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Archiv "Reform des Medizinstudiums: Seehofer-Novelle setzt auf mehr Praxisbezug" (04.02.1994)

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POLITIK LEITARTIKEL

Reform des Medizinstudiums

Seehofer-Novelle setzt auf mehr Praxisbezug

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer will seinen Zeitplan ein- halten: Mit dem noch Ende 1993 publik gemachten „Diskussions- entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte" strebt das Mini-

sterium eine „grundsätzliche Erneuerung des Medizinstudiums" an, eine grundlegende Revision des Ausbildungsrechtes nach dem er- sten „großen Wurf" von 1972. Nach Auswertung der Stellungnah- men will das Ministerium einen Referentenentwurf vorlegen.

In manchen Essentials zur No- velle der Approbationsordnung für Ärzte will der Diskussionsentwurf aus dem Seehofer-Ministerium for- mal den Eingaben und Forderungen der „verfaßten" Ärzteschaft Rech- nung tragen. Fünf Essentials prägen den Diskussionsentwurf: So sollen

—die Ausbildungszieldefinition zwar aktualisiert, aber substantiell gegenüber dem bisherigen Status un- verändert bleiben,

—der Kleingruppenunterricht während des Humanmedizinstudi- ums verstärkt,

—themenübergreifende Ausbil- dungsveranstaltungen eingeführt,

—ein größerer Experimentier- und Autonomiefreiraum für Univer- sitäten und Hochschulen eingeräumt,

—das Prüfungswesen verein- facht und nicht mehr im bisherigen Umfang auf Multiple-Choice-Prüfun- gen (MC) abgestellt werden.

Mehr Praxisbezug schon in den ersten Semestern soll während des — unverändert — mindestens sechs Jah- re dauernden Medizinstudiums durchgängig vermittelt werden. Nach dem Entwurf sollen Theorie und Pra- xis während des gesamten Studiums enger miteinander verzahnt und der praktische Unterricht am Patienten verstärkt werden (Vorbild: Modell- versuche in den Niederlanden?). Be- reits während der ersten Phase des Studiums werden der akademische Unterricht und die praktischen Un- terweisungen frühzeitig auf die prak- tischen Anforderungen und die klini- schen Zusammenhänge ausgerichtet.

Dies ist in erster Linie durch die Auf- hebung der bisherigen Trennung zwi- schen Vorklinik und Klinik beabsich- tigt. Den Studierenden sollen die

notwendigen beruflichen Grundla- gen in Pflichtveranstaltungen vermit- telt werden.

Prinzipiell soll der Wert der bis- herigen Approbation zum Arzt erhal- ten bleiben. Im Diskussionsentwurf wird klargestellt, daß die Approbati- on auch künftig zu einer eigenverant- wortlichen und selbständigen Berufs- ausübung des Arztes befähigt (vgl.

auch Kurt Gelsner: Keine Abwer- tung der Approbation, DÄ 3/1984, Leitartikel). Die ursprünglich von ei- ner Experten-Arbeitsgruppe beim Bundesgesundheitsministerium vor- geschlagene Zieldefinition (der Schlußbericht der Experten wurde im März 1993 vorgelegt), einen noch in der Ausbildung befindlichen „Arzt in der Weiterbildung" (AiW) zu kre- ieren, ist nicht zuletzt infolge des ve- hementen Protestes aus der Ärzte- schaft (insbesondere der Bundesärz- tekammer) jetzt gestrichen worden.

Die Ausbildungsinhalte sollen künftig darauf ausgerichtet werden, den angehenden Arzt wissenschaft- lich in den grundlegenden medizini- schen, fächerübergreifenden und me- thodischen Kenntnissen auszubilden.

Insbesondere müßten die prakti- schen Fertigkeiten und psychischen Fähigkeiten im Hinblick auf eine hausärztliche Tätigkeit in den Vor- dergrund gerückt werden. Verlangt wird eine erweiterte Kompetenz für die Behandlung von geriatrischen, gesundheitsökonomischen und phar- makotherapeutischen Fragestellun- gen. Der Absolvent des Medizinstu- diums soll sich auch Fragen der Me- dizinethik stellen. Das Studium soll darüber hinaus unter den Gesichts- punkt der Qualitätssicherung gestellt werden. Auch ökologische Fragestel-

Lungen sollen einbezogen werden.

Als „produit final" wird die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen und selb- ständigen ärztlichen Berufsausübung und zur anschließenden Weiterbil- dung, Fortbildung oder sonstigen ärztlichen Qualifizierung postuliert.

Das Medizinstudium umfaßt wie bisher sechs Jahre an einer Universi- tät oder Hochschule (unter Einbezie- hung der Akademischen Lehrkran- kenhäuser). Das letzte Jahr des Stu- diums umfaßt eine zusammenhän- gende praktische Ausbildung an Krankenanstalten von 48 Wochen.

Nach dem Medizinstudium schließt sich wie bisher eine Pflichtphase von 18 Monaten als Arzt im Praktikum (AiP) an. Die ärztliche Ausbildung umfaßt darüber hinaus eine Unter- weisung in Erster Hilfe (§ 5), einen Krankenpflegedienst von zwei Mona- ten, eine Famulatur von vier Mona- ten und die ärztliche Prüfung, die in drei Abschnitten abzulegen ist.

Ausbildungs- schwerpunkte

Als neue Ausbildungsschwer- punkte sind vorgesehen: geriatrische, pharmakotherapeutische, qualitätssi- chernde und gesundheitsökonomi- sche Fragestellungen. Wahlpflicht- unterrichtsveranstaltungen sollen es den Studierenden ermöglichen, sich schwerpunktmäßig und vertiefend mit Fächern oder Bereichen ihres be- sonderen Interesses zu befassen.

Die bisherigen Unterrichtsfor- men sollen durch Tutorien und Blockpraktika ergänzt werden. Diese sollen sich in besonderer Weise dazu eignen, fächerübergreifende Quer- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 5, 4. Februar 1994 (17) A-253

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POLITIK

schnittsbereiche zu bearbeiten, um die Studenten zum selbständigen Lernen und zu eigenständigen Pro- blemlösungen zu befähigen. Die No- velle will zur „Deregulierung" der ärztlichen Ausbildung beitragen. So soll den Studenten die Möglichkeit eingeräumt werden, den ersten Ab- schnitt der ärztlichen Prüfung ein halbes Jahr früher als bisher abzulei- sten. Bei Nicht-Bestehen dieser Prü- fung wird diese als nicht unternom- men bewertet („Freischußrege- lung"). Allerdings soll die Regelung noch mit der Kommission der Euro- päischen Union abgeklärt werden.

LEITARTIKEL / KURZBERICHTE

Als Folge der Neustrukturierung soll einer der vier Prüfungsabschnitte entfallen. Damit will man die Hoch- schulen, Hochschullehrer und Stu- denten entlasten. Das MC-Verfah- ren soll prinzipiell beibehalten wer- den. Allerdings sollen künftig die mündlichen Prüfungen stärker ge- wichtet werden, so daß die MC-Be- notungen insgesamt schwächer in den Notendurchschnitt einfließen.

Durch die Vorschrift, Kleingrup- pen bis zu acht Studenten im Unter- richt zu bilden, wird die Studenten- zahl voraussichtlich um 20 Prozent verringert werden, prognostiziert das

Bundesgesundheitsministerium. Eine Verringerung der Zahl der Medizin- studenten wird auch von der Ärzte- schaft seit langem gefordert, um die Zahl der Medizinstudenten, die der Hochschullehrer und die Hochschul- ausbildungskapazitäten ausschließ- lich an die Zahl der zur Ausbildung geeigneten und bereiten Kranken- hauspatienten sowie der für die prak- tische Unterweisung und den Unter- richt geeigneten Kapazitäten anzu- passen. Allerdings ist es erforderlich, daß die Kapazitätsverordnungen in der Zuständigkeit der Bundesländer geändert werden. Dr. Harald Clade

Hohe Akzeptanz

der Entscheidungen

Ärztliche Gutachter- kommissionen

Ärztliche Behandlungsfehler kommen vor, zum Leidwesen des Pa- tienten, aber auch des Arztes. Wendet sich ein Patient dann mit ei- ner Beschwerde an die zuständige Ärztekammer, obliegt es der dortigen Gutachterkommission, den Fall zur Zufriedenheit der Be- troffenen zu regeln. Solche Einrichtungen haben es sich zum Ziel gesetzt, Vorwürfe von Patienten zu klären, ohne daß der gerichtli- che Weg beschritten werden muß. Anscheinend mit Erfolg: Eine Er-

hebung der Ärztekammer Nordrhein ergab, daß sich Arzt und Pa- tient in rund 85 Prozent der Fälle, in denen ein Behandlungsfehler anerkannt wurde, zur beiderseitigen Zufriedenheit einigen konn- ten. Entweder wurde der Schaden durch die ärztliche Haftpflichtver- sicherung reguliert, oder der Betroffene verzichtete gänzlich auf fi- nanzielle Ansprüche. Künftig sehen sich die Gutachter vor allem mit Blick auf das ambulante Operieren gefordert.

„Vertrauensbildung zwischen Arzt und Patient, Vermeidung ge- richtlicher Schritte und Aufklärung über immer wiederkehrende Kunst- fehler, dies sind die Aufgaben einer Gutachter- oder Schlichtungsstelle”, erklärte Dr. med. Jörg-D. Hoppe, Präsident der Ärztekammer Nord- rhein, in Düsseldorf. „Wir wollen vor allem vermeiden, daß in Deutschland amerikanische Verhältnisse entste- hen." Dort würden Ansprüche auf- grund von Kunstfehlern in der Regel vor Gericht erstritten.

Die nordrheinische Ärztekam- mer sei 1975 die erste in Deutschland gewesen, an der ein Gutachtergremi- um ins Leben gerufen wurde. Nur wenige Jahre später seien die übrigen Kammern — inzwischen auch in den neuen Bundesländern — diesem Bei- spiel gefolgt. Bislang existiere zwar noch kein Gesetz, das die Errichtung derartiger Kommissionen verbindlich vorschreibe, so der Kammer-Präsi-

dent. Dies könne sich jedoch ändern, sollte der vorliegende Entwurf zur Änderung des Heilberufsgesetzes Gültigkeit erlangen.

Besonderen Wert legte Hoppe auf die Feststellung, daß die Gutach- terkommission ein unabhängiges und fachlich kompetentes Sachverständi- gengremium ist. So gehörten der Kommission in Düsseldorf vier Fach- mediziner als feste Mitglieder an (je ein Chirurg, Internist, Pathologe und Allgemeinmediziner). Sie würden in ihrer Arbeit von Kollegen aus ande- ren Fachgebieten unterstützt. Den Vorsitz führe ein Jurist, der über langjährige Erfahrung als Richter verfügen müsse. „Damit soll vor al- lem die Beachtung des aktuellen Arzthaftungsrechts sichergestellt werden", betonte Herbert Weltrich, Oberlandesgerichts-Präsident a. D.

und Vorsitzender der Gutachter- kommission Nordrhein. Alle Betei- ligten arbeiteten ehrenamtlich.

Keine amerikanischen Verhältnisse

Eine Studie belegt den Erfolg der Bemühungen: In 70 Prozent der 1990 gutachtlich anerkannten Be- handlungsfehler regulierten dem- nach die Haftpflichtversicherer den Schaden unmittelbar. In einem Großteil weiterer Verfahren verzich- teten die Patienten sogar auf eine Entschädigung und gaben sich mit ei- ner Entschuldigung des Arztes zu- frieden. Hoppe wies darauf hin, daß lediglich bei 15 Prozent der in Nord- rhein begutachteten Vorwürfe schließlich doch noch ein Gericht an- gerufen worden sei. Das Verhältnis stationärer zu ambulanten Behand- lungsfehlern betrage ungefähr 50:50, fügte Ulrich Smetkowski hinzu, der Leiter der Geschäftsstelle der Gut- achterkommission Nordrhein ist.

1993 hätten die Kosten für die Verfahren bei der Ärztekammer

A-254 (18) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 5, 4. Februar 1994

Referenzen

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