Die Information:
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
Arbeitsplätze vom Arzt
Wer bislang wissen wollte, wieviel Praxispersonal in den Praxen nie- dergelassener Ärzte beschäftigt ist, der war auf Schätzungen angewie- sen. Um so aufschlußreicher sind statistische Untersuchungen der Unfallversicherungsträger, die jetzt für 1975 vorliegen. Danach sind in den 47 930 Praxen niedergelassener Ärzte beschäftigt:
I> 17 685 mitarbeitende Ehe- partner
I> 111 929 sonstige Arbeitnehmer und Auszubildende sowie
I> 18 310 Haushalts- und Putzhil- fen. Insgesamt also
ao• 147 924 Beschäftigte.
Eine respektable Zahl, auch arbeits- marktpolitisch gesehen, vor allem angesichts dieses eng begrenzten Markts. Arbeitsmarkt- wie beschäfti- gungspolitische Probleme stehen in gleichem Maße auf der Aufgabenli- ste der neuen Regierung wie eine kostendeckende Finanzierung der Rentenversicherung. Daß die Lö- sung beider Aufgaben in engem sachlichen Zusammenhang steht, wird man zugeben müssen: Woher sollen die beitragspflichtigen Ren- tenzahler kommen, wenn wir weiter- hin Arbeitslose hinnehmen müssen?
Doch die Problem-Lösung wird nicht dadurch erleichtert, daß so- zial-liberale Politiker Rentenlasten der Krankenversicherung aufbürden wollen. Und dann soll es in erster Linie die Ärzteschaft sein, die ihren Gürtel enger schnallen muß: An sie soll der Ausgabendruck der Kran- kenversicherung, bedingt durch die zusätzliche Belastung der Renten- versicherung, vor allem weitergege- ben werden.
Ob diese Entwicklung spurlos am Praxispersonal vorübergehen wird, wird man sicherlich jetzt fragen dür- fen. awa
NACHRICHTEN
Neue Honorarregelung mit den Trägern
der Rentenversicherung
Der Verband Deutscher Rentenver- sicherungsträger und die Bundes- ärztekammer haben, nachdem die bis zum 31. Dezember 1976 laufende bisherige Honorarabsprache von der Bundesärztekammer gekündigt worden war, eine neue Vereinba- rung über die Vergütung ärztlicher Leistungen bei der medizinischen Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung geschlossen.
Bestanden bisher zwei Vereinbarun- gen, getrennt nach formfreien und Formulargutachten, so wurde die den Mitgliedern empfohlene Neure- gelung nunmehr in einem Schrift- stück zusammengefaßt.
Die Vergütung ärztlicher Begutach- tungen wurde den wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßt.
Um die Schwierigkeiten zu beseiti- gen, die bisher bei der Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit der Vergütung von ärztli- chen Leistungen und Aufwendun- gen auftraten, die nicht in dieser amtlichen Gebührenordnung ent- halten waren, entschlossen sich die Vertragspartner, die Honorierung dieser Leistungen nunmehr auf den Bewertungsmaßstab Ärzte (BMÄ) abzustellen. Die Vereinbarung gilt vom 1. Januar 1977 an und ist auf ein Jahr befristet. uer
Gesetz über Entschädigung von Zeugen und
Sachverständigen geändert
Der Deutsche Bundestag hat eine Änderung des seit 1969 geltenden Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen beschlossen, die am 1. Januar 1977 in Kraft tritt. Danach wird der bishe- rige Höchststundensatz von 30 DM auf 50 DM angehoben. Sofern sich der Gutachter mit der wissenschaft- lichen Lehre auseinanderzusetzen hat, kann der Stundensatz künftig
bis zu 75 DM betragen. Der Gesetz- geber glaubt, mit der zukünftig zu praktizierenden Regelung, bereits der allgemeinen Einkommensent- wicklung in den ldtzten Jahren ent- sprochen zu haben, aufgrund derer die Bundesärztekammer eine Anhe- bung auf 60 DM gefordert hatte.
Die Novelle dieses Gesetzes bringt ferner für medizinische Sachver- ständige eine bessere Honorierung der ärztlichen Leistungen, die nach der Anlage zu § 5 entschädigt wer- den. Der Entwicklung der Mezidin wird dadurch insbesondere auf dem Gebiet der Blutgruppenbestimmung Rechnung getragen.
In einer vom Deutschen Industrie- und Handelstag, Bonn, herausgege- benen Broschüre ist das Gesetz in der Fassung vom 22. November 1976 (Bundesgesetzblatt I, Seite 3221) mit Kommentaren veröffentlicht. br
Gegen Systemveränderung
Mit Bestürzung haben die Ersatz- kassen den Veröffentlichungen über die Koalitionsverhandlungen ent- nommen, daß entgegen einer aus- drücklichen Erklärung des Bundes- arbeitsministers vom 28. Oktober 1976 nun doch die Entlastung der Rentenversicherung zum großen Teil auf Kosten der Mitglieder der Krankenkassen erfolgen soll. Die Krankenkassen werden um massive Beitragssatzerhöhungen nicht her- umkommen, heißt es in einer Stel- lungnahme des Verbandes der An- gestellten-Krankenkassen in Bonn.
Schon die vorgesehene Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung führt auto- matisch für große Gruppen der Krankenversicherten zu einer Bei- tragserhöhung in Milliardenhöhe.
Die daraus resultierenden Mehrein- nahmen und die vorgesehene Erhö- hung der Rezeptgebühr reichen aber bei weitem nicht aus, um das neu aufgerissene Loch in der Kran- kenversicherung der Rentner (KVdR) zu stopfen. Der Verband macht darauf aufmerksam, daß
3396 Heft 53 vom 30. Dezember 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
diese Finanzierungslücke allein da- durch entsteht, daß die Rentenversi- cherung ihre Beitragszahlung an die Krankenkassen auf rund 50 Prozent der tatsächlich in der KVdR entste- henden Kosten reduziert.
Die vorgesehene isolierte Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze be- deutet zudem einen entscheidenden Schlag gegen das Solidaritätsprin- zip in der gesetzlichen Krankenver- sicherung, dessen Folgen für das gesamte System noch unabsehbar sind. ln Telegrammen an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der SPD und FDP hat der VdAK darauf hinge- wiesen, daß die katastrophalen Wir- kungen für die Krankenversicherung ausgerechnet zu einem Zeitpunkt eintreten würden, in dem die Selbst- verwaltung der Krankenkassen mit politischer Unterstützung Beitrags- satzstabilität erreicht hat.
..,.. Die Ersatzkassen werden im üb- rigen die Regierungserklärung sehr genau unter dem Aspekt prüfen, ob darüber hinaus die Lösung von Fi- nanzproblemen in der Rentenversi- cherung zum Anlaß genommen wer- den soll, um quasi durch die Hinter- tür systemverändernde ideologische Vorstellungen in der Krankenversi- cherung zu verwirklichen.
..,.. ln einer Entschließung vom 15.
Dezember warnte die Mitgliederver- sammlung des Verbandes der Ange- stellten-Ersatzkassen, die Vertre- tung von mehr als 15 Millionen Ver- sicherten, den Gesetzgeber vor Ex- perimenten, die auf grundlegende Veränderungen der freiheitlichen Vertragsvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Leistungsar- bringern hinauslaufen. Solche Ver- änderungen wären um so unver- ständlicher, als sich die Selbstver- waltung in den Honorarverhandlun- gen dieses Jahres voll bewährt hat. .. und sie sollen offenbar nur dazu dienen, die Sonderstellung der erfolgreichen Ersatzkassen im Kran- kenversicherungssystem zu beseiti- gen. Die Delegierten der Angestell- ten-Ersatzkassen sehen darin ledig- lich eine neue Strategie zur Durch- satzung des alten ideologischen Ziels der Einheitsversicherung. N
+
1Ein Betroffener
meldet sich zu Wort
Was gibt es Neues beim bayerischen Landesverband der Ortskrankenkas- sen? Jede Woche etwas Neues: Zwei Tage, nachdem der AOK-Landesver- band "seinen Prozeß" gegen den Kolumnisten der "Passauer Neuen Presse" Oskar Hatz verloren hatte, wandte sich der umstrittene Ge- schäftsführer des Landesverbandes der Ortskrankenkassen in Bayern, Hans Sitzmann, mit einer "Gegen- darstellung" an das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT, mit der er Teile des- sen, was Oskar Hatz und seine Zei- tung nach gerichtlichem Urteil in Passau weiterhin schreiben dürfen, nun in Köln "gegendargestellt" ha- ben will. Wir veröffentlichen diese Gegendarstellung gern in vollem Wortlaut, zumal es die Leser des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES ge- wiß interessieren wird, was der Lan- desverband der bayerischen Orts- krankenkassen zu unserer Veröf- fentlichungsserie ab Heft 39 vom 23.
September 1976 nun alles zu sagen hat:
Gegendarstellung
Sie veröffentlichten im "DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT" Nr. 42 vom 14. 10. 1976 Seite 2630 einen Kom- mentar "Der total entblößte Bürger"
zum ;,AOK Geheimunternehmen Da- tenverarbeitung".
Sie behaupten, bei der Ortskranken- kasse Lindau seien in einem Ge- heimunternehmen des bayerischen Landesverbandes der Ortskranken- kassen alle Leistungsbelege des Jahres 1975 personenbezogen er- faßt und zusammengetragen wor- den, um sie in der Datenverarbei- tung zu verwenden. Dies ist unrich- tig. Der Landesverband der Orts- krankenkassen in Bayern und die beteiligten Ortskrankenkassen ha- ben der Öffentlichkeit über ihr Vor- haben der Errichtung einer Daten- bank berichtet.
Sie behaupten, daß durch völlig un- geschultes Aushilfspersonal ärzt-
Die Information:
Bericht und Meinung
liehe Aufzeichnungen ausgewertet und in EDV-gerechte "Diagnosen"
umgesetzt worden seien. Dies ist un- richtig. Die Codierung der Diagno- sen erfolgt durch besonders sorgfäl- tig ausgewählte Arbeitssuchende, die eigens zu diesem Zweck ange- stellt wurden. Sie wurden mit der Anwednung des ICD-Schlüssels von langjährigen Mitarbeitern der Kran- kenkassen vertraut gemacht. Die Auswertung von Diagnosen erfolgt ausschließlich durch Wissen- schaftler.
Sie behaupten, es sei geplant, eine Datenbank zu errichten, um das Ver- halten der Versicherten im einzelnen beobachten und bewerten zu kön-
nen. Dies ist unrichtig. Die systema-
tische und statistische Erfassung der einzelnen Leistungsbelege soll eine Beurteilung der Wirtschaftlich- keit unseres Gesundheitssystems sowie eine Durchleuchtung der Ko- stenentwicklung ermöglichen.
Sie behaupten, es habe sich heraus- gestellt, daß der Bayerische Sozial- minister über diese Aktionen, ihre Einzelheiten und ihre Zielsetzung nicht unterrichtet worden sei, son- dern daß die Verbindung zum Ge- sundheitsministerium hinter seinem Rücken hergestellt worden sei. Dies ist unrichtig. Das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung wurde von Anfang an informiert. Es hat mit Schreiben vom 11. März 1976 das Projekt ausdrücklich begrüßt.
München, den 10. 12. 76 Landesverband
der Ortskrankenkassen in Bayern, vertreten durch den
Geschäftsführer Hans Sitzmann.
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Wer die Vielzahl der Veröffentli- chungen des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES über den Lindauer AOK- Datenskandal seit dem 23. Septem- ber 1976 verfolgt hat, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als erklä- re Hans Sitzmann eine völlig andere Absicht von sich und seinem Lan-
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 53 vom 30. Dezember 1976 3397