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Archiv "„Wir müssen uns auf gesundheitspolitische Auseinandersetzungen vorbereiten“" (13.07.1992)

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Der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Ulrich Oesingmann, schreibt an die Kassenärzte der Bundesrepublik Deutschland:

„Wir müssen uns auf gesundheitspolitische Auseinandersetzungen vorbereiten"

Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

wir Kassenärzte müssen uns auf ge- sundheitspolitische Auseinandersetzun- gen vorbereiten, die in ihrer Tragweite für die kassenärztliche Versorgung weit über die Blümsche Gesundheitsreform hin- ausgehen. Mit dem Gesundheitsstruktur- gesetz 1993 plant die Regierungskoalition Einschnitte in das System der gesetzli- chen Krankenversicherung, die auch an den Fundamenten der ambulanten ärzt- lichen Versorgung durch freiberuflich tä- tige Kassenärzte rütteln.

Wir Kassenärzte haben mit unseren Honorarabschlüssen in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung der gesetz- lichen Krankenversicherung geleistet und zunehmende Arztzahlen und notwendige Investitionen zur Anpassung unserer Pra- xen an den medizinischen Fortschritt aus einer grundlohnorientierten Gesamtver- gütung finanziert. Trotzdem verlangt die Politik vor dem Hintergrund erneut steil ansteigender Gesundheitsausgaben auch von uns die Einbeziehung in eine solida- rische Aktion aller Beteiligten in einem auf drei Jahre befristeten Sofortpro- gramm zur Stabilisierung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Mit der vorgesehenen Einführung einer dreijährigen Pflichtweiterbildung als Zu- lassungsvoraussetzung für die kassen- ärztliche Versorgung, der Reform der Krankenhausfinanzierung, der durchge- henden Einführung einer prozentualen Selbstbeteiligung für Arzneimittel und der Einleitung einer Organisationsreform der Krankenkassen werden dabei Forderun- gen der Kassenärzteschaft aufgegriffen, die schon in der Blüm'schen Gesund- heitsreform erhoben, jedoch damals nicht realisiert wurden.

Gerade weil dies damals so war, müssen wir uns aber heute fragen:

• Hält die Politik den von ihr ge- forderten solidarischen Pakt aller Betei-

ligten durch? Stimmt der Bundesrat dies- mal einer Reform der Krankenhausfi- nanzierung zu oder sind es nicht wieder allein die Kassenärzte, die mit noch schärferen Honorareinschnitten und Reglementierungen die Zeche bezahlen müssen?

Deswegen haben wir frühzeitig zu den politischen Eckpunkten dieses Ge- sundheitstrukturgesetzes eindeutig Stel- lung bezogen. Einseitig die Kassenärzte belastende Maßnahmen darf es nicht ge- ben! Von uns kann aber auch nicht Soli- darität gefordert werden, wenn gleichzei- tig der Handlungsspielraum der Selbst- verwaltung durch staatliche Aufsichts- maßnahmen und Eingriffe in bestehende Verträge beseitigt und den Kassenärzten eine Kollektivhaftung für ein gesetzlich vorgegebenes Ausgabenvolumen für Arz- nei- und Heilmittel zugemutet werden soll. Ein solcher politischer Kurs entzieht der Solidarität zum Sparen die Grundla- ge und muß zu einer Solidarisierung der Betroffenen in der Konfrontation gegen dieses Gesetz führen.

Keine Gewerkschaft würde es ak- zeptieren, wenn durch gesetzgeberische Maßnahmen in Tarifverhandlungen und Tarifabschlüsse eingegriffen würde; uns Kassenärzten will man jedoch gerade dies zumuten!

Wir Kassenärzte sollen aus einer er- neut für drei Jahre an die Grundlohnent- wicklung angebundenen Gesamtvergü- tung nicht nur Arztzahlentwicklung, In- novationen und Strukturverbesserungen finanzieren. Wir sollen vielmehr auch die Ausgaben der Krankenkassen für Arznei-

und Heilmittel refinanzieren, wenn ein bestimmtes, zu Lasten der Krankenkas- sen verordnungsfähiges Budget über- schritten wird (Malus-System). Damit die Selbstverwaltung entsprechend

„funktioniert", wird sie in ein enges Kor- sett staatlicher Aufsichtsmaßnahmen und Ersatzvornahmen eingebunden und damit ihrer eigenständigen Entschei- dungskompetenz beraubt:

Wir Kassenärzte müssen einer sol- chen Nivellierung der ambulanten ärztli- chen Versorgung unter gleichzeitiger Kontingentierung der Arznei- und Heil- mitteltherapie im Interesse unserer Pa- tienten aktiv entgegentreten. Ihre gewähl- ten Vertreter in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und in den Kassen- ärztlichen Vereinigungen sind deshalb in ständigem Kontakt mit verantwortlichen Politikern, um bereits im parlamentari- schen Vorfeld Änderungen an den Ge- setzesplänen der Regierungskoalition zu

erreichen. Insbesondere dann, wenn dies nicht gelingen sollte, müssen die Kassen- ärzte auch in öffentlichen Aktionen auf die negativen Folgen der geplanten Kon- tingentierung von Gesundheitsleistungen für die medizinische Betreuung der Be-

völkerung aufmerksam machen.

Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wird daher für den 9.

September 1992 — also unmittelbar vor dem Beginn der parlamentarischen Bera- tungen — eine außerordentliche Vertreter- versammlung in Verbindung mit einem

„Kassenärztetag" einberufen. Dort sollen die Positionen der Kassenärzteschaft so- wohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch gegenüber der Politik klar zum Aus- druck gebracht werden. Bereits am 1.

August wird sich die Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung in einer ersten Sitzung mit dem dann vorliegenden Referentenentwurf ei- nes Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 be- fassen.

Bei den nunmehr anstehenden Ar- beiten sind wir auf Ihre Mitwirkung ange- wiesen. Wir bereiten zur Zeit entspre- chendes Informationsmaterial vor, das Ihnen so bald als möglich zur Verfügung gestellt wird. Die Kassenärztliche Bun- desvereinigung hat ferner eine Meinungs- befragung in der Bevölkerung veranlaßt, die sich unter anderem mit Einschätzung eines Malus-Systems durch die Patien- tenversorgung befaßt. Unterstützt werden diese Arbeiten durch zielgerichtete Aktivi- täten in den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen, so daß sich nach innen und nach außen das Bild eines geschlos- senen und entschlossenen Auftretens der deutschen Kassenärzteschaft ergibt.

Je nach Verlauf des Gesetzgebungs- verfahrens werden wir Sie erneut infor- mieren und um Ihre Unterstützung bei geplanten Aktionen bitten. Vor dem Hin-

tergrund der seit Inkrafttreten des Kas- senarztrechtes wahrscheinlich schwer- wiegendsten Eingriffe in das System der ambulanten kassenärztlichen Versorgung bedarf es des engagierten Einsatzes jedes einzelnen Kassenarztes. Hierzu rufen wir Sie auf!

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dt. Ärztebi. 89, Heft 28/29, 13. Juli 1992 (19) A1-2439

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