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Archiv "Programmatik sozialistischer Systemveränderung" (13.04.1978)

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Die Information:

Bericht und Meinung

Auch von einem anderen Gesetz, dem Bundesmeldegesetz, schwa- ne dem Bundesbürger nicht allzu- viel Gutes. Unter dem Stichwort

„Mehr Transparenz" setzten die Politiker alles daran, um den Pa- tienten zum „gläsernen", versi- cherten Objekt von Staats- und Sozialfunktionären zu entwürdi- gen. Obwohl die Personenkennzif- fer wegen eklatanter Verstöße ge- gen das Grundgesetz von allen Bundestagsfraktionen abgelehnt worden sei, ließen sich weder Bundesinnenministerium noch Bundesarbeitsministerium davon abhalten, die Visionen Orwells in Gesetzesform umzugießen. Erklär- tes Ziel sei es, den Versicherten absolut „durchsichtig" zu ma- chen. Selbst der befristete Aufent- halt in einer psychiatrischen An- stalt werde nach dem Meldegesetz möglicherweise ein Leben lang und für einen nicht mehr zu über- schauenden Personenkreis regi- striert. Allein der nicht mehr aus- zuschließende Verbund der Daten des Meldegesetzes mit den über Versichertenausweis und Versi- chertennummer gespeicherten und erreichbaren Sozialdaten pro- grammierten den „gläsernen Men- schen" vor.

Düstere Perspektiven

Die von Professor Deneke aufge- zeigten Perspektiven einer ver- planten, nivellierten Arbeitneh- mergesellschaft muten aufs Ganze gesehen wenig hoffnungsvoll an:

Durch eine verfehlte Bildungspoli- tik wird sich die Zahl der Studien- absolventen im Fach Medizin auf jährlich 11 500 einpendeln. Die Zahl der berufstätigen Ärzte wird sich von derzeit 120 000 auf über 216 000 im Jahr 2000 erhöhen. Da- durch verschlechtern sich die Be- rufschancen zunehmend. Nicht je- der der ärztlichen Berufsanfänger wird in Zukunft damit rechnen können, den erlernten Beruf tat- sächlich auch ganztägig sinnvoll ausüben zu können. Bereits für 1979 sagte der BÄK-Geschäftsfüh- rer voraus, daß vor allem viele der älteren niedergelassenen Ärzte ei-

ne reale Einkommenseinbuße hin- nehmen müßten. Die im KVKG ein- gebauten globalen Plafondie- rungsmaßnahmen werden mit Si- cherheit den Verteilungskampf der Leistungsanbieter verschärfen, gleichzeitig aber das Einkom- mensgefüge innerhalb der einzel- nen Arztgruppen noch weiter aus- einanderdriften lassen.

Die Politik, durch kostspielige Ausbildung sozial unbefriedigte und enttäuschte Akademiker her- anzubilden, sei schlichtweg ver- antwortungslos. „Sie ist bewußte und gewollte Provokation soziali- stischer Revolutionierung der ge- sellschaftlichen Ordnung." Die Überproduktion von Akademikern habe im Ergebnis „Lebensqual"

statt „Lebensqualität" beschert.

Aber dies werde offenbar von vie- len Polit-Technokraten bewußt provoziert, um eigene machtpoliti- sche Interessen durchzusetzen und unliebsame gesellschaftliche Gruppen existentiell in die Knie zu zwingen.

Deneke zitierte eine aktuelle Un- tersuchung von Professor Dr.

Günter Sieben, Universität Köln, der detailliert nachwies, daß die Steigerung der Nettoeinkommen der Ärzte gegenüber dem Anstieg der Einkommen der Unselbständi- gen in den vergangenen zehn Jah- ren relativ zurückblieb. Das Jahr 1967 gleich 100 gesetzt, stieg das Einkommen der Ärzte auf 143,4 Prozent, das der Arbeitnehmer auf 211,7 Prozent. Berücksichtigt man die im Durchschnitt gestiegene Ar- beitszeit der freipraktizierenden Ärzte, so liegt das leistungsneutra- le Einkommen des Kassenarztes heute nur noch rund tausend DM über dem eines Beamten der Be- soldungsstufe A 16 (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12/1978, Seite 675).

Noch kein Grund zur Resignation Trotz des schlechter gewordenen gesundheitspolitischen Klimas gibt es keinen Grund zur Resigna-

tion, resümierte Deneke unter Zu- stimmung des Auditoriums. Politi- ker aller Parteien müßten endlich einsehen, daß unvernünftige und überzogene Sozialleistungen die mitmenschliche Opferbereitschaft systematisch überforderten. Nur die Rückbesinnung auf das öko- nomisch Machbare, die Wiederbe- lebung der Kräfte der Privatinitiati- ve sowie des Leistungswillens je- des einzelnen könnten bereits in naher Zukunft eine Wende herbei- führen.

Durch das Vorleben altruistischer Grundsätze könne auch die junge Generation gewonnen • werden.

Der Individualmedizin bleibe auch heute noch eine realistische Chan- ce, wenn sich die Ärzteschaft ihrer Sozialfunktion durch persönlichen Einsatz Tag für Tag bewußt bleibe.

• Die Berichterstattung über die Berufspolitischen Kolloquien in Badgastein und in Davos wird im nächsten Heft fortgesetzt.

Programmatik sozialistischer Systemveränderung

J.F. Volrad Deneke

Ende September 1977 veröffent- lichte die Gewerkschaft ÖTV ihr gesundheitspolitisches Pro- gramm. Gegenüber den seit mehr als fünf Jahren bekannten Plänen des Deutschen Gewerkschafts- bundes enthält es in Inhalt und Zielsetzung nichts grundsätzlich Neues, nur Präzisionen und Bestä- tigungen des bisher in gewerk- schaftlichen Publikationen bereits bekanntgemachten Willens zu ei- ner totalen Veränderung unseres Systems der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland.

Wenige Wochen später verab- schiedete der Parteitag der SPD in Hamburg in der atemberaubenden

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 15 vom 13. April 1978 877

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Die Information:

Bericht und Meinung

Berufspolitisches Kolloquium

Schnelligkeit von vierzig Sekun- den ohne jede Diskussion ein ge- sundheitspolitisches Programm.

Die diskussionslose Zustimmung zu diesem Papier erklärt sich auch daraus, daß an der Basis der Partei jahrelang, allerdings partiell stritti- ge Diskussionen vorausgegangen waren und die obersten Parteibos- se in Sorge um die Einheit der Partei die Gesundheitspolitik als Spielwiese der extremen Linken freigegeben haben.

Inhalt und Zielsetzung dieses Pro- gramms stimmen mit den gewerk- schaftlichen Vorstellungen voll überein: Ein „integriertes System medizinischer Versorgung" soll in einem der Sozialpolitik eingeglie- derten Gesundheitswesen aus dem mündigen Bürger einen ganzheitlich versorgten und kon- trollierten Patienten machen. Die- ser wird in Medizinisch-Techni- schen Zentren, in Medizinischen Gemeinde-Zentren, in Beratungs- stellen und durch ein zentrales In- formationssystem in seinen Bezie- hungen zum Arzt den Sozial- und Gesundheitsfunktionären total

„transparent" gemacht.

Noch applaudieren die publizisti- schen Schausteller Augstein und Nannen, noch applaudieren auch Welt- und Bildschreiber Axel Springers, weil den Patienten und

Versicherten, weil ihren Lesern dies erst später ans Herz greift.

Dann allerdings werden die Mei- nungsmacher auch an einer 180- Grad-Drehung um ihre Meinungs- Achse verdienen. Es sind schließ- lich auch dieselben, die heute ein Zuviel an medizinischtechnischen Leistungen kritisieren, die noch vor drei bis vier Jahren mangelhaf- te technische Ausrüstung der ärzt- lichen Praxen kritisiert haben.

In diesem programmatischen Zu- sammenhang muß auch die frei- lich mit Emotionen begleitete, in- nerärztlich strittige Diskussion um das Hamburger Projekt „Praxiskli- nik Mümmelmannsberg" gesehen werden. Die sozialistisch dekla-

rierte Zielvorstellung „integrierte medizinische Versorgung" der neomarxistischen Systemverände- rer trifft hier auf ein Modell, das nun seinerseits von den ärztlichen Initiatoren wegen der erwarteten

„Integrationsfunktion" gefördert wird.

Bei kühler und distanzierter Beob- achtung zwingt sich die Frage auf:

Warum geben Sozialdemokraten in der gleichen Stadt, in der sie einen tatsächlichen oder angebli- chen Bettenberg abbauen, Millio- nengelder für den Aufbau eines

„kleinen" privat und ärztlicher-

seits initiierten Bettenhügels aus?

Die von Sozialdemokraten Ham- burger und bundesdeutscher Pro- venienz bei Einweihung der „Pra- xisklinik Mümmelmannsberg" ge- sprochenen drängenden Worte mit drohendem Unterton machen dem kritischen Beobachter deut- lich, daß diese staatliche Förde- rung nur in der Erwartung erfolgt sein kann, daß mit diesem Modell mindestens indirekt sozialisti- schen Plänen gedient wird.

Dieses Beispiel der Abkehr von der bewährten Arbeitsteilung ambu- lanter und stationärer Versorgung macht deutlich, wie komplex die Zusammenhänge sind und welche Gefahren beachtet werden müs- sen, wenn es gilt, Zukunft aus ärzt- licher Eigeninitiative zu gestalten.

Was heute von öffentlichen Mei- nungsmachern als fortschrittlich gepriesen wird, ist in aller Regel nicht der individuellen Freiheit und schon gar nicht der berufli- chen Entscheidungsfreiheit des Arztes förderlich.

(Aus dem Vortragsmanuskript des Hauptgeschäftsführers der Bun- desärztekammer und des Deut- schen Ärztetages, Prof. J.F. Volrad Deneke; Berufspolitisches Kollo- quium beim Internationalen Fort- bildungskongreß der Bundesärz- tekammer in Davos).

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878 Heft 15 vom 13. April 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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