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Diplomarbeit. Verfasserin: Prisca SEELOS

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Academic year: 2022

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Diplomarbeit

„Der große Ausverkauf der Heimat“

Tourismuskritik im Werk „Tanneneh – eine alpine Legende in drei Akten“ von Hans Haid

Verfasserin:

Prisca SEELOS

Matrikel-Nr.: 1230817 Studienkennzahl: C 190 333 313

Studienrichtung: Lehramtsstudium Unterrichtsfach Deutsch

angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag.

a

phil.)

eingereicht bei

Univ.-Prof.in Dr.in Ulrike TANZER Forschungsinstitut Brenner-Archiv

Institut für Germanistik

Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät

Innsbruck, Mai 2021

(2)

Danksagung

Ich bedanke mich bei Frau Drin. Riccabona Christine und Herrn Dr. Unterkircher Anton für die Anregungen und Hinweise für meine Diplomarbeit sowie bei Frau Univ.-Profin. Drin. Tanzer Ulrike für die Betreuung. Ich bedanke mich bei meinem Partner, meinen Freunden und Freundinnen und meinen Eltern, die während meines Studiums stets ein offenes Ohr für mich hatten.

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung...4

2. Tourismuskritik in der Literatur...6

2.1 Alpentourismus in der Literatur...8

3. Hans Haid – „Porträt eines Querdenkers“...20

3.1 Haids Werke...21

3.2 Haids Tourismuskritik – Von „Lemmingen“ und „Alpindodeln“...25

4. „Tanneneh – eine alpine Legende“ – Inhaltsangabe...31

4.1 Inhalt – Überblick...32

4.2 „Tanna – Die Königin der Crodères“ nach Karl Felix Wolff...38

4.3 „Tanneneh“ – Sagen im Drama...39

4.4 Das Motiv der „übergossenen Alm“...41

4.4.1 Transzendente Mächte...42

5. „Tanneneh – eine alpine Legende“ – Analyse...44

5.1 Dramatis Personae...46

6. Der Ausverkauf der Heimat – Von „Lemmingen“ und „Tanzbären“...46

6.1 Moidl, Gletschermoidl, Firnmarie...46

6.1.1 Sex Sells – Prostitution im Drama...48

6.2 Die Junge – Die Chancenlosigkeit der Jugend...49

7. Der Ausverkauf der (Volks-)Kultur...51

7.1 Seppl – Die Figur...52

7.1.2 Haids Kritik am Nationalsozialismus...53

7.1.3 Seppls Transformation...54

7.2 Haids Kritik an den Schützenvereinen...55

8. Der Ausverkauf der Traditionen und religiösen Werte...57

8.1 Die Bötin...57

8.2 Vitus, Veitele – der Märtyrer...59

8.2.1 Alkoholismus im Stück...61

8.3 Der Bürgermeister...62

9. Ausverkauf der Umwelt...63

10. Aufführung und Rezensionen...65

(4)

12. Das Drama „Tanneneh“ im Unterricht...69

12.2 Fachdidaktische Grundlagen...71

12.2.1 Literaturdidaktik...71

12.2.2 Geschichtsdidaktik...71

12.3 Unterrichtseinheit Sage „Tanneneh“...72

12.3.1 Lehrplanbezug...73

12.3.2 Didaktische Grundüberlegungen...73

12.3.3 Ablaufbeschreibung...74

12.4 Unterrichtseinheit Tourismuskritik...77

12.4.1 Lehrplanbezug...77

12.4.2 Didaktische Grundüberlegungen...77

12.4.3 Ablaufbeschreibung...78

123 Bibliographie...82

13.1 Primärquellen...82

13.2 Sekundärquellen...82

13.3 Internetquellen...86

14. Anhang...90

(5)

1. Einleitung

Die Tourismusbranche zählt zu einem der stärksten Wirtschaftszweige Österreichs. Mit 79 Millionen Nächtigungen im Sommer 2019 und davon weit mehr als die Hälfte Touristen aus dem Ausland, bringt dieser Dienstleistungssektor einen enormen Gewinn für das Bruttoinlandsprodukt. Als Reisedestination ist vor allem Tirol mit seinen naturnahen Gebieten sowie Alpen besonders beliebt. Die wirtschaftliche Bedeutung für dieses Land zeigen die Beschäftigungszahlen, der Umsatz sowie die Wertschöpfung, die auf der Seite der Tirol Werbung1 eingesehen werden können. In Werbefilmen wird eine malerische Landschaft fernab von Massentourismus gezeigt, ein Ort der Ruhe und Entspannung. Die aktuelle Kampagne „Es geht Bergauf“2 rückt die Alpen als Kulturgut des Landes Tirol ins Zentrum. Im Kurzfilm wird eine idyllische, naturbelassene Alpenwelt gezeigt. Ein Mann schwimmt alleine in einem Bergsee und wandert anschließend durch die Wälder. Im Hintergrund hört man klassische Musik von Philip Glass.

Die Realität sieht jedoch anders aus, wie sich gerade in der Causa „Corona in Ischgl“ und an den Warteschlangen an den Seilbahnen und Skiliften zeigt. Zu spät hätte man in Ischgl reagiert und der Imageschaden an der Tiroler Tourismusbranche ist laut Florian Phleps, Direktor der „Tirol Werbung“, sicher.3

Die Kritik am Massentourismus führt zurück in die 1950er Jahre, in welchen auch die Tourismuswirtschaft einen Aufschwung erlebte.

In diesem Jahrzehnt prägte Hans Magnus Enzensberger den Begriff „Tourismuskritik“ und befeuerte eine Debatte über die negativen Auswirkungen des Massentourismus.4 In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die Stimmen, den Blick darauf zu richten, immer lauter. Nicht nur in der Wissenschaft setzte man sich damit auseinander, sondern auch in den Medien, der Kunst und Kultur und in der Literatur.

Die Umweltbewegung der 1970er Jahre sollte nicht nur die Bevölkerung zur Reflexion anregen, sondern führte zur Gründung von grünen Parteien, auch in Österreich. In Tirol wurden in dieser Zeit bereits Konzepte für einen qualitativen anstelle eines quantitativen Tourismus ausgearbeitet, die den Natur- und Umweltschutz beinhalteten.5 Diesbezüglich prägten politische Ereignisse wie die Abstimmung zum AKW

1 Tirol Werbung, Tirols Tourismus im Überblick, [https://www.tirolwerbung.at/tiroler-tourismus/zahlen-und-fakten-zum- tiroler-tourismus], eingesehen 04.10.2020.

2 Bezirksblätter Tirol, „Es geht Bergauf“ - Raus aus der Krise, 06.05.2020, o. S., [https://www.meinbezirk.at/tirol/c-lokales/es- geht-bergauf-raus-aus-der-krise_a4058265], eingesehen 15.11.2020.

3 Tiroler Tageszeitung, Causa Ischgl: Chef der Tirol Werbung sieht Schaden, aber nicht nachhaltig, 07.06.2020, [https://www.tt.com/artikel/30735884/causa-ischgl-chef-der-tirol-werbung-sieht-schaden-aber-nicht-nachhaltig], eingesehen 15.11.2020.

4 Martina Backes/Tina Goethe, Meilensteine und Fallstricke der Tourismuskritik, in: Peripherie Nr. 89, Münster 2003, S. 7–30, hier S. 7–8, [https://www.budrich-journals.de/index.php/peripherie/article/view/27231], eingesehen 03.10.2020.

5 Josef Prünster, Tiroler Fremdenverkehrskonzept. Diskussionsgrundlage, Innsbruck: Verein zur Förderung d. Inst. für Verkehr und Tourismus., Innsbruck 1972², S. 1.

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Zwentendorf und die Besetzung der „Hainburger Au“ die Umweltgeschichte Österreichs.6 Die 80er Jahre werden als ein „Jahrzehnt der Skandale“ bezeichnet. Die Waldheimaffäre, der

Weinskandal oder die Auswirkungen von Tschernobyl bedeuteten einen Paradigmenwechsel, auch für die bisher praktizierte Wirtschaftspolitik. Es begann das Zeitalter der Computer und eine „beginnende Revolution der Beschleunigung von Kommunikation und Information“.7

In einer Lehrveranstaltung an der Universität Innsbruck kam ich mit dem Autor Hans Haid in Kontakt. Ich beschäftigte mich in diesem Seminar mit seinem Drama „Tanneneh“. Haid ist als Lyriker und Verfasser von Prosa bekannt geworden, aber nicht als Dramatiker, wie sein Kollege Felix Mitterer. Deshalb entschied ich mich dafür sein Stück „Tanneneh – eine alpine Legende in drei Akten“ zu analysieren.

Zudem wurde dieses Drama nach einmaliger Spielsaison nie wieder aufgeführt, was zusätzlich mein Interesse daran weckte. In vielen seiner Werke schreibt er über die Zerstörung der Umwelt und den Verlust des Brauchtums und der Werte seiner Heimat. In die Verantwortung nahm er die

Tourismusverbände, Seilbahnbesitzer und die Politik. Nach Durchsicht des Dramas „Tanneneh“ bot sich die Herausarbeitung der „Tourismuskritik“ in diesem Werk an und wurde deshalb zum Gegenstand dieser Diplomarbeit. Dafür wurde das dazugehörige Nachlassmaterial, das im Brenner-Archiv in Innsbruck aufliegt, gesichtet. Unter anderem werden folgende Fragestellungen in dieser Arbeit

beantwortet: Wie wird die Tourismuskritik im Werk aufgegriffen? Inwiefern lassen sich die Kritikpunkte des Autors im Drama erkennen?

Um diese Fragen beantworten zu können, wird der Dramenanalyse ein theoriebasierter Teil vorangestellt.

Begonnen wird mit der Entstehung des Alpintourismus, dessen historische Entwicklung sowie Verarbeitung in der deutschsprachigen Literatur. Haid war ein leidenschaftlicher Volkskundler und beschäftigte sich außerdem mit Gletschern, Lawinen und den Mythen darüber. Dabei behandelt er vorwiegend den Wintertourismus in seiner Literatur, weshalb diese Arbeit auf den alpinen Tourismus eingegrenzt wurde.

Das erste Kapitel widmet sich der Geschichte des Alpinismus und dessen Darstellung in der Literatur.

Herangezogen wurden die Werke von Wolfgang Hackl und Wolfgang Straub, auf den sich Hackl bezieht.

Wolfgang Hackl beschreibt die Darstellung des Alpenbilds sowie die Erfahrungen der Reisenden und Bereisten im alpinen Raum in der deutschsprachigen Literatur. Hackl bringt Beispiele, die nicht zum üblichen Kanon gehören, wohingegen Straub sich den bekanntesten Autoren und Autorinnen der deutschsprachigen Literatur zuwendet. Beide Werke geben einen Überblick über die Darstellung der Alpen in der Literatur.

6 Österreichische Mediathek, Unterrichtsmaterialien, Umweltgeschichte,

[mediathek.at/unterrichtsmaterialien/umweltgeschichte/], eingesehen 04.11.2020.

7 ORF III, Die 80er Jahre: Die Skandalrepublik, [https://tv.orf.at/orf3/stories/2832800#:~:text=Die%2080er%20Jahre%20sind

%20das,%C3%B6sterreichischen%20Weg%20in%20der%20Wirtschaftspolitik.&text=Mitte%20der%2080er%20Jahre

%20beginnt%20das%20Computerzeitalter.], eingesehen 04.11.2020.

(7)

Im darauffolgenden Kapitel wird der Autor Hans Haid in einer Kurzbiographie vorgestellt und seine Publikationen näher beleuchtet. Die Schwerpunktthematiken werden dabei bereits angesprochen. Nach diesem Einblick in das Portrait Haids folgt eine Zusammenfassung seiner Kritikpunkte am

Fremdenverkehr. Um diese herauszufinden, wurde das Material, das Haid gesammelt hat, sowie seine Werke und Notizen überprüft. Zu bemerken gilt, dass es sich um eine Auswahl an Primär- und

Sekundärquellen handelt, die für das hier behandelte Thema relevant waren.

Nach dieser Zusammenfassung folgt die Vorstellung des Dramas „Tanneneh“. Eine ausführliche Inhaltsangabe sowie die Erklärung des Motivs und der Sage zu dem Dorf Tanneneh stellen einen wichtigen Teil dar. Bereits in der Inhaltsangabe können die Themen des Dramas festgemacht werden.

Diese werden anschließend bei der Analyse berücksichtigt. Bei dieser wurden die Figuren nach ihren Charaktermerkmalen untersucht und deren angelegte Gesinnung herausgearbeitet. Wie Haid anmerkte, treffen zwei Kulturen aufeinander, die sich in seinem Drama auf unterschiedliche Weise mit den

Auswirkungen des Tourismus auseinandersetzen. Das Aufeinandertreffen dieser Ansichten wird mit Auszügen aus dem Stück untermauert.

Die dazugehörigen Rezensionen sowie die Aufführung werden in einem separaten Punkt näher beleuchtet, bevor im Fazit eine Zusammenfassung der Kritikpunkte im Werk und ein Abgleich mit den Ansichten des Autors folgen. Anschließend beschreibe ich, inwiefern das Drama für den

Deutschunterricht geeignet ist, bevor ich zwei Unterrichtseinheiten, welche die Thematik aus der Diplomarbeit aufgreifen, vorstelle.

Die erste Einheit wurde für die Unterstufe konzipiert und setzt sich mit der Sage „Tanneneh“

auseinander. In der zweiten Unterrichtseinheit wird in der Oberstufe das Thema „Tourismuskritik“

eingeführt. Angeführt wird der Bezug zum jeweiligem Lehrplan sowie die angestrebten Lernziele der Unterrichtseinheiten. Eine Beschreibung der geförderten Kompetenzen und Anmerkungen zu den dafür verwendbaren Arbeitsmaterialien runden den fachdidaktischen Teil ab. Die Relevanz des Themas

„Tourismuskritik“ im schulischen Kontext soll dabei aufgezeigt werden.

2. Tourismuskritik in der Literatur

Teilweise synonym zu „Touristik, Reise- und Fremdenverkehr“ verwendet,8 wird der Begriff „Tourismus“

laut UNWTO wie folgt definiert:

„ die Aktivitäten von Personen, die an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit-, Geschäfts- oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten.“9

8 Walter Freyer, Tourismus. Einführung in die Fremdenverkehrsökonomie, Berlin-München-Boston 201511, S. 3.

9 Ebd., S. 2.

(8)

In diesem Versuch einer Begriffsbestimmung darf der Aufenthalt an einem ungewohnten Ort nicht länger als ein Jahr betragen. Dabei können zudem Geschäftsreisende als Touristen und Touristinnen bezeichnet werden. Hingegen in der nächsten Definition wird der Begriff an den Ort gebunden, der in diesem Fall nicht der Arbeits- und Wohnort sein darf.

"Tourismus (Fremdenverkehr, touristischer Reiseverkehr) umfasst die Gesamtheit aller

Erscheinungen und Beziehungen, die mit dem Verlassen des üblichen Lebensmittelpunktes und dem Aufenthalt an einer anderen Destination bzw. dem Bereisen einer anderen Region

verbunden sind.“10

Das Kriterium der Bewegung außerhalb des üblichen Arbeits- und Wohnumfeldes ist allein

begriffsbestimmend. Eine weitere für diese Arbeit interessante Definition bietet Hanns Haas zum Begriff

„Tourismus“. Der Begriff Urlaub, den er als eine „Gegenwelt zum Alltag mit recht unterschiedlichen Zuschreibungen als Zeit der Erholung, des Abenteuers, der Sinnerfüllung, der Horizonterweiterung“11 definiert, wird synonym zu Tourismus verwendet. Zu welchem Zweck auch immer, das Thema

„Fremdenverkehr“ findet sich in allen Literaturgattungen. Dabei spielt die Verknüpfung zwischen Literatur und Ökonomie dahingehend eine Rolle, dass viele Autoren und Autorinnen ihr Geld mit dem Verfassen von beispielsweise Reiseberichten und Schriften über das eigene Land verdienen. Wie eng dabei Landschaft und Tourismus verbunden sind, lässt sich anhand auffallender Topoi aufzeigen. Dabei ist der Gegenstand „Fremdenverkehr“ in der Literatur vor allem in der Heimatliteratur angesiedelt.

Die Häufigkeit von Berg-Topoi in der österreichischen Literatur bestätigt die enge Verbundenheit

zwischen Landschaft und Fremdenverkehrsindustrie. Der alpine Raum rückt dabei als beliebtes Ferienziel in den Fokus. Die Tourismusgeschichte des Landes Tirol und deren Verarbeitung in der literarischen Tiroler Szene lassen Rückschlüsse darüber zu, warum gerade Tirol als Topos vieler Literaten ausgewählt wurde. Die Bettenauslastung in Tirol verzeichnete gegenüber den anderen Bundesländern in Österreich den rasantesten Anstieg. Tirol und dessen Autoren und Autorinnen leisteten einen bedeutenden Beitrag zur Literarisierung des Fremdenverkehrs in Österreich.12

Über den Tourismus in der Literatur bietet, wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, Wolfgang Hackl einen Überblick. Er beschreibt die Entwicklung des alpinen Tourismus im 20. Jahrhundert und erwähnt Autoren und Autorinnen, die sich mit der Tourismuskritik auseinandersetzten. Dabei bezieht er sich auf ein weiteres wichtiges Werk, welches vermehrt auf die kanonisierte Literatur mit Themenschwerpunkt

„Fremdenverkehr“ eingeht. In „Willkommen. Literatur und Fremdenverkehr in Österreich“ beschreibt

10 Gabler Wirtschaftslexikon, Tourismus, [https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/tourismus-50391], eingesehen 01.09.2020.

11 Hanns Haas, Die Zurichtung der Alpen. Mensch und Berg im touristischen Zeitalter, in: Der Alpentourismus.

Entwicklungspotenziale im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie, Kurt Luger/Franz Rest (Hrsg.), Innsbruck- Wien-Bozen 2000, S. 51–66, hier S. 51.

12 Wolfgang Straub, Willkommen. Literatur und Fremdenverkehr in Österreich, Wien 2001, S. 201–205.

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Wolfgang Straub die Entwicklung des Fremdenverkehrs im 20. Jahrhundert. Er stellt dabei die Verbindung von Literatur und Ökonomie der Fremdenverkehrsindustrie dar. Dabei bedient er sich verschiedener Gattungen und auffallender Topoi wie beispielsweise „Landschaft und Tourismus“. Das Herausgreifen des Topos „Berg“ und „Skifahrer“ runden sein Werk ab.

Diese zwei Monografien waren für den nachstehenden Überblick über den Fremdenverkehr in der Literatur Österreichs ausschlaggebend. Hinzu kommt, dass sowohl in diesen als auch in weiterer Literatur über den alpinen Fremdenverkehr die Tourismuskritik eine wichtige Rolle spielt.

Dabei ist sie ein untrennbarer Bestandteil der Geschichte des Tourismus und ihrer Verarbeitung in der Literatur. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der österreichische Tourismus und im Speziellen überlaufene Destinationen wie die Alpen sehr lange Zeit von einem verstärkt negativen Bild vom Fremdenverkehr geprägt waren. Für die Probleme mit den „Fremden“ in den Dörfern wurde die Tourismusindustrie im öffentlichen Diskurs verantwortlich gemacht. Das Interesse an diesem Wirtschaftszweig machte eine Auseinandersetzung damit auch in der Literatur notwendig, die ihren Beitrag zum Diskurs leistete.13 Thematisiert wurden die Eingriffe des Fremdenverkehrs in Landschaft und Gesellschaft. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren löste man sich von der Darstellung der

idyllischen Alpen und begann Klischeebilder zu hinterfragen. Die Entwicklung des Alpentourismus und dessen Wahrnehmung auf kultureller, politischer und sozialer Ebene steht eng im Zusammenhang mit dem literarischen Diskurs darüber. Daher ist es nicht verwunderlich, dass je nach Jahrzehnt der

öffentliche Diskurs in der Literatur abgebildet wurde. Die Entwicklung der Bereiche Alpentourismus und die Alpen in der Literatur werden nun anhand der zwei angeführten Werke sowie ausgewählter

Sekundärliteratur skizziert.

Die Entstehung des Alpinismus wird parallel zu den Darstellungen der Alpen als Reisedestination in der Literatur behandelt.

2.1 Alpentourismus in der Literatur

Im 18. Jahrhundert, im Zeitalter der bürgerlichen Moderne, der Aufklärung, entstand das Interesse, das Gebirge auf naturwissenschaftlicher Ebene zu erforschen. Die Versöhnung mit der Natur und

Anerkennung als Werk Gottes leistete dazu ihren Beitrag.14 Hackls kulturgeschichtliche Perspektive beginnt genauso im 18. Jahrhundert mit der Naturschwärmerei, welche die Alpen als Lebensraum und später Erholungsraum in den Mittelpunkt rückte. Die Besteigung der Berge führte zu einer

Neubetrachtung der Alpen, die sich in der Rezeption niederschlug.15 In dieser Zeit wendete man sich von den früheren negativen Assoziationen in Bezug auf den Alpenraum ab. Der naturwissenschaftliche

13 Wolfgang Hackl, Eingeborene im Paradies: Die literarische Wahrnehmung des alpinen Tourismus im 19. und 20. Jahrhundert, Tübingen 2004, S. 7.

14 Haas 2000, S. 51.

15 Hackl 2004, S. 23+29.

(10)

Zugang vertrieb den Glauben an böse Geister und Hexen und ließ eine Neuentdeckung des Lebensraums zu. 16 Im 18. Jahrhundert konnten der wohlhabende Bildungsbürger und der Adel in die Alpen reisen beziehungsweise handelte es sich vorwiegend um „Grand Tours“17 und Blicktourismus. Das Interesse an dem Nützlichen in den Alpen förderten geologische, botanische und zoologische Forschungen, die sich in Enzyklopädien nachlesen ließen.18

Die Wahrnehmung der Alpen als „locus amoenus“ begann mit der Poesie Albrechts von Hallers, der die Alpen als „Gegenwelt zur verderbten Gesellschaft“19 beschrieb. Dabei setzte er diese Landschaft und vor allem dessen Bewohner und Bewohnerinnen dem höfischen Müßiggang entgegen. Ein Beispiel für die positive Bewertung der Alpen in der Literatur war das Lehrgedicht „Die Alpen“ von Albrecht von Haller.

Dieses im Jahr 1729 veröffentlichte Gedicht beschreibt die Schweizer Bergwelt in 490 Alexandriner und prägt den Topos, der nun idyllischen und autarken Alpen, nachhaltig.20

„In diesen Rahmen hinein entfaltet Haller ein suggestives Bild des alpinen Lebens im Jahreslauf, beschwört das Glück der täglichen Arbeit, stilisiert das Zusammenleben der Menschen in Eintracht und gegenseitiger Achtung über Generationen hinweg oder schwärmt von Anmut und Liebe, jenseits sozialer oder familiärer Verpflichtungen.“21

Ein weiterer Literat, der mit seiner Naturschwärmerei zur positiven Wahrnehmung der Alpen beitrug, war der Schriftsteller Rousseau. In seinem Briefroman „Julie ou la Nouvelle Héloïse“ wählte er den Ort Vevey, eine Stadt in der Schweiz, für seine empfindsame Liebesgeschichte aus. 22 Durch die

Beschreibungen der Dichter wurden diese literarischen Orte für die Reisenden zu interessanten Destinationen.23

Das „Zeitalter des Alpinismus“ war das 19. Jahrhundert, obwohl nur wenige sich die teuren Expeditionen in die Berge leisten konnten. Durch den Kolonialismus und die frühe industrielle Revolution steigerte sich der Wohlstand bestimmter sozialer Schichten und Freizeit wurde neu definiert. Die Besteigung

beziehungsweise die Bezwingung der Berge rückte zunehmend in das Interesse der aufsteigenden Mittelklasse und wurde zum Statussymbol der arbeitenden Bevölkerungsschicht. Dazu trug auch die Literatur und Kunst bei, die die mediale Vermarktung der Alpen vorantrieb.

Während Horace Bénédict de Saussure eine wissenschaftliche Abhandlung über seine Besteigung des Mont Blanc verfasste, begann sich der Alpinismus, wie bereits bei Roussau und Haller schon

16 Hans-Werner Prahl/Albrecht Steinecke (Hrsg.), Der Millionen-Urlaub. Von der Bildungsreise zur totalen Freizeit. Darmstadt- Neuwied 1979, S. 46–47.

17 Hackl 2004, S. 32–33.

18 Ebd., S. 33–34.

19 Hackl 2004, S. 59.

20 Ebd., S. 58–61.

21 Ebd., S. 60.

22 Tilman Krause, Schweizer Spurensuche, 17.06.2012 [https://www.welt.de/print/wams/reise/article106614058/Schweizer- Spurensuche.html], eingesehen 01.11.2020.

23 Ebd., o. S.

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beschrieben, aus dem Feld der Naturwissenschaft zu lösen. Die mediale Vermarktung, wie beispielsweise die Ausstellung der Mont Blanc Besteigung durch Albert Smiths im Jahr 1852, das Herausbilden einer neuen wohlhabenden Mittelklasse, die neue Herausforderungen suchte und der Ausbau der Infrastruktur waren Faktoren, die das Interesse an den Alpen förderten.24

Die Schweiz verzeichnete zunächst eine Zunahme der Bergsteiger aus Großbritannien, was Mitte des 19.

Jahrhunderts zur Gründung des Alpenvereins „London Alpine Clup“ führte. Es folgten der Österreichische und Deutsche Alpenverein und der Schweizer Alpenclub. Diese Vereine schlossen sich 1873 zusammen mit den Zielen,Wanderwege zu erschließen und zu kennzeichnen, Berg- und Schutzhütten zu errichten sowie wissenschaftliche und künstlerische Publikationen über den Alpenraum herauszugeben.25 Die Mitgliederzahl wuchs kontinuierlich an und erweiterte sich um bekannte Persönlichkeiten, die den Vereinen zu hohem Ansehen verhalfen.26

Daneben sorgte der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Eisenbahn, für einen großen

Aufschwung in der Tourismusbranche.27 Die Zunahme des Reiseverkehrs förderte diesen Ausbau und löste wiederum ein Wachstum der Reiseströme aus anstatt einer Entlastung. Nach der Erschließung der Alpen im 18. Jahrhundert erschlossen Aufzüge und Seilbahnen die Berge, was gegen Ende des 19.

Jahrhunderts zur industriellen Verwertung der Alpen führte.28

Zur Entdämonisierung des Gebirges in der Literatur trug auch Adalbert Stifter bei. 29 Dabei bediente er sich aus dem naturwissenschaftlichen Motivreservoir der Alpen. In seiner Erzählung „Bergkristall“ wird der sonst bedrohliche Ort, der Gletscher, zum Ort des Überlebens. Das Thema Natur und deren

Gesetzmäßigkeiten zieht sich durch die Werke Stifters.30Ein weiteres Beispiel, welches Hackl anführt, sind die weltweit bekannten Heidi-Romane von Johanna Spyri. Dabei trifft die heilende und glückliche

Alpenwelt auf die Stadt. Die als böse Gegenwelt dargestellte Stadt wird dabei zugleich ein Ort großzügiger Bürgerlichkeit. So kommt das Waisenkind Heidi in den Genuss von Bildung, die ihr in den Alpen fehlt.

Zwar wird der Alpenraum üblich mit Felsen, Schneefeldern, Wolken und Wiesen beschrieben, aber das

„leitmotivische Rauschen der Tannen“31 sowie „das goldene Glänzen und feurige Glühen der Landschaft“32 erzeugen eine vertraute und mythische Landschaft und gleichen einem barocken Kirchenraum.

Die Verbundenheit der bescheidenen und autarken Almwirtschaft mit dem Dorf wird durch die am Ende

24 Hackl 2004, S. 34–39.

25 Prahl 1979, S. 49–51.

26 Adolf Lässer, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol: die Geschichte einer Organisation, Innsbruck 1989, S. 88.

27 Hackl 2004, S.39.

28 Prahl 1979, S. 53–54.

29 Straub 2001, S. 74.

30 Hackl 2004, S. 72–73.

31 Ebd., S. 80.

32 Ebd., S. 80.

(12)

aufgezeigte Läuterung des Großvaters aufgezeigt. Aufgrund der Verfilmungen wurde Heidi zur Kultfigur, welche die Tourismusbranche heute noch zu nützen weiß.33

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Darstellung der Alpen nicht nur in der Literatur und Kunst populär, sondern auch auf den Theaterbühnen, in Form von Bühnenbildern.

Ein Beispiel dafür ist das Bühnenbild des Dramas „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ von Ferdinand Raimund. In dieser Inszenierung griff er nicht auf die übliche Zaubermärchenlandschaft zurück, sondern setzte eine romantische Alpenlandschaft in Szene. Die Landschaft wird in diesem Stück zum Bedeutungsträger. Raimund parodiert die schwärmerische Alpenbegeisterung der Touristen und stellt sie dem realen und harten Leben der Einheimischen gegenüber.34

„Das ewige Licht“, ein Roman des österreichischen Schriftstellers Peter Rosegger, behandelt schon früh die Themen Industrialisierung, Verstädterung und den Tourismus, als Vorbote des Verderbens.35 Diese ablehnende Haltung gegenüber der Tourismusbranche ist vor allem ein Thema des 20. Jahrhunderts. So plädiert Karl Domanig in „Die Fremden“ „für die Erhaltung des bodenständigen Tirolertums und ist gegen die Verstädterung durch den Tourismus“36. Karl Schönherr amüsiert sich in seinem Gedicht „Tiroler Marterln für abg'stürzte Bergkraxler“ über verunglückte Bergsteiger, welche das Gebirge unterschätzten.

Besonders im Bundesland Tirol wurde, wie bereits erwähnt, das Thema „Fremdenverkehr“ von den Autoren und Autorinnen behandelt.37 Mit dem Priester und Dichter Sebastian Rieger, alias „Reimmichl“, folgt ein weiteres Beispiel für die Verwendung eines literarischen Mediums zur Kritik an dem

zunehmenden Fremdenverkehr. So veröffentlichte er im Tiroler „Volks-Boten“ von 1894 bis 1914 kritische Texte unter dem Titel „Was der Reimmichl erzählt“. Nach der Abwendung der Arbeiter von der katholischen Kirche bangte diese nun um einen möglichen Verlust des Bauernstandes. Protestantismus, Liberalismus, Judentum und die Sozialdemokratie wurden als Bedrohung für die katholische

Weltordnung angesehen. Um den Bauernstand nicht zu verlieren, zeigte Reimmichl die Schattenseiten des Tiroler Fremdenverkehrs auf und rief zu Glaube und Sitte auf. Reimmichl erzählt von den Gefahren der Fremdenindustrie und warnt vor ihren leeren Versprechungen. Er unterstützte den Erhalt des Bauernstandes und der Familie und richtete seine Kritik gegen all jene, die diese „gottgewollte

Schöpfungsordnung“38 bedrohten. Dabei wird der Fremde als Gefahr stigmatisiert und das Land Tirol als heiliges und schützenswertes Gut dargestellt, welches verteidigt werden muss.39 Die Skepsis der

Einheimischen gegenüber den Fremden, insbesondere gegenüber andersgläubigen, karikierte Carl Techet unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer in seiner Satire „Fern von Europa“, die 1909 veröffentlicht

33 Ebd., S. 78–83.

34 Hackl 2004, S. 66–72.

35 Straub 2001, S. 74.

36 Ebd., S. 75.

37 Ebd., S. 75–76.

38 Hackl 2004, S. 119.

39 Ebd., S. 118–123.

(13)

wurde.

Dass der Fremde als „Exote“ wahrgenommen wurde, behandelte außerdem die Zeitschrift

„Simplicissimus“. In dieser Zeitschrift wurden aktuell bewegende Themen in unterschiedlicher Gattungsform angesprochen. Die Kritik am Tourismus stand genauso zur Debatte wie

Werbeeinschaltungen für die Branche. Hackl schreibt, dass der Tourismus im „Simplicissimus“ wie ein

„Problemkatalog gegenwärtiger Tourismuskritik“40 sei, der die „Bedrohung der Natur durch

Industrialisierung, Übervorteilung der Gäste, Arroganz der Gastgeber oder die Anbiederung an die Gäste und umgekehrt den Verlust des Individuellen im Massentourismus“41aufzeigt. Spannend sind die

Karikaturen der Fremden und Einheimischen, welche auf Merkmale wie Kleidung, Sprache und Lebensstil reduziert werden.42 Den Eingriff beziehungsweise die Gefährdung der einheimischen Kultur zeigte auch Ludwig Thoma in seiner Sommergeschichte „Altaich“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein bisher unbekannter Ort soll zu einem Luftkurort aufgewertet werden. Das Ziel ist es, so viel Geld während der Saison zu verdienen, damit der Gewinn für den Rest des Jahres ausreicht. Der „Fremde“

und die Differenzen zwischen ihm und den Einheimischen wird auf kultureller Ebene näher beleuchtet.

Die „Fremden“ bringen zwar einen wirtschaftlichen Aufschwung mit sich, werden aber auch als gefährdender Faktor der heimischen Kultur wahrgenommen. Aufgezeigt werden diese kulturellen Unterschiede in der Kleidung, Sprache und beim Essen und Trinken. 43 Als dieses Werk veröffentlicht wurde endete der erste Weltkrieg. Nach diesem wurden die bisher angesprochenen Themen weiterhin behandelt, aber nicht mehr ausschließlich in der Heimatliteratur. So beschäftigte sich Robert Musil mit der Manie des Touristen, der überall dabei sein will, in einer Abhandlung und Karl Kraus definierte den Fremden zum Devisenbringer in seiner Tragödie „Die letzten Tage der Menschheit“. Ernst Kreneks idyllisches Bild über die österreichischen Alpen stellt schlussendlich den Touristen als Narren und Barbaren dar, der die Alpen berennt.44 Auch in Arthur Schnitzlers „Fräulein Else“ wird die

Nachkriegsgesellschaft behandelt. Der Zerfall der Werte wird dabei durch Pseudoreligiösität und Naturmetaphysik kompensiert. Das Sommerfrischeland wie das Hochgebirge wird zum Schauplatz für Krisen der bürgerlichen Gesellschaft. Der Handlungsort ist auf ein mondänes Hotel beschränkt und behandelt zudem die Unterdrückung der Frau, die auf ihr Äußeres reduziert wird.45 In Horváths „Die Bergbahn“, mit dem ursprünglichen Titel „Revolte auf Côte 3018“, wird der Berg selbst zum „Ort der Spekulationen“46 in Zeiten der Wirtschaftskrise. Die Figuren dieses Volksstücks sind stark typisierte Arbeiter, die extremen Bedingungen ausgesetzt sind. Dabei stehen das Wetter und Naturgefahren, wie

40 Ebd., S. 101.

41 Ebd., S. 101–102.

42 Hackl 2004, S. 101–115.

43 Hackl 2004, S. 134–140.

44 Straub 2001, S. 75–76.

45 Hackl 2004, S. 86–87.

46 Ebd., S. 90.

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Lawinen, Steinschlag und Wetterumschwünge, symbolisch für die Unterdrückung der Arbeiterklasse in einem kapitalistischen Klassenstaat. Der Berg dient als Bühne für diese Darstellung des Klassenkonflikts.

Zudem wird die Erschließung der Alpen auf Kosten der Arbeiter angesprochen.47

Weiters prägten Hugo von Hofmannsthal im Konnex der „Salzburger Festspiele“, Anton Wildgans mit dem Gedicht „Kirbisch“ und Josef Weinheber mit seinen „Scheltreden“ auf Österreich die

Nachkriegsliteratur und behandelten dort das Thema „Fremdenverkehr“, wenn auch nur am Rande.

Nach 1918 greift vor allem die Heimatdichtung diese Thematik auf.48 Das Gegenüberstellen des guten Bergbauerntums und schlechten Fremdenverkehrs fand sich zwar noch in der Heimatliteratur, aber nur wenige Werke, wie die des bereits erwähnten Autors Peter Rosegger, beschäftigen sich mit der

Tourismuskritik. Erfolg in den 1930er Jahren erlebten Bergsteigerromane und Bergführergeschichten.

Der Idealisierung und Verherrlichung des Bergbauerntums und der Gebirgslandschaft widmet sich vor allem der bekannte Autor Luis Trenker.49 Dass ein Schriftsteller durch seine Werke so in die Öffentlichkeit gerät und damit zuvor unbekannte Orte in den Mittelpunkt rückt, ist ein maßgeblicher Faktor, der zum

„Literaturtourismus“ führt. So waren es beispielsweise die literarischen Beschreibungen Roseggers und die Verfilmung seiner Kindheitsjahre, die das Interesse an dem Gebiet„Waldheimat“ in der Steiermark förderten. Von diesem Nebeneffekt abgesehen war es auch üblich, dass Schriftsteller wie Helmut Schinagl und Karl Heinrich Waggerl Texte für die Tourismuswerbung entwarfen. Auf das Heimatland bezogene Bildbände wurden von den Schriftstellern und Schriftstellerinnen mit Texten versehen. Dieser Trend der 1950er Jahre war nicht immer eine gezielte Tourismuswerbung für das Land, sondern ging, wie bei Karl Heinrich Waggerls zwei Bildbänden zu Salzburg, über das Zeigen der üblichen klischeehaften Orte für Touristen und Touristinnen hinaus. So setzte sich Josef Dapras künstlerisch mit den Fotografien zu diesen Bänden auseinander. 50

Nach dem zweiten Weltkrieg konnte mit Hilfe des Marshallplans die geschädigte Tourismusbranche rasch aufgebaut werden.51 In den Wirtschaftswunderjahren der 1950er erlebten Österreich und die Schweiz einen Aufschwung des Fremdenverkehrs . Der steigende Verdienst in Westdeutschland brachte eine Reisewelle mit sich und der Umstieg auf das Auto als Reisemittel erster Wahl erleichterte das Erreichen der Täler unabhängig von der Eisenbahn.52 In diesem Jahrzehnt rückte nun der Wintersport in den Fokus des Interesses. Exklusiv betrieben wurde dieser schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch die Gründung von Vereinen, wie beispielsweise durch den im Jahr 1921 gegründeten Alpenclub Tirol und dessen Siege der Sportler und Sportlerinnen bei Skirennen, erlangte der Wintersport großes Ansehen und wurde für die Fremdenverkehrsindustrie zu einem lukrativen Geschäft. Der Ruf nach einer zweiten

47 Ebd., S. 90–94.

48 Straub 2001, S. 78–81.

49 Straub 2001, S. 82–83.

50 Straub 2001, S. 60–61.

51 Lässer 1989, S. 215.

52 Prahl 1979, S. 57.

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Saison wurde laut.53 Die Zunahme der Wintersportgäste und dadurch der Skischulen führte zu neuen Berufsbildern und beschleunigte den Ausbau von Aufstiegshilfen und der Erschließung schneesicherer Gebiete, mit dem Ziel, die Wintersaison zu verlängern.54 Tirol konnte in dieser Zeit seine führende Rolle im Fremdenverkehr in Österreich ausbauen. Die Verschiebung auf die Wintersaison zeichnete sich vor allem in diesem Bundesland aufgrund seiner geographischen Lage und der Anzahl seiner Skigebiete ab.

Gegen Ende der 1950er Jahre war der Zuwachs an gastgewerblichen Betrieben und privaten Betten enorm.55 Dieser Trend setzte sich in den 1960er Jahren fort. Durch den in diesem Jahrzehnt

angesiedelten „Langlaufboom“ konnten nun auch Dörfer ohne alpines Gelände eine zweite Saison eröffnen.56

In den 1960er Jahren beschäftigte sich die Gesellschaft mehr mit dem ökologischen Gleichgewicht. Die Suche der Gäste nach den Spuren von Natur und Kultur in den Alpentälern stand zudem im Vordergrund und begründete zahlreiche Projekte, wie Ausstellungen über die Alpen sowie die Einbindung dieser in die Geschichte und Kultur der umliegenden Regionen. Der Eingriff in den Alpenraum wurde dadurch erst erfahrbar gemacht und als Fortschritt reflektiert, wie beispielsweise mit der Geschichte über die

Pionierzeit der Seilbahnen.57In diesem Jahrzehnt fällt vor allem die rapide Entwicklung des Fremdenverkehrs auf in Bezug auf den Anstieg der Nächtigungszahlen. Die „älplerische“

Einheitsarchitektur in Nord- und Südtirol war manchen Einheimischen ein Dorn im Auge. Dem

gewinnbringenden Tourismus wurde nun Materialismus und Umweltzerstörung vorgeworfen.58 Zudem schritt die Urbanisierung des ländlichen Raums voran. Die zunehmende Nachfrage bewirkte den Ausbau der Infrastruktur und des Freizeitangebots. Der Einfluss der städtischen Kultur auf die ländliche

Bevölkerung führte zur Veränderung der Landwirtschaft, die sich nun vorwiegend auf den

Dienstleistungssektor spezialisierte. Die Folgen davon waren eine Mechanisierung der Landwirtschaft und Verkäufe von Grund und Boden, die das Landschaftsbild veränderten. Die immer kleiner werdenden Betriebsflächen wurden zugunsten des Tourismus, vor allem in der nachkommenden Generation, aufgelassen.59

In den 1950er und 1960er Jahren wurde das Phänomen Massentourismus und dessen Auswirkungen zunehmend zum Gegenstand der Literatur. Einzelphänomene der Sommer- oder Wintersaison wurden sowohl in der Werbung als auch in Sketchen und weiteren Gattungen herausgegriffen.60 Der Satire

53 Lässer 1989, S. 88.

54 Ebd., S. 233–235.

55 Paul Tschurtschenthaler, Der Tourismus im Bundesland Tirol 1918-1990, Innsbruck 1993, S. 165+166+170.

56 Lässer 1989, S. 265.

57 Bernhard Tschofen, Tourismus als Alpenkultur? Zum Marktwert von Kultur(kritik) im Fremdenverkehr, in: Der Alpentourismus. Entwicklungspotenziale im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie, Kurt Luger/Franz Rest (Hrsg.), Wien-München-Bozen 2002, S. 87–104, hier S. 93–95.

58 Josef Rohrer/Paul Rösch, Alpine Erinnerungswelten, in: Der Alpentourismus. Entwicklungspotenziale im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie,Kurt Luger/Franz Rest (Hrsg.), Bd. 5, Wien-München-Bozen 2002, S. 105–126, hier S. 108–

109.

59 Prahl 1979, S. 59–60.

60 Hackl 2004, S. 152.

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kommt in der Reflexion des Tourismus eine besondere Rolle zu. Ein Beispiel dazu ist das Werk

„Touristomania oder die Fiktion vom aufrechten Gang“ von Walter Kappacher, der mit Mitteln der Übertreibung auf die zukünftigen Problematiken, die durch den Massentourismus entstehen werden, hinwies.61 Die Darstellung einer skurrilen Tourismuswelt, in der die Natur für die Touristen präpariert wird, behandelt Ernst Jandls Lyrik.62 In Ernst Jandls Gedichten „salzburger balkone“ und „gastein:

stubnerkogel“ beinhalten Kritik über die zunehmende Kommerzialisierung der Alpen. Obwohl in den 1950er Jahren der Massentourismus erst im Entstehen war, zeigt Jandl in seinen Gedichten eine

„skurrile, inszenierte Tourismuswelt“63 und war damit seiner Zeit voraus. Beschrieben wird in „gastein:

stubnerkogel“ ein Ausflug auf den Großglockner mit Hilfe einer Seilbahn, wo bereits „trinkgeldsehnige kellnerinnen“64 warten und „zerbrechliche touristengenicke ins ansichtskartenpockige gesicht der

gipfelkessen ramschbude“65 nicken. Im Gedicht „salzburger balkone“ schildert Jandl seine Wahrnehmung der Landbevölkerung und der städtischen Touristen und Touristinnen im Konnex Tourismus.

„schweine grunzen stilvolle bauernhäuser.

mist auf wegen erweicht die schuhseelen der städter.

der feiste chefkoch dient hierzulande als nachtgeschirr.

sankt antonius steht auf fritattensuppe.“66

Nach diesem kurzen Auszug zum Thema „Tourismuskritik“ in Ernst Jandls Gedichte wendet sich Wolfgang Hackl der darstellenden Kunst, dem Kabarett, zu und greift den Sketch „Travnicek am Mittelmeer“ und das Programm „Glasl vorm Aug“ von Carl Merz und Helmut Qualtinger auf. Dort werden die „neuen Formen des Reisens“67 satirisch verarbeitet. Dabei stellen die Autoren die Landwirtschaft der Industrie gegenüber, obwohl diese Bereiche in den 1950er Jahren noch zwei komplett getrennte

Wirtschaftszweige waren und eine Symbiose erst durch die „zunehmende Industrialisierung, den Ausbau des Dienstleistungssektors und mit dem Aufbau des Fremdenverkehrswesens“68 erfolgte. Laut Wolfgang Hackl könnte die von ihm analysierte Szene „Befremdlich – Verkehrtes“69 aus dem erwähnten Programm, bereits als Warnung einer bevorstehenden Wertekollision gesehen werden. Dass die Vereinbarung von ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Interessen in der Tourismusbranche ein Balanceakt ist, wurde schon damals von den Autoren und Autorinnen erkannt.

Neben den berühmten Heimatfilmen der 1950er Jahre, welche meist belanglose Handlungen mit

61 Ebd., S. 159–161.

62 Straub 2001, S. 68–87.

63 Wolfgang Straub, <<die abgedroschenen glatzen aller großglockner>>, Die Literatur und das berühmte Stück

österreichischer Landschaft – nur klägliche Resultate?, in: Régine Battiston (Hrsg.), Funktion von Natur und Landschaft in der österreichischen Literatur: = Nature et paysages : un enjeu autrichien, Wien 2004, S. 226.

64 Ernst Jandl, Dingfest, Gedichte mit einem Nachwort von Hans Mayer, Darmstadt-Neuwied 1973, S. 101.

65 Ebd., S. 101.

66 Jandl 1973, S. 97.

67 Hackl 2004, S. 147.

68 Ebd., S. 149–150.

69 Ebd., S. 148.

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schönen Landschaftsaufnahmen präsentierten70, löste der Film „Die Fremden kommen“ von Uwe Ladstätter heftige Proteste aus. In dieser ORF-Produktion von 1976 verkauft sich ein Dorf für eine Reisegruppe. In diesem Film wird den Gästen eine heile Welt vorgespielt, damit die Erwartungen der Touristen und Touristinnen an das beworbene Reiseziel erfüllt werden.71 In den 1970er Jahren herrschte eine Aufbruchstimmung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die von Enzensberger bereits 1958 geführte Debatte über die Ablehnung des Massentourismus setzte sich verstärkt in den 1970er und 1980er Jahren fort.72 Die Abkehr von einer ökonomischen Maximierungsstrategie, die Betten und Nächtigungsrekorde beinhaltete, führte zum Trend des „Sanften Tourismus“. Angesetzt wurde beim Individuum mit dem Ziel, den Tourismus qualitativ aufzuwerten. Gesetzeslücken bezogen auf den Umwelt- und Landschaftsschutz sollten geschlossen werden.73 Der 1970er-Jahre-Slogan „Tourismus zerstört Tourismus“sollte auf die Zerstörung von Natur und Ressourcen durch den Massentourismus, gefördert durch zu billige Preise, aufmerksam machen.74

In Tirol verschob sich die Saison zunehmend in Richtung Winter und schwächte damit die Sommersaison.

Die Wintersaison wurde zu einer bedeutenden Einkommensquelle für die Ansässigen. Daneben wurden die Ferienregionen im Süden ausgebaut und die Fernreisen boomten.

Auf politischer Ebene wurden die Erschließung der Flächen für den Wintersport sowie der Ausbau der Gletschergebiete zum Thema. Strategien wie beispielsweise die Einführung des „Pistengütesiegels“

sollten die Umwelt schützen. In den 1980er Jahren polarisierte die Debatte um Beschneiungsanlagen.

Weitere Diskussionen behandelten die Auswirkungen des Tourismus auf die gesellschaftlichen

Strukturen. Der wirtschaftliche Erfolg des Einzelnen wurde über das Gemeinwohl gestellt. Der Nachbar wurde zum Konkurrenten in der Tourismusindustrie. Die Arbeitsbedingungen, wie die

Qualitätsüberprüfung der Arbeitsplätze und der Ausbildung des Personals, standen zur Diskussion.75 In den 1970er und 1980er Jahren etablierte sich eine neue Generation von sozialkritischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen. Sie beschäftigen sich zunehmend mit dem Fremdenverkehr und seinen Auswirkungen auf das Leben. So verfährt auch Bernhard C. Bünker in seinem Dialektgedicht „De

ausvakafte Hamat“, worauf Hans Haid in „Stadt, Alm & Gaudi“ Bezug nimmt. Julian Schutting, Bodo Hell, Helmut Schinagl und Alois Brandstetter, sie alle griffen nicht nur einmal die Thematik auf.76 Ein Autor, der sich schon früh mit der Kritik am Tourismus beschäftigte, war Felix Mitterer. Sein zunächst als Hörspiel produziertes Drama „Kein Platz für Idioten“, das 1977 uraufgeführt wurde, übt Kritik an den

gesellschaftlichen Auswirkungen des Tourismus. Ein Vorfall in einem Tiroler Fremdenverkehrsort im Jahr

70 Ebd., S. 177.

71 Ebd., S. 155–156.

72 Backes 2003, S. 7.

73 Prünster 1972, S. 1–6.

74 Tschurtschenthaler 1993, S. 171.

75 Tschurtschenthaler 1993, S. 176–186.

76 Ebd., S. 92–94.

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1974 veranlasste Mitterer dieses Stück zu schreiben. Ein Wirt verwies eine Mutter und ihr Kind mit Handicap aus seinem Wirtshaus, mit der Begründung dass sein Geschäftsgang darunter leiden könnte.77 In seinem Drama wird ein Mensch mit Handicap als Außenseiter einer Dorfgemeinschaft stigmatisiert und schlussendlich in eine Anstalt eingewiesen. Damit verarbeitet er ein typisches Thema des kritischen Volksstücks der 1970er Jahre.78

In Mitterers „Umbau“ erzählt er von einem Generationenkonflikt. Die Jungen wollen den Hof nicht mehr weiterführen und für den Tourismus ausbauen.79

Wolfgang Straub zeigt die Entwicklung der neuen Generation hin zu neuen Themen anhand der

„Merian“-Hefte, die vom Hoffmann und Campe-Verlag publiziert wurden, auf. In den 1950er Jahren wurden typische Motive wie Seen, Berge, Burgen und Brauchtum von den Autoren und Autorinnen beschrieben und zeigten Österreich als glückliches Land mit idyllischer Landschaft. Vereinzelt wurden auch kritische Beiträge abgedruckt, allerdings hielt man auch in den 1960er Jahren am üblichen Kurs fest. Im darauffolgenden Dezennium räumt Felix Mitterer mit dem Klischee vom Tiroler auf und brachte eine „Gegendarstellung im Tirol Heft 197480. Allerdings war dieser Beitrag keinesfalls so kritisch, wie das bereits angeführte Werk „Kein Platz für Idioten“. Entscheidene Beiträge über die Tourismusbranche folgten in den 1980er Jahren. Nun vollzog sich auch ein Themenwechsel und es wurden mythische Orte und idyllische Landschaften entromantisiert. Geschrieben wurde über den Nazitourismus, den Bau von Kraftwerken und Autobahnen und über verschuldete Orte. Es wurde weniger idealisiert, mystifiziert und beschönigt.81

Das Thema Umweltschutz tauchte verstärkt im Jahr 1986 bei der „Internationalen Tourismus-Börse Berlin“ auf.82 In Tirol griff die Politik mit dem „Fremdenverkehrskonzept I“ im Jahr 1972 in die Branche ein und forderte eine Qualitätsanpassung des Tourismus. Es wurden Konzepte für einen nachhaltigeren Eingriff in die Natur erstellt.83 Dabei handelte es sich um eine „Diskussions- und Orientierungsgrundlage“, in welcher aktuelle Probleme des touristischen Angebots und der Nachfrage angeführt wurden. Die damals fehlende Professionalisierung des Personals, die Eigenarten der Tiroler Kultur sowie das

Bereitstellen von Erholungsräumen standen zur Debatte. Konkrete Maßnahmen, wie etwa das Anbieten regionaler Spezialitäten, wurden in einem Katalog festgehalten.84 Mit dem zehn Jahre später folgenden

„Fremdenverkehrskonzept II“ wurden weitere Vorschriften, die beispielsweise den Seilbahnbau und die Pistenpflege regelten, erlassen, um die Umwelt und deren Erholungsräume zu schützen.85 In den 1980er

77 Felix Mitterer, Kein Platz für Idioten, Das Stück und die Fernsehfassung, Innsbruck 1994, S. 6.

78 Peter Mertz, Wo die Väter herrschten. Volkstheater - nicht nur in Tirol, Wien - Graz 1985, S. 141–142.

79 Hackl 2004, S. 166.

80 Straub 2001, S. 71.

81 Straub 2001, S. 68–72.

82 Horst W. Opaschowski, Das gekaufte Paradies. Tourismus im 21. Jahrhundert, Hamburg 2001, S. 42.

83 Tschurtschenthaler 1993, S. 188.

84 Hubert J. Siller/Anita Zehrer, Entrepreneurship und Tourismus, Unternehmerisches Denken und Erfolgskonzepte aus der Praxis, Wien 2016², S. 33.

85 Tschurtschenthaler 1993, S. 188.

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Jahren überholt der Winter- den Sommertourismus in Österreich und vor allem in Tirol. Der Übergang Tirols von einer Agrar- zu einer Dienstleistungsgesellschaft und dessen Probleme wurden primär auf literarischer Ebene diskutiert und ein „Sanfter Tourismus“ propagiert.86

Obwohl die Tourismuskritik in den 1980er Jahren ihren Höhepunkt erreichte, flaute diese allmählich ab, worauf das Hervorheben der Branche als Motor und Wohlstandsbringer folgte. Das lag vor allem daran, dass die neue Generation bereits besser mit den Auswirkungen des Massentourismus umgehen konnte.

Die Zunahme des internen Wettbewerbs und der globalen Konkurrenz veränderte die Struktur der Familienbetriebe, die sich, um konkurrenzfähig zu bleiben, anpassen mussten.87 In Norbert Gstreins Erzählung „Einer“ wird die Diskrepanz zwischen dem Gast als Geldbringer und gleichzeitig als Eindringling in die Familienstrukturen sichtbar. In seinem Werk schildert er die Geschichte eines

Außenseiters, der mit den Anforderungen der Tourismusbranche nicht klarkommt und schlussendlich in den Alkohol flüchtet. Die Äußerungen des Protagonisten Jakobs beinhalten die Kritik an den

Auswirkungen des Tourismus. So stecken die Familienmitglieder während der Saison zurück und konzentrieren sich vor allem auf den ersehnten Gewinn.88

In den 90er Jahren wurde der Zusammenschluss von Familienbetrieben in der österreichischen Tourismusbranche notwendig. Besonders jene mit kleinbetrieblichen Strukturen wickelten den Tourismus in Österreich ab und benötigten diese Kooperationen, um in der Branche zu überleben.89 Gegen Ende der 90er Jahre rückte das Thema Naturschutz erneut in den Fokus mit dem Ziel das Umweltbewusstsein der Touristen und Touristinnen zu stärken, was nur mäßig funktionierte.90 Die Landschaftszerstörung, insbesondere durch den Bau von Lifttrassen und Seilbeförderungsanlagen, wurde im Jahr 1986 am Opaschowski-Institut aufgezeigt. Durch die Erschließung von Gebieten für den

Tourismus häufen sich dort die Müllberge und die Abgaswerte steigen in die Höhe. Das führt zur Eutrophierung von Gewässern und den Verlust von Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Landschaftsverschmutzung, Landschaftszersiedlung sowie Artenschutz werden heute noch intensiv diskutiert.91 Die Schaffung von Flächen für Freizeit- und Urlaubstourismus führte zusätzlich zu einer Landschaftszersiedelung.

„Ein Geschäftemacher hat begriffen: Er hat tausend weiße Gipfel zur Prostitution verdammt[...] Die Zuhälter des ewigen Schnees“92, so zitiert Haid Maurice Chappaz in seinem Werk „Mythos Gletscher“.

In der Literatur Tirols fand die Tourismuskritik vorwiegend im Rahmen von Dorfgeschichten statt. Das

86 Wolfgang Meixner, Tourismus, in: Die Alpen im Jahr 2020, Reinhard Lackner/ Roland Psenner (Hrsg.), Innsbruck 2006, S. 57–

68, hier S. 61, eingesehen 17.01.2020.

87 Opaschowski 2001, S. 109.

88 Hackl 2004, S. 162–164.

89 Peter Haimayer/Siegfried Walch, Entwicklung und Professionalisierung im Tourismus. Ergebnisse des Symposiums in Kirchberg in Tirol 1993, Innsbruck 1993, S. 15.

90 Opaschowski 2001, S. 47.

91 Ebd., S. 58–68.

92 Haid 2004, S. 16.

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Dorf wird zum Bollwerk gegen urbane und liberale Einflüsse, wie es bei Sebastian Rieger zu sehen ist.

Das schon erwähnte Werk Carl Techets „Fern von Europa“ wurde in den 1980er Jahren zum Bestseller. In diesen Dorfgeschichten wurde das „Tirolertum“ sowohl dem Fremdenverkehr entgegengehalten, aber auch selbst zum Gegenstand der Kritik. Zu berücksichtigen ist, dass nicht nur „klerikal-konservative oder kämpferische Dorfgeschichten“93 geschrieben wurden.

Heftige Kritik kam dabei von Hans Haid und Toni Kleinlercher, die korrupte Machenschaften der Tourismusindustrie aufzeigten.94 Helmuth Schönauers Roman „muff teig provinz“ aus dem Jahr 1987 erzählt vom Leben im Transitland und den Umweltzerstörungen. Über das Sittenbild der Tiroler sprach Walter Klier in seinem Werk „Katarina Mueller: Biographie“, herausgegeben im Jahr 1988, und Marie- Therese Kerschbaumer thematisierte den Fremdenverkehr in „Die Fremde“ 1992.95

Zum Abschluss sei hier noch Felix Mitterers Beitrag „Die Piefke-Saga“, ein vier-, bald fünfteiliger Fernsehfilm aus den 90er Jahren, angeführt. Gezeigt wird eine aus Berlin stammende

Unternehmerfamilie, die ihren Urlaub gerne in einem Dorf in Tirol verbringt. Der Versuch, in diesem Dorf quasi als Einheimische gesehen zu werden, scheitert zunächst kläglich, wie die Kommunikation zwischen den Gästen und den Gastgebern. Im vierten Teil der Piefke-Saga werden die Eltern unter skurrilen Umständen zu „echten Tirolern“, indem inzwischen zu einem „Alpen-Disney-Land“96 verkommenen Ort.

97

Diese Scheinheiligkeit sowie der Verlust der Identität wird sowohl bei Hans Haid als auch bei Peter Turrinis „Alpenglühen“ aus dem Jahr 1993 aufgezeigt. In „Touristomania oder Die Fiktion vom aufrechten Gang“ beschreibt Walter Kappacher die Täter und Opfer des Fremdenverkehrs in einer zukünftigen Vision des Massentourismus. Robert Menasses Roman „Schubumkehr“ zeigt den Ort Komprecht auf dem Weg zum „Sanften Tourismus“ auf.98

Der Gegenstand „Fremdenverkehr“ in der Literatur, sowie dadurch entstehende Motive und Topoi, lässt sich über Jahrhunderte hinweg beobachten. Je nach Jahrhundert oder Jahrzehnt wurden die

zeitgenössischen Themen von den Literaten auf unterschiedliche Art und Weise aufgearbeitet. Obwohl es vereinzelt Werke zum Städtetourismus gibt, findet sich das Thema vorwiegend in der Heimatliteratur und dort entweder in Bezug auf die Sommerfrische oder den Wintertourismus. Dabei wird vor allem der Topos „Alpen“ in Österreich, mit einer hohen Dichte in Tirol, angesprochen. Die Felder Ökonomie und Tourismus stehen eng in Bezug zueinander. So kann im Bereich Literaturtourismus das Einkommen des Schriftstellers, der Schriftstellerin und ganzer Gemeinden gesichert werden.99 Sowohl in den

93 Straub 2001, S. 196.

94 Ebd., S. 193–196.

95 Ebd., S. 201–205.

96 Ebd., S. 169.

97 Ebd., S. 167–168.

98 Straub 2001, S. 89+97.

99 Ebd., S. 201–205.

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Fachbüchern zur Geschichte des Alpinismus als auch in den angeführten Literaturbeispielen ist die Tourismuskritik immer ein Bestandteil des „Schreibens über den Tourismus“. Dabei werden Klischees wie das des „vertrottelten Skifahrers“ gerne mit satirischen Mitteln vorgeführt. In den 1970er Jahren schrieb beispielsweise Erika Molny über die negative Vermarktung des Skisports und Alois Brandstetter rechnet mit dem Wintersport ab, indem er dessen Sinnhaftigkeit in Frage stellt. H.C. Artmann kritsiert die Überheblichkeit der Wintersportler und Felix Mitterer amüsiert der Rummel um das

Hahnenkammrennen, wie seinen Literaturkollegen Hans Haid. Neben der Satire werden des Weiteren Erinnerungen an vergangene Erfolge im Skisport in der Literatur miteinbezogen.100

Nach diesem Überblick über die Entstehung des Alpinismus und dessen literarische Bearbeitung folgen Ausführungen über ein Stück des Literaten Hans Haid. Wie seine Zeitgenossen schrieb er über den zunehmenden Fremdenverkehr und dessen Auswirkungen in seinem Heimattal. Da er als Lyriker und weniger als Dramatiker bekannt war, wird nun das einzige öffentlich aufgeführte Drama auf die

zeitgenössische Tourismuskritik hin untersucht. Im Mittelpunkt steht die von Haid publizierte Kritik, die im Punkt „Haids Tourismuskritik – „Von Lemmingen und Alpindodeln““ ausführlicher beschrieben wird.

3. Hans Haid – „Porträt eines Querdenkers“

Als „unbequemen Rebell, Literat, Volkskundler und Publizist […]“101 beschrieb die Bezirkszeitung Imst den facettenreichen Autor und Menschen Hans Haid. In der Tiroler Tageszeitung wurde der Volkskundler, unablässige Sammler, Spötter und Schöpfer wunderbarer Dialektgedichte“102 einerseits als Verfasser von poetischen Werken dargestellt, andererseits als scharfer Kritiker, der den Massentourismus und dessen negative Auswirkungen auf die Kultur und Umwelt aufzeigte. Seine Kritiker bezeichneten ihn häufig als

„Nestbeschmutzer“103, der mit seinen bäuerlich-archaischen Ansichten dem Fortschritt im Wege stand.

Hans Haid wurde am 26. Februar 1938 in Längenfeld geboren und wuchs mit seinen sechs Geschwistern auf einem Bergbauernhof auf. Während der Ablegung seiner Externisten-Matura in Wien pflegte er bereits Kontakte zu den poetischen Aktionisten der Wiener Gruppe. Er studierte in Wien Volkskunde und Kunstgeschichte. Als freiberuflicher Schriftsteller hatte er ein besonderes Interesse an den Bräuchen und Sitten seines Heimattals und den seiner Meinung nach schützenswerten Ötztalerischen Dialekt. Im Jahr 2010 wurde die Ötztaler Mundart zum nationalen immateriellen UNESCO-Kulturerbe ernannt. Haid trug mit seinen zahlreichen Mundartdichtungen und seinem Engagement in den Vereinen wesentlich dazu bei.

100 Ebd., S. 180–184.

101 Sieghard Krabichler, Hans Haid: „Bequem und gezähmt“, in: Bezirksblätter Imst, 2015, [https://www.meinbezirk.at/imst/c- politik/hans-haid-bequem-und-gezaehmt_a1402077#gallery=null], eingesehen 15.08.2020.

102 Joachim Leitner, Der Achivar des Gesprochenen, in: Tiroler Tageszeitung, Nr. 37, 06.02.2020, S. 17.

103 Anton Unterkircher, 74 Gedichte zum 75. Geburtstag, in: LiLit 3 (2013), [https://literaturtirol.at/lilit/32013- 2/zeitblende/anton-unterkircher-74-gedichte-zum-75-geburtstag], eingesehen 25.08.2020.

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Sein Interesse, das Brauchtum des Ötztals zu bewahren, verarbeitete er in seiner Dissertation und ging dabei auf die Einwirkungen des Tourismus auf das Tal ein.104 Die unmittelbaren Veränderungen des Alpenraums durch die Zunahme der Zahl an Touristen und Touristinnen erläuterte er auf kritisch- intensive Weise in seinen Texten. Neben der Mithilfe am Aufbau des Ötztaler Heimatvereins und des Freilichtmuseums sowie der Mitbegründung des Internationalen Dialektinstituts IDI gründete er die Vereinigung „Arge Region Kultur", als „Dachverband regionaler und überregionaler Kultur und Bildungsvereine“105.

Im Jahr 1972 folgte die Gründung von Pro Vita Alpina/International, eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Ausverkauf der Alpen beschäftigte und bei der Entwicklung der Alpenkonvention beteiligt war. Im Jahr 1989 wurde diese Arbeitsgruppe ein eigenständiger Verein, der zudem Gründungsmitglied der

„Plattform Tiroler Kulturinitiative und der IG Kultur Österreich“ ist106.

Haid war es ein großes Anliegen, die regionale Kultur zu erhalten und zu fördern. In zahlreichen Werken setzte er sich daher kritisch mit zeitgenössischen volkskulturellen Themen auseinander.

Dabei nahm er Bezug auf die Idee des „Sanften Tourismus“, den er als Lösungsansatz sah, um seine Heimatkultur und die soziale Identität zu schützen. Um der Bevölkerung seines Heimattals Fördergelder für die Entwicklung der Landwirtschaft, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung, zukommen zu lassen, gründete er den Verein „sall wöll“, der am LEADER Programm der EU teilnimmt. Seine Kritiker sahen Haid oft als „linken-Grünen“, der sich wie ein „Blattl im Wind“ drehte, nur um Gelder fürs Ötztal und sich selbst zu lukrieren. Dabei war seine Funktion in allen diesen Vereinen, laut der Oberländer Wochenzeitung, unklar, und die Verwendung aller Subventionen für die Vereine wenig transparent. Haid sagte dazu: „Wenn ich Geld ins Tal bringen oder für eine Sache wie pro vita alpina aufbringen kann, dann renne ich tagelang bis in die höchsten Instanzen.“107

Ab 1990 lebte er auf dem Hof „Roale“ im Venter Tal und war weiterhin als Herausgeber, Schriftsteller und Initiator in seinen Vereinen tätig. Der Ehrentitel „Professor“ wurde ihm 2007 verliehen, gefolgt vom Otto-Grünmandl-Literaturpreis im Jahr 2010. Hans Haid starb am 05. Februar 2019. 108

Nach dieser Kurzbiografie zum Autor folgt eine Auflistung seiner Werke mit Anführung der darin behandelten Themen.

104 Österreichische Unesco-Kommision, Immaterielles Kulturerbe, Ötztaler Mundart 2010,

[https://www.unesco.at/kultur/immaterielles-kulturerbe/oesterreichisches-verzeichnis/detail/article/oetztaler-mundart], eingesehen 07.07.2010.

105 Verein arge region kultur, Organisation, [http://www.argeregionkultur.at/organisation], eingesehen 03.07.2020.

106 ProVitaAlpina, Über, [http://www.provitaalpina.com/], eingesehen 24.02.2021.

107 Guido Walch, Die Geschäfte des Hans Haid, EU Nein! Euro – sall wöll!, Hans Haid schaltet die >>Galtmiil<< ein, Interview mit Guido Walch, in: Rundschau, Oberländer Wochenzeitung, Nr. 26, Jg. 20, 24. Juni 1997,

[http://www.dietiwag.at/mat/Haid_Rundschau.pdf], eingesehen 09.09.2020.

108 Forschungsinstitut Brenner Archiv, Lexikon Literatur in Tirol, AutorIn, Hans Haid, Biografie,

[https://orawww.uibk.ac.at/apex/uprod/f?p=20090202:2:0::NO::P2_TYP_ID:0], eingesehen 03.08.2020.

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3.1 Haids Werke

Haid schrieb vor allem über die Zerstörung und den Ausverkauf seiner Heimat und wurde dafür von Peter Turrini, Verfasser weltweit bekannter kritischer Volksstücke und mehr, als „Alpen-Abraham-a- Sancta-Clara“ bezeichnet.109 In seinen zahlreichen Werken, die er vorwiegend im Dialekt verfasst hat, geht es um das Leben im Tal und dessen Entwicklungen im Zeitalter des Massentourismus. Dabei erzählt er vom harten Leben der Bauern und Bäuerinnen, deren Existenz durch die Tourismusbranche berührt wird. Neben Fachbüchern über die Schafzucht und Hirtenkultur sowie zahlreichen Büchern und Bildbänden zur Volkskultur setze er sich mit den Naturkatastrophen sowie Mythen und Sagen im Alpenraum auseinander.

Haids Naturverbundenheit und Nähe zum Alpenraum ziehen sich durch alle seine Werke. Er schrieb über mythische und keltische Orte mit Steinformationen sowie über andere besuchenswerte Plätze. Ein bitterer Beigeschmack dieser Literatursparte, da Haid dem Massentourismus und der Vermarktung

„heiliger Orte“ Einhalt gebieten wollte. Dass er selbst zur Ausbeutung dieser Destinationen durch seine Werke beitrug, hielt er in dem Werk „Mythos und Kult in den Alpen. Kultstätten und Bergheiligtümer im Alpenraum“ fest. Seine Auswahl ist, wie er im Nachwort festhält, keineswegs objektiv. „Die Auswahl ist willkürlich. Die Beispiele sind aus einer ungeheuren Fülle fast beliebig herausgenommen. Einige Regionen sind überbewertet, aus persönlicher Kenntnis und Anschauung. Andere Regionen sind kaum oder gar nicht vertreten.“110

Haid nahm sich gegenüber den Entwicklungen in den Bereichen Politik, Tourismus und Medien, kein Blatt vor den Mund, und verarbeitete gesellschaftskritische Themen in seiner Literatur. Mit öffentlichen Debatten, wie zum Ausverkauf der Heimat und den dadurch folgenden Identitätsverlust sowie mit dem Verlust von moralischen Werten und teils religiösen Traditionen, setzte sich Haid intensiv auseinander.

Die Vermarktung des Brauchtums sowie das Arrangieren für Touristen interessanten Attraktionen an religiösen Festtagen, wie zum Beispiel das „Wallfahren per Autobus“, sollte die Skrupellosigkeit und den Verkauf der Heimat während der Saison aufzeigen.111

Beginnend mit Gedichten, im Ötztaler Dialekt geschrieben, beschäftigte er sich mit der Mundartdichtung und deren Wert für die Volkskultur. Haid, den man mehr als Lyriker kannte, publizierte 1975 seinen ersten Roman „Abseits von Oberlangdorf“. Das Thema „Massentourismus“ und dessen Einwirkungen auf das soziale, politische und kulturelle Leben im Dorf wird darin angesprochen. In der Erzählung wird sichtbar, dass sich die Dorfbewohner und -bewohnerinnen in der Nebensaison nicht mehr zu

beschäftigen wissen und deshalb im Wirtshaus sitzen, sich betrinken und tratschen. Der Mord an einem

109 tirol.orf, Schriftsteller Hans Haid ist tot, 06.02.2019, [https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2962886/#:~:text=Der

%20%C3%96tztaler%20Volkskundler%2C%20Ethnologe%2C%20Schriftsteller,seine%20Kritik%20am%20Massentourismus

%20bekannt.], eingesehen 14.09.2020.

110 Hans Haid, Mythos und Kult in den Alpen. Kultstätten und Bergheiligtümer im Alpenraum, Rosenheim 2002³, S. 250.

111 Haid 2002³, S. 148–149.

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unehelichen Kind im Dorf wird außerdem zum Gesprächsthema.112

Haid setzte gerne Außenseiterfiguren ein, die als kritische Stimmen im Roman fungierten. Es drehte sich bei Hans Haid immer wieder um das Leben im Dorf, wie in seinem Buch „Umms darf ummha droot“113, wo er Lieder, Gedichte und weitere Dokumente des Ötztals publizierte. Seine Leidenschaft für die Volkslieder Tirols und Südtirols sowie deren Analyse auf ihren politischen Wert hin konnte er mit seiner Frau Gerlinde Haid teilen, weshalb sie an mehreren Werken mitwirkte. In seinem 1986 publizierten Werk

„Vom alten Leben. Vergehende Existenz- und Arbeitsformen im Alpenbereich. Eine aktuelle

Dokumentation. Mit Texten von Hans Haid“ fällt er ein düsteres Urteil über die Entwicklung des alpinen Massentourismus in den 1980er Jahren, indem er Eingriffe in die alpine Umwelt durch die

Tourismusbranche und deren katastrophalen Folgen anführt. Der Schutz der Umwelt war für Haid eine Notwendigkeit, womit er dem zeitgenössischen Trend, gerade im Kontext der „Umweltbewegung“, folgte. 114 Als begeisterter Gletscher- und Lawinenforscher verurteilte er die Erschließung der Alpen, nur um das jährliche Pistenvergnügen zu ermöglichen, und den Einsatz von Kunstschnee, um die Saison künstlich zu verlängern. Das drei Jahre später folgende Werk „Vom neuen Leben. Alternative Wirtschafts- und Lebensformen in den Alpen“ beschreibt noch konkreter die Auswirkungen des Massentourismus.

Dabei bedient er sich eines sexuell-erotischen, teilweise vulgären Wortfeldes und übernimmt Ansichten des Schriftstellers Maurice Chappaz, der den Tourismus wie folgt beschreibt:

„Doch der Tourismus von heute ist nichts als ein Großunternehmen primitiver Zuhälter." 115 Die zeitgenössischen Zustände werden von Haid als eine Fortsetzung der „Blut- und Boden-

Ideologie“116bezeichnet, wo das Mutterkreuz und Erbhofdiplome, eingebettet in blutvolle Politikerreden, vergeben werden. Das verfolgte Ziel der Tourismusbranche sei die Degradierung der Bevölkerung zu

„Trachtenträgern, zu Alpindodeln, zu Schürzenjägern“ 117.

„In emsiger Fortsetzung einer Blut- und Boden-Ideologie werden die Bauern in den

österreichischen Bergländern Salzburg und Tirol für zweihundertjährige Schollen-treue mit dem Erbhofdiplom beruhigt, werden die kinderreichen Mütter wieder mit Mutterkreuz und blutvollen Politikerreden beruhigt."118

Seine Faszination für Mythen, Sagen und Kulte lässt sich aus „Mythos und Kult in den Alpen. Kultstätten und Bergheiligtümer im Alpenraum“ ableiten. Darin zitiert er den Sagenforscher Karl Felix Wolff und erzählt von „Tanna“, die Königin der Croderes, auf welche im Punkt „„Tanna – Die Königin der Crodères“

112 Hans Haid, Abseits von Oberlangdorf. Roman, München 1975.

113 Hans Haid, Umms darf ummha droot: (Ums Dorf herum Draht); Lieder, Dokumente und Gedichte aus dem Ötztal: Texth.: / Graphiken von Helmut Kurz-Goldstein, Wien 1979, S. 96.

114 Hans Haid, Vom alten Leben. Vergehende Existenz- und Arbeitsformen im Alpenbereich. Eine aktuelle Dokumentation. Mit Texten von Hans Haid, Wien – München 1986, S. 266.

115 Hans Haid, Vom neuen Leben. Alternative Wirtschafts- und Lebensformen in den Alpen, Innsbruck 1989, S. 63.

116 Haid 1989, S. 7.

117 Haid 1989, S. 7.

118 Ebd., S. 7.

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