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Archiv "Ärztlicher Stellenmarkt: Will bald niemand mehr Chefarzt werden?" (26.09.2014)

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un scheint der Ärztemangel auch auf der Chefarztebene angekommen zu sein: Zumindest läuft die Besetzung von Chefarzt- positionen für die Krankenhäuser seit einiger Zeit nicht mehr ganz reibungslos. Aber liegt dies wirk- lich daran, dass immer weniger po- tenzielle Kandidaten zur Verfügung stehen? Hat nicht vielmehr das Karriereziel Chefarzt/Chefärztin so stark an Attraktivität verloren, dass es für immer weniger Ärztinnen und Ärzte erstrebenswert erscheint?

Die Realität sieht inzwischen so aus, dass sich zunehmend weniger Oberärzte auf Ausschreibungen von Chefarztpositionen bewerben. Eine qualifizierte Kandidatenauswahl ist in einigen Bereichen nur dadurch möglich, dass sich im Gegenzug mehr Ärzte bewerben, die bereits eine Chefarztposition innehaben.

Dies ist wiederum ein Indiz dafür, dass die Unzufriedenheit auf der Chefarztebene zugenommen hat.

Die Statistik gibt keinen Hinweis auf einen tatsächlichen Mangel an potenziellen Bewerbern für Chef- arztpositionen: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der im Kranken- haus tätigen Fachärzten unterhalb der Chefarztebene um rund ein Drittel gestiegen. Die Zahl an Chef- arztausschreibungen im Deutschen Ärzteblatt ist im gleichen Zeitraum aber zurückgegangen; im abgelau- fenen Jahr waren es 372, gegenüber 561 im Jahr 2003. Damit könnten

sich heute rein rechnerisch doppelt so viele Oberärzte auf eine Chef- arztausschreibung bewerben wie noch vor zehn Jahren.

Wie erklärt sich das abnehmende Interesse seitens der Oberärzte an der Übernahme einer Chefarztposi- tion? Und warum ist auf der ande- ren Seite eine immer größere Zahl an Chefärzten mit ihrer jetzigen be- ruflichen Situation unzufrieden?

Unzufriedenheit auf der Chefarztebene

Da ist zunächst die Gehaltssituati- on: Seit Ende der 90er Jahre sind die Chefarztgehälter im Durch- schnitt stark nach unten korrigiert worden. Gleichzeitig verdienen die Leitenden Oberärzte mit außertarif- lichen Verträgen heute zum Teil deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Damit ist auch der Einkom- mensunterschied zwischen einer Leitenden Oberarzt- und einer Chefarztposition sehr viel geringer geworden und für viele Leitende Oberärzte aus Krankenhäusern der Schwerpunkt-/Maximalversorgung der Schritt in eine Chefarztposition unter rein ökonomischen Gesichts- punkten kaum noch lukrativ.

Sicherlich ist das Gehalt nicht das (einzig) ausschlaggebende Kri- terium für eine Bewerbung. Eine

wichtige Motivation für die Über- nahme einer Chefarztposition ist der damit erhoffte Zugewinn an Entscheidungs- und Gestaltungs- möglichkeiten. Aber auch darum ist es nicht mehr so gut bestellt: Perso- nalmangel und rigide Sparvorgaben der Krankenhausträger haben hier zu schmerzhaften Einschnitten ge- führt. So lässt sich zum Beispiel an- gesichts ausgedünnter Stellenpläne selbst die Befreiung von Bereit- schaftsdiensten in vielen Abteilun- gen einfach nicht mehr realisieren.

Damit sehen die Oberärzte, die be- reits jetzt unter der enormen Leis- tungsverdichtung zu leiden haben, auch in einer Chefarztposition kein Licht am Ende des Tunnels.

Die fehlende Motivation, eine Chefarztposition zu übernehmen, zeigt sich zurzeit besonders im Ge- biet Frauenheilkunde und Geburts- hilfe. Dass in diesem Fach auf Chefarztausschreibungen beson- ders wenige Bewerbungen einge- hen, könnte auf den ersten Blick mit dem hohen Frauenanteil (inzwi- schen liegt dieser im Krankenhaus bei mehr als 60 Prozent) zusam- menhängen. Gynäkologinnen, so wäre dann die geschlechtsspezifi- sche Erklärung, sind aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Beruf und Familie eher geneigt, von einer ÄRZTLICHER STELLENMARKT

Will bald niemand

mehr Chefarzt werden?

Es bewerben sich immer weniger Oberärztinnen und Oberärzte auf eine Chefarztposition.

Foto: Fotolia/weseetheworld

2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 39 I 26. September 2014

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klassischen Karriere Abstand zu nehmen. Doch fällt auf, dass auch ihre männlichen Kollegen immer weniger Interesse an Chefarztposi- tionen zeigen und sich dieser Trend nicht mehr nur auf dieses „weiblich dominierte“ Fachgebiet beschränkt.

Chefärzte von heute müssen Multitalente sein: Mit ihrer medizi- nischen Expertise sind sie entschei- dende Leistungsträger des Kran- kenhauses. Sie sind mitverantwort- lich für den wirtschaftlichen Erfolg des Hauses, müssen also auch ei- ne gewisse „ökonomische Kompe- tenz“ mitbringen. Als Abteilungs- leiter sollen sie über soziale und kommunikative Kompetenz, Füh- rungsstärke und Organisationsge- schick verfügen. Sie sind verant- wortlich für die ärztliche Weiterbil- dung und damit ein wichtiges Vor- bild für die nachrückenden Ärzte.

Als ein „Gesicht“ des Hauses sind sie die entscheidende Kontaktper- son in allen Fragen der medizini- schen Versorgung. Hier kann man inzwischen getrost von einer Rol- lenüberforderung sprechen.

Wie Umfragen zeigen, haben die ärztlichen Führungskräfte zudem immer stärker den Eindruck, dass die Schere zwischen den zur Verfü-

gung gestellten personellen/sachli- chen Ressourcen und den Leis- tungsanforderungen durch die Ge- schäftsführung immer weiter ausei- nanderklafft, die geforderten Leis- tungszahlen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr zu er- bringen sind. Gleichzeitig beklagen sie, dass sie nicht ausreichend in strategische Fragen und Zielsetzun- gen eingebunden sind, am Ende aber für negative Ergebnisse ver- antwortlich gemacht werden.

Veritable Führungskrise in den Krankenhäusern Damit nimmt das Konfliktpotenzial zwischen Chefarzt und Geschäfts- leitung zwangsläufig zu. Nicht al- len Krankenhäusern gelingt es, ei- nen Interessensausgleich herbeizu- führen. Wo sich Chefärzte mit ihren Problemen allein gelassen fühlen, entsteht nicht selten der Wunsch, doch noch einmal das Krankenhaus zu wechseln, auch wenn dies in der eigenen Karriereplanung eigentlich nicht vorgesehen war. Die Anzei- chen sprechen also durchaus dafür, dass wir auf eine veritable Füh- rungskrise in den Krankenhäusern zusteuern. Hierbei geht es nur vor- dergründig um die vermeintliche

Attraktivität von Chefarztpositio- nen; es geht um die Identität der ärztlichen Führungskräfte.

Angesichts der Rollenüberforde- rung und der Befürchtung, dass wachsender Kostendruck und an- spruchsvolle Zielvorgaben die Lei- tenden Ärzte in der Ausübung des Arztberufs behindern, macht sich unter den Chefärzten zunehmend ein Gefühl von Ohnmacht breit.

Wie aber lässt sich dieses überwin- den? Ein wichtiger erster Schritt wäre sicherlich, dass die Leitenden Ärzte das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen, das heißt in der Ärzteschaft eine breite Diskus- sion über die Führungsstrukturen der Zukunft anstoßen und sich dort maßgeblich einbringen.

Aber auch der schnelle Wissens- zyklus der Medizin und die zuneh- mende Spezialisierung/Differenzie- rung in der Medizin stellen die Füh- rungsstruktur auf den Prüfstand: Es gibt nicht mehr die eine Person, die alle Facetten eines großen Fachge- bietes mit allen Spezialitäten kom- petent vertreten kann. Es gilt, Alter- nativen zum tradierten Chefarztmo- dell zu entwickeln.

Die Bundesärztekammer hat auf ihrer Internet-Homepage (www.baek.de/

aerzte) einen Bereich eingerichtet, über den erfolgreiche Modelle der Wahrnehmung von Leitungsfunktionen in Teilzeittätigkeit in Kranken - häusern gesammelt werden.

Warum interessiert sich die Bundesärztekammer für Beispiele, die belegen, dass Ärztinnen und Ärzte auch in Teilzeit erfolgreich Leitungsfunktionen im Krankenhaus ausfüllen können?

Susen: Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) besitzen Ar- beitnehmer grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit. Dabei sieht § 6 TzBfG explizit vor, dass Teilzeit auch bei leitenden Positionen ermöglicht werden soll. Bislang ist Teilzeit aber ein Arbeitsmodell, das wenig karrieretauglich ist. Dass Oberärztinnen und -ärzte, aber auch Chefärztinnen und -ärzte in Teilzeit tätig sind, ist für viele weiterhin kaum vorstellbar.

Dabei wächst bei Ärztinnen und Ärzten das Interesse an familien- freundlichen Arbeitszeitmodellen. Zudem wird immer weniger akzeptiert, dass eine Teilzeittätigkeit zu verringerten Karrierechancen führt. Gleich

mehrere Entschließungen des 117. Deutschen Ärzte - tages 2014 in Düsseldorf haben sich mit dieser Thematik befasst. Gefor-

dert wird, die berufliche Chancengleichheit von Ärztinnen und Ärzten in vollem Umfang herzustellen. Dies bedeutet unter anderem, dass es möglich sein muss, leitende Positionen in den Kliniken auch mit Familie und in Teilzeit zu erreichen.

Wir hoffen, mit der Zusammenstellung von Best-Practice-Beispielen belegen zu können, dass es möglich ist, einer Leitungsposition im Kran- kenhaus auch in Teilzeit erfolgreich nachzugehen. Zum anderen wollen wir die in Teilzeit tätigen Ärztinnen und Ärzte unterstützen, die eine Lei- tungsfunktion im Krankenhaus anstreben, oder die, nachdem sie eine solche Position erreicht haben, ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Si- cherlich wird es helfen, Widerstände zu überwinden, wenn man in den Gesprächen mit Vorgesetzten und Krankenhausgeschäftsführungen auf

erfolgreiche Beispiele verweisen kann. JF

FRAGE DER WOCHE AN . . .

Britta Susen, Bereichsleiterin Versorgung, Bundesärztekammer

Dr. Wolfgang Martin, Mainmedico GmbH, Consulting & Services, Frankfurt am Main

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 39 I 26. September 2014

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