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Archiv "Die Streitpunkte bei der Krankenhausfinanzierung: So steht oder fällt die Reform" (24.10.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Die Streitpunkte bei der Krankenhausfinanzierung

K

eineswegs günstig sind die politischen Konstellatio- nen beim dritten Anlauf, das Krankenhausfinanzierungs- gesetz von 1972 grundlegend zu novellieren. Nicht etwa deswe- gen, weil sich die Opposition wieder einmal querlegt oder in Destruktion übt. Auch nach der ersten Lesung der beiden „Kon- kurrenz"-Entwürfe zur Neuord- nung der Krankenhausfinanzie- rung wird es darauf ankommen, die angeblich in der Luft liegen- den „Kompromißmöglichkei- ten" der beiden — in den Doll- punkten noch diametral entge- gengesetzten — Entwürfe (Bun- desregierung versus Entwurf der sechs CDU/CSU-regierten Länder) rasch auszuschöpfen.

Werden nur alte Positionen neu formuliert festgeschrieben, wird über wichtige Grundsatzfragen aber keine Einigung erzielt, dann geht der Hickhack im Ver- mittlungsausschuß weiter — oder das ganze Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt.

Einige Nachbesserungen

Auch mit der „Nachbesserung"

des Ländergesetzentwurfs durch das CDU-regierte Rhein- land-Pfalz und der Unterstüt- zung durch das Saarland (eben- falls CDU-geführt) ist bei der er- sten Lesung der beiden Entwür- fe (am 5. Oktober im Bundesrat) kein gangbarer Kompromißweg aufgezeigt worden. Im Gegen- teil: Der Streit und das Gerange- le zwischen der Bundesregie- rung und den Ländern geht auf höchster politischer Ebene mit unverminderter Schärfe weiter.

Die Länder wollen mit Macht ih-

So steht oder

fällt die Reform

ren eigenen Entwurf auch im Bundestag bis zur Gesetzesreife durchboxen. Bundesarbeitsmi- nister Dr. Norbert Blüm hat da- gegen noch im Bundesratsple- num einen heilsamen Problem- und Zeitdruck beschworen, der (offenbar ihn am meisten) hof- fen läßt, daß noch ein gemeinsa- mes Projekt aus den zwei Ent- würfen gedeiht. Sonst ist das von der Bundesregierung ver- fochtene Junktim zwischen dem Stop der Mischfinanzierung und einer Minimal-Reform des KHG zum 1. Januar 1985 ohnedies nicht zu halten.

Verständlich ist, daß die Bun- desregierung darauf beharrt, im Zuge des Abbaus der Mischfi- nanzierung bei den Kranken- hausinvestitionen und einer weitreichenden Verlagerung von Kompetenzen auf die Län- derebene dennoch ein Mindest-

maß von Einflußmöglichkeiten auf die Krankenhausplanung, die Förderungsgrundsätze, die Rahmenbedingungen und das Pflegesatzrecht zu behalten.

Nicht zuletzt müssen sich beide Kontrahenten mit dem jetzt be- reits zu vernehmenden und wohl auch zutreffenden Argument auseinandersetzen, eine allzu weitreichende Verlagerung von Bundeskompetenzen auf die Länder käme einem Rückfall in den „Provinzialismus" gleich.

Neuralgische Punkte

Sechs neuralgische Punkte be- dürfen einer raschen einver- nehmlichen und praktikablen Klärung, soll das ganze Projekt nicht am Einspruch der einen oder anderen Seite völlig schei- tern:

> Die Festschreibung oder die Auflösung des herkömmlichen Selbstkostendeckungsprinzips.

„Angemessene" oder „ausrei- chende" Vergütung mit Lei- stungsentgelten bei sparsamer und wirtschaftlicher Kranken- haus-Betriebsführung. Erstat- tung der reinen Selbstkosten oder aber der „vorauskalkulier- ten" Selbstkosten (§ 4 der bei- den Entwürfe).

> Kompetenzverlagerung über die Vergabe von Pauschalmit- teln für kurz- und mittelfristige Anlagegüter nach Maßgabe des

§ 10 Krankenhausfinanzierungs- gesetz (KHG) und die Möglich- keit, die einzelnen Versorgungs- stufen der Krankenhäuser in- haltlich zu definieren;

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 43 vom 24. Oktober 1984 (19) 3141

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Tatbestand Kranken- kassen

Regie- rungs- entwurf

Länder- entwurf

Deutsche Kranken-

hausge- sellschaft Abbau der Misch-

finanzierung

Nein Ja Ja Nein

Kompetenzverla- gerung (§ 10 KHG)

Nein Nein Ja Nein

Mitwirkungs- erweiterung

Ja Ja Ja Ja

Selbstkosten- deckungsprinzip

Nein Nein Ja Ja

Schiedsstelle Ja Ja Nein Nein

Pflegesatz- kommission

Vertragsfreiheit (§ 371 RVO)

Nein Nein Ja Ja

Ja Ja Nein Nein

Tabelle: KHG-Novelle — Vergleich der Positionen

Tabelle nach Dr. jur. Erns Bruckenberger, Krankenhausreferent im Sozialministerium des Landes Niedersachsen, Hannover, September 1984

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Krankenhausfinanzierung

Erweiterung der Mitwirkungs- rechte der unmittelbar und mit- telbar Betroffenen bei der Kran- kenhausangebotsplanung und bei der Festlegung der Investi- tionsprogramme;

I> „Vetorecht" der Krankenkas- sen bei geplanten Neubauten und/oder Vetorecht der Länder gegenüber den Krankenkassen, wenn diese keinen Behand-

lungsvertrag mit einem anbie- tenden Krankenhaus abschlie- ßen wollen;

> Einrichtung einer Schieds- stelle für den Konfliktfall bei Pflegesatzverhandlungen und Festsetzung des Letztent- scheids (Regierungsentwurf) oder Errichtung einer speziellen Pflegesatzkommission mit dem Vorsitz eines (weisungsgebun- denen) Landesbeamten (Län- deralternative);

I> Wiederherstellung der Ver- tragsfreiheit der Krankenkassen

nach Maßgabe des bis zum 30. Juni 1977 geltenden § 371 RVO, der den Krankenkassen selektives Vertragskontrahieren mit den Krankenhausträgern einräumt.

Auch SPD sperrt sich

In dieses Ziel- und Entschei- dungsbündel subsumierbar sind ebenso die nicht minder pro- blemgeladenen politischen Komplexe wie das Verhand- lungsprinzip bei der Pflegesatz- findung (und zwar mit allen Kon- sequenzen), prospektiver Pfle- gesatz, Budgetierung und ge- sonderte, leistungsbezogene Entgeltberechnung, Erprobung leistungsbezogener Pflegesatz- entgelte und die Berechnung besonders teurer Leistungen.

Während die SPD-regierten Bundesländer sowohl den kon- zeptionellen Ansatz der Bundes- regierung als auch den Gegen- entwurf der sechs CDU/CSU-re- gierten Länder kompromißlos

und ohne Gegenalternative ab- lehnen, hoffen die CDU/CSU- Länder, daß die Bundesregie- rung doch noch in letzter Se- kunde auf die von den Ländern aufgezeigte „Kompromißlinie"

einschwenken wird. Wesent- liche „Nachbesserungen" aus dem Arsenal der von der Bun- desregierung verfochtenen Es- sentials dürften kaum noch

„drin" sein, zumal Bayern be- reits moniert hat, daß der auf Vermittlung von Rheinland-Pfalz modifizierte Entwurf der CDU/

CSU-Länder zu weitreichende Zugeständnisse an den Bund enthalte. Auf der anderen Seite beharrt das für die Novelle des Bundes federführende Bundes- ministerium für Arbeit und So- zialordnung auf einem Mindest- maß bundesrechtlicher Kompe-

tenzen. Also wird der Hickhack bis zum Bersten weitergehen.

Auch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) hält eine vertretbare bundesgesetzliche Einflußmöglichkeit für unab- dingbar. Nur die Finanzbeteili- gung des Bundes bei der Inve- stitionskostenförderung biete eine gewisse Gewähr für eine einheitliche Ausrichtung der Krankenhausbedarfsplanung;

heißt es in einer Entschließung des KBV-Vorstandes. Insofern beurteilt die KBV die geplante Auflösung der Mischfinanzie- rung ebenfalls skeptisch. Denn mit dem Verzicht des Bundes auf jegliche finanzielle Förde-

rung nehme er sich die Möglich- keit einer bundesweiten Abstim- mung und überlasse die finan- 3142 (20) Heft 43 vom 24. Oktober 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Krankenhausfinanzierung KURZBERICHT

zielte Förderung der Kranken- häuser allein dem jeweiligen Willen und den finanziellen Möglichkeiten eines jeden Bun- deslandes.

Mit Recht verweist die KBV dar- auf hin, daß angesichts der un- terschiedlichen Finanzkraft der Länder und der erheblich diffe- rierenden Versorgungsdichte mit Krankenhausbetten nicht ausgeschlossen werden könne, daß die notwendigen Investitio- nen über die Pflegesätze aufge- bracht werden müßten. Damit würden aber die gesetzlichen Krankenkassen mit weiteren Ausgaben belastet; die Beitrags- stabilität sei erneut gefährdet.

Daß der Letztentscheid bei der Pflegesatzfestsetzung staat- lichen Behörden übertragen werden solle, sei ebenfalls nicht

„systemgerecht".

Entscheidungs-Matrix

Die Prognose über das politi- sche Vabanque-Spiel zum Auf- takt der ersten Lesung im Bun- destag (18. Oktober) sind denn auch düster-pessimistisch. Ein politischer Kompromiß und eine Minimalreform des noch vor 12 Jahren von seiten der Politiker noch als ein „Jahrhundertge- setz" hochgelobten Kranken- hausfinanzierungsgesetzes sind solange nicht „drin", bis der Entwurf der Bundesregierung und der Länderentwurf in den neuralgischen Grundsatzfragen nicht deckungsgleich werden.

Die hier zitierte „Entschei- dungs-Matrix" läßt erkennen, worum es geht. Auch offene

„Koalitionen" werden überaus deutlich: Krankenkassen und Bundesregierung auf der einen, CDU/CSU-Länder und Kranken- hausträger auf der anderen Seite...

Wer wagt es, den Gordischen Knoten durchzuhauen? Wer hat den längeren Atem zum Kom- promiß? Dr. Harald Clade

Patientengeheimnis gilt auch gegenüber der Krankenkasse

Das Ausfüllen von Bescheinigun- gen und das Erstatten von Berich- ten gehören zur kassenärztlichen Versorgung. Der hier einschlägige

§ 368 Absatz 2, Satz 2 der Reichs- versicherungsordnung stellt frei- lich nur auf die „Erforderlichkeit zur Durchführung der gesetzli- chen Aufgaben der Krankenkas- sen und des vertrauensärztlichen Dienstes" ab. Der Kassenarzt hat demnach zwar die Pflicht, in die- sem Rahmen zusätzliche Tätig- keiten über die eigentliche ärzt- liche Verordnung hinaus zu lei- sten; ihm kommt aber kein Recht zu, Angaben über den Patienten ohne dessen Einwilligung der Krankenkasse zu offenbaren.

Zu diesem Schluß kam der ehe- malige Bundesdatenschutzbeauf- tragte, der Jurist Prof. Dr. Hans Peter Bull, auf einem Pressesemi- nar der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung in Berlin. Bull erläu- terte vor den Anwesenden ein Gutachten, das der für das Zen- tralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung erstellt hat. Thema:

Rechtliche Grundlagen der Offen- barung von Patientendaten durch Kassenärzte.

„Der Arzt muß also die lästige Auf- gabe auf sich nehmen, Formulare auszufüllen und zu versenden oder auch medizinische Beurtei- lungen zu formulieren", erklärte Bull, „aber soweit die ärztliche Schweigepflicht reicht, darf er da- bei nur solche Angaben machen, zu denen er nach den Regeln über die zulässigen Durchbre- chungen der Schweigepflicht be- fähigt ist." Bull lehnte auch die Auffassung ab, der Patient willige stillschweigend (durch „schlüssi- ges Handeln") in die Offenbarung von Gesundheitsangaben ein, so- bald er Leistungen der sozialen Krankenversicherung in Anspruch nehme. Laut Bull weiß der Patient

Ehemali- ger Bun- desbe- auftrag- ter für den Da- ten- schutz, Prof. Dr.

Hans Pe- ter Bull Foto:

Sven Simon

nämlich in aller Regel gar nicht, was mit seinen Daten im Verlauf der Verarbeitung durch die Ver- waltungen geschieht. Eine aus- drückliche oder stillschweigende Einwilligung will Bull allenfalls für die wenigen Angaben gelten las- sen, „die notwendig sind, damit die Leistungen des Arztes abge- rechnet werden können". Er stellt dann aber fest: „Dazu gehört aber nicht dasjenige Datum, das be- sonders sensibel ist und besonde- ren Schutzes bedarf, nämlich die Diagnose."

Damit nahm Bull auch zu einer auf Kassenseite erhobenen Forde- rung Stellung, die da lautet, zur Erhöhung der Transparenz und aus Gründen der Kostendämp- fung müsse den Krankenkassen auch die Diagnose übermittelt werden. Es sei, so Bull, zwar legi- tim, wenn die Kassen Schwach- stellen der kassenärztlichen Ver- sorgung aufdecken und sich vor zu hohen Kosten sowie vor Be- trugsversuchen schützen wollten;

es sei aber allein Sache des Ge- setzgebers, „die dafür erforder- lichen Durchbrechungen der ärzt- lichen Schweigepflicht zuzulas- sen". Bull hält nicht nur eine Übermittlung von Diagnosen an die Kassen für unzulässig. Er stellt vielmehr auch die praktizierten In- formationsflüsse zwischen Kas- senärzten, Kassenärztlichen Ver- einigungen und Krankenkassen grundsätzlich in Frage: die Rechtsbasis reiche nicht aus. NJ Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 43 vom 24. Oktober 1984 (21) 3143

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