• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Delir: Wenn man zeitweise verwirrt ist" (24.05.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Delir: Wenn man zeitweise verwirrt ist" (24.05.2013)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1038 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 21

|

24. Mai 2013

B

ei einem „Altersdelir“

kommt es zu einer akuten, häufig fluktuierenden Funktions- störung des Gehirns. Kognitive Stö- rungen, Störungen der Vigilanz, Halluzinationen und Wahnvorstel- lungen, aber auch psychomotori- sche Symptome wie erhebliche Un- ruhe oder ebenso Zustände mit deut- lich reduzierter Motorik treten auf (Dtsch Arztebl Int 2012; 109[21]:

391–400). Besonders häufig findet man das Delir im Kontext einer Krankenhausbehandlung als Ko- morbidität vor. Die heute immer

noch gebräuchlichen Begriffe wie

„Durchgangssyndrom“, „HOPS“

oder „Intensivstationspsychose“

verharmlosen das Krankheitsbild, da sie der hohen Komplikationsrate nicht gerecht werden.

Die Ursachen für ein Delir sind vielfältig

Die European Delirium Association versucht das Bewusstsein für das Syndrom, welches nach wie vor zu selten diagnostiziert wird, zu schärfen. Auf ihrer 7. Jahrestagung, die Ende letzten Jahres am Evange-

lischen Krankenhaus in Bielefeld (EvKB) stattfand, wurden sowohl Ergebnisse der Grundlagenforschung vorgestellt als auch neue Daten zur Prävention, Diagnostik und Therapie.

Die Ursachen für Delirien sind vielfältig: Infektionen können es ebenso auslösen wie Schmerzen, psychische und körperliche Belas- tungen, zum Beispiel bei Operatio- nen. Besonders häufig sind Neben- wirkungen von Medikamenten die Ursache, insbesondere die Poly- pharmazie stellt in diesem Zusam- menhang wegen kaum überschau- barer Interaktionen ein Risiko dar.

„Das Delir tritt heute häufiger auf als früher, da Menschen immer älter und auch immer intensiver be- handelt werden“, sagte Dr. med.

Stefan Kreisel (EvKB) als Ko - präsident der Tagung. Nach den Daten einer deutschen Kranken- hausprävalenzstudie leiden je nach Diagnosesystem zwischen fünf und 13,3 Prozent der nicht intensiv- pflichtigen Patienten ab 70 Jahren in den ersten Tagen nach Aufnahme an einem Delir; bei Schwerkranken ist die Prävalenz deutlich höher.

Allerdings werden Delirien von ungeschultem Personal häufig nicht als solche erkannt. Das gibt auch DELIR

Wenn man zeitweise verwirrt ist

Ein Delirium kann einen lebensbedrohlichen, akuten medizinischen Notfall zur Folge haben. Mögliche Ursachen sollten erkannt und behandelt werden.

Vielfach sind ältere, demente Patienten betroffen.

TABELLE

Abgrenzung Delir/Demenz

Symptombeginn

Kurzfristiger Symptomverlauf, folgende Symptome:

− Bewusstsein

− Aufmerksamkeitsstörung

− Orientierungs-/Gedächtnis - störung

− Wahrnehmungsstörung/

Halluzinationen

− Schlafstörung

− Störung der Psychomotorik

Altersdelir subakut fluktuierend

verändert häufig häufig häufig

häufig

agiert oder hypoaktiv

Demenz schleichend stabil

klar

anfänglich nicht je nach Schweregrad möglich

möglich möglich

Foto: Fotolia/freshidea

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 21

|

24. Mai 2013 A 1039 der Epidemiologe Dr. Daniel Davis

aus Cambridge, Großbritannien, zu bedenken: „Die Diagnose von Deli- rien gestaltet sich als schwierig, da die Symptome allzu leicht mit denen einer Demenz verwechselt werden (Tabelle). Umso schwieriger sei es, ein Delir bei einem demenzkranken Patienten zu diagnostizieren.

Prof. Dr. Theodore Stern, Psych - iater an der Harvard Medical School in Boston, sprach sich daher für die Entwicklung von klaren Strukturen und Routine in der Dia - gnostik aus: „Bei einem systema - tischen Vorgehen geben bereits kur- ze neuropsychiatrische Tests erste Hinweise, die weiterverfolgt wer- den müssen.“ Jedes Delirsymptom weise auf eine ernst zu nehmende Funktionsstörung des Gehirns hin.

Ein Abwarten im Sinne eines

„Durchgangs“ sei ein Kunstfehler.

Unterschiedliche Diagnosesyste- me ( wie zum Beispiel ICD-10 ver- sus DSM-System) erschweren die Diagnose. „Zudem existiert eine Vielzahl von Screening-Instrumen- ten“, sagte Prof. Dr. med. Karen Neufeld, Baltimore/USA: „Da- durch entstehen häufig Unschärfen, die eher abschrecken anstatt Klar- heit zu bringen.“ Sie appellierte an das Fachpublikum, sich auf einen klaren diagnostischen Algorithmus zu einigen.

Schwierig abzugrenzen ist der Morbus Parkinson

Differenzialdiagnostisch kommen unter anderem immunologisch aus- gelöste Hirnfunktionsstörungen in Betracht, die zeitweise Delir-ähnli- che Symptome aufweisen können.

Besonders schwierig abzugrenzen sind der Morbus Parkinson und die Lewykörperchen-Demenz, da beide Erkrankungen einen Risikofaktor für ein Delir darstellen.

Ein Problem der Verkennung ei- nes Delirs sieht Prof. Dr. med. Wal- ter Hewer, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Geron- topsychiatrie und -psychotherapie, in den Klinikstrukturen: „Viele De- lirpatienten werden in die Geronto- psychiatrie überwiesen. Diese Tei- lung zwischen somatischem und psychiatrischem Patient funktio- niert hier jedoch nicht.“ Als Lösung

dieses Problems empfiehlt er die Bildung interdisziplinärer altersme- dizinischer Zentren.

Die Therapie des Delirs verläuft mehrgleisig. Allem voran sollten die auslösenden Ursachen – häufig eine neurologische oder internisti- sche Grunderkrankung – beseitigt oder minimiert werden. Dazu ge- hört auch, die verordneten Medika- mente auf deren Verträglichkeit zu überprüfen, die Dosis anzupassen oder mit der Einnahme zu pausie- ren. Unterstützend können eine sym ptomatische Arzneimittelthera- pie erfolgen (zum Beispiel mit niedrigdosierten Neuroleptika) so- wie nicht medikamentöse Interven- tionen eingeleitet werden.

Letztere zielen darauf ab, dem Patienten die Orientierung im All- tag zu erleichtern. Dazu gehören an erster Stelle die persönliche Zu- wendung sowie Orientierungs- und Selbsthilfetraining. Der Tagesab- lauf der Betroffenen sollte nach Möglichkeit gut strukturiert wer- den, um Kontinuität zu erreichen, das Einführen von Ritualen kann hilfreich sein. Kommunikations- barrieren sollten verringert werden – Helligkeit und Lautstärke den Einschränkungen des Patienten an- passen.

Wie schwierig die Therapie die- ses multifaktoriellen Krankheitsbil- des bleibt, zeigten die Ergebnisse einer Studie aus dem englischen Nottingham: Nicht chirurgische Pa- tienten älter als 65 und mit der Diagnose Delir bei der Kranken- hausaufnahme wurden entweder ei- ner Spezialstation (delirium ward) oder einer Standardstation zuge- wiesen (n = 345). Erstaunlicher - weise wurden hinsichtlich der Delir- dauer oder der 90-Tage-Mortalität zwischen diesen Versorgungstypen keine Unterschiede feststellt, beton- te Studienleiter Prof. Dr. Rowan Harwood. Allerdings zeigte sich eine signifikant höhere Patienten- und Therapeutenzufriedenheit im spezialisierten Arm.

Mit Spannung erwartet wurden die Ergebnisse einer placebokon- trollierten, randomisierten medika- mentösen Präventionsstudie, die an den bekannten Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus von Delir-

patienten ansetzte. Teilgenommen hatten 435 Patienten mit operati- onspflichtigen Hüftgelenksfraktu- ren. Doch so hoch die Spannung, so ernüchternd die Ergebnisse: Die niederländischen Wissenschaftler konnten keinen nennenswerten prä- ventiven Effekt des Schlafhormons Melatonin (3 mg/die) auf die Ent- stehung von Delirien in ihrer Ko- horte nachweisen.

Das HELP-Programm wird auch in Bielefeld eingesetzt

Demgegenüber zeigen sich nicht medikamentöse Strategien zur Ver- hinderung des Delirs als hilfreich.

Anne Pizzacalla aus dem kanadi- schen Hamilton arbeitet mit ihrem Team seit 2004 auf Basis des HELP-Programms (Hospital Elder Life Program), welches an der Yale Medical School zur Delirprävention von älteren Menschen im Kranken- haus konzipiert worden ist. „Um Delirien zu verhindern, ist der Pfle- geprozess immanent wichtig. Dazu gehörten auch vermeintliche Bana- litäten wie darauf achten, dass Pa- tienten genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, respektive die Brille oder das Hörgerät tragen, betont Pizzacalla. Das HELP-Programm wird in Kanada, den USA und – für Europa erstmalig – in Bielefeld ein-

gesetzt.

Manuel Bünemann Dipl.-Päd. Maren Baumeister Dr. med. Christine Thomas

Im Artikel „Neue Meldepflichten:

Was Ärzte beachten sollten“

in Heft 18 (Dtsch Arztebl 2013;

110[18]: A 879) ist der Redaktion leider ein Fehler unterlaufen. Unter dem Abschnitt „Pertussis“ heißt es:

„Bis zu zwölf Monate nach Impfung ist die serologische Diagnostik nicht aussagekräftig, daher sollte ein Virus nachweis (PCR) erfolgen.“

Richtig ist vielmehr: „. . . sollte ein Nachweis der Erbsubstanz (PCR) des Bakteriums Bordetella pertussis erfolgen.“ Wir bitten

um Entschuldigung.

ERRATUM

M E D I Z I N R E P O R T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In der Arbeit „Gutartige Tumoren des Magens und ihre chirurgische Therapie", Heft 49/1979, Seite 3243 ff., ist auf Seite 3246 eine Darstel- lung wiedergegeben, deren Daten

"nichtverstümmelndes" Operations- verfahren für die Ulkuschirurgie zu entwickeln, und der zunehmenden Anwendung der hierbei empfohle- nen Methoden ist

Bei einer mit Ultra- schall gemäß ECST festgestellten asym- ptomatischen Stenose ergibt sich ei- ne mögliche OP-Indikation erst (von NASCET auf ECST umgerechnet) ab einem

Eigene Unter- suchungen bei Karotis-TEA (2) zei- gen, dass unter selektiver ultraschall- gestützter interskalenärer Zervikal- blockade Shuntfrequenzen von 45,5 Prozent (im Jahr 2001

Bei der einen Gruppe bleiben kleine Emboli in den feineren Ver- zweigungen der Art. pulmonalis stecken ; die Erkrankung tritt, abge- sehen von dem gelegentlichen Einsetzen mehr

Die körpereigenen, pulmo- nalen Autografts führen im Prinzip zu keiner Reoperation, sofern nicht eine Endokarditis oder die Dilatation der angrenzenden Aorta oder des Aorten- anulus

Schließlich wur- de das Honorar bei telefonischen Bera- tungen für die beiden Diagnosen von 22 auf 50 Norwegische Kronen erhöht, während das Honorar für eine Praxisvi- site bei

Nach- untersuchungen von Patienten nach duodenumerhaltender Pankreasre- sektion nach median 2, 3,6 und 6 Jah- ren ergaben Schmerzfreiheit bei 75 bis 82 Prozent aller Patienten