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Die Medizin der Hildegard

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122 DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2017 | www.diepta.de

W

eil es bei uns

so gut riecht“

gab sie auf einer Post- karte an die Redaktion an, „und weil wir bekannt sind für die gute Beratung in der Naturheil- kunde.“ Ätherische Öle und Kräuter mischen sich zu einem

Geruchscluster, der seinesglei- chen sucht und der Wohlbeha- gen und Geborgenheit verbrei- tet. Bereits am Eingang steht das große Regal mit den Ingre- dienzien der Hildegard-Medi- zin. „Das“, sagt Winklmaier,

„bekommen Sie nicht im Groß- handel.“

Begeisterte Belegschaft Denn diese Apotheke hat ein besonders Steckenpferd: die Medizin der Hildegard von Bin- gen, die als Äbtissin vor 850 Jahren lebte und eine Gesund- heitslehre schrieb. Sie hat auch heute noch viele Anhänger;

selbst Ernährungswissenschaft-

ler und Naturheilkundler ver- weisen auf die verblüffend treffsicheren Kommentare in ihrer „Physica“. Vor vielen Jah- ren seien einmal drei PTA und eine PKA aus seiner Apotheke an den Bodensee zu einem Se- minar über Hildegard gefahren, erzählt der Inhaber und Apo- theker Bernhard Fuchs. „Sie kamen unglaublich begeistert zurück.“ Und so hat sich die kleine Apotheke ihr eigenes Fachgebiet geschaffen: „Es ist von selbst entstanden und wird von allen mitgetragen.“ Die Kunden – das erzählen alle An- gestellten unisono – kommen von weit her. „Wir haben ja alles da.“

Gemahlenen Fenchel gibt es hier, Galganttabletten, Mutter- kümmel, Flohsamen, Bertram und das Pulver für die bekann- ten Hildegard-Gewürzplätz- chen. Hier stehen Tinkturen, Elixiere und spezielle Pflanzen- auszüge. Und natürlich jede Menge Literatur über die be- rühmte Ordensfrau und ihre Lehren.

Geruchsintensive Dekora- tion Worauf diese Apotheke ihren Schwerpunkt legt, wird auch in der Dekoration deut- lich: Auf einem kleinen Tisch vor einer der Kassen stehen Wiesenkräuter in kleinen brau- nen Fläschchen, jedes ein zelne mit der Hand gepflückt und noch frisch, davor jeweils ein Namensschild: „Klappertopf“,

„Hornklee“, „Wegerich“,

„Rupprechtskraut“. Langweilig wird den Kunden bestimmt nicht, sollten sie einmal warten müssen: Echte Bienenwaben dienen der Veranschaulichung des alten Heilmittels Honig (und verströmen seinen Ge- ruch); ein Bücherständer hält die neusten Bücher über Natur- heilkunde bereit, eine andere Ecke der Offizin ist ganz den Duftölen gewidmet. Hinter dem

AKTION DIE BESONDERE APOTHEKE

Die Medizin der Hildegard

© UZV

Der Weg zur Platanenapotheke in Aschaffenburg führt durch das

grüne Blätterdach einer Allee. Und wer durch die Schiebetür die Offizin

betritt, weiß, warum Carolin Winklmaier uns geschrieben hat.

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HV, der in gläsernen Schub- laden heilende Gewürze zur Schau stellt, steht ein alter Holzschrank mit Einlegearbei- ten und Verzierungen, der aus- schließlich Globuli enthält. In langen Reihen stehen dort die Fläschchen in ihren jeweiligen Potenzen und Wirkstoffen.

„Wir haben immer schon Wert darauf gelegt, von Anfang an“, sagt der Apotheker: „Wir waren auch die ersten, die eine ho- möopathische Taschenapo- theke vorrätig hatten.“

Pharmazie als Familientra- dition Am 1. April 1986 hat Bernhard Fuchs die Plata- nenapotheke zusammen mit seiner Frau übernommen. „Da- mals herrschte hier noch 70er Jahre-Stil, wir haben nach und nach alles umgebaut.“ Fuchs stammt aus einer Apotheker- familie, er selbst ist Pharmazeut in sechster Generation. Aus der alten Apotheke seines Vaters, der selbst bis in sein 82. Lebens- jahr in der Offizin stand, hat er einige Erinnerungsstücke ein- gebracht: das große, schöne und diffizil bemalte Holzschild der

„Maria Hülf-Apotheke“ zum Beispiel. Im Schaufensterregal finden sich Original-Utensilien

wie ein Pillenbrett, zwei mechanische Mikroskope, eine Taschenwaage, einige Pulver- schiffchen aus echtem Horn.

Neben einer glänzenden Mes- singwaage steht ein „Signir- apparat“, der aussieht wie ein Buch. Wenn man das mit gol- denen Jugendstilbuchstaben be- druckte Behältnis aufklappt, kommen alte Schablonen und Farbpaletten zum Vorschein, mit denen damals Standgefäße individuell beschriftet wurden.

Und auf einem der alten Horn- schiffchen steht noch das Wort

„Morphin“ – weiße Pulver kön- nen sonst schon mal verwech- selt werden.

Zwölf Angestellte arbeiten in der Platanenapotheke, alle schon jahrelang, eine Fluktua- tion ist praktisch nicht vor- handen. Alle ziehen an einem Strang, denn sie haben dieselbe Idee im Kopf: „Es ist ein sehr erfüllendes Arbeiten“ be- schreibt es der 66-jährige Chef.

„Vor einigen Jahren haben wir noch Veranstaltungen abge- halten mit 300 Leuten, in der Stadthalle, über die Hilde- gard-Medizin und auch über Schüßler Salze und andere na- turkundliche Themen.“ Er holt einen dicken Aktenordner, in dem er die Kunden-Emails ab- geheftet hat. „Hierher kommen

oft Menschen, die an einem Endpunkt angelangt sind, die nicht mehr weiter wissen. Viele Ärzte haben keine Zeit mehr.

Wir hören ihnen zu. Wir kön- nen zwar keine Therapie an- bieten, aber wir können hin hören.“ Und so kann es schon einmal länger dauern, bis die PTA und der Apotheker herausgefunden haben, welches die richtige Medizin ist. Oft sind das Einzelanfertigungen, individuell hergestellt, aus der Homöopathie, aus der Spagy- rik, aus der Kräuterheilkunde.

„Es hat wirklich geholfen. Ich habe ganz viel Lebensqualität zurückgewonnen“, schreibt eine Frau überglücklich, weil ihre rheumatischen Beschwer- den eklatant zurückgingen.

„Das freut einen natürlich“, lächelt Bernhard Fuchs.

Nachfolger gesucht Er lä- chelt auch dann noch, als er sagt: „Nun mögen die Leute na- türlich sagen: Wirtschaftlich ist das nicht so doll, was wir hier machen.“ Er gibt offen zu, dass

sich mit dieser Art der Apothe- kenführung keine großen Ge- winne einfahren lassen. Aber es reicht für ein zufriedenes, er- fülltes Leben für sich und seine Angestellten. Nur eines macht ihm ein wenig Sorgen: „Die Apotheke kann jetzt langsam in jüngere Hände kommen. Ich wünsche mir einen Nachfolger, der dies hier in meinem Sinne weiterführt.“ Noch ist keiner in Sicht, „aber das Problem haben ja viele.“

Dann entschuldigt er sich, er muss wieder in die Offizin. Die Kunden stehen bis zur Tür, denn der Verkaufsraum ist klein. Man unterhält sich in dem weichen fränkischen Idiom dieser Gegend und es klingt ein bisschen wie Singen.

Als sie den Apotheker erblickt, dreht sich eine Kundin um und lacht. „Hallo Herr Fuchs. Ich fühl mich immer so wohl hier.

Und es riecht so gut!“ ■ Alexandra Regner, PTA und Redaktion

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DIE PTA IN DER APOTHEKE | Juli 2017 | www.diepta.de

KONTAKT

Arbeiten Sie auch in einer besonderen Apo- theke? Dann schreiben Sie uns, am besten per Email! Geben Sie bitte Ihren Namen und den der Apotheke an und nennen Sie den Grund, warum Ihr Arbeitsplatz ein ganz besonderer ist. Mit ein wenig Glück besuchen wir Sie. Bewerbungen unter p.peterle@uzv.de.

Carolin Winklmaier vor dem Regal mit der Hildegard- Medizin.

© UZV

© UZV

Apotheker Bernhard Fuchs.

Referenzen

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