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ie private Krankenversi- cherung (PKV) meldet für das Geschäftsjahr 2001 den höchsten Nettozu- gang beim Bestand von privat Krankenversicherten: Im ver- gangenen Jahr betrug der Net- tozugang in der Krankheitsko- stenversicherung, der Haupt- versicherungsart der PKV, 215 800 (Vorjahr: 166 000) Versicherte (+2,9 Prozent).Dies ist ein Spitzenwert beim Versichertenzugang, der zu- letzt vor 25 Jahren erzielt wur- de. Noch vor vier Jahren war der Nettozugang zur Krank- heitskostenversicherung in der PKV weniger als einige Hun- dert Personen gewesen.
Zugang trotz Zuschlag Ausweislich des jüngsten Re- chenschaftsberichts des Ver- bandes der privaten Kranken- versicherung e.V. für das Jahr 2001 hat die PKV jetzt einen Marktanteil von 9,3 Prozent – eine Quote, die allerdings un- ter dem Level von Anfang der 60er-Jahre liegt. Eine Analy- se der Wanderungsbewegung zwischen privater und Ge- setzlicher Krankenversiche- rung ergibt: 360 700 Personen sind aus der Gesetzlichen in die private Krankenversiche- rung übergetreten, obwohl vor zwei Jahren ein zehnpro- zentiger pauschaler Prämien- zuschlag bei neu eintretenden Versicherten gesetzlich vor- geschrieben wurde. Wegen Eintritts der Versicherungs- pflicht sind im Jahr 2001 rund 148 000 Personen von der pri- vaten wieder in die Gesetzli- che Krankenversicherung zu- rückgekehrt. Hieraus resul- tiert ein Saldo von 212 700.
Dass sich ein höherer Netto- zuwachs beim Bestand zugun- sten der PKV ergibt, liegt an den Zugängen durch Gebur- ten und bisher nicht versi- cherten Personen.
In der privaten Pflegever- sicherung waren am 30. Sep- tember 2001 rund 8 553 300 Personen versichert; am 31.
Dezember 2000 waren es noch 8 365 000 Millionen Per- sonen gewesen. Hieraus re- sultiert ein Bestandszuwachs von 188 800 Versicherten. Er
liegt niedriger als in der Krank- heitskostenversicherung, weil es bei den Beständen von Post und Bahn keine Neuzugänge mehr gibt.
Inzwischen hat Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt bei der Präsentation der Ausgabenbilanz im Be- reich der Gesetzlichen Kran- kenversicherung für das erste Quartal 2002 („KV-45-Stati- stik“) beklagt, dass in den er- sten drei Monaten des laufen- den Jahres bereits 106 000 Versicherte von der Gesetzli- chen in die private Kranken- versicherung übergewechselt seien. Daraus resultiere für die gesetzlichen Krankenkas- sen – hochgerechnet auf das Gesamtjahr 2002 – ein Ein- nahmenausfall von einer Mil- liarde Euro.
Ulla Schmidt rechtfertigt unter dem Eindruck dieser Wechselbilanz die von ihr fa- vorisierte Anhebung der Ver- sicherungspflichtgrenze in der Gesetzlichen Krankenversi- cherung, um den „Entsolida- risierungsprozess“ und den damit verbundenen Einnah- menausfall zu stoppen.Ande- rerseits erklärt der PKV-Ver- band den höheren Zuspruch zugunsten der PKV und den wachsenden Neumitglieder- zugang auch durch die Nega- tivwirkungen infolge des An- kündigungseffektes einer er- höhten Versicherungspflicht- grenze in der GKV (und einer damit möglicherweise kurz- fristig ebenfalls erhöhten Bei- tragsbemessungsgrenze, was in der Spitze zu einer Verteue- rung der GKV-Beiträge von über 30 Prozent bedeuten würde).
Anlässlich seiner jüngsten Mitgliederversammlung am 13. Juni in Berlin beklagte der PKV-Verband, dass die Politik und der Gesetzgeber vor allem im Arznei- und Heilmittelbe- reich der privaten Kranken-
versicherung keine analogen Kostendämpfungseffekte an- gedeihen lasse, wie dies seit ei- nem Jahr im Bereich der Ge- setzlichen Krankenversiche- rung der Fall ist (Aufhebung des Kollektivregresses;Arznei- mittelbudgetablösungsgesetz).
Die Privatassekuranz ver- meldet, dass immer mehr Privatversicherte bei Über- schreiten des 60. Lebensjah- res den Standardtarif wählen.
Während 1999 in diesem Spartarif noch 1 047 vollver- sicherte Personen registriert wurden, waren es Ende 2000 bereits 3 024 Personen, am 31. Dezember 2001 dagegen 6 597 Versicherte. Diese Auf- wärtsbewegung wird auf zwei Ursachen zurückgeführt: Ei- nerseits wurde im Jahr 2000 der beihilfekonforme Stan- dardtarif neu eingeführt, an- dererseits wechselten noch Anfang des Jahres viele Per- sonen im Rahmen der bis zum 31. Dezember 2000 befri- steten Öffnung der PKV in den Standardtarif.
Keine Entwarnung an der Ausgabenfront
Eine Krankentagegeldversi- cherung hatten Ende 2001 rund 2,78 Millionen Personen abgeschlossen. 1,8 Millionen Personen wählten diese zu- sätzlich zu ihrer Vollversiche- rung, rund 986 000 Personen ergänzten damit ihr GKV- Krankengeld. Der Zuwachs in diesem Sektor der PKV lag bei rund 156 000 Personen.
Bei der Zusatzversicherung für Wahl- und Komfortlei- stungen im Krankenhaus gab es einen Zuwachs von 80 000 Policen auf 4,474 Millionen Personen (Vorjahr: +34 000 Personen). In der ambulanten Zusatzversicherung wurden rund 159 000 Personen hinzu- gewonnen. Der Bestand be- trug Ende 2001 insgesamt 4,6
Millionen Personen. Die Pfle- gezusatzversicherung stieg in ihrem Bestand um 50 600 Per- sonen auf 655 700 Versicherte.
Bei der PKV gibt es noch keine Entwarnung an der Ausgabenfront. So betrug der Anstieg bei den Leistungsaus- gaben mit 5,2 Prozent je Versi- chertem bei den Krankheits- kosten mehr als der allgemei- ne Preisanstieg (2,5 Prozent).
Insbesondere bei den Aus- gaben für Arznei- und Hilfs- mittel (+9,4 Prozent) und für die privatärztliche Behand- lung (+6,2 Prozent) dürften nach PKV-Interpretation die Kompensationsbemühungen der Ärzte wegen der Restrik- tionen auf der Seite der GKV eine Rolle gespielt haben.
Bremsspuren bei der Aus- gabenentwicklung zeigt hin- gegen der stationäre Sektor – von den Pflegesätzen abgese- hen. Hier lag der Anstieg der Erstattungsleistungen mit 3,7 Prozent in etwa auf der Höhe wie im gesetzlichen Bereich.
Der relativ geringe Ausgaben- anstieg bei den Chefarztho- noraren (+2,8 Prozent) deutet der PKV-Verband mit der Unterstellung, dass im Be- reich der Privatliquidation im stationären Sektor die Mög- lichkeiten, die GOÄ auszu- schöpfen, weitgehend reali- siert wurden. Bemerkenswert ist der Rückgang der Erstat- tungsleistungen für die Wahl- leistung Unterbringung: +2,9 Prozent. Der Verband führt dies auf die erfolgreich ge- führten Musterprozesse über die Ein- und Zweitbettzim- merzuschläge bei der Wahllei- stung Unterbringung zurück.
Die Prämieneinnahmen der PKV stiegen um 4,8 Prozent.
Dies ist etwa zur Hälfte auf das Bestandswachstum zu- rückzuführen. Die PKV hatte im Jahr 2001 Prämien in Höhe von rund 19,75 Milliar- den Euro eingenommen. In der privaten Pflegeversiche- rung wurden Prämien in Höhe von 1,96 Milliarden Euro verbucht. Insgesamt er- gab sich somit für die Bran- che eine Gesamtbeitragsein- nahme in Höhe von rund 21,71 Milliarden Euro (+4,8 Prozent).Dr. rer. pol. Harald Clade
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 366. September 2002 [143]
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