Dies impliziert, daß eine generelle, kritiklose An- wendung der adjuvanten Chemo- therapie mehr schaden als nützen kann.

Besteht jedoch eine klare Indika- tion und liegen alle Voraussetzun- gen vor, muß jeder Patientin diese Behandlungsform zumindest an- geboten werden. Sollte sich her- ausstellen, daß echte Heilungen oder zumindest deutlich verlän- gerte Überlebenszeiten tatsäch- lich erreicht werden können, wird der adjuvanten Chemotherapie ei- ne immense Rolle auch im Zusam- menhang mit weniger radikalen Operationen zufallen.

Literatur beim Verfasser

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Hans-Erik Wander Abteilung Hämatologie und Onkologie am

Zentrum für Innere Medizin Robert-Koch-Straße 40 3400 Göttingen

Langzeitergebnisse der Cholezystektomie

Bis zu einem Viertel aller chole- zystektomierten Patienten klagen postoperativ über schwer faßbare, unbestimmte Schmerzzustände oder Verdauungsbeschwerden, für die keine organische Ursache gefunden werden kann.

In einer prospektiven Studie erfaß- ten die Schweizer Autoren 346 Pa- tienten, die 6, 12, 24 und 48 Mona- te nach der Operation durch syste- mische Nachkontrollen (VISICK) und Selbstbeurteilung hinsichtlich postoperativer Komplikationen analysiert wurden.

Bei über 80 Prozent der Patienten war das Operationsresultat als sehr gut beurteilt worden, nur bei einem Prozent fanden sich Be- schwerden wegen einer organi- schen Ursache.

Zumeist lagen leichte, sogenannte funktionelle Störungen (postpran- diale Verdauungsbeschwerden, Schmerzen im Oberbauch) vor.

Diese funktionellen Störungen fanden sich vermehrt bei Frauen mit jahrelangen präoperativen Be- schwerden und häufigen Schmerzanfällen.

Keinen Einfluß auf das Opera- tionsergebnis hatten das Alter des Patienten, der Schmerzcharakter, die Therapie vor der Operation, lo- kale und allgemeine Komplikatio- nen nach der Operation und der spätere Gewichtsverlauf.

Gute Ergebnisse wiesen auch Pa- tienten mit Pankreatitis und Cho- lezystitis oder Patienten auf, bei denen eine Gallengangsrevision vorgenommen worden war.

Stirnemann, H.; Aebersold, P.; Bader, M.;

Biaggi, J.; Büchler, U.; Nussberger, P.; Wyler, A.: Was bestimmt die Prognose nach Chole- zystektomie: Anamnese, Operationsbefunde, postoperative Komplikationen? Schweiz.

med. Wschr. 113 (1983) 448-453, Chirurgische Abteilung, Regionalspital CH-3400 Burgdorf

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