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Archiv "Hochschulen: Reform für mehr Wettbewerb" (07.12.2001)

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ie von der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edel- gard Bulmahn (SPD), bereits als „Jahrhundertreform“ bezeichnete Dienstrechtsreform ist vorerst auf Eis gelegt und wird nicht wie geplant am 1. Januar 2002 in Kraft treten. Nach heftiger Kritik durch Hochschulverbän- de im Vorfeld – der Deutsche Hoch- schulverband nannte sie verfassungs- widrig – lehnte sie der Bundesrat am 30. November ab. Die sieben unionsre- gierten Länder sowie Brandenburg, wo eine große Koalition regiert, votierten mit 35 von 69 Stimmen dagegen. Am 9. November hatte der Deutsche Bun- destag das neue Dienstrecht für die Hochschulen mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü- nen beschlossen.

Tatsächlich sollte die aus wesentlich zwei Teilen bestehende Dienstrechts- reform zu einschneidenden Verände- rungen in der Hochschullandschaft führen (DÄ, Heft 25/2001). Zum ei- nen richtet sich nach der vom Bundes- tag beschlossenen Fassung die Besol- dung der Hochschullehrer verstärkt nach der Leistung und dem Engage- ment und nicht wie bisher nach dem Dienstalter der Professoren (Gesetz zur Reform der Professorenbesol- dung). Das im Bundesrat gescheiterte Gesetz wird nun im Vermittlungsaus- schuss beraten. Der Bundesrat ver- langt, dass die Länder den Besoldungs- durchschnitt flexibel gestalten können.

Zum anderen will die Bundesregie- rung die Juniorprofessur (JP) ein- führen, die den klassischen Weg zur Professur über die Habilitation ersetzt (Fünftes Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes). Auch die- ses Gesetz lehnte der Bundesrat ab.

Die Bundesregierung ist jedoch der Ansicht, dass es nicht zustimmungs- pflichtig sei. Mit beiden Gesetzen will sie die Leistungs- und Innovations-

fähigkeit der Hochschulen und For- schungseinrichtungen in Deutschland stärken. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen frühzeitig unabhängig forschen und lehren kön- nen und an den Hochschulstandort Deutschland gebunden werden.

Reform hat viele Gegner

Bereits im Vorfeld hatte Bulmahns Ge- setzentwurf mehr Gegner als Befürwor- ter. Einigen gingen die Reformpläne zu weit, anderen nicht weit genug. Der Wissenschaftsrat, die Deutsche For- schungsgemeinschaft und einzelne Fa- kultäten begrüßen Bulmahns Pläne. Im Ausland arbeitende junge Forscher un- terstützten die Ministerin in einem of- fenen Brief. Viele Verbände, unter an- derem der Deutsche Hochschulver- band, der Allgemeine Fakultätentag, der Medizinische Fakultätentag, der Hochschullehrerbund, der Verband Hochschule und Wissenschaft im Deut- schen Beamtenbund sowie die Fachbe- reichstage an den Fachhochschulen, halten das Gesetzeswerk jedoch nicht für geeignet, die internationale Wettbe- werbsfähigkeit der deutschen Hoch- schulen zu steigern. Auch die Hoch- schulrektorenkonferenz (HRK) entzog kurz vor der abschließenden Lesung im Bundestag dem Reformvorhaben, das sie fünf Jahre lang mit vorbereitet und propagiert hatte, die Unterstützung, weil keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Sie plädiert sogar dafür, die Hochschulen in Stiftungen privaten Rechts zu überführen, um ihnen „den erforderlichen Freiraum im internatio- nalen Wettbewerb“ zu sichern.

Entschieden spricht sich der Deut- sche Hochschulverband gegen diese Reform des Dienstrechts aus. Sie ver- stoße gegen die Verfassung und das gel-

tende Beamtenrecht, heißt es in einem vom Deutschen Hochschulverband in Auftrag gegebenen Gutachten. Der Verband hatte stattdessen dafür plä- diert, die leistungs- und wettbewerbs- fördernden Elemente des derzeitigen Berufungssystems auszubauen und eine leistungsgerechtere Besoldung einzu- führen.

Der Deutsche Hochschulverband, die bundesweite Berufsvertretung der deutschen Universitätslehrer und des wissenschaftlichen Nachwuchses mit mehr als 18 000 Mitgliedern, lehnt vor allem die Besoldungsreform ab. Nach dem Gesetzentwurf soll es künftig zwei Besoldungsgruppen für Professoren ge- ben: W2 und W3. Die Anfangsgehälter können frei ausgehandelt werden; W2- Professoren erhalten jedoch ein Min- destgehalt von 7 000 DM, W3-Profes- soren von 8 500 DM. Hinzu kommt ein variabler Gehaltsbestandteil von durchschnittlich 2 000 DM (W2) bezie- hungsweise 3 100 DM (W3), der sich nach der Bewertung der Leistung in Forschung und Lehre zusammensetzt.

Eine Obergrenze entfällt.

Bulmahn will trotz der neuen Besol- dungsregelung die Kosten konstant hal- ten. Dies kritisieren die unionsregierten Länder. Sie wollen, dass der Kosten- deckel fällt und die Grundgehälter für Professoren deutlich angehoben wer- den. Darüber muss sich nun der Bund mit den Ländern im Vermittlungsaus- schuss einigen. Auch die Hochschulrek- torenkonferenz, die ansonsten in groben Zügen mit dem Gesetzentwurf über- einstimmt, sprach sich gegen eine strik- te Kostenneutralität aus. Sie verhindere die dringend notwendige Qualitätssi- cherung und Leistungssteigerung an deutschen Hochschulen, sagte der HRK- Präsident Prof. Dr. Klaus Landfried.

Das Hochschulrahmengesetz lehnte der Bundesrat ab, weil die Juniorprofes- sur nach dem Gesetzentwurf der Regel- P O L I T I K

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A3252 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 49½½½½7. Dezember 2001

Hochschulen

Reform für mehr Wettbewerb

Der Bundesrat hat die Dienstrechtsreform vorerst gestoppt.

Sie wird nun nochmals im Vermittlungsausschuss beraten.

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weg zu einer ordentlichen Professur sein soll. Der klassische Weg zur Professur, die Habilitation, würde damit abge- schafft. Dies sei als Eingriff in die Rech- te der Länder inakzeptabel und diskri- miniere die Bewerber, die auf alternati- vem Wege die Qualifikation für eine Be- rufung erlangt hätten, kritisierte der bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair (CSU). Er forderte die Re- gierung auf, den Weg für die Anrufung des Vermittlungsausschusses frei zu ma- chen.

Juniorprofessur kontra Habilitation

Der Deutsche Hochschulverband for- dert ein Nebeneinander von Juniorpro- fessur ohneund wissenschaftlicher As- sistenz mit Habilitation. „Wer den Wettbewerb will, muss ihn auch zulas- sen“, erklärte der Präsident des Ver- bandes, Prof. Dr. Hartmut Schieder- mair. Bulmahn wies dies strikt zurück.

Eine solche Regelung würde dazu führen, dass in den traditionellen Habi- litationsfächern weiterhin nur habili- tierte Bewerber eine Chance auf eine Professur hätten. Stattdessen sollen

„die Juniorprofessoren in ihrer kreativ- sten Phase mit Ende 20 und Anfang 30 bereits unabhängig forschen und lehren können“, erklärte die Bundesfor- schungsministerin.

Als JP können sich Nachwuchswis- senschaftler mit überdurchschnittlich bewerteten Promotionen bewerben.

Die Juniorprofessoren erhalten nach der Besoldungsreform ein Grundgehalt von 6 000 DM, später von 6 500 DM (Besoldungsgruppe W1), möglich ist auch ein Sonderzuschlag von 600 DM.

Sechs Jahre soll die JP maximal dauern, nach drei Jahren ist eine Evaluation vorgesehen. Bei einer negativen Ent- scheidung des Fakultätsrats oder der Fachbereichsleitung scheiden die JP nach einem Auslaufjahr aus. Nach den sechs Jahren werden die JP dann ent- weder auf eine Professur auf Dauer be- rufen oder scheiden aus dem Dienstver- hältnis und dem Hochschulbereich aus.

„Die Juniorprofessur soll die Regel, aber nicht der einzige Weg zur Profes- sur sein“, erläuterte Bulmahn. Eine wis- senschaftliche Leistung in einer For-

schungseinrichtung, in der Wirtschaft oder in anderen Organisationen qualifi- ziere genauso für eine Professur. Die Habilitation sei jedoch nicht mehr zeit- gemäß und verliere deshalb als „Kö- nigsweg“ ihre Bedeutung. Trotzdem werde kein Wissenschaftler gezwungen, seine Lebensplanung zu ändern. Dies stelle eine Übergangsregelung von zehn Jahren sicher. Erst ab 1. Januar 2010 soll eine JP Voraussetzung für eine Bewer- bung auf ein Professorenamt sein.

„Lost generation“

Der organisierte wissenschaftliche Nachwuchs befürwortet die Einführung der Juniorprofessur, befürchtet jedoch Probleme bei der Umstellung. „Trag-

fähige Übergangsregelungen“ zu dem bisher geltenden Berufungsweg forder- te deshalb das Doktoranden-Netzwerk

„Thesis“. Die Initiative „wissenschaftli- chernachwuchs.de“ richtete eine Reso- lution mit mehr als 4 000 Unterschriften an das Bundesforschungsministerium.

Es könne nicht im Sinne der Reform sein, heißt es darin, die Förderung des zukünftigen Nachwuchses auf Kosten des gegenwärtigen Nachwuchses durch- zuführen. Für derzeit an ihrer Habilita- tion arbeitende Wissenschaftler werde es nach Abschluss ihres Habilitations- verfahrens keine C2-Stellen mehr ge- ben, weil alle nach 2002 frei werdenden C2-Stellen in Juniorprofessuren (W1) umgewandelt würden. Ferner sei da- mit zu rechnen, befürchtet die Initiati- ve „wissenschaftlichernachwuchs.de“, P O L I T I K

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A3254 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 49½½½½7. Dezember 2001

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Ä:: Herr Professor Wauer, das Hochschulrah- mengesetz ist noch nicht in Kraft. Dennoch hat die Humboldt-Universität Berlin 40 Stellen für Junior- professuren, fünf davon an der medizinischen Fa- kultät, der Charité, ausgeschrieben. Was hat Sie be- wogen, das Projekt bereits im rechtsfreien Raum zu starten?

Wauer: Wir hoffen, eine innovationsfreudige medizinische Fakultät zu sein, und sind stets offen für Erfolg versprechende neue Projekte. Ferner er- gänzt das Konzept „Juniorprofessur“ ideal das bis- herige Programm der Charité zur Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Für junge Nach- wuchswissenschaftler/-innen mit einem erfolgrei- chen Forschungsgebiet fehlte uns bisher ein attrak- tives Förderprogramm, das Rückkehrwillige aus der EU und aus Übersee an die Charité zieht.

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Ä:: Sehen Sie auch Nachteile bei der Juniorpro- fessur (JP)?

Wauer: Nachteile ergeben sich daraus, dass die ungelösten Struktur- und finanziellen Proble- me der medizinischen Fakultäten bestehen blei- ben, da diese Reform keine zusätzlichen Kosten verursachen darf. Es bleiben auch die Besoldungs- unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern bestehen, was besonders an der Charité gravierende Ungerechtigkeiten auslöst.

Für die Fakultät bedeutet die Einführung der JP ei- nen empfindlichen Verlust einer Graduierungs- möglichkeit, der Habilitation. Für die Wissen- schaftler entstehen höhere psychische und physi- sche Belastungen, die sich aus den gleichzeitig zu erbringenden Leistungen in der Lehre, Forschung, der eigenen Ausbildung und teilweise in der Kran- kenversorgung ergeben. Für sie bedeutet der Ver- lust des Titels „Privatdozent“ auch den Verlust ei- nes akademischen Standes. Der Titel JP kann das nicht ersetzen, da er mit Auslaufen der sechsjähri- gen Förderung erlischt.

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Ä:: Befürchten Sie, dass durch die Abschaffung der Habilitation das Qualitätsniveau der neu beru- fenen Professoren leidet?

Wauer: Unter dem Eindruck der kürzlich abge- schlossenen Bewerbungsrunde habe ich diese Be- fürchtung nicht, eher ist das Gegenteil der Fall. Von den 20 zum Vortrag und Bewerbungsgespräch ge- ladenen Kandidaten/-innen konnten 90 Prozent die strengen, selbst gesetzten Kriterien für die JP erfül- len. Die Qualität der JP wird – so wie die von der Ha- bilitation jetzt – von der Qualität der selbst gewähl- ten Kriterien und von der Arbeit der Berufungskom- missionen der Fakultät abhängen.

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Ä:: Künftige Juniorprofessoren können sich nach dem Examen nur innerhalb eines Zeitfensters bewerben. Für Medizin beträgt dieses neun Jahre.

Sehen Sie dadurch die Facharztqualifikation der Be- werber gefährdet?

Wauer: Die reguläre Facharztweiterbildung dau- ert in der Regel fünf bis sechs Jahre. Für diese Fächer sehe ich keine wesentlichen Schwierigkeiten, sich in dieses Zeitfenster einzuordnen. Einige wenige Fächer, wie beispielsweise die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, verlangen einen Facharzt in zwei Disziplinen. Aber auch sie ist in dieses Zeitfenster einpassfähig. Außerdem ist vorstellbar, dass ein JP im letzten Jahr seiner Ausbildung berufen wird und dann die Fakultätsleitung einen Vertrag aushandelt, der ihm die Beendigung der Weiterbildung ermög- licht. Trotzdem bleibt es abzuwarten, ob sich die JP in den klinischen Fächern bewähren kann. Schließt sich vor dem Facharztabschluss noch eine zwei- bis dreijährige Postdoc-Periode in den USA ohne ärztli- che Tätigkeit an, könnten Probleme auftreten.

Pro Juniorprofessur

Prof. Dr. med. Roland Wauer, Prodekan für wissenschaftlichen Nachwuchs der me- dizinischen Fakultät Charité, Humboldt- Universität Berlin

Foto: privat

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dass aufgrund der schwierigen Finanzsi- tuation der Länder einige der in den nächsten Jahren frei werdenden C3- und C4-Stellen gestrichen werden. An- ders seien die Professorenstellen und die JP nicht kostenneutral zu finanzie- ren. Die Initiative forderte das Ministe- rium auf, ein gezieltes Förderpro- gramm für die Übergangsgeneration zu entwickeln, die ansonsten eine „lost generation“ wäre.

Sonderfall: Hochschulmedizin

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissen- schaftlichen Medizinischen Fachgesell- schaften (AWMF) begrüßt weitgehend die ursprünglich geplante Dienstrechts- reform und die Einführung der JP. Um

die klinische Forschung in Deutschland zu stärken, sei es erforderlich, die wis- senschaftliche Selbstständigkeit junger Forscher zu fördern, sie von bürokrati- schen und hierarchischen Bevormun- dungen freizuhalten und ihnen die not- wendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig wies die AWMF auf den besonderen Bildungsweg von Medizinern hin (DÄ, Heft 31–32/2001).

Die Zeitvorstellungen für die JP seien für die klinische Medizin nicht geeignet.

Die AWMF schlägt deshalb vor, das Habilitationsverfahren in der Medizin beizubehalten oder als kumulatives Verfahren zu modifizieren und ein Eva- luationsprogramm für junge Wissen- schaftler einzurichten. Tatsächlich sieht das Hochschulrahmengesetz Zeitgren- zen (jedoch keine Altersgrenzen) für

die Qualifizierung des wissenschaft- lichen Nachwuchses vor. So soll die Promotions- und Beschäftigungsphase nach Beendigung des Studium und vor Beginn der JP nicht mehr als sechs Jah- re betragen. Für den Bereich der Medi- zin wurde die Frist auf neun Jahre ver- längert, um den Ärzten zuvor den Fach- arztabschluss zu ermöglichen.

Die ersten 3 000 Juniorprofessuren will Bundesforschungsministerin Bul- mahn in den nächsten Jahren mit etwa 360 Millionen DM unterstützen. Acht Millionen DM hat ihr Ministerium be- reits bewilligt. Sie sollen an diejenigen Universitäten gehen, die bereits in die- sem Jahr Juniorprofessuren ausge- schrieben haben: die Humboldt-Uni- versität Berlin will bis zu 40, die Georg- August-Universität Göttingen 42 und die Philipps-Universität in Marburg 15 dieser neuen Qualifikationsstellen ein- richten. Auch die Technische Univer- sität Darmstadt, die Otto-von-Gue- ricke-Universität Magdeburg, die Uni- versität Hamburg und die Universität des Saarlandes haben bereits Stellen für die JP im Vorgriff ausgeschrieben. Die Erstausstattung jeder Stelle unterstützt der Bund mit 150 000 DM, die Gehälter der JP müssen die Universitäten auf- bringen. Die Bewerbungsphase für die- sen Modellversuch ist an einigen Uni- versitäten bereits abgelaufen. Zu Be- ginn des nächsten Jahres sollen die Stel- len besetzt werden.

Im Bereich der Medizin werden an der Humboldt-Universität Berlin (Cha- rité) fünf JP eingestellt. „Wir haben 56 Anträge erhalten“, berichtet Prof. Dr.

med. Roland Wauer, Prodekan für wis- senschaftlichen Nachwuchs an der Hum- boldt-Universität Berlin. „Etwa 40 Pro- zent der Bewerber kamen dabei von der Charité, 20 Prozent aus dem Land Berlin, 20 Prozent aus anderen Teilen Deutschlands und 20 Prozent aus Über- see, hauptsächlich aus den USA.“ Für fünf Bewerber, darunter drei Frauen, ha- ben sich die Gutachter bereits entschie- den. Trotz der noch bestehenden Proble- me bei der Einführung der JP (siehe Ka- sten) ist Wauer optimistisch: „Der wis- senschaftliche Nachwuchs muss früher selbstständig forschen und lehren kön- nen. Diese Idee wollen wir innerhalb unseres Modellversuchs mit Leben aus- füllen.“ Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 49½½½½7. Dezember 2001 AA3255

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Ä:: Sehen Sie in der Reform einen Fortschritt und eine Angleichung an die internationale Ent- wicklung?

von Jagow: Grundsätzlich begrüßt der Medizi- nische Fakultätentag (MFT) eine Gesetzgebung zur Verbesserung der Qualifizierungswege von Hoch- schullehrern und zur Steigerung der Attraktivität der Hochschullehrerlaufbahn in der Medizin. Der MFT befürwortet auch eine Reform des Besoldungs- rechts zur Verbesserung der Wettbewerbs- und Zu- kunftsfähigkeit der Hochschullehrerlaufbahn. Das jetzt vom Deutschen Bundestag verabschiedete Ge- setz – das im Übrigen mit einer Beratungsresistenz durchgezogen wurde, wie ich sie selten erlebt habe – ist eine Reform mit guten Absichten, aber frag- würdigen Folgen und wird deshalb von uns abge- lehnt. Die Abwanderung junger Wissenschaftler – weg von den Universitäten beziehungsweise ins Ausland – ist so nicht zu stoppen.

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Ä:: Mit der Einführung der Junior-Professur soll gleichzeitig die herkömmliche Habilitation abge- schafft werden. Wird eine solche Regelung den me- dizinischen Fakultäten gerecht, und wird dadurch die deutsche Hochschule attraktiver für den wissen- schaftlichen Nachwuchs?

von Jagow: Der MFT ist der Auffassung, dass die breite strukturelle und fachliche Differenzierung der Hochschulmedizin mehrere flexible Qualifikati- onswege erfordert. Eine alleinige Festlegung auf die Juniorprofessur wird den Anforderungen der kli- nischen Medizin nicht gerecht. Wir fordern daher, im neuen Hochschulrahmengesetz die Möglichkeit einer zeitlich gestrafften Habilitation – in der Regel kumulativ – als zusätzlichen Qualifikationsweg ein- zuräumen. Die Abschaffung der Habilitation auf kaltem Wege lehnen wir ab. Wer Wettbewerb an der Hochschule will, sollte ihn auch zwischen Juni- or-Professur und Habilitation zulassen.

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Ä:: Welche finanziellen, personellen und orga- nisatorischen Voraussetzungen bedingt eine solche Änderung der Hochschulkarriere und des Dienst- rechts?

von Jagow: Sieht man von der zugesagten An- schubfinanzierung seitens der Bundesregierung ab, müssen die Gelder für die Ausstattung der Junior- professuren aus den eh schon zu knappen Budgets der Fakultäten geschaffen werden. In den klinischen Fächern wird es Probleme mit dem hohen Maß an Selbstständigkeit der Juniorprofessuren und ihrer Einbindung in die Patientenversorgung geben. Auch die Fragen der regelmäßigen Leistungsbeurteilung der künftigen Professoren sind noch ungelöst.

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Ä:: Nach dem neuen Besoldungssystem sollen die rund 30 000 Professoren künftig etwa ein Vier- tel bis ein Drittel ihrer Bezüge nach Leistung erhal- ten. Neben guter Lehre und Forschung zählen dabei Funktionen wie Dekan oder Rektor. Sind die vorge- sehenen Bezüge, Besoldungsgruppen sowie das Einstiegsgrundgehalt angemessen?

von Jagow: Nein, keineswegs. Wer internatio- nal konkurrieren will, kann dies nicht mit Gehäl- tern von Oberstudienräten. Die Berücksichtigung leistungsbezogener Besoldungskriterien ist grund- sätzlich der richtige Weg. Eine Reform mit Kosten- deckelung kann jedoch nur zu einer Umverteilung und nicht zur Strukturverbesserung mit genereller Leistungsmotivation und -steigerung führen, da die vorgesehenen Grundvergütungen unattraktiv und die Leistungszulage zu eng bemessen sind. Die deutschen Universitäten sind im internationalen Vergleich massiv unterfinanziert. Wer die Finan- zen nicht verbessert, wird keine Spitzenkräfte be- kommen.

Kontra Juniorprofessur

Prof. Dr. med. Geb- hard von Jagow, De- kan des Fachbereichs Medizin der Univer- sität Frankfurt/Main, Präsident des Medizi- nischen Fakultätenta- ges (MFT)

Foto: privat

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