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Archiv "Behandlung urämischer Patienten" (06.04.1978)

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ÜBERSICHTSAUFSATZ

In den letzten Jahren wurde die Technik der chronischen Hämodia- lyse zunehmend perfektioniert. Le- benserwartung und körperliches Befinden von Hämodialysepatienten konnten entscheidend verbessert werden. Damit gewinnt die Frage der sozialen und beruflichen Wie- dereingliederung chronisch hämo- dialysierter Patienten zunehmend an Bedeutung.

Während in der medizinischen Re- habilitation große Fortschritte er- reicht wurden, ist der aktuelle Stand der beruflichen Wiedereingliede- rung hämodialysierter Patienten in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor unbefriedigend.

Hier zeichnet sich in Zukunft eine ganz entscheidende Aufgabe für den Hausarzt ab, dem ja in der Regel die Primärbehandlung chronisch niereninsuffizienter Patienten ob- liegt.

Statistik

In der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich Westberlin) werden (Stichtag 31. 12. 1976 [1]) insgesamt 5946 Patienten hämodialysiert. Die Gesamtzahl der hämodialysierten Patienten auf der ganzen Welt be- trägt derzeit etwa 90 000. Das ent- spricht der Einwohnerzahl einer mittleren Stadt (Dr. Burton, NIH — Bethesda — persönliche Mitteilung).

Bei der überwiegenden Zahl der in Deutschland hämodialysierten Pa-

tienten wird eine Zentrums- oder Li- mited-care-Dialyse, bei 27,5 Prozent eine Heimdialyse durchgeführt.

Der Anteil erfolgreich nierentrans- plantierter Patienten am gesamten Krankengut behandelter terminaler niereninsuffizienter Patienten liegt mit 425 von 6454 behandelten chro- nisch niereninsuffizienten Patien- ten, das heißt 6,6 Prozent, recht niedrig und weit unter dem europäi- schen Durchschnitt.

Das Problem der Wiedereingliede- rung terminal niereninsuffizienter Patienten stellt sich auch deshalb so dringlich, weil die Niereninsuffi- zienz, im Gegensatz etwa zu den Folgeerkrankungen der Arterioskle- rose, auch häufig jüngere Patienten befällt. Das mittlere Lebensalter hä- modialysierter Patienten liegt bei 38 Jahren. Die Lebenserwartung chro- nisch hämodialysierter Patienten wird heute nicht mehr durch die Urämie limitiert. Wenn Dialysepa- tienten heute versterben, dann vor- zugsweise an zerebrovaskulären Folgeerkrankungen (Apoplex und Myokardinfarkt) oder an infektiösen Komplikationen. Im eigenen Erfah- rungsgut beträgt die Drei-Jahre-Le- benserwartung eines unselektierten Patientengutes etwa 90 Prozent; in der europäischen Sammelstatistik (2) liegt die Drei-Jahre-Lebenser- wartung heimdialysierter Patienten bei 82 Prozent.

Die Lebenserwartung ist damit bes- ser als zum Beispiel bei Patienten

Während in der medizinischen Rehabilitation hämodialysier- ter Patienten große Fortschrit- te erzielt wurden, ist der aktu- elle Stand der sozialen und beruflichen Wiedereingliede- rung noch unbefriedigend.

Auf diesem Gebiet lassen sich bessere Ergebnisse nur erzie- len, wenn bei niereninsuffi- zienten Patienten noch vor Er- reichen des dialysepflichtigen Endstadiums durch präventi- ve Behandlung später rehabi- litationsbehindernde Zusatz- komplikationen vermieden werden und rechtzeitig über- prüft wird, ob der Patient ei- nen behinderungsgerechten Beruf ausübt. Anstelle einer

"automatischen" Berentung sollten in geeigneten Fällen berufliche Anpassungs- oder

Umschulungsmaßnahmen eingeleitet werden, wie sie für diesen Patientenkreis zum Beispiel in der Stiftung Reha- bilitation (Heidelberg) durch- geführt werden.

mit Leberparenchymschäden und rechtfertigt intensive Bemühungen zur vollen sozialen beruflichen Wie- dereingliederung dieses Patienten- kreises.

Berufsfähigkeit

von Hämodialysepatienten Auch heute gelingt es durch Hämo- dialysebehandlung nur, einen Teil- ersatz der exkretorischen Nieren- funktion zu erreichen (das heißt der Funktion der Niere, harnpflichtige Endprodukte des Stickstoff-Stoff- wechsels zu entfernen); die kompli- zierten regulativen Aufgaben (milieu interieur) und den endokrinen Funk- tionen (Erythropoetin, Renin, 1,25 Hydroxycholecalciferol) der Niere werden durch die Hämodialyse nicht ersetzt. Damit ist der hämodialysier- te Patient auch im herkömmlichen Sinne nicht als „gesund" zu be- trachten. Es verbleibt stets eine mehr oder minder ausgeprägte Be-

Behandlung urämischer Patienten

Probleme der beruflichen Wiedereingliederung

Wolfgang Huber und Eberhard Ritz

Aus der Rehabilitationsklinik der Stiftung Rehabilitation, Abteilung Nephrologie/Hämodialyse und dem Rehabilitationszentrum

für chronisch Nierenkranke (zugleich Sektion Nephrologie der

Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg)

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Hämodialyse

hinderung; für die berufliche Tätig- keit entscheidend ist hier die Ver- minderung der Muskelkraft (bedingt durch urämiespezifische Myopathie, Polyneuropathie und Katabolismus), die Einschränkung der Dauerlei- stungsfähigkeit infolge verminderter kardiavaskulärer Leistungsreserve (vorzugsweise Folgen der renalen Anämie) sowie die Beeinträchtigung der psychomotorischen Leistungs- fähigkeit (Reaktionszeit, Aufmerk- samkeitsspanne, Reizdiskriminie- rung usw.).

Neuere Aspekte der Behandlung chronisch niereninsuffizienter Pa- tienten aus der Sicht des Hausarz- tes

Noch vor zehn Jahren waren Teil- aspekte des urämischen Syndroms wie Osteopathie, akzelerierte Athe- rogenese, Polyneuropathie usw.

eher akademische Kuriositäten ohne wesentliches praktisches klinisches Interesse. Die Diagnose der chroni- schen Niereninsuffizienz führte dar- über hinaus so gut wie immer zur Berentung für die Patienten, deren Lebenserwartung damals höchstens auf wenige Jahre begrenzt war.

Bei der Betreuung niereninsuffizien- ter Patienten hat demgegenüber heute der Hausarzt folgende medizi- nische und Sozialmedizinische Aspekte zu berücksichtigen:

a) Medizinische Aspekte

Bereits bei beginnender chronischer Niereninsuffizienz (Serum-Kreati- ninwerte über 2 mg-%) müssen me- dizinische Zusatzkomplikationen verhindert werden, die bei später notwendig werdender Hämedialyse den medizinischen Rehabilitations- erfolg entscheidend beeinträchtigen können.

Als Beispiele seien angeführt:

..,... die sorgfältige und gewissenhafte Einstellung des Blutdruckes zur Ver- meidung der hypertoniebedingten kardiavaskulären Komplikationen (Herzinsuffizienz, Apoplex, eventuell

Myokardinfarkt). Therapeutische Maßnahmen: diätetische Natriumre- striktion; medikamentöse antihyper- tensive Therapie.

..,... Vermeidung der urämischen Osteapathiedurch Hemmung der in- testinalen Phosphatabsorption (Aiu- miniumhydroxid) (Aiudrox®) (als Phosphatbinder), Calcium per os (Calcium Sandoz fortissimum®) und gegebenenfalls bei symptomati- scher Osteopathie Vitamin D3 (Vi- gantol® 10 000-20 000 E unter 14- tägiger Serumkalziumkontrolle).

..,... Schonung der Venen des Vorder- arms, die bei späterer Dialyse zum Anlegen einer Cimino-Fistel (subku- tane AV-Anastomose) entscheidend wichtig sind: Vermeidung von Venae sectio, Venenschädigung bei lnfu- sionsbehandlung, besonders mit hy- pertonen Lösungen.

..,... Vermeidung der Polytransfusion zur Vermeidung der Serumhepatitis.

die die spätere Hämedialysebehand- lung entscheidend erschwert.

Sozialmedizinische Aspekte Bereits im Stadium der kompensier- ten Retention muß geprüft werden, ob der Patient einen behinderungs- gerechten Beruf hat, das heißt einen Beruf, der von ihm später auch als Hämedialysepatient (respektive als Transplantatempfänger) ausgeübt werden kann. Erfahrungsgemäß ist die berufliche Tätigkeit bei Häme- dialyse dann erschwert, wenn vom Patienten eine weniger qualifizierte, vorwiegend körperliche Tätigkeit ausgeübt wird. Dies zeigt sich auch darin, daß bei Hämedialysepatienten der Grad der beruflichen Wiederein- gliederung mit dem Ausbildungs- stand zusammenhängt und bei guter beruflicher Qualifikation eine ein- deutig größere berufliche Rehabili- tationsquote festzustellen ist.

Es ist leider viel zu wenig bekannt, daß nach § 368 r RVO (3) der behan- delnde Arzt verpflichtet ist, die zu- ständige RVO-Kasse von einer zu er- wartenden Einschränkung der Be- rufsfähigkeit zu informieren. Die

RVO-Kasse ist nun ihrerseits ver- pflichtet, den zuständigen Kosten- träger zu benachrichtigen.

Bei der prospektiven Erstellung ei- nes Rehabilitationsplanes hat es sich bewährt, durch Betriebsärzte konkret die Möglichkeit einer zu- künftigen Berufstätigkeit am bishe- rigen Arbeitsplatz einschließlich der Berücksichtigung von innerbetrieb- lichen Umsetzungsmaßnahmen überprüfen zu lassen.

Die mit der Betreuung oder Begut- achtung chronisch niereninsuffi- zienter Patienten befaßten Ärzte müssen heute dahingehend umden- ken, daß die chronische Nierenin- suffizienz nicht mehr sozusagen

"automatisch" zur Berentung füh- ren darf. Die chronische Hämedialy- se führt heute trotz reduzierten so- matischen und psychologischen Be- findens zu einem Zustand, der durchaus eine berufliche Arbeitsfä- higkeit noch ermöglicht. Hieraus ist die praktische Konsequenz zu zie- hen, daß berufliche Anpassungs- und Umschulungsmöglichkeiten im Stadium der kompensierten Reten- tion prospektiv, das heißt bereits im Hinblick auf das später zu erwarten- de Stadium der terminalen Nierenin- suffizienz mit chronischer Hämedia- lyse oder Nierentransplantation, zu planen sind. Es muß hier das Prinzip gelten "Rehabilitation vor Beren- tung". Eine rechtzeitige Durchfüh- rung derartiger Maßnahmen noch im Stadium der kompensierten Re- tention ist auch deshalb wichtig, weil im terminalen Stadium beim hä- modialysierten Patienten größere zeitliche Ausfälle und- im Falle der Transplantation - zeitliche Unter- brechungen beruflicher Umschu- lungs- oder Anpassungsmaßnah- men zu erwarten sind.

Maßnahmen zur beruflichen

Wiedereingliederung in der Stif-

tung Rehabilitation, Heidelberg

Die Stiftung Rehabilitation Haidei- berg hat sich zur Aufgabe gestellt, diesem Behindertenkreis, der sozu- sagen erst durch die moderne Tech- nologie geschaffen wurde, die mo-

(3)

Abbildung II: 18jähriger Hämodialysepatient (links) während der Ausbildung zum Nachrichtengerätemechaniker (rechts)

dernen Möglichkeiten beruflicher Anpassungs- und Umschulungs- maßnahmen zu erschließen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche berufliche Wiedereingliederung ist die Wahl eines Berufes, der sowohl der Neigung des Patienten, der Eig- nung des Patienten wie der Arbeits- platzmarktlage angepaßt ist. Zur Er- fassung der Motivation und Fähig- keit des Patienten ist entscheidend die in Heidelberg entwickelte Maß- nahme der Berufsfindung. Hierbei werden im Rahmen einer ärztlichen, testpsychologischen und sozialme- dizinischen Begutachtung und an- hand einer konkreten Arbeitserpro- bung die für den Probanden geeig- neten Berufsfelder ermittelt. Die Praxiserfahrung hat gezeigt, daß häufig, trotz Motivation und vorhan- dener Begabungsstruktur, Patienten in bisher qualifizierten Berufen nicht die nötigen theoretischen Voraus- setzungen mitbrachten, um direkt den anspruchsvollen Programmen der Umschulungsmaßnahmen fol- gen zu können. Hier hat sich die Maßnahme der beruflichen Vorbe- reitung ausgezeichnet bewährt.

Die Praxis zeigte ferner, daß — vor- zugsweise bei älteren Patienten mit Berufserfahrung — es nicht immer notwendig ist, die Patienten aus dem bisherigen Berufsfeld heraus- zunehmen und Umschulungsmaß- nahmen vorzunehmen. Hier bewährt sich die in dieser Institution entwik- kelte Anpassungsmaßnahme, das heißt die durch spezifische auf den Arbeitsplatz hin orientierte Qualifi- zierung im bisherigen Beruf, wobei der Patient seine bisherige Berufser- fahrung weiter verwerten kann (Bei- spiel: bei einem Patienten mit dem bisherigen Beruf eines Werkzeug- machers Zusatzausbildung zum Gü- teprüfer).

Als weitere Maßnahme steht die Um- schulung mit Aufgabe des bisheri- gen Berufsfeldes und Neuorientie- rung in einem neuen Berufsfeld zur Verfügung. Die in der Stiftung Reha- bilitation angebotenen Berufe sind in Abbildung I zusammengefaßt. Es handelt sich hier um Berufe mit Prü- fungen auf dem Industrie- und Han- delskammerniveau (zum Beispiel Datentypistin oder Industriekauf- mann); Berufe mit Fachschulab-

schluß (zum Beispiel staatlich ge- prüfter Betriebswirt, staatlich ge- prüfter Techniker in Maschinenbau- technik) sowie Berufe mit Fach- hochschulabschluß (zum Beispiel graduierter Informatiker, Betriebs- wirt, Ingenieur oder Sozialarbeiter).

Umschulungsmaßnahmen sind selbstverständlich noch im Stadium der Dialyse möglich, wie Abbildung II anschaulich demonstriert.

Der erfolgreichen Inanspruchnahme der hier angeführten Palette berufli- cher Maßnahmen stehen nach unse- rer Erfahrung zumeist mangelnde Information auf seiten der behan- delnden Ärzte und ein überlanger Instanzenweg im Wege. In allen Fäl- len ist für die Einleitung beruflicher Maßnahmen das jeweils örtliche Ar- beitsamt zuständig, das dem Reha- bilitationsträger unverzüglich einen Eingliederungsvorschlag zu machen hat.

Jedoch erscheint es uns zweckmä- ßig, für alle Kollegen, die Informatio- nen oder Hilfestellung bei der beruf- lichen Abklärung oder Wiederein- gliederung chronisch niereninsuffi-

(4)

Hämedialyse

zienter Patienten benötigen, eine Anlauf- und Informationsstelle zu schaffen.

Für alle diesbezüglichen Anfragen steht zur Verfügung:

..,. Dr. W. Huber Rehabilitationsklinik Heidelberg-Wieblingen Bon h oefferst raße

6900 Heidelberg-Wieblingen Telefon: 0 62 21/88-31 35

Ausblick

Einer erfolgreichen Wiederaufnah- me beruflicher Tätigkeit hämodialy- sierter Patienten steht gegenwärtig häufig noch die Sozialgesetzgebung im Wege. Trotz ausreichender so- matischer Leistungsfähigkeit ist der Dialysepatient (häufig selbst der Heimdialysepatient) nicht in der La- ge, in vollem zeitlichen Umfang eine berufliche Tätigkeit wiederaufzu- nehmen. Bei Teilarbeit stellt sich der

Patient finanziell erheblich schlech- ter als bei Inanspruchnahme einer Erwerbsunfähigkeitsrente. Hier be- steht eine Gesetzeslücke, da der Ge- setzgeber diesen Behindertenkreis mit seinem zeitlich außerordentlich aufwendigen Behandlungsverfahren nicht in ausreichender Weise be- rücksichtigt hat. Eigene Erfahrun- gen zeigen, daß von seiten der Ar- beitgeber einer Teilarbeit gegenüber im Regelfalle keine Bedenken ge- genüberstehen. Es laufen derzeit in-

Darstellung: Berufsspektrum und Ausbildungsebenen

Ausbildungs- Berufe der Daten- Kaufmännische Technische Berufe Berufe Nichtärztliche

ebene verarbeitung/ Berufe des Sozialwesens medizinische Berufe

Informatik

Berufe der

e

Datentypistin

e

Büropraktiker

e

Feinwerk-

Industrie- und mechaniker

Handelskammer-

e

Datenverarbei-

e

Büro-Verwal-

ebene tungskaufmann/ tungskaufmann

e

Güteprüfer Programmierer

e

lndustriekauf-

e

Informations-

mann elektroniker

e

Bankkaufmann

e

Funkelektroniker

e

Nachrichten- gerätemechaniker

e

Teilkonstrukteur/

Maschinenbau

e

Technischer Zeichner

e

Teilkonstrukteur/

Bau

Berufe der

e

Staatlich geprüfter

e

Staatlich geprüfter

e

Erzieher

e

Staatlich geprüfter

Fachschulebene Betriebswirt DV Techniker med.-technischer

Fachrichtung: Laboratoriums- Fachrichtungen: Jugend- und assistent(in) Bautechnik Heimerziehung

Elektronik

e

Ergotherapeut

Maschinenbau (Beschäftigungs-

Konstruktion therapeut)

Qualitäts- wesen

NC-Technik

e

Physiotherapeut

(Krankengymnast) Berufe der

e

Informatiker (grad.)

e

Betriebswirt (grad.) • Ingenieur (grad.)

e

Sozialarbeiter

Fachhochschul- (grad.)

e

Logopäde

ebene Fachrichtung: Fachrichtung:

Wirtschaft Maschinenbau

e

Sozialpädagoge

Elektronik (grad.) Architektur

Fachrichtung:

Rehabilitation Berufsförderungswerk Haideiberg · Träger: Stiftung Rehabilitation

6900 Haideiberg 1 · Bonhoefferstraße · Postfach 10 14 09 · Telefon (0 62 21) 8 81

(5)

tensive Bemühungen, diese gesetz- geberische Lücke zu schließen.

Auch meinen wir, daß bei diesen Ge- setzesinitiativen der Aspekt einer stufenweisen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit mit berücksichtigt werden sollte.

Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob intensive Bemühungen, diesem Patientenkreis eine berufli- che Tätigkeit zu verschaffen, heute sinnvoll und gerechtfertigt sind, wo ein unerträglich hoher Arbeitslosen- stand am Arbeitsmarkt zu verzeich- nen ist. Hier sei aber festzuhalten, daß in qualifizierten Berufen keine Arbeitslosigkeit besteht und für die Zukunft sogar für qualifizierte Fach- arbeiterberufe ein erheblicher Man- gel prognostiziert wird. Ein Blick in die Annoncen zum Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird hier jeden Skeptiker überzeu- gen. Außerdem zeigt die Erfahrung (Bericht des Instituts für Arbeits- markt und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit), daß 73 Prozent aller umgeschulten Rehabi- litanden im Anschluß an die Um- schulung im neuen Beruf tätig wa- ren, 16 Prozent tätig (jedoch aus äu- ßeren Gründen nicht im umgeschul- ten Beruf) und lediglich 11 Prozent stellenlos verblieben waren.

Die berufliche Tätigkeit des Hämo- dialysepatienten darf nicht nur unter ökonomischen Aspekten als Quelle des Gelderwerbs gesehen werden.

Vielmehr stellt die berufliche Tätig- keit ein wichtiges therapeutisches Moment zur psychologischen Stüt- zung des Patienten, zur Daseinsbe- wältigung und zur Verarbeitung der krankheitsbedingten Behinderung dar. Zumindest in unserem Kultur- kreis wird die soziale Rolle und die Rolle im Familienverband wesent- lich durch die berufliche Tätigkeit geprägt.

Sicherlich sollte man realitätsbezo- gen und praxisnahe nicht fordern, daß jeder Dialysepatient wieder eine berufliche Tätigkeit ausüben solle.

Häufig sind hier Grenzen durch das Lebensalter und das körperliche Be- finden des Patienten gesetzt. Es ist jedoch zu bedenken, daß das mittle-

Hämodialyse

re Alter der Hämodialysepatienten bei 38 Jahren liegt. Mit anderen Worten, daß die Urämie häufig ju- gendliche Patienten betrifft, die eine jahrzehntelange Lebenserwartung vor sich haben und denen ein Früh- rentnerdasein unter allen Umstän- den erspart werden muß.

Hier kommt dem Hausarzt, der für eine rechtzeitige Weichenstellung sorgen kann, eine entscheidende Schlüsselrolle zu. Die Aufgabe des Hausarztes gewinnt durch diese neuen sozialmedizinischen Ge- sichtspunkte zusätzliche Bedeu- tung. Erst wenn im Frühstadium der Niereninsuffizienz bei der Behand- lung die skizzierten medizinischen und sozialmedizinischen Gesichts- punkte durch den behandelnden Arzt, in der Regel den Hausarzt, mit berücksichtigt werden, lassen sich später im Stadium der Dialyse alle Möglichkeiten ausschöpfen, die die- se für die medizinische und soziale Rehabilitation heute bieten kann.

Literatur

(1) Wing, A. J.: EDTA Registrationscommittee persönliche Mitteilung — (2) Gurland, H. J., et al: Combinated report an regional dialysis and transplantation in Europa VI, 1975, Proc. EDTA 13 (1976) 3-59 — (3) Nachweis der Vereinigung zwischen der kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Köln, und dem Bundesverband der Orts- krankenkassen

Anschriften der Verfasser:

Privatdozent Dr. Wolfgang Huber Rehabilitationsklinik der

Stiftung Rehabilitation

Abteilung Nephrologie/Hämodialyse Bonhoefferstraße

6900 Heidelberg-Wieblingen Professor Dr. Eberhard Ritz Rehabilitationszentrum für chronisch Nierenkranke

(zugleich Sektion Nephrologie der Medizinischen

Universitätsklinik Heidelberg) Bergheimer Straße 69 6900 Heidelberg

AUSSPRACHE

Wert und Strahlenrisiko

mammographisch er Kontroll-

untersuchungen

Zum Beitrag von

Dr. med. habil. Volker Menges in Heft 48/1977, Seite 2855 ff.

Das Risiko der Brustkrebsinduk- tion durch Mammographie wird vom Autor kategorisch verneint. Wir wen- den uns mit Nachdruck gegen diese Auffassung. Auf dem Gebiet der Strahlenkanzerogenese sachver- ständige internationale Gruppen kommen aufgrund der Auswertung umfangreicher Literatur zu gegen- teiligen Ansichten (2, 1).

Es dient nicht der Förderung wis- senschaftlich begründeter Urteils- bildung, wenn in einem weitverbrei- teten Publikationsorgan eine noch andauernde, wichtige Kontroverse vom Autor durch Zitieren dreier ihm genehmer Arbeiten als entschieden dargestellt wird.

(!) Der Hinweis des Autors, daß „bis jetzt kein konkreter Fall einer Krebs- provokation in der Weltliteratur be- kannt geworden (ist), der mit zutref- fenden Gründen auf mammographi- sche Untersuchungen zurückge- führt werden könnte" ist nur schein- bar ein Beweis für die Ungefährlich- keit der Mammographie.

Er entspringt einem fundamentalen Mißverständnis des Charakters sto- chastischer (1), also nur statistisch, nicht aber individuell (3) nachweis- barer Strahlenschäden.

(i)

Die vom Autor gebrachten Zahlen lassen eine Beurteilung des Nutzens nur für seine spezielle Klientel zu, in der sogenannte Risikopatientinnen stark angereichert sind.

Die von ihm verwendete Zahl für strahleninduzierten Brustkrebs ist zu niedrig (2, 4, 5). Daher besagen

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