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Archiv "Neuordnung des Medizinstudiums: Mehr Praxisbezug angesagt" (18.06.1993)

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POLITIK KURZBERICHT

Neuordnung des Medizinstudiums

Mehr Praxisbezug angesagt

N

ach den Ankündigungen von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer soll es noch in dieser Legislaturperiode mit einer durchgreifenden Reform des Medizinstudiums ernst werden.

Konkret: Beim diesjährigen (96.) Deutschen Ärztetag in Dresden kün- digte der auch für Fragen der Re- form des Medizinstudiums zuständi- ge Bundesminister eine Achte Novel- le zur Approbationsordnung für Ärz- te (ÄApp0) für diese Legislaturperi- ode an. Zumindest soll ein konsens- fähiger Referentenentwurf auf den Weg gebracht werden.

Die Bundesregierung ist denn auch in der Vollzugspflicht gegen- über dem Bundesrat. Dieser hatte in einer Entschließung vom 21. Dezem- ber 1989 (Bundesratsdrucksache 632/89) die Siebte Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung lediglich als eine Sofortmaßnahme für eine grundlegende Reform be- zeichnet; deshalb stelle auch die der- zeit geltende Kapazitätsverordnung keine endgültige Regelung dar.

Um das schwierige Vorhaben ei- ner durchgreifenden Reform des Medizinstudiums auf die richtigen Geleise zu heben, hatte das Bundes- ministerium für Gesundheit im Herbst 1989 eine interdisziplinär zu- sammengesetzte „Sachverständigen- gruppe zu Fragen der Neuordnung des Medizinstudiums" berufen, die inzwischen (am 22. März 1993) ihre Beratungen abgeschlossen hat. Auf der Basis der Empfehlungen und Vorschläge der Expertengruppe will die Fachabteilung 3 des Ministeriums an die Arbeit gehen, um kurzfristig einen umsetzungsfähigen Referen- tenentwurf fertigzustellen. Dabei hat sich die Expertengruppe weitgehend an den Vorgaben des Bundesrates orientiert. Die Eckpunkte des Bun- desrates enthalten detaillierte Vor- schläge zur Gestaltung eines

— fächerübergreifenden, gegen- standsbezogenen Unterrichts ebenso wie

— eine Ausrichtung des natur- wissenschaftlichen Unterrichts auf das Medizinstudium;

— eine Aufhebung der her- kömmlichen Trennung zwischen Vorklinik und Klinik, die eine frühe Ausrichtung auf die praktischen An- forderungen an den Arzt ermöglicht;

— Einführung von sogenannten Blockpraktika

— eine Verstärkung des prakti- schen Unterrichts an Patienten.

Nach den Empfehlungen der Kommission soll das Medizinstudium wie bisher sechs Jahre dauern und mindestens 5 500 Unterrichtsstunden umfassen. Dieser Zeitrahmen be- rücksichtigt die EG-Normen.

Das Medizinstudium soll sich künftig in zwei Phasen (I und II) von jeweils fünf Semestern Dauer glie-

dern. Die herkömmliche Trennung in einen vorklinischen und einen klini- schen Teil des Studiums soll entfal- len; eine inhaltliche Zäsur soll ver- mieden werden. An die Phase II soll sich das Praktische Jahr (PJ) an- schließen.

Die Phase I soll folgende „Ge- biete" umfassen: Ärztliche Propä- deutik; der Körper; Strukturen und Funktionen; Informationen und Ab- wehr; geistes- und sozialwissen- schaftliche Grundlagen. Hinzu kommt eine bestimmte Anzahl von Wahlpflichtveranstaltungen.

Die Phase II des Medizinstudi- ums soll folgende Stoffgebiete umfas- sen: Einführung in die vier Haupt- stoffgebiete — Allgemeinmedizin, nicht-operativer Bereich, operativer Bereich, Nervenheilkunde; fächer- übergreifende Querschnittsbereiche

— Systemstörungen; primäre Ge- sundheitsversorgung; Behandlungs- konzepte; Blockpraktika in ambulan- ten und stationären universitären

und außeruniversitären Einrichtun- gen in den Gebieten Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Gynä- kologie und Nervenheilkunde. Dazu kommt ein Kanon von Wahlpflicht- veranstaltungen.

Das Praktische Jahr soll unver- ändert mit vier Monaten Innerer Me- dizin, Chirurgie und einem Wahlfach am Ende des Studiums stehen.

Dadurch, daß Fächer zusam- mengefaßt werden können, sollen die Universitäten und Hochschulen ei- nen größeren Gestaltungsraum er- halten. Grundsätzlich soll in der Rechtsgrundlage nicht mehr auf die Veranstaltungen in einzelnen Fä- chern abgestellt werden, so daß die Universitäten und Hochschulen auch in zeitlicher Hinsicht das Unter- richtsangebot regeln können.

Ausbildungsziel neu definiert

• Die Studienzieldefinition:

„Am Ende des Studiums steht der zur Weiterbildung befähigte Arzt, der eigenverantwortlich, aber nicht selbständig tätig ist. Angesichts der umfassenden Anforderungen an den Arzt in allen industrialisierten Län- dern ist kein Studium ohne anschlie- ßende fachärztliche Weiterbildung vorstellbar, die erst zur selbständigen Tätigkeit befähigt (z. B. als niederge- lassener Arzt)."

Die Leitlinien zur Neukonzepti- on gehen von bestimmten Vorausset- zungen aus, und zwar:

— Der Studienwert der Lehre an den Medizinischen Fakultäten der Hochschulen und Universitäten muß erhöht werden.

— Die Zahl der Medizinstuden- ten muß in einem angemessenen Verhältnis zu den Ausbildungsmög- lichkeiten (insbesondere zur Zahl der Ausbilder und der zur Ausbil- Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 24, 18. Juni 1993 (15) Ar1779

(2)

Anzahl

12 000

11 000

10 000 .

9 000

8 000 .

12 800 12 200

Medizinstudenten (Humanmedizin) im ersten Fachsemester

( Jahr = Winter + Sommersemester ) 1205011 122

900 11 700

9 050

7 900

6 700

411MINIMIr

10 10 500 10 100

11 400

11 250 11 350

40.011.111111,

.M111.1111/

1 III 11 1 11 1

1975 1976 1977 1978

0 01 01 II PI 01 01 01 01 11 1

•,

1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989

Jahr Ouelle: Stabstusches Bundesamt

7 000 _

000 .

5 000

LI IK KURZBERICHT

dung geeigneten und bereiten Pa- tienten) stehen.

Um der Ausbildung mehr Praxis- bezug zu verleihen und das Studium von Anfang an zu straffen, wird den Medizinischen Fakultäten aufgetra- gen, eine darauf abgestellte Planung und Organisation zu installieren; da- zu seien ausreichend qualifizierte Fachkräfte notwendig.

Außeruniversitäre Krankenhäu- ser (Akademische Lehrkrankenhäu- ser) und andere qualifizierte Einrich- tungen (z. B. Lehrpraxen niederge- lassener Ärzte) sollten soweit wie möglich in den akademischen Unter- richt einbezogen werden. Dabei müs-

se von vornherein festgelegt werden, daß dies ohne Anrechnung auf die Ausbildungskapazitäten geschieht.

Es müsse gewährleistet sein, so wird weiter postuliert, daß fächer- übergreifende Bereiche und soge- nannte Querschnittsfächer angemes- sen in der Lehre berücksichtigt wer- den (z. B. Vorsorge, Früherkennung und Rehabilitation). Darüber hinaus soll sichergestellt werden, daß grund- legendes Wissen fortlaufend und ver- tiefend vermittelt wird.

In einer Art „Lehr-Lern-Spira- le" sollen die wichtigsten Stoffgebie- te wiederholt und mit jeweils erhöh- ten Anforderungen und in verschie- denen Zusammenhängen gelehrt werden. Dies gelte sowohl für die Unterrichtung theoretischer Inhalte

in späteren Studienabschnitten als auch für die Vorwegnahme klinischer Inhalte in früheren Studienabschnit- ten.

Das Studium soll sich an den Anforderungen ausrichten, die an den berufstätigen Arzt gestellt wer- den. Insbesondere sollte Wert darauf gelegt werden, daß die zu vermitteln- den theoretischen Grundlagen der Medizin und das klinische Wissen auf wissenschaftlicher Grundlage sinnvoll verknüpft werden. Darüber hinaus sollen in der Ausbildung in- tensivierte praktische Fertigkeiten vermittelt werden. Bei der Vermitt- lung der Lehrinhalte soll auch eine

adäquate Einstellung des Studieren- den bewirkt werden.

Vom ersten Semester an soll der Student mit den Problemen der me- dizinischen Praxis konfrontiert wer- den. Dies müsse einhergehen mit der Vermittlung der theoretischen Grundlagen, die in späteren Studien- abschnitten vertieft werden sollen.

Der fächerübergreifende, gegen- standsbezogene Unterricht soll geför- dert und verstärkt werden. Der Un- terricht im Medizinstudium sollte sich, soweit zweckmäßig, nicht am einzelnen Fachgebiet, sondern viel- mehr am Lehrgegenstand ausrichten.

Neben gegenstandsbezogenem Unterricht müsse es auch künftig in angemessenem Umfang fächerbezo- genen Unterricht geben.

Der fächerbezogene Unterricht stellt den Stoff aus der Sicht eines be- stimmten theoretischen oder klini- schen Fachgebietes dar (Beispiel:

Pathophysiologie der koronaren Herzkrankheit; Pharmakotherapie der Herz-Kreislauf-Erkrankungen).

Der gegenstandsbezogene Un- terricht soll den Stoff aus der Sicht mindestens zweier (meist mehrerer) Fächer darstellen (Beispiel: Patho- physiologie und operative Behand- lung der KHK). Der Unterrichtsge- genstand ist damit definiert als ein fächerübergreifendes Stoffgebiet.

Als adäquate Unterrichtsformen sollen in Betracht kommen: Vorle- sungen, Seminare, Kurse, praktische Übungen und Tutorials.

Prüfungswesen

Grundsätzlich soll das Prüfungs- wesen umgestaltet werden. Der bis- herige Anteil des Multiple-choice- Verfahrens soll gegenüber mündli- chen Prüfungen, praktischen Prüfun- gen und anderen Formen schriftli- cher Prüfungen deutlich verringert werden. Universitäre Prüfungen sol- len zur Einschätzung des Lernerfolgs und der Qualität der Lehre beglei- tend während des gesamten Studi- ums durchgeführt werden, spätestens jedoch nach Abschluß eines jeden Stoffgebietes erfolgen (Leistungs- nachweis). Eine Zwischenprüfung soll nach fünf Semestern abgelegt werden. Sie stellt keine völlige inhalt- liche Stofftrennung dar; sie hat mündliche, schriftliche (auch MC- Verfahren) und praktische Anteile.

Die Hauptprüfung der Medizin- studiumabsolventen soll nach zehn Semestern mündlich, praktisch und schriftlich erfolgen. Die Abschluß- prüfung erfolgt nach dem Prakti- schen Jahr.

Die Expertengruppe läßt keinen Zweifel, daß qualifiziertes Personal und ausreichend dotierte Sachmittel sowie die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden müs- sen — denn sie sind das A und 0 ei- ner durchgreifenden Umgestaltung von Unterricht und Lehre und außer- dem einer zieladäquaten Ausbildung einer nachrückenden Medizinerge- neration. Dr. Harald Clade A1-1780 (16) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 24, 18. Juni 1993

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