Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 40|
7. Oktober 2011 A 2101 Vor dem Hintergrund der niedrigenabsoluten Ereignisse (zum Beispiel nur 30 Neuanwender von Naproxen von fast 25 000 Patienten der NSA- Gruppe) sind die wiedergegebenen relativen Risikowerte ohne Bedeu- tung. Eine Aussage aus dieser Stu- die wäre auch, dass das als kardio- toxisch geltende Rofecoxib so si- cher wie das kardioprotektive Na- proxen ist beziehungsweise Napro- xen so schädigend wie Rofecoxib.
In einer jüngst erschienenen Arbeit zum Vorhofflimmern bei entzündli- chen Erkrankungen wie der Psoria- sis zeigen NSA übrigens ein um 80 Prozent beziehungsweise 60 Pro- zent vermindertes relatives Risiko, verglichen mit ß-Blockern und ACE-/AT1-Hemmern (Ahlehoff et al. 2011, Eur Heart J).
Es wäre empfehlenswert, zusätzlich therapeutische Alternativen zu dis- kutieren. Aber nicht nur die Cox- Hemmstoffe stehen in der Kritik.
Paracetamol soll ganz der Ver- schreibungspflicht unterstellt wer- den (!), ein entsprechender Antrag liegt dem Ausschuss für Verschrei- bungspflicht des BfArM vor. Vor Metamizol wird ständig gewarnt . . . Warum wird nicht darauf hingewie- sen, dass trotz der Zunahme der Verordnungen von circa 10 Millio-
nen DDD im Jahr 1990 um 1 200 Prozent auf 120 Millionen im Jahr 2010 die Zahl der gemeldeten Agranulozyten sich lediglich ver- doppelte und die letalen Ausgänge fast unverändert blieben? Was soll ein Arzt mit einer Warnung vor ei- nem letalen Agranulozytose-Risiko von eins auf 24 Millionen DDD entsprechend 67 500 Patientenjah- ren anfangen? Schließlich lässt sich auch vor der verglichen mit NSA erhöhten Zunahme der kardiovas- kulären Ereignisse, der Hospitali- sierungsrate und der Gesamtmorta- lität trefflich undifferenziert vor Opioiden warnen (Solomon et al.
2010, Arch Intern Med). Die Ge- fahren der NSA sind bekannt, un- differenzierte Studienkommentie- rungen helfen nicht bei der schwie- rigen ärztlichen Entscheidungsfin- dung . . .
Prof. Dr. med. Thomas Herdegen, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK-SH), Campus Kiel, 24105 Kiel
Früher gab es kaum Arrhythmien
Nach meinem Staatsexamen An- fang der Sechzigerjahre des vergan- genen Jahrhunderts war ich neben dem Chef einziger Mediziner auf
der Inneren Abteilung des Kranken- hauses in Montabaur. Aus diesem Grund musste zunächst ich jeden neu eingelieferten Patienten unter- suchen. Mir sind viele Infarkte in Erinnerung, aber kaum Arrhyth- mien. Damals gab es weder Beta- blocker noch viele der heute einge- setzten Antihypertonika, Diuretika, Analgetika etc.
Daher frage ich mich schon lange, ob nicht die enorme Zahl von Ar- rhythmien der heutigen Zeit verur- sacht wird durch die Medikamente, mit denen unser Herz und sonstiger Organismus bombardiert wird, also iatrogen bedingt ist. Nicht nur die nichtsteroidalen Analgetika sind vermutlich ursächlich für Arrhyth- mien verantwortlich zu machen.
Auf einem Kongress daraufhin an- gesprochen, meinte ein Herzspezia- list, die heutige Arrhythmienzunah- me sei wohl nur auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Menschen heute älter würden als vor fünfzig Jahren.
Vielleicht gibt es noch einzelne Kli- niken mit alten Aktenunterlagen, aus denen zu schließen ist, ob die Zahl der Arrhythmiekranken pro 1 000 Herzerkrankungen damals ge- ringer war . . .
Dr. Manfred Roberg, 47906 Kempen
B R I E F E
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