Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
NOTFALL IM BEREITSCHAFTSDIENST
Verschluß der Zentralarterie der Netzhaut
Der Stammverschluß der Netzhautzentralarterie stellt eine echte ophthalmologische Notfallsituation dar. Allein schon die Tatsache der Existenz dieser Erkrankung würde die Ausbildung des Medi- zinstudenten im Augenspiegeln rechtfertigen. Sofortige Maßnahmen zum Versuch einer Rettung der Sehkraft sind notwendig. Pathophysiologisch handelt es sich nur selten um echte Embolien (zum Beispiel bei Aortenaneurysma, Endocarditis ulcerosa, Herzklappenfehlern), insbesondere bei Jüngeren sollte man an diese Ursache denken. In den meisten Fällen spielen jedoch sicherlich funktionelle Spasmen bei organischen Gefäßwandveränderungen, etwa bei Arteriosklerose oder maligner Hypertonie (plötzlicher Blutdruckanstieg mit ödematöser Quellung der Gefäßwand), eine wesentliche Rolle.
Symptomatik
O Schlagartige Blindheit ei- nes Auges (bei Ausfall nur ei- nes Arterienastes fällt nur ein entsprechender Sektor im Gesichtsfeld aus).
O Im Verlauf von Stunden nicht wiederkehrende Seh- kraft.
o Nicht selten anamne- stisch Anfälle von vorüberge- hender Verdunkelung mit nach einigen Stunden wie- derkehrender Sehkraft.
O Bisweilen begleitend Kopfschmerzen.
• Erhaltene indirekte bei fehlender direkter Pupillenre- aktion am erkrankten Auge und erhaltene direkte bei fehlender indirekter Pupillen- reaktion am gesunden Auge.
Abbildung: Frischer Stammver- schluß der Netzhautzentralarte- rie. Blasses Aussehen des Fun- dus, die Netzhautmitte kontra- stiert als „kirschroter" Fleck. Enge Netzhautarterien. Als Nebenbe- fund am temporal unteren Papil- lenrand papillengroßes, normal gefärbtes Fundusareal, das von einer zilioretinalen Arterie ver- sorgt wird
Diagnose
Entscheidend ist die Fundus- spiegelung, unter Umständen in milder Mydriasis (10 Minu- ten nach Gabe von 1 Tropfen Mydriatikum Roche®). Dabei findet sich:
0 Auffallend helle Verfär- bung der Netzhaut (beim Ast- verschluß im Bereich der entsprechenden Arterie).
O Die Fundusmitte kon- trastiert als kirschroter Fleck (Abbildung).
• Papille oft etwas unscharf begrenzt.
• Netzhautarterien meist fa- dendünn, unter Umständen stellenweise blutleer oder mit zerfallener, sich hin und her verschiebender Blutsäule.
O Netzhautvenen gering verengt.
• Fehlen dieser Befunde am gesunden Auge, das zum Vergleich unbedingt mitge- spiegelt werden sollte.
O Anamnese! Fragen nach evtl. Grundkrankheiten!
Therapie
Schnellster Transport in die nächste Augenklinik oder Au- genabteilung. Keine beson- deren Transportbedingungen.
Als Erste Hilfe kommt die Einatmung eines 5- bis 6pro- zentigen 002-Gemisches in Betracht, das man bei Ein- und Ausatmung in eine Pla- stiktüte erreichen kann. Die- se Maßnahme ist insbeson- dere bei vorübergehenden Verdunkelungsanfällen ange- zeigt (wenn technisch mög- lich).
Weiter sollten 500 ml physio- logische Kochsalzlösung mit 1 bis 2 Ampullen Compla- min® (1500 mg pro Ampulle) je nach Blutdrucksituation langsam infundiert werden.
Mit angehängter Infusionsfla- sche Transport in die Klinik.
Ferner ist die langsame i. v.
Injektion von Spasmolytika Papaverin®, Eupaverin forte®, 1 Ampulle zu 0,15 g, indiziert.
Alle nachfolgenden Maßnah- men sind der Klinik vorbehal- ten, welche dann die weitere
— unter Umständen in das Gerinnungssystem erheblich eingreifende — Therapie im Hinblick auf das Grundleiden in Zusammenarbeit mit den Internisten durchführt.
Anschrift der Verfasserin:
Dr. med.
Antje Reimann-Huhnd Universitätsaugenklinik (Direktor: Professor
Dr. Dr. h. c. Wolfgang Straub) Robert-Koch-Straße 4 3550 Marburg an der Lahn
1600 Heft 24 vom 10.Juni 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT