Nun erst, im sicheren Besitz dieser Naturdokum ente, fand ich Zeit zu geregelterer G edankentätigkeit: Was mochte diese Trappenhenne zu ihrem eigenartigen Verhalten veranlaßt haben? Mein erster G edanke war der wohl naheliegendste; ihr Benehmen entsprach ganz und gar dem jenigen eines brütenden Rebhuhnes oder einer Fasanhenne mit kürzlich ausgefallenen Jungen. Mein erster Blick galt demnach dem Lager der Trapphenne, aus dem ich sie nach meiner ersten Aufnahm e aufgescheucht hatte. Aber nichts deutete darauf hin, daß es sich hier etwa um ein N est handeln könnte. Systematisch zog ich immer w eitere Kreise, verschonte auch ein benachbartes K leefeld nicht, aber nirgends vermochte ich auch nur den geringsten Anhalt dafür zu finden, daß ein G elege oder frisch ausgefallene Kücken vorhanden waren.
Daß die Trapphenne bloß ein Mittagsschläfchen gehalten haben sollte, aus dem sie durch m ein plötzliches Auftauchen aufgestört worden wäre, erschien mir unwahrscheinlich, denn dann hätte sie w ohl — zumindest nach der ersten Aufnahme — sofort und endgültig das W eite gesucht. Ihr ganzes Verhalten aber entsprach eindeutig einem Ablenkungsm anöver; und so blieb mir nur die zw eite Erklärung, daß ihr dieses Ablenkungsm anöver denn auch tatsächlich voll und ganz gelungen war, daß die Jungen in der Zeit, die ich für die Aufnahmen verw endete, genügend G elegenheit gehabt hatten, sich in Sicherheit zu bringen.
Hans Haid — 80 Jahre alt!
In einer Zeit, in der eine Besteigung der R axalpe oder des Schneeberges noch zu den „großen“ B ergfahrten zählte, wozu viele V orbereitungen notw endig w aren und zu denen m an einen F ü h re r m itnahm , konnte m an einen kaum n eu n jäh rig en K naben u n ter Erw achsenen finden, der das w underbare Geschehen einer B ergbesteigung m iterleben durfte. Aus seinem jungen H erzen konnten die ersten Eindrücke der erlebten B ergeseinsam keit und der landschaftlichen Schönheit nicht m ehr weggewischt w erden. Und so sehen wir ihn als jungen Studenten b ereits in den W änden und Kaminen des G eiersteines bei W erning und im A lter von zwanzig Jah ren schon in den Hohen T auern, wo er auf schwierigen Steigen Großglockner.
Wiesbachhorn, Groß-Venediger und manch anderen Gipfel bezwingt. Sepp Inner- kofler ist sein F ü h rer in den Dolomiten. Monte Cristallo, Große Zinne, Tofana und andere kühne Felsw ände w erden e rk le tte rt. Sämtliche G ruppen der O stalpen und der Schweizer W estalpen durchsteigt er in unentw egtem D rang nach der freien, luftigen Höhe. Dazwischen kom m en ausgedehnte Bahn- und Schiffsreisen in alle Teile Europas und zu den K u ltu rstätten von N ordafrika und dem H eiligen Land.
Trotz allem E rlebten, trotz allem Erschauten, sind die erstgew onnenen E in
drücke vom heim atlichen Berg, von der Rax, unverw ischbar, und so treffen wir den gereiften Mann später am A usbau des so geliebten Berges. Er bem üht sich um die V ergrößerung des O ttohauses; küm m ert sich um die Erschließung der Steilw ände als K letterparadies für unsere Jugend und arb eitet intensiv an der V erbesserung des Vereinslebens. Mehr als 45 Jah re ist er M itglied des A lpenvereines, des Gebirgs- vereines und des österreichischen T ouristenklubs. Viele E hrungen w erden ihm zuteil. Er w ird E hrenbürger von Reichenau und E hrenvorsitzender der Sektion Reichenau des A lpenvereines, und — bleibt der schlichte, einfache Bergsteiger, der er im m er war. H eute noch, und gar nicht so selten, treffen w ir den „alten H e rrn “ auf der Rax, un d so m ancher „Junge“ w undert sich über den-Mann, der hier so rüstig ausschreitet. Manch einer von ihnen möchte gerne wissen, „wer das wohl sein m ag“
Die „älteren “ aber ziehen den H ut in voller Hochachtung oder begrüßen den alten Bergfreund herzlichst. Sie kennen ihn, sie wissen: d a s i s t H a n s H a i d , d e r a c h t z i g j ä h r i g e B e r g s t e i g e r .
Möge ihm u n d se in er lie b e n G a ttin , in v o lle r F rische u n d L eb e n sfre u d e, n o d i m anche R a x fa h rt gelingen, m öge ih n e n die N a tu r, an d e r sie e b e n so v ie l A n teil n e h m en w ie am B erg steig en , noch m anches E rle b e n schenken! D ies u n s e r W unsch zum G e b u rts- u n d E h re n ta g , d u lie b e r M ensch — H ans H a i d .
Augustin Meisinger 144