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Archiv "Psychogene nichtepileptische Anfälle: Schlusswort" (30.01.2004)

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erarbeiteten epidemiologischen Daten zeigen die medizinische und soziale Brisanz des Problems. Reuber und Bauer aus Bonn heben den diagnosti- schen Wert der Anfallsbeobachtung so- wie der Anamnese und Fremdanamne- se hervor. Neben den bekannten klini- schen Merkmalen psychogener NEA (längere Dauer, undulierende motori- sche Aktivität mit asynchronen Arm- und Beinbewegungen, geschossene Au- gen, reagierende Pupillen, schnellere postiktale Reorientierung) werden auch die weniger geläufigen genannt:

fehlende Zyanose, Widerstand bei pas- siver Lidöffnung, iktal Vokalisation/

Weinen, vor allem die folgenschwere und Verwirrung stiftende Neigung der PNEA, exzessiv und statusartig aufzu- treten. Zungenbiss und Verletzung da- gegen sowie iktaler Harn- und Stuhlab- gang seien gerade nicht sicher diskimi- nativ. Selten handele es sich um Simula- tion, vielmehr lägen schwere familiäre Konflikte, Übergriffserfahrungen (der Begriff Inzest wird vermieden) und entsprechende Persönlichkeitsstörun- gen den PNEA zugrunde.

Bis hierher ist den Autoren aner- kennend zuzustimmen. Der nüchterne Ton der Arbeit dient offenbar dazu, den Geruch des Unheimlichen, Affek- tiven, Aggressiven, der früheren Be- zeichnungen wie „hysterische Anfäl- le“ oder „Hysteroepilepsie“ anhaftete, fernzuhalten. Da PNEA aber immer mit drastischen (geheimgehaltenen) traumatischen (Inzest-)Erfahrungen und entsprechend unerträglichen Er- innerungen und Affekten zu tun ha- ben, muss man die Erinnerungen und Affekte ins Auge fassen, wenn man sich mit PNEA beschäftigt. Ansonsten wird das Affektive, wie bei den Auto- ren, durch die Hintertür destruktiv wirksam. Dies zeigt sich vor allen an zwei Punkten:

>Im Zuge der affektgereinigten Darstellung kommt plötzlich eine Ent- larvungstaktik zutage, eine Praxis – und Empfehlung – der Autoren, die Patienten mit fragwürdiger Methode der nichtepileptischen Eigenart ihrer Anfälle zu überführen: Eine NaCl-In- jektion mit der Bemerkung des Arz- tes, es werde ein anfallsprovozieren- des Medikament injiziert, soll einen PNEA auslösen, der, im Video festge-

halten, angeblich die Diagnose sichert.

Diese Täuschung vergiftet die Bezie- hung zu den Patienten, deren Leben durch Lüge (Geheimhalten des In- zests) vergiftet und deren Anfalls- krankheit durch diese Lebenslüge aus- gelöst und unterhalten wurde und wird. Darüber hinaus können falsche Befunde resultieren, da durch Angst (die bedrohliche Ankündigung des Anfalls) auch epileptische Anfälle ausgelöst werden können.

> Fatalerweise fehlt in der Arbeit jeglicher Hinweis auf das gegenläu- fige, einer rezeptiv kommunikativen Methodik verpflichtete epileptolo- gisch linguistische Projekt von Schön- dienst und Mitarbeitern im Epilep- siezentrum Bethel, das eine Fülle kla- rer Unterscheidungsmerkmale her- vorgebracht hat und weiter zutage för- dert (www.uni-bielefeld.de/lili/projekte/

epiling). Bonn und Bethel sind über die Herausgabe der Zeitschrift Epi- leptologie verbunden, in der das Pro- jekt vorgestellt wurde. Das ergebnis- reiche Vorgehen – über die unter- schiedlichen Sprachmuster, mit denen

„epileptische“ und „dissoziative“ Pati- enten das Erleben ihrer Anfälle schil- dern, zu diagnostischer Klarheit zu kommen – passt offenbar so wenig ins Konzept der Autoren, dass das Projekt einfach unterschlagen wird.

Beide Punkte machen die über wei- te Strecken sehr brauchbare Arbeit höchst fragwürdig.

Dr. med. Mechthilde Kütemeyer Trakehnerstraße 18

50735 Köln

E-Mail: kuete@arcor.de

Schlusswort

Hauptziel des Artikels war es, Ärzten das Erkennen psychogener nichtepi- lepitscher Anfälle (PNEA) zu erleich- tern, um die gegenwärtig lange Dia- gnoselatenz zu verringern, die unange- messene Behandlung von PNEA als Epilepsie zu vermeiden und Patienten früher einer geeigneten, psychothera- peutischen Therapie zuzuführen. Un- ser Artikel richtete sich in erster Linie an Ärzte, die sich nicht hauptsächlich mit der Behandlung von Anfallskran- ken (oder gar Patienten mit PNEA)

beschäftigen. Aus diesem Grund wur- den psychodynamische Aspekte nur am Rande behandelt. Nur deshalb fand die sehr interessante Arbeit von Martin Schöndienst, der untersucht, wie sich die subjektive, verbale Schil- derung epileptischer Anfälle von der von PNEA unterscheidet, keine Er- wähnung.

Frau Kütemeyer weist mit Recht auf die große Bedeutung traumati- scher Erlebnisse in der Ätiologie von PNEA hin. Für unrichtig halten die Autoren allerdings die erstmals von Sigmund Freud aufgestellte Behaup- tung, dass PNEA immer mit schwe- ren Traumen oder traumatischen Erin- nerungen zusammenhängen (4). Die detaillierteste Studie zu diesem The- ma beschreibt in einem Kollektiv von 58 Patienten verschiedene psychody- namische Routen zur Entwicklung von PNEA (3). Bei über einem Dri- ttel der Patienten schienen traumati- sche Erlebnisse ätiologisch nicht rele- vant.

Die kritisierte suggestive An- fallsprovokation in der Diagnose von PNEA wird auch international kon- trovers diskutiert (2, 5). Die Autoren halten die Verwendung von Placebo zur Anfallsauslösung für vertretbar, da PNEA definitiv durch Video-EEG nachgewiesen werden können. Nur nach einer unzweifelhaften Diagnose von PNEA können Antikonvulsiva langfristig vermieden und eine Psy- chotherapie eingeleitet werden. Eine solche Therapie scheitert dagegen oft, wenn Unsicherheit darüber besteht, ob nicht doch epileptische Anfälle vorliegen. Nach Aufzeichnung provo- zierter Anfälle muss selbstverständ- lich immer mit Patienten und Anfalls- zeugen geklärt werden, ob es sich bei dem aufgezeichneten Anfall um ein ty- pisches Anfallsereignis handelt. Auch sollte ein in der Behandlung Anfalls- kranker erfahrener Arzt anamnestisch überprüfen, dass außer den aufge- zeichneten PNEA nicht noch zusätzli- che epileptische Anfälle vorliegen.

Die Sensitivität und Spezifität des Ver- fahrens ist gut untersucht (6). Die Auf- zeichnung mit Video-EEG ist unab- dingbar, da in der Tat (selten) durch Placebo auch epileptische Anfälle aus- gelöst werden können.

M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004 AA279

(2)

M E D I Z I N

A

A280 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004

Es ist die langjährige Erfahrung der Autoren, dass der mögliche psychody- namische Schaden der suggestiven Anfallsprovokation durch den Nutzen einer klaren Diagnose aufgewogen wird. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, dass die Behand- lungsprognose bei PNEA-Patienten, die mittels Anfallsprovokation dia- gnostiziert wurden, schlechter ist als bei anderen Patienten (1).

Wir stimmen mit den Kommentato- ren überein, dass die Behandlung von Patienten mit PNEA häufig einer psy- chodynamischen Kompetenz bedarf.

Wir empfehlen nicht der Verabrei- chung von SSRI nach der Gießkan- nenmethode, verweisen jedoch auf Studien, die zeigen, dass eine zusätzli- che medikamentöse Behandlung sinn- voll sein kann.

Literatur

1. Aboukasm A, Mahr G, Gahry BR et al.: Retrospective analysis of the effects of psychotherapeutic inter- ventions on outcomes of psychogenic nonepileptic seizures. Epilepsia 1998; 39: 470–473.

2. Benbadis SR: Provocative techniques should be used for the diagnosis of psychogenic nonepileptic seizu- res. Arch Neurol 2001; 58: 2063–2065.

3. Bowman ES, Markand ON: The contribution of life events to pseudoseizure occurrence in adults. Bull Menninger Clin 1999; 63: 70–88.

4. Freud S: Zur Ätiologie der Hysterie. In: Freud A, Bi- bring E, Hoffer W, Kris E, Isakower O, editors. Gesam- melte Werke. London: Imago 1896: 425–459.

5. Gates JR: Provocative testing should not be used in the diagnosis of psychogenic nonepileptic seizures.

Arch Neurol 2001; 58: 2065–2066.

6. Walczak TS, Williams DT, Berten W: Utility and relia- bility of placebo infusion in the evaluation of pa- tients with seizures. Neurology 1994; 44: 394–399.

Dr. med. Markus Reuber MRCP Academic Unit of Neurology Division of Genomic Medicine University of Sheffield Royal Hallanshire Hospital Sheffield 510 2JF Großbritannien

Prof. Dr. med. Jürgen Bauer Klinik für Epileptologie Universität Bonn Sigmund-Freud-Straße 25 53105 Bonn

Das Risiko, an Lungenkrebs zu er- kranken, ist bei Rauchern von so ge- nannten „Light“-Zigaretten mit gerin- gerem Kondensat nicht niedriger als bei Personen, die Zigaretten mit ei- nem mittleren Kondensatgehalt (15 bis 21 mg) rauchen. In der Cancer Prevention Study II wurde prospek- tiv untersucht, ob der Kondensatge- halt einer Zigarette das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken, beein- flusst. Wie Jeffrey Harris und Mitar- beiter vom Massachusetts Hospital in Boston berichten, wurden 364 239 Männer und 576 535 Frauen in der Studie erfasst. Im Jahr 1982 wurden der Raucherstatus und der Konden- satgehalt anhand der Nennung der Zigarettenmarke bestimmt. In den darauf folgenden sechs Jahren regi- strierten die Wissenschaftler die To-

desfälle, die auf primären Lungen- krebs zurückzuführen waren. Unab- hängig vom Kondensatgehalt hatten Raucher von „Light“-Zigaretten (bis 7 mg Kondensat oder 8 bis 14 mg Kondensat) kein geringeres Risiko an Lungenkrebs zu erkranken als Personen, die Zigaretten mit einem Kondensat von 15 bis 21 mg konsu- mierten. Lediglich Raucher von fil- terlosen Zigaretten mit mehr als 22 mg Kondensat hatten ein noch größeres Tumorrisiko. me Harris JE, Thun MJ, Mondul AM, Calle EE: Cigarette tar yields in relation to mortality from lung cancer in the cancer prevention study II prospective cohort, 1982–8.

BMJ 2004; 328: 72–80.

Dr. Jeffrey E. Harris, Internal Medicine Associates, Mas- sachusetts General Hospital, Boston MA 02114 USA, E-Mail: jeharris@partners.org

Lungenkrebs: „Light“-Zigaretten

nicht besser als herkömmliche Marken

Referiert

Mit der Entwicklung der COX2- Hemmer ist eine neue Ära in der Be- handlung rheumatischer Beschwer- den eingeläutet worden. In einigen Ländern haben diese Substanzen we- gen ihrer deutlich reduzierten ga- strointestinalen Toxizität die bislang üblichen nichtsteroidalen Antirheu- matika weitgehend abgelöst.

Aus Neuseeland wurden jetzt zwei Fallberichte publiziert, bei denen es unter der Einnahme von 100 mg Cele- coxib beziehungsweise 25 mg Rofe- coxib zur Beeinträchtigung des Seh- vermögens gekommen ist. In einem Fall kam es drei Wochen nach Beginn der Behandlung mit Celecoxib zu ei- nem zentralen Sehverlust, im zwei- ten Fall dazu, das die Betroffenen verschwommen sahen. Den Behör- den liegen weitere Fälle über Beein- trächtigung des Sehvermögens vor,

die vom Verschwommensehen bis zu einem plötzlichen Sehverlust eines Auges führten.

Dem World Health Organization Collaborating Centre for Internatio- nal Drug Monitoring liegen 230 Be- richte über Sehstörungen unter Cele- coxib und 244 unter Rofecoxib vor, die meist reversibel waren und inner- halb der ersten Woche nach Ein- nahme der Substanz aufgetreten sind.

Dieser in den meisten Fällen tem- poräre Sehverlust ist auch von den konventionellen nichtsteroidalen An- tirheumatika bekannt und wird auf eine Beeinträchtigung des Gefäßen- dothels in den Retinagefäßen durch die Prostaglandinsynthesehemmung

zurückgeführt. w

Coulter D M, Clark D W J, Topic R L S:Celecoxib, Rofe- coxib, and acute temporary visual impairment. BMJ 2003; 327: 1214–1215.

Dr. D. M. Coulter, Director of the Intensive Medicines Monitoring Programme New Zealand, Pharmacovigi- lance Centre, Department of Preventive and Social Medicine, Dunedin School of Medicine, University of Otago, PO Box 913, Dunedin 9000, Neuseeland.

E-Mail: david.coulter@stonebow.otago.ac.nz.

Sehstörungen

unter Celecoxib und

Rofecoxib

Referenzen

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