Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 31–325. August 2002 AA2073
S E I T E E I N S
Krankenhausfinanzierung
Externe müssen ran D
as Bundesgesundheitsministeri-um (BMG) setzt darauf, dass un- ter Rückgriff auf die im Fallpau- schalengesetz vorgesehene Ersatz- vornahme rechtzeitig eine Verord- nung erlassen werden kann, um die Optionsregelung zur Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen zum 1. Januar 2003 zu starten. Nach- dem die Deutsche Krankenhausge- sellschaft am 24. Juni das Scheitern der Verhandlungen über die Abrech- nungsbestimmungen erklärt hatte, versucht das BMG zu retten, was zu retten ist. Die Ministerialen in Bonn wissen genau, dass die Bundestags- wahl vom 22. September bei dem Projekt einen Strich durch die Rech- nung machen könnte, wenn die Bun- desregierung kippt und die jetzige Opposition einen Zeitaufschub bei der Umstellung auf Fallpauschalen einräumt und nachbessert.
Mithilfe einer konsequenten Ein- führung des Entgeltsystems soll die starre Budgetierung im stationären Sektor suspendiert und das Geld den Leistungen folgen können.
Zugleich sollen mithilfe der DRG- bezogenen Festpreise mehr Trans- parenz, mehr Leistungs- und Preis- wettbewerb initiiert werden.
Um die „Herkulesaufgabe“ zu be- wältigen, die mehr als 660 DRGs ab- zubilden und abrechnungsfähig zu machen, greift das BMG jetzt notge- drungen auch auf externen Sachver- stand zurück. Die Firma 3M, Neuss, die Insiderkenntnisse des US-ameri- kanischen DRG-Systems nachwei- sen kann, ist jetzt über das neu ge- gründete Institut für das Entgelt- system im Krankenhaus beauftragt worden, die DRG-bezogenen Ent- gelte auf empirischer Basis zu kalku- lieren. Bis Ende August sollen diese
Arbeiten abgeschlossen sein und die Bewertungsrelationen für die DRGs vorliegen. Das Ministerium will die Abrechnungsvorschriften entwerfen und die Grenzverweildauerregelung festzurren. Sobald die ins Deutsche übersetzte Klassifikation einschließ- lich der ICD- und OPS-Zuordnung vorliegt, soll diese ins Internet gestellt werden, eine Transparenzvorausset- zung dafür, dass sich die Software- industrie aktiv einschaltet und so ge- nannte Grouper entwickeln kann.
Ein Schönheitsfehler bei der Umset- zung: Dadurch, dass auch Aufträge an gewerbliche Beratungsinstitute ver- geben werden, verliert das Sieg- burger Institut für 40 Prozent seines Finanzierungsvolumens die Gemein- nützigkeit. 3M-Gutachten sind um- satzsteuerpflichtig. Bundesfinanzmi- nister Hans Eichel verdient auch bei den DRGs mit. Dr. rer. pol. Harald Clade
„Edinburgh“-Patent
Präzedenzfall für die Ethik D
ass das Europäische Patentamtwesentliche Teile seines Ende 1999 erteilten „Edinburgh“-Patents revidiert hat, ist kein Zufall. 14 Or- ganisationen, darunter die deutsche, die niederländische und die italieni- sche Regierung sowie Greenpeace, hatten vehement gegen das Patent protestiert. Es schützt ein Verfahren, mit dem sich Stammzellen von ande- ren Zellen trennen lassen. Dazu müssen die Stammzellen gentech- nisch verändert werden. Der mani- pulierte menschliche Embryo hätte somit patentiert werden können.
Nach der Entscheidung der Prü- fungskammer des Europäischen Pa- tentamtes vom 24. Juli darf sich das Patent jetzt nur auf adulte Stamm- zellen beziehen. Es gelte der ordre public, der im Europäischen Pa- tentübereinkommen verankert ist.
Die kommerzielle Vermarktung von menschlichen und auch tierischen Embryonen verstoße gegen die
„guten Sitten“.
Die Rücknahme des Patents ist ein erster Sieg von Ethik und Moral. Doch so groß dieser Er- folg ist, so sehr zeigt er auch, wie schnell die „guten Sitten“ aus dem Blickfeld der Biotech-Indu- strie verschwinden können. So hatte das 1994 von der Universität Edin- burgh (die mit dem australischen Forschungsunternehmen „Stem Cell Sciences“ verbunden ist) angemel- dete Patent alle tierischen Zellen, einschließlich menschlicher Zellen, in den Antrag einbezogen. Die betreffende Passage im englischen Originaltext hatten die Patentprüfer angeblich übersehen. Erst Green- peace hatte den „Fehler“ nach der
Patenterteilung entdeckt und Ein- spruch erhoben.
Ähnliche „Fehlentscheidungen“
dürften nach dem Fall des „Edin- burgh“-Patents seltener vorkom- men – ausgeschlossen sind sie jedoch nicht. Die Märkte für Stammzellher- stellung, -anwendung und -produkte werden weltweit von derzeit etwa zwölf Milliarden auf 171 Milliarden US-$ im Jahr 2020 wachsen, progno- stiziert die Life-Science-Studie ei- ner großen Unternehmensberatung.
Um eine Kommerzialisierung des Lebens zu verhindern, muss die EU- Patentrichtlinie, nach der Gene pa- tentiert werden können, überarbei- tet werden. Auch Deutschland muss endlich eindeutig Position beziehen:
Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist bisher noch nicht vom Tisch. Dr. med. Eva A. Richter