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Universitätsklinikum Ulm Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Thomas Becker

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Academic year: 2022

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Universitätsklinikum Ulm

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Thomas Becker

Die Evaluation der Wirksamkeit einer Intervention zur Förderung einer gesundheitsbewussten Lebensweise von Menschen mit psychischen

Erkrankungen unter Realweltbedingungen Ergebnisse einer Mixed Methods Studie

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Humanmedizin der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm

von Viola Sofie Kirschner Mindelheim

2019

(2)

II

Amtierender Dekan: Prof. Dr. Thomas Wirth

1. Berichterstatter: Prof. Dr. Reinhold Kilian

2. Berichterstatter: Prof. Dr. Dr. Jürgen Steinacker

Tag der Promotion: 24.06.2021

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III Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ... V

1. Einleitung ... 1

1.1. Erhöhte Morbidität und Mortalität psychisch kranker Menschen ... 1

1.2. Ursachen erhöhter Morbidität und Mortalität psychisch kranker Menschen ... 2

1.2.1. Psychische Erkrankung und behandlungsbedingte Faktoren ... 3

1.2.2. Organisatorische Aspekte und systembezogene Faktoren ... 3

1.2.3. Verhaltensmuster und Lebensstil ... 4

1.3. Interventionsnotwendigkeit und Ansätze ... 8

1.3.1. Lebensstilinterventionen ... 8

1.3.2. European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions (HELPS) ... 9

1.4. Fragestellungen und Hypothesen... 11

2. Methoden ... 13

2.1. Mixed Methods Design ... 13

2.2. Quantitative Teilstudie – Prospektive, kontrollierte Interventionsstudie ... 15

2.2.1. Studiendesign ... 15

2.2.2. Datenerfassung und Erhebungsinstrumente ... 19

2.2.3. Statistische Methoden ... 28

2.3. Qualitative Teilstudie – Teilstandardisiertes Experteninterview ... 32

2.3.1. Studiendesign – Einschlusskriterien, Fallzahlplanung und Rekrutierung der Studienteilnehmer ... 32

2.3.2. Datenerfassung und Erhebungsinstrumente ... 33

2.3.3. Qualitative Inhaltsanalyse ... 35

3. Ergebnisse ... 36

3.1. Beschreibung Gesamtstichprobe und Studienverlauf... 36

3.1.1. Teilnehmerrekrutierung ... 36

3.1.2. Studienverlauf ... 38

3.1.3. Studienkollektiv ... 39

3.1.4. Schätzung der Propensity Scores ... 44

3.2. Quantitative Ergebnisse ... 48

3.2.1. Deskription der Zielgrößen ... 49

3.2.2. Analyse der Zielgrößen ... 51

3.2.3. Zusatzanalysen ... 56

3.3. Qualitative Ergebnisse ... 61

3.3.1. Umsetzung der HELPS-Intervention: Erfahrungen der Multiplikatoren ... 61

(4)

IV

3.3.2. Interventionsauswirkungen aus Sicht der Multiplikatoren ... 105

4. Diskussion ... 120

4.1. Zusammenfassung der Methoden und Ergebnisse ... 120

4.2. Vergleich mit anderen Projekten bezüglich der Wirksamkeit... 122

4.3. Stärken und Limitationen des HELPS-Programmes ... 126

4.3.1. Flexibilität der Intervention ... 127

4.3.2. Organisation und Aufbau der Intervention ... 128

4.3.3. Umsetzung der Intervention ... 132

4.4. Stärken und Limitationen der Untersuchungsmethode ... 133

4.4.1. Quantitative Teilstudie ... 133

4.4.2. Qualitative Teilstudie ... 141

4.5. Verbesserungsvorschläge bezüglich nachfolgender Studien ... 142

4.6. Empfehlung für zukünftige psychiatrische Gesundheitsversorgung ... 144

4.7. Schlussfolgerungen ... 147

5. Zusammenfassung ... 149

6. Literaturverzeichnis ... 151

Anhang ... 168

Danksagung ... 180

Lebenslauf ... 181

(5)

V Abkürzungsverzeichnis

AOK Allgemeine Ortskrankenkasse AWO Arbeiterwohlfahrt

BIC Bayesian Information Criterion

BMI Body-Mass-Index

COPD chronic obstructive pulmonary disease

CSSRI-D Client Sociodemographic and Services Receipt Interview - Deutsch- land

CSSRI-EU Client Sociodemographic and Services Receipt Interview - European Union

DEGS Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland e.V. eingetragener Verein

ECA Epidemiologic Catchment Area EMI Ernährungsmusterindex

FEW-16 Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens

FTZ Frauentherapiezentrum

gGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung GKU gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung HDI Healthy Diet Indicator

HELPS European Network for Promoting the Health of Residents in Psychi- atric and Social Care Institutions

HLC Health Locus of Control

HoNOS Health of the Nation Outcome Scales I-E Internal-External Locus of Control

ICD-10 International Classification of Diseases (Version 10) IPTW inverse probability of treatment weighting

ITT Intention to Treat

kbo Kliniken des Bezirks Oberbayern

KORA Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg MHBC multiple health behavior change

MOMACRIS Monitoring and Management of Cardiovascular Risk factors In Schiz- ophrenia

MONICA MONItoring of trends and determinants in CArdiovascular disease NIMH National Institute of Mental Health

NVSII Nationale Verzehrsstudie II

PS Propensity Score

SGB Sozialgesetzbuch SMI severe mental illness SpDi Sozialpsychiatrischer Dienst SpMI Sportmusterindex

TAU Treatment As Usual

WHO World Health Organization WHR Waist-to-Hip-Ratio

(6)

1

1. Einleitung

1.1. Erhöhte Morbidität und Mortalität psychisch kranker Menschen

Nach aktuellem Stand der Wissenschaft ist unumstritten, dass psychisch schwer krankeI Menschen eine höhere Prävalenz an körperlichen Erkrankungen als die Allgemeinbevölke- rung aufweisen [28, 51, 78, 97, 124, 127]. Diese Problematik besteht beispielsweise bei PatientenII mit Schizophrenie, unter denen eine Mehrheit an mindestens einer, ein Drittel sogar an zwei oder mehr chronischen körperlichen Komorbiditäten leidet [127]. Nicht jedoch nur Schizophrenie, sondern viele psychische Erkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für eine große Bandbreite an chronischen körperlichen Erkrankungen assoziiert [124]. Es handelt sich dabei vor allem um Krankheiten wie beispielsweise Diabetes mellitus, Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sowie der Atemwege [78, 124]. Eine Studie von Scott et al. kam außerdem zu dem Ergebnis, dass mit zunehmender Anzahl an psychischen Erkrankungen im Laufe des Lebens die Wahrscheinlichkeit eines späteren Auftretens dieser körperlichen Erkrankungen signifikant steigt [124]. Diese beobachtete Dosis-Wirkungsbe- ziehung kann eine Kausalität zwischen psychischen und darauf folgenden körperlichen Er- krankungen zwar keinesfalls belegen, könnte jedoch ein Hinweis darauf sein [124]. Auf diese erhöhte körperliche Morbidität lässt sich auch eine höhere Mortalität und somit Le- benszeitverkürzung zurückführen [17, 28, 72, 74, 96, 99, 116, 138, 153]. So zeigte eine na- tionale schwedische Kohortenstudie, dass Männer mit Schizophrenie im Durchschnitt 15 Jahre früher, Frauen 12 Jahre früher versterben als der Rest der Bevölkerung und diese Beobachtung nicht allein durch unnatürliche Todesursachen, sondern vor allem durch is- chämische Herzerkrankungen und Krebserkrankungen erklärt werden kann [28]. Eine durchschnittliche Lebenszeitverkürzung zwischen 10 und 18 Jahren wird auch durch wei- tere Studien für Patienten mit Schizophrenie [96], aber auch für Patienten mit bipolarer

I Eine Vielzahl der in der vorliegenden Arbeit zitierten Referenzen beziehen sich auf schwere psychische Erkrankungen (engl. severe mental illness, SMI). Für diesen Begriff existiert jedoch bislang keine einheitliche Definition [42]. Eine klassi- sche Definition wurde vom National Institute of Mental Health, NIMH (1987) eingeführt und von Schinnar et al. (1990) sowie Ruggeri et al. (2000) weiterentwickelt und bezieht die drei Kriterien Diagnose einer psychischen Erkrankung, Dauer von mindestens zwei Jahren und die Beeinträchtigungsschwere mit ein [42, 114, 119]. Ein weiteres, häufig diskutiertes Kriterium ist jedoch auch die Behandlungsintensität sowie der Unterstützungs- und Betreuungsbedarf der Patienten [42].

Die vorliegende Studie war nicht auf Patienten mit SMI begrenzt, es wurden aber alle von einer sozialpsychiatrischen Einrichtung (Wohnbetreuung, Tagesstätte) betreut. Dies zeigt den hohen Unterstützungsbedarf der Studienteilnehmer und weist auf das Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung (SMI) hin.

IIAus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text stets das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und ander- weitige Geschlechtsidentitäten werden dabei ausdrücklich miterfasst und selbstverständlich gleichwertig angesprochen.

(7)

2 affektiver Störung [72] und einer Vielzahl weiterer psychischer Erkrankungen [74, 153] be- stätigt, wobei insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen [25, 52, 72, 74, 99] neben Atem- wegserkrankungen wie Influenza, Pneumonie und COPD sowie Krebserkrankungen eine wichtige Todesursache darstellen [74, 99]. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen signifikant häufiger Risikofakto- ren für kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen. Zu diesen Risikofaktoren zählen Überge- wicht, Diabetes mellitus, Hypertonie, Dyslipidämie sowie eine höhere Raucherprävalenz [52]. Ein signifikant erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen sowie eine dadurch be- dingte erhöhte Mortalität psychisch schwer kranker Menschen wurde auch durch eine ak- tuelle Metaanalyse bestätigt [25]. Schizophrene Patienten haben verglichen mit der Allge- meinbevölkerung ein 2-3-fach erhöhtes Risiko zu versterben. Zu diesem Ergebnis kam ein systematischer Review, der Daten aus 37 Studien in 25 Ländern einbezog und für Menschen mit Schizophrenie eine standardisierte Gesamtsterblichkeitsrate von circa 2,5 ermittelte [116]. Eine Metaanalyse ermittelte eine ähnliche Zahl (2,22) für alle Menschen mit psychi- schen Erkrankungen [153]. Trotz des allgemeinen medizinischen Fortschritts scheint sich diese Diskrepanz noch immer weiter zu verstärken [74, 96, 116] und so kam eine aktuellere Studie sogar zu dem Ergebnis einer standardisierten Gesamtsterblichkeitsrate von 3,5 für Erwachsene mit Schizophrenie [99].

1.2. Ursachen erhöhter Morbidität und Mortalität psychisch kranker Menschen Im folgenden Abschnitt soll auf mögliche Ursachen dieser erhöhten Morbidität und Morta- lität bei psychisch schwer kranken Menschen eingegangen werden. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Hypothesen und es ist eindeutig, dass es sich um ein Zusammenspiel einer großen Anzahl an Faktoren handelt [52, 78]. Suizid [22, 54, 116] und unfallbedingte Todes- fälle [27] sind bei Menschen mit psychischen Erkrankungen häufiger als in der Allgemein- bevölkerung. Zwei Drittel der Todesfälle unter psychisch erkrankten Personen sind jedoch auf natürliche Ursachen zurückzuführen, was zeigt, dass deren Exzessmortalität nicht voll- ständig durch diese unnatürlichen Todesursachen erklärt werden kann [153].

Weiser et al. hat mithilfe von Fokusgruppen, an denen Menschen mit psychischen Erkran- kungen und Mitarbeiter des Gesundheitswesens teilnahmen, zusammengetragen, welche körperlichen Gesundheitsprobleme aus Sicht der Teilnehmer bestehen und welche Gründe es hierfür geben könnte [157]. Diese möglichen Ursachen wurden in vier Gruppen

(8)

3 unterteilt: Verhaltensmuster und Lebensstil; Umweltumstände und systembedingte Fakto- ren; behandlungsbedingte Faktoren; psychische, krankheitsbedingte und personenbezo- gene Faktoren [157]. Auch in einer weiteren Studie von Blanner Kristiansen et al. mit ähn- licher Methodik wurden mithilfe von Fokusgruppen die drei Problembereiche „Lebensstil“,

„psychische Erkrankung“ und „organisatorische Aspekte“ ermittelt [12]. An diesen Eintei- lungen orientieren sich die folgenden Ausführungen.

1.2.1. Psychische Erkrankung und behandlungsbedingte Faktoren

Effekte psychotroper Medikamente sind ein Faktor, der zum Auftreten und zur Verschlech- terung körperlicher Erkrankungen psychisch kranker Menschen beiträgt. Vor allem Antipsy- chotika, aber auch zu einem geringeren Anteil Medikamente anderer Klassen bergen ein erhöhtes Risiko für eine Vielzahl körperlicher Erkrankungen, wie beispielsweise Überge- wicht, Diabetes mellitus oder Osteoporose [24]. So führen fast alle antipsychotischen Me- dikamente nach langer Einnahme zur Gewichtszunahme [7]. Jedoch nicht nur Medikamen- tennebenwirkungen, sondern auch andere Aspekte, die in Zusammenhang mit der psychi- schen Erkrankung stehen, wirken auf die körperliche Gesundheit dieser Patienten ein. So wird diese auch durch einen Mangel an Energie und Motivation, die Isolation und den Be- darf nach Unterstützung der Patienten beeinflusst [12]. Es besteht außerdem die kontro- vers diskutierte Hypothese, dass Menschen mit Schizophrenie ein vermindertes oder ver- ändertes Schmerzempfinden haben [35, 95, 126, 133, 152] und deshalb seltener medizini- sche Behandlung aufgrund körperlicher Beschwerden aufsuchen [126].

1.2.2. Organisatorische Aspekte und systembezogene Faktoren

Organisatorische Aspekte und systembezogene Faktoren stellen einen weiteren Bereich, der zur Exzessmortalität psychisch kranker Menschen beiträgt, dar. Zwischen der Allge- meinbevölkerung und Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen bestehen Un- gleichheiten in der Versorgung und im Zugang zum Gesundheitssystem [75].

Dies ist zum einen auf die Trennung von psychischer und übriger Gesundheitsversorgung zurückzuführen [75]. Aus diesem Grund besteht die Forderung, Psychiater mehr in der Di- agnose und Behandlung körperlicher Erkrankungen zu schulen und auch das Bewusstsein der Ärzte anderer Fachrichtungen bezüglich der Häufigkeit von Komorbiditäten bei

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4 psychisch kranken Menschen zu steigern [51, 78]. Außerdem wäre es von Vorteil, wenn eine Zusammenarbeit zwischen Psychiatrie und Allgemeinmedizin bestünde, da dies die beiden primären Anlaufstellen von Menschen mit psychischen und komorbiden körperli- chen Erkrankungen in Europa sind [140].

Zum anderen erfahren Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen eine schlech- tere Qualität der Gesundheitsversorgung für viele körperliche Erkrankungen [52]. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass beispielsweise schizophrene Patienten aufgrund der Stigmatisierung und Diskriminierung, die sie erfahren, seltener medizinische Versorgung aufsuchen [45, 78].

1.2.3. Verhaltensmuster und Lebensstil

Da die Intervention, um die es in dieser Arbeit geht, auf die Förderung einer gesundheits- bewussten Lebensweise von Menschen mit psychischen Erkrankungen abzielt, wird der As- pekt „Verhaltensmuster und Lebensstil“ nachfolgend am ausführlichsten erläutert, um die Relevanz dieser Problematik und damit auch der durchgeführten Intervention deutlich zu machen.

Ein ungesunder und damit gesundheitsschädlicher Lebensstil in vielen Bereichen ist weit verbreitet unter Menschen mit psychischen Erkrankungen [16, 64, 109, 129]. So haben laut einer deutschen Studie psychisch erkrankte, junge, unverheiratete Männer in dieser Gruppe das höchste Risiko für ungesundes Verhalten [64]. Im Folgenden wird auf die Be- reiche „Ernährung“, „körperliche Aktivität“, „Alkoholkonsum“, „Rauchen“ und „Mundhygi- ene“ näher eingegangen, da auch das HELPS-Projekt Fokus auf diese fünf Bereiche legt [157]. Aus diesem Grund wird auf die beobachtete erhöhte Prävalenz illegalen Drogen- konsums unter psychisch kranken Menschen nicht näher eingegangen [64].

1.2.3.1. Ernährung

Ein erster Aspekt ist ungesundes Ernährungsverhalten. Menschen mit Schizophrenie nei- gen dazu, vermehrt gesättigte Fettsäuren und vermindert Ballaststoffe und Obst zu konsu- mieren [34]. Diese Ernährungsweise trägt vermutlich als ein Faktor zur Entwicklung meta- bolischer Auffälligkeiten bei und diese wiederum erhöhen das kardiovaskuläre Risiko [34, 49]. Jeder zehnte Patient mit schwerer psychischer Erkrankung leidet an Diabetes mellitus

(10)

5 Typ 2 [145] und ein Drittel dieser Menschen am metabolischen Syndrom [148]. Einige Pa- tienten sind sich ihrer ungesunden Ernährung jedoch bewusst und erwähnen dies als eine mögliche Ursache ihrer körperlichen Gesundheitsprobleme [49, 157]. Laut Mitarbeitern psychiatrischer Einrichtungen ist Übergewicht das auffälligste körperliche Gesundheits- problem der schwer psychisch Kranken [12]. Nicht nur Patienten mit Schizophrenie, son- dern auch Personen aus anderen psychiatrischen Diagnosegruppen sind von dieser Proble- matik betroffen [63, 64]. Sowohl Patienten mit bipolarer Störung als auch mit Schizophre- nie berichten häufiger als Menschen ohne diese Erkrankungen von schlechten Ernährungs- gewohnheiten, wie beispielsweise nur eine Mahlzeit pro Tag zu essen und Schwierigkeiten beim Besorgen und Zubereiten ihrer Mahlzeiten zu haben [63]. Auch die Anzahl weiterer ungesunder Ernährungsweisen, wie beispielsweise der Konsum von Fertiggerichten, salzi- gen Snacks, Süßigkeiten sowie Fastfood ist bei einigen psychischen Erkrankungen erhöht [64].

1.2.3.2. Körperliche Aktivität

Eine aktuelle, weltweite Metaanalyse mit 69 Studien zeigte, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (Schizophrenie, bipolare Störung und Depression) signifikant mehr Zeit mit einer bewegungsarmen Lebensweise und signifikant weniger Zeit mit körper- lichen Aktivitäten verbringen als die gesunde Vergleichsbevölkerung [146]. Dies ist beson- ders ausgeprägt bei männlichen, alleinstehenden, arbeitslosen, weniger gebildeten Patien- ten, Patienten mit einem höheren BMI, langer Dauer der Erkrankung und geringer kardio- respiratorischer Fitness sowie bei Patienten, die mit Antidepressiva und Antipsychotika be- handelt werden [146]. Außerdem sind Menschen mit Schizophrenie aus dieser Gruppe am wenigsten körperlich aktiv [146] und so zeigte auch eine weitere Metaanalyse, dass diese Patienten signifikant weniger moderate bis hohe körperliche Aktivität ausüben als die ge- sunde Kontrollgruppe [132]. Eine sitzende, bewegungsarme Lebensweise ist jedoch ver- mutlich ein Risikofaktor für einen erhöhten BMI und das metabolische Syndrom [147]. Psy- chische Gesundheitsprobleme, Müdigkeit und unzureichende Unterstützung stellen große Hindernisse für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen dar, sich körperlich mehr zu betätigen, obwohl diese durchaus körperliche Aktivität als sinnvoll erachten, um ihre physische Gesundheit, ihr Aussehen sowie psychische Symptome zu verbessern [38].

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6 1.2.3.3. Alkohol

Verglichen mit der Allgemeinbevölkerung haben Menschen mit schweren psychotischen Erkrankungen ein erhöhtes Risiko starken Alkoholkonsums [47] und eine psychische Er- krankung steigert die Wahrscheinlichkeit Alkohol zu konsumieren [115]. So haben laut ei- ner deutschen Studie Patienten mit Schizophrenie oder Depression eine zwei- bis dreimal so hohe Chance riskanten Alkoholkonsum zu betreiben. Männer waren hierunter stärker betroffen. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Prävalenz dieses übermäßigen Konsums mit steigendem Bildungslevel zunahm [64]. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ergab sich eine Lebenszeitprävalenz von rund 29% für das Auftreten einer Abhängigkeits- erkrankung und unter an Schizophrenie erkrankten Menschen wiesen 33,7% einen Alko- holmissbrauch bzw. eine -abhängigkeit auf. Zu diesen Ergebnissen kam die Epidemiologic Catchment Area (ECA) Study, eine große epidemiologische Studie, die in den 1980er Jahren vom National Institute of Mental Health der Vereinigten Staaten durchgeführt wurde [107].

Auch eine aktuellere Studie aus Deutschland ermittelte eine Lebenszeitprävalenz von 29,4% für die Komorbidität Psychose und Sucht. Es dominierte dabei der Konsum von Al- kohol und Cannabis [121]. Als Gründe für diese komorbiden Suchterkrankungen geben Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen unter anderem den Versuch an, De- pressionen zu lindern, Euphorie zu erreichen sowie Selbstbewusstsein und soziale Fähig- keiten zu verbessern [11]. Komorbide Drogen- oder Alkoholabhängigkeit geht jedoch bei Menschen mit Schizophrenie mit einer verminderten klinischen und psychosozialen Anpas- sung sowie einer schlechteren Lebensqualität einher [19]. Darüber hinaus scheint diese Pa- tientengruppe häufiger beispielsweise Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, des Her- zens oder Asthma aufzuweisen [32].

1.2.3.4. Rauchen

Die Raucherprävalenz unter schizophrenen Frauen ist dreimal so hoch, unter schizophre- nen Männern sogar siebenmal so hoch wie die der Allgemeinbevölkerung. Zu diesem Er- gebnis kam eine Metaanalyse aus 42 weltweiten Studien, die eine eindeutige Assoziation zwischen Schizophrenie und Rauchen bestätigt [77]. Es besteht die Hypothese, dass an Schizophrenie erkrankte Menschen Risikofaktoren ausgesetzt sind, die sie anfälliger ma- chen mit dem Rauchen zu beginnen [77]. Dabei handelt es sich vermutlich um ein

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7 komplexes Zusammenspiel verschiedener psychopathologischer, biochemischer und neu- ropharmakologischer Prozesse [91]. Des Weiteren weisen Raucher, die an Schizophrenie leiden, einen höheren Konsum und Grad an Nikotinabhängigkeit als die Vergleichsbevölke- rung auf [77] und rauchen nach einer deutschen Studie im Durchschnitt vier Zigaretten mehr pro Tag als Raucher der Allgemeinbevölkerung [109]. Auch der Anteil derer, die er- folgreich mit dem Rauchen aufhören, ist geringer unter schizophrenen Patienten [77, 109].

So ist es auch plausibel, dass Rauchen in großem Maße zur Exzessmortaliät von schizophre- nen Patienten beiträgt [17]. Auch die hohen Mortalitätsraten für COPD, Lungenkrebs, In- fluenza, Pneumonie und kardiovaskuläre Erkrankungen unter Menschen mit Schizophrenie deuten darauf hin, dass Rauchen als ein großer Risikofaktor zur verfrühten Mortalität die- ser Patienten beiträgt [99]. Aber nicht nur unter Patienten mit Schizophrenie, sondern auch für Menschen mit bipolarer Störung, depressiven, neurotischen und somatoformen Stö- rungen und anderen psychischen Erkrankungen konnten erhöhte Raucherprävalenzraten gefunden werden [64].

1.2.3.5. Mundhygiene

Psychiatrische Patienten haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung eine fast dreimal so große Chance alle Zähne zu verlieren und zudem signifikant mehr verfaulte, fehlende und mit einer Füllung behandelte Zähne [66]. Dies ist von besonderer Relevanz, da die Annahme besteht, dass die Mundgesundheit mit systemischen Erkrankungen wie kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus und Erkrankungen des Atemtrakts assoziiert ist [29, 162].

Faktoren, die beispielsweise bei schizophrenen Patienten zu dieser schlechten oralen Ge- sundheit beitragen, sind vielfältig und beinhalten neben Dauer der psychischen Erkran- kung, Rauchen, Alkoholkonsum, schlechten Ernährungsgewohnheiten, Medikamentenne- benwirkungen und psychosozialen Faktoren auch eine mangelnde Mundhygiene [31]. So zeigte eine dänische Studie unter hospitalisierten psychiatrischen Patienten, dass diese verglichen mit der Allgemeinbevölkerung sowohl seltener den Zahnarzt aufsuchen als auch seltener die Gewohnheit haben, sich regelmäßig die Zähne zu putzen [50]. Auch viele aktu- ellere Studien problematisieren eine schlechte Mundgesundheit bei Menschen, die an Schi- zophrenie leiden [150, 161].

(13)

8 1.3. Interventionsnotwendigkeit und Ansätze

Die obigen Ausführungen bezüglich der erhöhten Morbidität und Mortalität psychisch kranker Menschen legen nahe, dass Interventionen notwendig sind, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. So hat auch der „Comprehensive Mental Health Action Plan 2013-2020“ der World Health Organization unter anderem die Vision, dass von psychischen Störungen betroffene Personen den vollen Umfang der Menschenrechte wahrnehmen können und rechtzeitig Zugang zu hochwertiger und kulturell angemessener Gesund- heits- und Sozialfürsorge haben, um das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu erreichen.

Ein Ziel ist es, damit die Mortalität, Morbidität und Behinderung von Menschen mit psychi- schen Erkrankungen zu verringern [164]. Sucht man hierfür den passenden Ansatz, muss die weiter oben in Ansätzen beschriebene Komplexität der Risikofaktoren bedacht werden und Interventionen müssen an die Bedürfnisse dieser Menschen angepasst werden [80].

Das Absetzen von Medikamenten aufgrund von Nebenwirkungen muss kritisch hinterfragt werden und so ist beispielsweise unter schizophrenen Patienten die Mortalität höher unter denjenigen, die nicht mit Antipsychotika behandelt werden [24, 136, 139, 141]. Das atypi- sche Neuroleptikum Clozapin zum Beispiel ist mit einer Verringerung des Suizidrisikos as- soziiert [160] und Fallbeispiele zeigen, dass ein Absetzen dieser Medikation aufgrund von Nebenwirkungen zu einem Rückfall in suizidales Verhalten führt [102]. Aus diesem Grund müssen potentielle Nebenwirkungen und Risiken von Medikamenten gegen die Risiken der psychischen Erkrankungen abgewogen [24] und andere Interventionsmöglichkeiten gefun- den werden.

1.3.1. Lebensstilinterventionen

Ein anderer Ansatzpunkt sind Interventionen zur Stärkung eines gesundheitsbewussten Le- bensstils, wobei bisher nur wenig Evidenz zur Wirkung und Kosteneffektivität solcher Pro- gramme vorliegt [48, 101]. Der Lebensstil von Menschen mit psychischen Erkrankungen kann verändert werden und diese Personen haben dasselbe Interesse an Lebensstilverän- derungen in Bereichen wie Rauchen, Ernährung und körperliche Aktivität wie Kontrollgrup- pen [73]. Es existieren jedoch eine Reihe von Hindernissen wie Krankheitssymptome, Me- dikamentennebenwirkungen und Lebenssituationen, die dies erschweren [73]. Dies hat zur Folge, dass deren Absicht gesünder zu leben nicht immer umgesetzt wird und diese

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9 Unterstützung benötigen [73]. Die Ergebnisse eines Reviews sind jedoch erfolgverspre- chend und deuten darauf hin, dass Interventionen zur Förderung des Gesundheitsverhal- tens sich positiv auf die körperliche Gesundheit psychisch kranker Menschen auswirken [44]. So besteht Evidenz für die Wirksamkeit von Interventionen basierend auf dem Bewe- gungs- und Ernährungsverhalten zur Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren bei psy- chisch schwer erkrankten Menschen [20, 36]. Gerade in diesen Bereichen, in denen es darum geht, neue Verhaltensweisen in den Lebensstil zu integrieren, scheinen Gruppenin- terventionen aufgrund der Motivation durch gegenseitige Unterstützung und Vorbildfunk- tion von Vorteil zu sein [108]. Auch Ergebnisse bezüglich der Effektivität von Interventionen zur Raucherentwöhnung unter schizophrenen Patienten sind positiv, wobei hier neben Ver- haltens- und psychosozialen Interventionen vor allem pharmaklogische Ansätze oder eine Kombination aus beidem im Vordergrund stehen [131]. Ebenso zeigten die Ergebnisse einer Pilotstudie zur Testung einer Intervention, die auf eine Aufklärung und Verhaltensänderung im Bereich Mundhygiene bei psychisch kranken Menschen abzielte, eine signifikante Ver- besserung der Mundgesundheit dieser Patienten [93]. Allgemein sollte die Förderung von Lebensstilveränderungen ausgeglichen sein zwischen Unterstützung und Autonomie im täglichen Leben [73].

1.3.2. European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and So- cial Care Institutions (HELPS)

HELPS (European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions) war ein von der Europäischen Union im Rahmen des Public Health Pro- gramms unterstütztes Projekt, welches auf die Förderung der körperlichen Gesundheit von Menschen in psychiatrischen Behandlungs- und Pflegeeinrichtungen abzielte [10]. Dazu wurde ein europäisches Netzwerk aus 15 Ländern gegründet, dessen Ziel es war, weiteres Wissen über körperliche Erkrankungen bei psychisch kranken Menschen zu gewinnen sowie an länderspezifische Bedürfnisse angepasste Initiativen zur Gesundheitsförderung zu entwickeln. Außerdem sollte Evidenz zur Wirksamkeit und Effektivität dieser Interventio- nen sowie Informationen zu Kosten und Durchführbarkeit gesammelt werden [156]. Zu diesem Zweck sollte nicht eine einzelne Intervention entworfen werden, sondern eine Reihe von Werkzeugen und allgemeinen Techniken, aus denen Mitarbeiter der Einrichtun- gen diejenigen auswählen können, die am besten zu den Bedürfnissen der Patienten

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10 passen und an diese flexibel angepasst werden können [157]. Das HELPS-Toolkit fasst diese Werkzeuge zusammen und wurde von Wissenschaftlern, Stakeholdern, Gesundheitsexper- ten und Betroffenen entwickelt [155]. Dieses Toolkit beinhaltet die fünf Module „Ernäh- rung“, „körperliche Aktivität“, „Rauchen“, „Alkoholkonsum“ und „Zahngesundheit und Mundhygiene“, welche wiederum jeweils aus verschiedenen Komponenten bestehen [157]. Begonnen werden sollte mit den jeweiligen Selbsteinschätzungsfragebögen und Screeningblättern, um den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten zu erfassen und anschließend bei Bedarf passende Interventionsmaßnahmen und Ziele zu wählen und zu erarbeiten [157]. Ebenso flexibel kann entschieden werden, ob das Toolkit im Einzel- oder Gruppensetting angewendet wird [155]. In einer Pilotstudie zur Anwendbarkeit des Pro- gramms wurde das Toolkit positiv bewertet [157]. Dieses beruht auf einem Phasenmodell des Veränderungsprozesses bestehend aus den sechs Phasen Absichtslosigkeit (engl.

precontemplation), Vorbereitung (engl. contemplation), Entscheidung (engl. determina- tion), Handlung (engl. action), Aufrechterhaltung (engl. maintenance) und Rückfall (engl.

relapse) [155]. Dieses transtheoretische Modell wurde maßgeblich von Prochaska und DiClemente entwickelt und beschreibt wie Menschen ihr Verhalten verändern können [33, 103, 104]. Eine Studie zur Verhaltensänderung hinsichtlich körperlicher Aktivität bei schi- zophrenen Patienten zeigte, dass eine autonome und wenig kontrollierte Motivation zur Veränderung mit weiter fortgeschrittenen Stadien des transtheoretischen Modells in Ver- bindung steht [149]. Darüber hinaus beruht das Toolkit auf dem Prinzip des Empowerments und der Technik der Motivierenden Gesprächsführung [156, 157]. Die Methodik der Moti- vierenden Gesprächsführung wurde 1991 von William Miller und Stephen Rollnick entwi- ckelt. Sie stellt einen patientenzentrierten Ansatz, der die Verantwortung und Fähigkeit zur Veränderung im Patienten selbst sieht, dar [157]. Ziel ist es, eine positive Interaktion mit dem Therapeuten zu fördern, in der der Patient selbst die Gründe zur Verhaltensänderung vorgibt, dessen intrinsische Motivation zur Verhaltensänderung gestärkt wird und dessen innere Ressourcen mobilisiert werden [157]. Die Motivierende Gesprächsführung wurde schon in der Behandlung verschiedener Lebensstilprobleme und körperlicher sowie psy- chologischer Erkrankungen angewandt und hatte einen positiven Effekt in vielen verschie- denen Interventionsbereichen [4, 76, 113, 144]. Nach dem Prinzip des Empowerments sol- len die Patienten also selbst persönliche Ziele zur Verbesserung ihres Lebensstils erarbeiten und festlegen, aber auch Unterstützung bei der praktischen Umsetzung im Alltag erfahren

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11 [155]. Bei Erfolg der Intervention, sind die Teilnehmer der Interventionsgruppe dazu in der Lage ihren Lebensstil zu analysieren, problematisches, gesundheitsschädliches Verhalten zu identifizieren und mithilfe der als Multiplikatoren ausgebildeten Einrichtungsmitarbeiter geeignete Ansätze zur Verbesserung zu finden.

1.4. Fragestellungen und Hypothesen

Bisher wurde im Rahmen des HELPS-Projekts auf der Basis von nationalen und internatio- nalen Literaturreviews und Fokusgruppen aus Experten sowie Patienten Evidenz zusam- mengetragen und das HELPS-Toolkit entwickelt [157]. Dieses wurde durch eine Pilotstudie in 10 Projektländern getestet, eine standardisierte Evaluation in Deutschland steht jedoch noch aus [157].

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es deshalb, die Wirksamkeit einer im Rahmen des HELPS-Programms durchgeführten und entwickelten Intervention zur Förderung einer ge- sundheitsbewussten Lebensweise von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Einrich- tungen zur gemeindepsychiatrischen Wohn- und Tagesbetreuung unter Realweltbedingun- gen zu untersuchen. Eine Wirksamkeit könnte sich folgendermaßen zeigen: Durch die In- tervention und mit wachsender gesundheitsbezogener Kontrollüberzeugung werden die Studienteilnehmer motiviert, gesundheitsrelevante Verhaltensweisen zu verändern. Wird dies erfolgreich umgesetzt, ist eine positive Veränderung im Bereich der gesundheitsschäd- lichen Verhaltensweisen feststellbar. Langfristig könnte sich dadurch das körperliche Wohl- befinden sowie der klinische Zustand des Patienten verbessern.

Auch von den Multiplikatoren subjektiv beobachtete und durch gewählte Zielkriterien nicht erfassbare Interventionsauswirkungen sollen einbezogen werden. Darüber hinaus sollen weitere Erfahrungen der Multiplikatoren mit der Umsetzung analysiert und förderliche Fak- toren sowie Barrieren auch im Hinblick auf eine zukünftige Umsetzung der Intervention identifiziert werden. Dazu soll außerdem die Machbarkeit der Intervention untersucht werden.

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12 Folgenden Fragestellungen soll deshalb in vorliegender Arbeit nachgegangen werden:

1. Besteht eine Wirksamkeit der Intervention?

2. Welche Erfahrungen wurden von Seiten der Multiplikatoren bei Umsetzung der In- tervention gemacht und was impliziert dies für eine zukünftige Anwendung?

a. Wie wurde die Intervention umgesetzt und war diese machbar?

b. Welche positiven und negativen Veränderungen konnten bei den Patienten beobachtet werden?

c. Was sind förderliche Faktoren?

d. Welche Barrieren gibt es?

e. Wie sollte die Intervention zukünftig umgesetzt werden?

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13

2. Methoden

2.1. Mixed Methods Design

Zur Beantwortung der oben ausgeführten Fragestellungen wurde in der vorliegenden Stu- die ein Mixed Methods Forschungsdesign, welches sich qualitativer und quantitativer Me- thoden bedient, angewandt. Das Konzept der Mixed Methods Forschung wurde in den letz- ten Jahren auf verschiedene Arten definiert. Aus diesem Grund befragte Johnson et al. füh- rende Methodiker auf diesem Gebiet zu deren Definition und formulierte auf Grundlage der Analyse der erhaltenen Antworten folgende allgemeine Definition [60]:

„Mixed methods research is the type of research in which a researcher or team of re- searchers combines elements of qualitative and quantitative research approaches (e.g., use of qualitative and quantitative viewpoints, data collection, analysis, infer- ence techniques) for the broad purposes of breadth and depth of understanding and corroboration.” ([60] S.123)

Der Fokus quantitativer Forschung liegt auf Deduktion, Theorien- und Hypothesentestung, einer standardisierten Datenerhebung und statistischen Analyse [59]. Dem hingegen ist die traditionelle qualitative Forschung auf Induktion, Exploration sowie die Theorien- und Hy- pothesengenerierung ausgerichtet [59]. Einige Vertreter qualitativer und quantitativer For- schung bewerten die Kombination beider Methoden als nutzlos oder gar unmöglich [55, 59]. Neben dem qualitativen und quantitativen Forschungsparadigma und dieser lange be- stehenden Inkompatibilitätsthese der beiden Ansätze [55] hat sich jedoch auf der Theorie des Pragmatismus die Mixed Methods Forschung als drittes Forschungsparadigma entwi- ckelt [59]. Ziel der Mixed Methods Forschung ist es nicht, qualitative oder quantitative An- sätze zu ersetzen, sondern von den Stärken beider Forschungsmethoden zu profitieren so- wie jeweilige Schwächen zu minimieren [59]. So bietet diese praktische und ergebnisorien- tierte Methode die Möglichkeit, Erkenntnisse und Verfahren beider Forschungsansätze zu kombinieren und auf diese Weise oftmals ein überlegenes Ergebnis zur Beantwortung der Forschungsfragen zu erhalten [59]. Die Kombination verschiedener Methoden hat nicht nur zum Ziel Bestätigung zu erhalten, sondern vor allem das Verständnis der Ergebnisse zu er- weitern [100]. Dadurch können Erkenntnisse hinzugefügt werden, die bei der Anwendung nur einer Methode möglicherweise übersehen werden würden und somit ein vollständige- res Wissen erlangt werden [59].

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14 Zur Gestaltung einer Mixed Methods Studie spielen die vier Aspekte Timing, Gewichtung, Mischung und Theoretisierung bezogen auf die Interaktion zwischen qualitativem und quantitativem Studienteil eine wichtige Rolle [26]. Im Folgenden wird erläutert, wie diese im vorliegenden Studiendesign ausgearbeitet wurden. Im Rahmen einer prospektiven, kon- trollierten Interventionsstudie wurden quantitative Daten mithilfe von standardisierten Fragebögen und statistischen Auswertungen gewonnen. Zur Erhebung der qualitativen Da- ten wurden teilstandardisierte Experteninterviews durchgeführt und mithilfe einer quali- tativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring untersucht [90]. Die Datenerhebungen der beiden Studienanteile fanden nicht sequentiell, sondern im gleichen Zeitraum statt. Dabei lag die Priorität auf dem quantitativen Anteil und so wurde dieser sowohl zeitlich als auch in Bezug auf die erhobene Datenmenge stärker gewichtet. Eine Mischung der Daten fand erst im Stadium der Interpretation statt. Dazu wurden die qualitativen Daten in den Kon- text der quantitativen Daten eingebettet und nahmen eine unterstützende Rolle zum bes- seren Verständnis und zur Erkenntniserweiterung ein. Ziel war es auch, mithilfe der quali- tativen Daten den quantitativen Studienteil durch zusätzliche, noch nicht erfasste Informa- tionen zu ergänzen und durch weiterführende Einblicke eine bessere Erklärung der quanti- tativen Daten zu fördern. Die Orientierung an einer Theorie im Sinne einer Theoretisierung fand dabei nicht statt.

Die Ausgestaltung der vier Aspekte in beschriebener Weise wird durch die „Concurrent Em- bedded Strategy“ zusammengefasst [26]. Dieses Studiendesign zeichnet sich durch eine Datenerhebungsphase, in der sowohl qualitative als auch quantitative Daten erhoben wer- den, aus. Das Projekt wird durch eine primäre Methode (hier quantitativ) geleitet und durch eine sekundäre Methode (hier qualitativ) unterstützt. Die sekundäre Methode wird also in die vorherrschende eingebettet und kann dabei auch auf andere Fragestellungen abzielen als die primäre. Dieses Modell wird oft angewandt, um eine umfassendere Per- spektive zu gewinnen, als es durch die vorherrschende Methode allein möglich wäre [26].

Untenstehende Darstellung soll graphisch den Zeitverlauf der Gesamtstudie und die Ein- bettung der qualitativen Teilstudie in die quantitative Studie veranschaulichen.

Die im vorhergehenden Gliederungspunkt aufgeführte erste Fragestellung nach einer Wirk- samkeit der Intervention soll durch Analyse der quantitativen Daten beantwortet werden.

Der zweiten Frage dieser Arbeit nach Umsetzung, Machbarkeit, beobachteten Interventi- onsauswirkungen, förderlichen Faktoren und Barrieren sowie zukünftiger Anwendung der

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15 Intervention wird anhand der Informationen aus den qualitativen Multiplikatoreninter- views nachgegangen.

Im Folgenden wird auf den quantitativen (Abschnitt 2.2.) sowie auf den qualitativen (Ab- schnitt 2.3.) Studienanteil im Detail eingegangen.

Abbildung 1: Graphische Darstellung des Zeitverlaufs der Studie bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Ver- gleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Residents in Psychi- atric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018.

Der qualitative Studienanteil (grün) ist im Sinne einer „Concurrent Embedded Strategy“ des Mixed Methods Designs in den quantitativen Studienanteil (Blautöne) eingebettet.

2.2. Quantitative Teilstudie – Prospektive, kontrollierte Interventionsstudie 2.2.1. Studiendesign

Es handelte sich um eine prospektive, kontrollierte, quasi-experimentelle Interventionsstu- die ohne Randomisierung, die im Raum München durchgeführt wurde. Insgesamt 70 Pati- enten sozialpsychiatrischer Einrichtungen (Wohnbetreuung, Tagesstätte) mit psychischen Erkrankungen, die einen Bedarf zur Verbesserung gesundheitsschädlicher Verhaltenswei- sen aufzeigten, nahmen an der Studie teil. Es handelte sich hierbei vor allem um Menschen mit schizophrenen Erkrankungen (F2-Diagnose).

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16 Über einen Zeitraum von 18 Monaten wurden zu insgesamt vier Messzeitpunkten im Ab- stand von sechs Monaten (Monat 0, Monat 6, Monat 12, Monat 18) 33 Teilnehmer der In- terventionsgruppe und 37 Teilnehmer der Kontrollgruppe befragt. Die Intervention, basie- rend auf dem HELPS-Toolkit, hat die Förderung einer gesunden Lebensweise psychisch kranker Menschen zum Ziel. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe hatten ausschließlich Zu- gang zur Standardversorgung. Bei jedem Messzeitpunkt umfasste die Datenerhebung einen Termin zur Beantwortung verschiedener Fragebögen sowie im Anschluss daran eine 3-tägige Dokumentation des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens.

Ein positives Ethikvotum für die HELPS-Studie wurde von der Ethikkommission der Univer- sität Ulm am 01.12.2016 ausgesprochen (Antrag 347/16). Die Studie wurde nach den Richt- linien der Deklaration von Helsinki 2013 und der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der aktuellen Fassung durchgeführt.

2.2.1.1. Ein- und Ausschlusskriterien

In das Projekt eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren mit einer diagnostizierten psychischen, insbesondere schizophrenen Erkrankung. Darüber hinaus konnten nur von Einrichtungen folgender sozialpsychiatrischer Träger betreute Patienten teilnehmen:

• AWO Bezirksverband Oberbayern e.V.

• AWO Sozialtherapeutische Einrichtungen Waldkraiburg

• FrauenTherapieZentrum - FTZ gemeinnützige GmbH

• kbo-Sozialpsychiatrisches Zentrum gemeinnützige GmbH

• Sozialpsychiatrischer Dienst Schwabing (Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.)

• PARITÄTISCHE Sozialpsychiatrisches Zentrum München gGmbH

• Wohnprojekt Berg am Laim (Soziale Dienste Psychiatrie gemeinnützige GmbH)

• Sozialpsychiatrischer Dienst München Perlach (gemeinnützige GmbH des Projekt- vereins)

Nur Versicherte der AOK Bayern durften an der Studie teilnehmen, da eine Projektteilfi- nanzierung durch die genannte Versicherung bestand. Darüber hinaus konnten nur

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17 Patienten einbezogen werden, bei denen nach Einschätzung der Einrichtungsmitarbeiter ein Verbesserungsbedarf hinsichtlich gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen vorlag.

Patienten mit primärer Alkoholsucht wurden aus der Studie ausgeschlossen. Ebenso wurden Personen mit unzureichenden sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten nicht in das Projekt aufgenommen, da hier die korrekte Beantwortung der Fragebögen sowie das Verständnis der Informationen über Inhalt und Tragweite der Studie nicht anzunehmen war. Mit in die Studie einbezogen wurden jedoch gehörgeschädigte Patienten, die mithilfe von Gebärdensprache kommunizieren und entsprechend betreut wurden.

2.2.1.2. Rekrutierung der Studienteilnehmer

Ziel war es, insgesamt mindestens 70 Studienteilnehmer mit ausgeglichener Aufteilung auf die Interventions- und Kontrollgruppe zu gewinnen. Angestellte der genannten sozialpsy- chiatrischen Projektpartner informierten die Patienten über die Interventionsstudie und händigten diesen Flyer und Patienteninformationen aus. Die Teilnahme der Patienten am Projekt war freiwillig. Als Aufwandsentschädigung wurden den Teilnehmern bei jedem Un- tersuchungszeitpunkt 10 Euro sowie bei der ersten Befragung zusätzlich eine Wunschprä- mie (Umhängetasche, Stofftier, Tasse, Regenschirm, Fitball oder Duschtuch) der beteiligten Projektpartner (kbo, Bezirk Oberbayern, AOK) angeboten. Auf deren schriftliche Einwilli- gung zur Kontaktaufnahme hin, nahmen Studienmitarbeiter Kontakt auf. Daraufhin führten sie ein ausführliches Informationsgespräch, in dem das Studiendesign erläutert, die Patien- ten schriftlich und mündlich über die geplante Durchführung des Projekts sowie die daraus für sie entstehenden Konsequenzen aufgeklärt wurden. Anschließend wurde um infor- mierte Einwilligung gebeten und diese mittels einer Einwilligungserklärung durch Unter- schrift dokumentiert. Diese konnte jederzeit, auch ohne Begründung, zurückgezogen werden. Bisher gewonnene Daten wurden in diesem Fall nach Zustimmung der Patienten ausgewertet.

2.2.1.3. Intervention

Die Teilnehmer der Interventionsgruppe hatten neben der Teilnahme am HELPS-Projekt Zugang zur Standardversorgung. Im Rahmen der Intervention wurden während eines zwei- tägigen Workshops 17 Mitarbeiter der teilnehmenden sozialpsychiatrischen

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18 Wohnbetreuungseinrichtungen, insbesondere Fachpflegekräfte und Sozialpädagogen in die Verwendung des HELPS-Toolkits und die Technik der Motivierenden Gesprächsführung, auf welcher das Toolkit beruht, eingewiesen und zu Multiplikatoren ausgebildet. Die so ge- schulten Mitarbeiter führten daraufhin mit den Patienten der Interventionsgruppe einen sechswöchigen Gesundheitskurs mit je zwei Wochenstunden durch. Dieser fand in Grup- pen statt, konnte aber bei Bedarf auch als Einzelintervention angeboten werden. Ziel des Kurses war es, die Teilnehmer zur Veränderung gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen zu motivieren und persönliche Ziele und Umsetzungsstrategien hin zu einem gesunden Le- bensstil zu entwickeln. Des Weiteren sollte während dieses Programms mindestens ein zehnminütiger Einzelkontakt innerhalb von 24 Stunden nach dem Gesundheitskurs und ein weiterer zehnminütiger Einzelkontakt nach drei Tagen mit einer Bezugsperson stattfinden.

Bezugspersonen waren ebenfalls Mitarbeiter der außerklinischen sozialpsychiatrischen Einrichtungen, welche nicht zu Multiplikatoren ausgebildet wurden, jedoch in engem Kon- takt zu diesen standen und mit diesen ein Tandem bilden sollten. Eine Nachbetreuung in Form von Einzelkontakten mit der Bezugsperson wurde während der gesamten 18 Monate der Studie angeboten und sollte dazu dienen die Patienten in der Umsetzung ihrer festge- legten Ziele zu unterstützen. Im Falle von auftretenden Fragen oder Schwierigkeiten be- stand das Unterstützungsangebot von einer erfahrenen, mit dem HELPS-Toolkit vertrauten Fachkraft der Universität Ulm.

2.2.1.4. Kontrollbedingungen

Die Teilnehmer der Kontrollgruppe hatten lediglich Zugang zur Standardversorgung (TAU;

Treatment As Usual), also von der HELPS-Intervention unabhängige Angebote der teilneh- menden sozialpsychiatrischen Einrichtungen. Dabei handelt es sich um eine individuelle Unterstützung ausgerichtet nach dem persönlichen Bedarf in Bereichen wie beispielsweise Wohnen, Gesundheit, Tagesstruktur, Krisenprävention, Freizeitgestaltung und Arbeit. Die Patienten haben dazu einen festen Bezugsbetreuer als Ansprechpartner bei Fragen und Problemen. Eine ambulante Wohnbetreuung wird sowohl in Form von Wohngemeinschaf- ten als auch im betreuten Einzelwohnen realisiert. Darüber hinaus werden stationäre be- treute Wohnformen sowie die Tagesbetreuung in Tagesstätten angeboten. Die Patienten sollen so angepasst an individuelle Bedürfnisse im Alltag gefördert werden hin zu einer selbständigeren Lebensführung. Im Rahmen der Regelversorgung steht die somatische

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19 Gesundheitsversorgung in den teilnehmenden Einrichtungen nicht im Fokus. Lediglich im Rahmen des allgemeinen Betreuungsauftrages wird der Lebensstil beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Tagesstruktur und Freizeitgestaltung adressiert.

2.2.1.5. Gruppeneinteilung, Randomisierung und Verblindung

Die Gruppeneinteilung basierte auf der Präferenz der Studienteilnehmer. Dies ist dadurch zu begründen, dass das Konzept der HELPS-Intervention und die angewandte Methode der Motivierenden Gesprächsführung und des Empowerments von den Patienten angenom- men werden muss und diese dazu bereit sein sollten sich auf die Intervention einzulassen.

Nur so kann eine Wirkung erzielt werden. Aufgrund dessen war eine Randomisierung oder Verblindung der Patienten nicht möglich. Eine Information der Evaluationsmitarbeiter über die Gruppenzugehörigkeit fand nicht statt, war jedoch von Seiten der Patienten nicht voll- ständig auszuschließen.

2.2.1.6. Fallzahlplanung

Die Fallzahlkalkulation wurde für die Änderung des FEW-16-Gesamtwertes über 18 Monate mittels G*Power Version 3.1 durchgeführt und ergab eine benötigte Stichprobengröße von n = 60. Die Berechnung basierte auf folgenden Rahmenwerten:

1. Entdeckung einer mittleren Effektstärke von f = 0,5 für die (within-between) Grup- pen-Zeit-Interaktion bei einer Varianzanalyse (ANOVA) mit zwei Gruppen und vier Messzeitpunkten

2. Signifikanzniveau (alpha-Fehler): 0,05 3. Power (1 – beta-Fehler): 0,90

Eine Dropout-Rate von 15% wurde berücksichtigt, sodass aufgrund dieser Annahmen min- destens 70 Patienten zur Studienteilnahme rekrutiert werden sollten.

2.2.2. Datenerfassung und Erhebungsinstrumente

Die Datenerhebung erfolgte anhand von vier Befragungen im Abstand von jeweils sechs Monaten: Monat 0 (Visite 1, Baselineerhebung), Monat 6 (Visite 2), Monat 12 (Vi- site 3) und Monat 18 (Visite 4). Die Baselineerherbung fand vor dem sechswöchigen Ge- sundheitskurs statt. Die Befragungen sollten in einem Zeitfenster von jeweils vier Wochen vor und vier Wochen nach dem geplanten Zeitpunkt stattfinden und wurden von

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20 Evaluationsmitarbeitern der Universität Ulm durchgeführt. Der Ort der Befragungen konnte von den Probanden selbst gewählt werden und war entweder bei den Probanden zu Hause oder in den ambulanten Versorgungseinrichtungen.

Die benötigten Daten wurden anhand verschiedener, standardisierter Fragebögen sowie einem Ernährungs- und Bewegungstagebuch erfasst. Außerdem wurden bei allen Patien- ten zu jedem Erhebungszeitpunkt Körpergröße, Körpergewicht, Taillen- und Hüftumfang gemessen. Mit denen im Anschluss erläuterten Instrumenten wurden folgende Zielkrite- rien erfasst: gesundheitsschädliche Verhaltensweisen (ungünstiges Ernährungs- und Bewe- gungsverhalten, schädlicher Alkohol- und Tabakkonsum sowie unzureichende Oralhygi- ene), die Einschätzung des körperlichen Wohlbefindens und der gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung sowie der klinische Zustand des Patienten. Darüber hinaus wurde zur Beurteilung des jeweiligen Interventionsbedarfs die Einschätzung des eigenen Gesund- heitsverhaltens aus Patientensicht erhoben.

2.2.2.1. Erfassung gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen

Der Fragebogen zur Erfassung gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen basiert überwie- gend auf zwei großen epidemiologischen Studien (NVSII, DEGS1) [41, 87, 88, 118]. Die DEGS1 (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland) war eine bundesweite Gesund- heitserhebung des Robert Koch-Instituts, die anhand von Untersuchungen und Befragun- gen sowohl im Querschnitt als auch im Längsschnitt Daten zum Zwecke des regelmäßigen Gesundheitsmonitorings der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland erhob. Auch bei dieser Studie wurden Gesundheits- und Ernährungsfragebögen eingesetzt sowie in einer körperlichen Untersuchung Maße wie Größe, Gewicht, Hüft- und Taillenumfang erhoben [41, 118]. Im Gesundheitsfragebogen wurden Studienteilnehmer unter anderem zu Anga- ben bezüglich ihres Alkohol- und Tabakkonsums sowie ihrer körperlichen Aktivität befragt [118]. Im Rahmen der Nationalen Verzehrsstudie II (NVSII) wurde vom Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, der Lebensmittelverzehr sowie das weitere Aktivitäts- und Ernährungsverhalten in Deutschland erfasst [87, 88]. Weitere Studien wurden darüber hinaus als Grundlage für einen Verzehrshäufigkeitsfragebogen [46, 163] sowie für Fragen zur Mundhygiene [143] hinzugezogen.

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21 Der Fragenkatalog zum Gesundheitsverhalten lässt sich in die fünf Aspekte Ernährung, Be- wegung, Rauchen, Alkohol und Mundhygiene untergliedern und wird im Folgenden im De- tail dargestellt.

Ernährung

Das Ernährungsverhalten wurde mit einem Verzehrshäufigkeitsfragebogen erfasst. Dieser wurde ursprünglich von Winkler und Döring entwickelt und kam schon im internationalen MONICA / KORA-Projekt Augsburg der WHO zum Einsatz [163]. Eine von Hartung in ihrer Dissertation erweiterte und modifizierte Version [46] wurde für vorliegendes Projekt noch- mals um zwei Items ergänzt. Die Patienten wurden gebeten auf einer sechsstufigen Skala anzugeben, wie häufig sie die aufgelisteten Lebensmittelkategorien in einem durchschnitt- lichen Monat verzehren. Dabei entsprach eins der Antwort „täglich“ und sechs der Antwort

„(fast) nie“. Auf Grundlage des Verzehrshäufigkeitsfragebogens wurde nach Vorlage der Dissertation von Hartung [46] ein Ernährungsmusterindex (EMI) berechnet. Für jede Le- bensmittelkategorie wurde dafür eine optimale Verzehrshäufigkeit mit zwei Punkten, eine normale Verzehrshäufigkeit mit einem Punkt sowie eine ungünstige Verzehrshäufigkeit mit null Punkten bewertet und diese vergebenen Punktzahlen aufsummiert. Anhand des Er- nährungsmusterindexes und dessen 25. und 75. Perzentile in der Gesamtstichprobe konnte daraufhin das Ernährungsverhalten eingestuft und über den Verlauf der Studie be- obachtet werden. Dabei entsprach ein EMI unter der 25. Perzentile einem ungünstigen, ein EMI zwischen der 25. und 75. Perzentile einem normalen und ein EMI über der 75.

Perzentile einem optimalen Ernährungsverhalten [46].

Weitere Daten zur Ernährung der Patienten wurden darüber hinaus mit einem Ernäh- rungstagebuch erhoben [120, 122]. Dieses wurde den Studienteilnehmern bei jeder Visite ausgehändigt, erläutert und sollte an drei aufeinanderfolgenden Tagen (Donnerstag, Frei- tag, Samstag) ausgefüllt werden. Diese Tage wurden gewählt, um Angaben zu erhalten, die sowohl das Ernährungsverhalten an Werktagen als auch am Wochenende miteinbeziehen.

Ein solches Schätzprotokoll stellt eine prospektive Methode zur Erhebung der Ernährung dar, kann den laufenden Verzehr erheben und ist nicht so stark wie retrospektive Metho- den durch das Gedächtnis der Probanden beeinflusst [120]. Das Austeilen von Protokoll- heften sowie eine kurze Erhebungsphase vereinfachen die Aufzeichnungen und Erhöhen die Kooperationsbereitschaft zur möglichst vollständigen Dokumentation der verzehrten

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22 Lebensmittel [120]. Aus diesem Grund wurde ein Protokollheft ausgeteilt und eine relativ kurze Phase der Erhebung von drei Tagen gewählt. Dieses Heft war in 30 Nahrungsmittel- und Getränkekategorien, wie beispielsweise „Milchprodukte“, „Wurst“ oder „Gemüse“

aufgeteilt und jeweils mit Vorschlägen und Platz für Ergänzungen versehen. In diesem Ta- gebuch sollte die Menge der verzehrten Lebensmittel in tabellarischer Form angegeben werden und im Falle von Gemüse auch die Art der Zubereitung (frisch/roh, gebacken, ge- braten, frittiert, gekocht/gedünstet). Zur Erleichterung der korrekten Abschätzung der Por- tionsgrößen waren Standardportionsgrößen mit Foto im Tagebuch dargestellt. Außerdem erhielten die Studienteilnehmer bei der ersten Visite eine Portionsgrößenschulung, um die korrekte Mengeneinschätzung der verzehrten Lebensmittel zu trainieren.

Der so dokumentierte Lebensmittelverzehr der Studienteilnehmer wurde anschließend in das Nährwertbestimmungsprogramm DGExpert übertragen. Die Verzehrmenge der Le- bensmittelkategorien „Früchte und Gemüse“ sowie „Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen“

wurde manuell bestimmt. Aus diesen Daten wurde der Healthy Diet Indicator (HDI), wel- cher sieben nährstoff- und zwei lebensmittelbasierte Items erfasst, ermittelt [56]. Orien- tiert an den Ernährungsempfehlungen der WHO [165] wurde jedes Item, das innerhalb des empfohlenen Bereichs lag mit 1 kodiert, andernfalls mit 0. Der HDI kann somit 0 bis 9 Punkte betragen, wobei 9 Punkte auf ein optimales Ernährungsverhalten hinweisen.

Bewegung

Im Bewegungsfragebogen, welcher auf dem entsprechenden Item des Fragebogens aus der NVSII [86] beruht, wurde nach der Häufigkeit und Dauer der Ausführung aufgelisteter Tä- tigkeiten gefragt, ebenfalls bezogen auf einen durchschnittlichen Monat. Dabei wurden auch Alltagstätigkeiten wie Hausarbeit, Heimwerken oder Gartenarbeit erfasst. Die Häufig- keit wurde wiederum auf einer sechsstufigen Skala von eins („täglich“) bis sechs („(fast) nie“) abgefragt. Die Dauer der Aktivität sollten die Patienten in Stunden pro Woche schät- zen. Orientiert an der Dissertation von Hartung wurde mit ähnlicher Vorgehensweise wie zur Bestimmung des EMI aus diesen Angaben ein Sportmusterindex (SpMI) errechnet [46].

Dazu wurden abgestuft maximal fünf Punkte für täglich ausgeführte Aktivitäten bis hin zu null Punkten für fast nie nachgegangenen Aktivitäten vergeben. Zur Ermittlung des SpMI wurden diese Punkte aufsummiert. Wiederum wurde mithilfe der 25. und 75. Perzentile

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23 der Gesamtstichprobe das Bewegungsverhalten in günstig, normal und ungünstig einge- teilt.

Parallel zum oben beschriebenen Ernährungstagebuch sollte außerdem ein Bewegungsta- gebuch geführt werden. Zur Erstellung des Bewegungstagebuchs wurden die Probanden angehalten für jede Stunde zu dokumentieren, welche Aktivitäten sie ausführten. Dabei konnte aus acht Aktivitätsstufen (schlafend, liegend, sitzend, stehend, in Bewegung, leichte, mittlere und schwere sportliche Aktivität) gewählt werden und es wurde darauf hingewiesen, dass auch mehrere verschiedene Aktivitätsstufen innerhalb einer Stunde an- gegeben werden können. Falls die Probanden sportlich aktiv waren, sollte dies unter An- gabe der genauen Uhrzeit, Dauer und Sportart näher spezifiziert werden. Ein derartiges Bewegungstagebuch stellt neben dem zuvor beschriebenen Selbsteinschätzungsfragebo- gen eine zweite Methode zur Erfassung der körperlichen Aktivität dar, welche nicht so stark vom Erinnerungs- und Einschätzungsvermögen der Studienteilnehmer beeinflusst wird [135]. Aus den Variablen „leichte“, „mittlere“ und „schwere körperliche Aktivität“ wurde die mittlere Bewegungsdauer in Stunden pro Tag ermittelt.

Tabakkonsum

Zur Erfassung des Bereiches Rauchen wurde erfragt, wie häufig und wie viel Tabak durch- schnittlich im vergangenen Monat konsumiert wurde. Außerdem wurde erfasst, wann mit dem Rauchen begonnen und möglicherweise aufgehört wurde. Die Fragen orientieren sich am Fragebogen der DEGS1.

Alkoholkonsum

Zum Alkoholkonsum wurde, wiederum orientiert am Fragebogen der DEGS1, bezogen auf den vergangenen Monat erfragt, wie oft Alkohol konsumiert wurde sowie die Anzahl der alkoholischen Getränke, die dabei an einem Tag getrunken wurden.

Mundhygiene

In Anlehnung an einen Fragebogen aus dem MOMACRIS-Projekt (Monitoring and Manage- ment of Cardiovascular Risk factors In Schizophrenia) wurden die Patienten zum Thema Mundhygiene bezüglich der Aspekte Dauer, Häufigkeit und Zeitpunkt befragt [143].

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24 Zähneputzen seltener als zweimal täglich für weniger als zwei Minuten wurde als unzu- reichende Oralhygiene eingestuft.

2.2.2.2. Einschätzung des Gesundheitsverhaltens aus Patientensicht

Das HELPS-Toolkit beinhaltet einen Fragebogen zur Einschätzung des eigenen Gesundheits- verhaltens aus der Sicht der Patienten [155]. Auch dieser umfasst wiederum die Aspekte Ernährung, Bewegung, Rauchen, Alkohol und Mundhygiene. In jeder Rubrik sollten die Stu- dienteilnehmer jeweils zehn Aussagen oder Fragen zu ihrem Gesundheitsverhalten beja- hen oder verneinen, bezogen auf die vergangenen zwei Wochen. Eine Zustimmung lässt auf ungünstiges Gesundheitsverhalten schließen und durch Auswertung der Zahl der be- jahten Items kann dessen Ausmaß aus Patientensicht abgeschätzt werden. Die Ergebnisse dieses Fragebogens sollten kein Outcome-Kriterium, sondern lediglich eine Orientierungs- hilfe zur Einschätzung des jeweiligen Interventionsbedarfs darstellen.

2.2.2.3. Körperliches Wohlbefinden

Des Weiteren wurde der „Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens“

(FEW-16) von Kolip und Schmidt eingesetzt [68]. Dieses soll explizit in Abgrenzung zu psy- chischem Wohlbefinden bestimmt werden, wobei diese Trennung nur in begrenztem Um- fang möglich ist [1, 68]. Ermittelt wird in Unterscheidung zum aktuellen Wohlbefinden, das habituelle körperliche Wohlbefinden, welches eine Bilanz der in einem vergangenen Zeit- abschnitt erlebten Erfahrungen darstellt [13]. Dabei wird nicht nur durch die Abwesenheit von körperlichen Beschwerden, wie Krankheit, Schmerzen oder Funktionseinschränkungen auf ein hohes körperliches Wohlbefinden geschlossen, sondern dieses als eigenständige Befindensqualität erfasst [1, 68]. Der FEW-16 ist ein Selbstbeurteilungsinstrument mit je- weils vier, ausschließlich positiv formulierten Items zu folgenden vier Dimensionen: „Be- lastbarkeit“, „Vitalität“, „Genussfähigkeit“ und „Innere Ruhe“[1, 68]. Diese Unterteilung in vier Subskalen hat jedoch nur bei sehr spezifischen Fragestellungen einen zusätzlichen In- formationsgewinn [1]. Auf einer sechsstufigen Likert-Skala (0 = „trifft überhaupt nicht zu“

bis 5 = „trifft voll und ganz zu“) sollten die Studienteilnehmer beurteilen, inwieweit sie be- zogen auf die vergangenen zwei Wochen diesen Aussagen zustimmen. Aus den jeweils zu- gehörigen Items wurden für die vier Dimensionen der Mittelwert bestimmt. Das

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25 körperliche Wohlbefinden insgesamt wurde wiederum aus dem Mittelwert der vier Skalen- werte errechnet, wobei höhere Werte mit einem größeren körperlichen Wohlbefinden ein- hergehen.

2.2.2.4. Gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung

Mithilfe des Fragebogens zur gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung (GKU) sollte er- mittelt werden, inwieweit die Patienten davon überzeugt sind, dass ihre körperliche Ge- sundheit Folge ihres eigenen Handelns ist (interne Kontrollüberzeugung) oder ob sie davon ausgehen, dass diese durch Faktoren bestimmt wird, auf die sie selbst keinen Einfluss neh- men können (externe Kontrollüberzeugung) [65]. Ausgehend von Rotters Konstrukt der Kontrollüberzeugung und dessen Skala zur Erfassung der internen und externen Kontroll- überzeugung (Internal-External Locus of Control (I-E) Scale) [112], wurde eine gesundheits- bezogene Skala (Health Locus of Control (HLC) Scale) entwickelt, um genauere Aussagen über den Zusammenhang zwischen Internalität und Gesundheitsverhalten treffen zu kön- nen [154]. Die elf Items dieser HLC-Skala [154] wurden ins Deutsche übersetzt und um ein Item erweitert [65]. Für die vorliegende Studie wurde dieser deutsche Fragebogen wiede- rum so angepasst, dass er nur die gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung in Bezug auf körperliche nicht jedoch psychische Erkrankungen erfasst. Auf einer Likert-Skala von 0 bis 5 wurden die Studienteilnehmer gebeten anzugeben, inwieweit sie die Aussagen bezogen auf die vergangenen zwei Wochen als richtig erachten, wobei die Endpunkte mit „0 = trifft überhaupt nicht zu“ und „5 = trifft voll und ganz zu“ bezeichnet waren. Fünf Items zielten auf eine interne, sieben Items auf eine externe Kontrollüberzeugung in Bezug auf körperli- che Gesundheit ab. Zur Auswertung wurden die Items rekodiert und aufsummiert, sodass ein hoher Summenwert einer geringen internen gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeu- gung entspricht.

2.2.2.5. Schweregrad der psychischen Erkrankung der Patienten

Zur Bewertung des Schweregrads der psychischen Erkrankung der Patienten wurde die

„Health of the Nation Outcome Scales“ (HoNOS) eingesetzt. Diese wurde zur Beurteilung der gesundheitlichen und sozialen Einschränkungen von Menschen mit psychischen Er- krankungen entwickelt [2, 58]. Es handelt sich um ein international gebräuchliches

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26 Fremdeinschätzungsinstrument, welches von entsprechend eingewiesenem Personal mit relativ geringem Zeitaufwand bearbeitet werden kann [2, 58] und schon seit 20 Jahren ein- gesetzt wird [58]. Die Praktikabilität der deutschen Version „HoNOS-D“ wurde in einer Stu- die untersucht und als zufriedenstellend bewertet [2]. Die 12 Items der HoNOS können in die vier Skalen „Verhalten“, „Symptomatik“, „Beeinträchtigung“ und „soziale Probleme“

eingeteilt werden [2]. Diese Items beschreiben zwölf verhaltensbezogene oder psychische Problemfelder. Informationen, die schon in der Bewertung eines Items berücksichtigt wur- den, gehen in kein weiteres Item mehr ein (Ausnahme Item 10). Außerdem soll bei jedem Item jeweils nur das schwerwiegendste Problem, welches innerhalb des Bezugszeitraums von zwei Wochen auftrat, beurteilt werden. Dies geschieht auf einer Skala von 0 bis 4, wo- bei 0 der Einschätzung „kein Problem“ und 4 der Einschätzung „schweres bis sehr schweres Problem“ entspricht. Laut James et al. können Bewertungen von 0 oder 1 als subklinisch angesehen werden, während Bewertungen von 2 bis 4 auf eine Problematik hindeuten, die so schwer ist, dass eine Behandlung gerechtfertigt ist [58]. Für jede der vier Skalen sowie für den Gesamtwert wurde der Durchschnitt berechnet, wobei ein hoher Wert also einer hohen Beeinträchtigung entspricht. Die Evaluationsmitarbeiter erhielten eine Schulung und ein ausführliches Glossar mit Instruktionen, Erläuterungen und Beispielen zu jedem Item, um eine einheitliche Bewertung der Patienten hinsichtlich der 12 Dimensionen zu er- reichen. Außerdem standen 20 Fallvignetten zur Übung zur Verfügung.

2.2.2.6. Basisdaten und Erhebung anthropometrischer Maße

Bei jeder Visite wurden Basisdaten zu soziodemographischen Angaben, Angaben zur psy- chischen Erkrankung sowie zur körperlichen Gesundheit erhoben bzw. aktualisiert. Ein Teil dieser Fragen orientiert sich an Fragen aus dem Gesundheitsfragebogen der DEGS1, insbe- sondere aus dem Bereich „Inanspruchnahme medizinischer Versorgungsleistungen“ [118].

So wurden Daten zu Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Berufsausbildung, Familienstand, Kinder und Kontakt zur Familie bzw. Freunden abgefragt. Zu den diagnostizierten psychi- schen Erkrankungen wurde deren Verlauf inklusive eingenommener Medikamente erfasst.

Auch Angaben zur körperlichen Gesundheit inklusive aufgesuchter Ärzte sowie die Teil- nahme an ärztlichen Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen, Maßnahmen zur Gesund- heitsförderung und spezifische Ernährungsweisen wurden aufgenommen.

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27 Außerdem wurden zu allen vier Messzeitpunkten die anthropometrischen Kennwerte Kör- pergröße, Körpergewicht, Taillenumfang und Hüftumfang erhoben. Aus diesen Messwer- ten wurde der BMI als Quotient aus Gewicht zu Körpergröße im Quadrat berechnet. Nach Angaben der WHO ist Übergewicht definiert als ein BMI von ≥ 25 kg/m2. Dieses geht mit einem erhöhten Risiko für Begleiterkrankungen einher. Bei einem BMI zwischen 25 und 29,99 kg/m2 spricht man von Präadipositas, ab einem BMI ≥ 30 kg/m2 von Adipositas [166].

Der Taillenumfang ist ein Maß zur Beurteilung des abdominellen Fettdepots, welches mit höheren Gesundheitsrisiken assoziiert ist als eine eher periphere Fettverteilung. Bei Män- nern geht ein Taillenumfang von ≥ 94 cm mit einem erhöhten, ein Umfang von ≥ 102 cm mit einem deutlich erhöhten Risiko für metabolische Komplikationen einher. Für Frauen liegen die entsprechenden Werte bei 80 bzw. 88 cm [166]. Als weiterer Parameter zur Er- fassung des abdominellen Fettdepots wurde der Taille-Hüfte-Index (engl. Waist-to-Hip-Ra- tio (WHR)) berechnet. Nach WHO Angaben sind für Männer Werte unter 0,90 und für Frauen Werte unter 0,85 empfehlenswert. Eine höhere WHR ist wiederum mit einem deut- lich erhöhten Risiko für metabolische Komplikationen assoziiert [167].

2.2.2.7. Psychiatrische Versorgungskosten

Zur Erfassung der von den Patienten in Anspruch genommenen Versorgungsleistungen und um eine Kosten-Effektivitäts-Analyse durchführen zu können, wurde das „Client Sociode- mographic and Service Receipt Inventory“ (CSSRI-EU) angewandt [110]. Dies ist ein inter- nationales und standardisiertes Instrument, welches an die Charakteristika des deutschen Versorgungssystems angepasst wurde (CSSRI-D) [110]. Die Datenerhebung beruht auf einer retrospektiven Patientenbefragung und nicht, wie in anderen Instrumenten der Fall, auf der Befragung der Leistungserbringer [110]. Das CSSRI-D lässt sich in fünf Bereiche un- terteilen und erfasst sowohl die direkten als auch die indirekten Krankheitskosten. Unter direkte Krankheitskosten fallen unter anderem eingenommene Medikamente und ärztliche Behandlungen. Indirekte Krankheitskosten entstehen beispielsweise durch den Ressour- cenverlust bei Arbeitsausfall [110]. Die fünf abgefragten Hauptkategorien lauten: „Sozio- demographische Daten“, „Lebenssituation der Probanden“, „Beschäftigung und Einkom- men“, „Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen“ und „Medikation“ [110]. In dieser Studie wurden die soziodemographischen Daten in einem separaten Fragebogen abgefragt und nicht mit dem CSSRI erhoben. Der Bezugszeitraum, zu dem die Patienten befragt

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28 wurden variierte je nach Leistungskategorie von einem bis zu sechs Monaten. Da die Fra- gestellungen vorliegender Arbeit jedoch nicht auf eine Analyse der Kosteneffektivität ab- zielen, wird auf diesbezügliche Auswertungen und Ergebnisse nicht weiter eingegangen.

2.2.3. Statistische Methoden

Die Datenerfassung erfolgte mit dem Statistikprogramm IBM SPSS 24. Für die Auswertung wurden die Statistikprogramme IBM SPSS 24 und SAS 9.4 verwendet.

2.2.3.1. Maßnahmen zur Bias-Kontrolle

Um einen aufgrund der fehlenden Randomisierung der Studienteilnehmer möglicherweise auftretenden Selektionsbias zu kontrollieren, wurden die Ergebnisse mittels Propen- sity Score-Methode adjustiert. Der Propensity Score (PS) beschreibt die bedingte Wahr- scheinlichkeit, mit der der Studienteilnehmer die zu prüfende Intervention unter Berück- sichtigung ausgewählter Variablen erhält [111], also im Falle dieser Studie an der HELPS-In- tervention teilnimmt. Die PS-Methode unterscheidet sich von herkömmlichen Regressions- modellen durch ihr zweistufiges Vorgehen. Dabei wird zunächst für jeden Patienten ein Propensity Score berechnet, um dann im nächsten Schritt die eigentlich interessierenden Interventionseffekte zu bestimmen [69].

Schätzung des Propensity Scores

Die Propensity Scores werden auf Grundlage einer logistischen Regression, in die die Inter- vention als abhängige Variable und bei Interventionsbeginn bestehende Teilnehmermerk- male als unabhängige Variablen eingehen, geschätzt [69]. Diese dem PS zugrunde liegen- den unabhängigen Variablen müssen zunächst ausgewählt werden. In der Literatur besteht jedoch keine einheitliche Meinung darüber, welche Variablen in das Modell aufgenommen werden sollten [5, 15]. Für die vorliegende Arbeit wurde der Ansatz gewählt, diejenigen Variablen einzubeziehen, welche mit dem Interventionserfolg oder mit der Gruppenzutei- lung in Verbindung stehen. Wichtig ist, lediglich zu Baseline erhobene Daten zu berücksich- tigen, die durch die Intervention noch nicht beeinflusst sind [5].

Aus 50 vorausgewählten Variablen wurden in einem primären Selektionsschritt 36 Variab- len bestimmt, welche mit dem primären Outcome-Kriterium FEW-16 (p<0,10) oder der

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