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Archiv "Aufgaben einer Interessenvertretung der Pharma-Industrie Die Situation der Arzneimittel-Hersteller nach dem GSG" (26.11.1993)

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THEMEN DER ZEIT AUFSÄTZE

Aufgaben einer Interessenvertretung der Pharma-Industrie

Die Situation

der Arzneimittel-Hersteller

Hans Rüdiger Vogel nach dem GSG

Friedrich von Hayek hat einmal dargestellt, daß demokratische Re- gierungen gezwungen sind, durch politische Wohltaten Mehrheiten zu erzielen und außerdem auch zusammenzuhalten. In Deutsch- land zeigt sich allerdings, daß zumindest in der Sozialpolitik Mehr-

heiten auch durch das Gegenteil zusammengeschmiedet werden können: Nämlich durch das Draufsatteln weiterer parteipolitischer Restriktionsvorschläge auf die ohnehin von der Regierung bereits vorgesehenen Dirigismen.

S

o geschehen im Herbst 1992 in Lahnstein. Dort wurde all das zum Gesundheitsstruk- turgesetz (GSG) zusammen- gezimmert, was bis dahin an mehr oder weniger abstrusen Gedanken in den Köpfen der Sozialpolitiker aller Couleur erdacht worden war. Seit dem 1. Januar 1993 müssen Versi- cherte, Ärzte, Krankenhäuser und Pharma-Industrie mit dem GSG le- ben, das folgende Instrumente fest- schreibt:

O einen Preisabschlag für Arz- neimittel mit Preisstopp bis Ende 1994,

Q ein Arzneimittelbudget für Ärzte,

(;) eine Liste verordnungsfähiger Arzneimittel ab 1996.

Damit hat das Gesundheits- strukturgesetz die Rahmenbedingun- gen auch für die pharmazeutische In- dustrie in Deutschland fundamental verändert: Die Arzneimittelindustrie war nie zuvor fester im Griff der So- zialgesetzgebung. Nie zuvor war ihre Preisgestaltung staatlich so einge- schränkt.

Nie zuvor fühlte sie sich auch so alleingelassen. Heute kämpfen Ärz- te, Pharma-Industrie und Apotheker darum, jeweils ein möglichst großes Stück vom Kuchen der gesetzlichen Krankenkassen zu behalten. Von ei- ner Partnerschaft — so sie je bestand

— ist wenig zu spüren.

Das GSG und die Reaktion der Ärzte haben direkt und unerwartet hart in die Bücher der Arzneimittel-

hersteller durchgeschlagen. Die Ver- ordnungszurückhaltung der Ärzte, ausgelöst durch die Furcht, zu hohe Arzneimittelverordnungen schmäler- ten ihr eigenes Einkommen, hat der Industrie von Januar bis Juli 1993 ei- ne Umsatzeinbuße auf dem west- deutschen Apothekenmarkt von 12,8 Prozent beschert. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sparte gegenüber dem ersten Halbjahr 1992 im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 22 Prozent bei den Arzneiaus- gaben. Die Ausgaben sanken von 13 Milliarden auf 10,1 Milliarden DM.

Eine Normalisierung der Umsatzsi- tuation zeichnet sich nicht ab. Die pharmazeutische Industrie muß da- mit rechnen, daß allein in West- deutschland das GKV-Geschäft von 27 Milliarden im Jahr 1992 auf 20 bis 21 Milliarden Mark schrumpft.

Personalabbau und Kurzarbeit

Das hat erhebliche Auswirkun- gen auf die Betriebe: Personalabbau und Kurzarbeit in nie gekanntem Ausmaß belasten die Arzneimittelin- dustrie. Investitionen in Anlagen, aber auch in die Forschung werden gestreckt, verschoben oder ganz auf- gegeben, hat eine Umfrage des Bun- desverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ergeben.

Die enormen Einsparungen der Krankenkassen sind in den Augen der Sozialpolitiker eine durchaus po-

sitive Entwicklung. Der Erfolg dämpft jedoch weitergehende Erwar- tungen der Politik nicht. Im Gegen- teil: Der Arzneimittelbereich gilt noch immer als Verfügungsmasse zur Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zurückhaltung der Ärzte

Der für die GKV im Bonner Ge- sundheitsministerium zuständige Ab- teilungsleiter Schulte hat sich mit den Worten vernehmen lassen, das vom Gesetzgeber für 1993 festgelegte Budget von 24 Milliarden DM stelle offensichtlich noch nicht die Wirt- schaftlichkeitsgrenze bei der Arznei- therapie dar. Auch die Autoren des

„Arzneiverordnungs-Reports 93"

sind noch immer nicht zufriedenge- stellt. Die Zurückhaltung der Ärzte wird von ihnen lediglich als notwen- dige Entrümpelung der Arzneimittel- therapie begrüßt, die weiter fortge- setzt werden müsse.

Die Arzneimittelhersteller blei- ben daher weiter unter Druck. Der entscheidende Punkt, ob ein Unter- nehmen überhaupt noch nennens- werte Geschäfte mit den Kranken- kassen machen kann, wird künftig sein Zugang zur „Liste der erstat- tungsfähigen Arzneimittel" sein, die ab 1996 gelten soll. Doch diese Aufli- stung der wichtigen Präparate in die- sem Verzeichnis sichert einem Un- ternehmen lediglich Chancen. Ob es A1-3140 (48) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 47, 26. November 1993

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diese Optionen in wirtschaftliche Er- folge ummünzen kann, hängt davon ab, wie geschickt es seinen Marktan- teil durch Verdrängung konkurrie- render Erzeugnisse auszuweiten ver- mag.

Der Zusammenhalt wird schwächer

Das haben die Unternehmen in Deutschland sehr wohl erkannt. So- wohl bei der Aufstellung der Liste wie anschließend beim Kampf um Marktanteile steht ein Hauen und Stechen bevor. Die Verbandskrise des BPI ist nicht zuletzt Ausdruck dieses Existenzkampfs.

Statt nach wirksamen und poli- tisch tragfähigen Konzepten für die nächste - schon 1996 - geplante Gesundheitsreform zu suchen, be- schäftigen sich die Gremien des BPI in erster Linie mit sich selbst. Die Diskussion um Dachverband oder Erhalt des BPI in alter Form lähmt die Aktivitäten des Verbands - zum Schaden seiner Mitglieder.

Gerade jetzt müßte der BPI als Interessenvertretung der Industrie mit einer Stimme sprechen. Doch statt dessen glaubt nun jedes Unter- nehmen, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu müssen. Das ist kein ganz neues Phänomen. Von Ko- stendämpfungsgesetz zu Kasten- dämpfungsgesetz nahm diese Ten- denz zu, obwohl doch fast jeder intui- tiv spürt, was die einzig vernünftige Lösung, das einzig erfolgverspre- chende Konzept ist, um in der Politik bestehen zu können: Zusammenhal- ten, sich auf das Wesentliche konzen- trieren, die Kräfte bündeln und mit einer Stimme sprechen.

Die Realität sieht anders aus.

Heute wissen wir: In der pharmazeu- tischen Industrie wächst in schwieri- gen Zeiten der Zusammenhalt nicht, sondern er wird schwächer. Einzelin- teressen werden von den betroffenen Herstellergruppen in Politik und Öf- fentlichkeit immer offensiver vertre- ten. Die eine .Gruppe konterkariert mit ihren Argumenten immer häufi- ger die Vorstellungen der anderen.

Was wir jetzt erleben, ist jedoch nur der Anfang. Diese - politisch schädlichen - Widersprüche werden

AUFSÄTZE

sich vervielfachen. Denn wichtige Kreise der in Deutschland tätigen Arzneimittelindustrie scheint diese Gefahr immer weniger zu stören. Sie wollen das Prinzip: "Getrennt mar- schieren" zum Modell der künftigen Interessenvertretung der pharmazeu- tischen Industrie fortentwickeln.

Es ist leider davon auszugehen, daß ab Januar 1994 mindestens vier Verbände für die pharmazeutische Industrie sprechen werden. Späte-

Prof. Dr. med. Hans Rüdiger Vogel

stens dann entfällt die Pflicht zur ge- genseitigen Rücksichtnahme. Dann können die einzelnen Interessen- gruppen der Pharma-Industrie ohne Rücksicht aufeinander eindreschen

- und sie werden es tun.

Verband als legitimer Ansprechpartner

Denn die Konkurrenz der Ver- bände untereinander darf nicht un- terschätzt werden: Sie müssen ihrer jeweiligen Klientel um jeden Preis Erfolge präsentieren - auch um den Preis einer nachhaltigen Schwächung der gesamten pharmazeutischen In- dustrie. Wenn fünf oder sechs Phar- maverbände in Bonn antreten, kön- nen diese naturgemäß nicht fünf oder sechs Erfolge verbuchen, son- dern höchstens einen.

Vergessen scheinen die Prinzi- pen der Verbändedemokratie. Zu ih- nen gehört es, den notwendigen In- teressenausgleich zwischen einzelnen

Gruppen innerhalb eines Verbandes herbeizuführen. Nur das dabei her- ausdestillierte - natürlich nicht jede Firma zufriedenstellende - Gesamt- interesse läßt sich politisch umset- zen.

Zu den wesentlichen Aufgaben eines Interessenverbandes gehört es doch, als legitimer Ansprechpartner der gesamten Industrie für Behörden und Politik bereitzustehen. Andern- falls zwingt man Politik und Behör- den geradezu, von Fall zu Fall auszu- wählen, welche Interessengruppe sie zu bestimmten Beratungen zulassen wollen. Der Auftritt gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit kann nur dann glücken, wenn die Feder- führung bei einer Presseabteilung liegt. Auch das Einhalten freiwilliger Verhaltensregeln, etwa im Marke- ting, läßt sich nur innerhalb eines Verbandes wirksam durchsetzen.

Für Argumente ist es zu spät

Die Demokratie ist auf den Sachverstand der Verbände angewie- sen. Man verwirrt die Politiker, wenn aus einer Branche unterschiedliche Auffassungen abgesondert werden.

Aber für Argumente ist es offen- sichtlich zu spät in dieser Diskussion um eine geeignete Interessenvertre- tung der Arzneimittelindustrie. Denn inzwischen haben sich zu viele Prot- agonisten der unterschiedlichen La- ger zu weit aus den Fenstern gelehnt.

Ohne Gesichtsverlust kommen sie nun nicht mehr zurück. Also wird der BPI in Zukunft nicht mehr das lei- sten können, was bisher seine wich- tigste Aufgabe war: Für die Interes- sen der gesamten Arzneimittelindu- strie zu sprechen. Bundesgesund- heitsminister Horst Seehafer wird es recht sein.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hans Rüdiger Vogel, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes

der Pharmazeutischen Industrie e.V.

Karlstraße 21 60329 Frankfurt

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 47, 26. November 1993 (51) A1-3141

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