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2. Methoden

2.3. Qualitative Teilstudie – Teilstandardisiertes Experteninterview

Vorliegende Intervention war sehr niederschwellig und stark am individuellen Bedarf der Patienten orientiert. Sie zielte nicht primär auf grundlegende Verhaltensänderungen ab, sondern bewertete auch kleine Effekte als positiv. In der Schulung wurde den Multiplikato-ren die Methodik sowie die Rahmenbedingungen der Intervention nähergebracht, die Um-setzung war jedoch bewusst sehr flexibel. Dadurch konnte diese gezielt an das große Spekt-rum an Bedürfnissen der Patienten angepasst und Inhalte sowie Schwerpunkte frei gewählt werden. Die Experteninterviews sollten dazu dienen, einen Einblick in die Umsetzung sowie Auswirkungen der Intervention aus Sicht der Multiplikatoren zu gewinnen. Außerdem soll-ten förderliche Faktoren sowie Barrieren und deren Implikationen für eine zukünftige Um-setzung der Intervention identifiziert werden.

2.3.1. Studiendesign – Einschlusskriterien, Fallzahlplanung und Rekrutierung der Stu-dienteilnehmer

Es handelte sich um teilstandardisierte, retrospektive Experteninterviews, die überwie-gend telefonisch durchgeführt wurden. Nach der „Concurrent Embedded Strategy“ spielte diese zusätzliche Art der Datenerhebung eine unterstützende Rolle bei der Exploration der Wirkungsweise der oben beschriebenen Intervention [26]. Ein Experteninterview zeichnet sich dadurch aus, dass der Fokus der Untersuchung nicht auf der interviewten Person selbst liegt, sondern auf deren besonderem Wissen, welches sie über die Beteiligung an den inte-ressierenden Situationen und Prozessen erlangt hat [40].

Ziel war es, möglichst alle 17 Multiplikatoren für die Teilnahme am Interview zu gewinnen.

Die Teilnahme an der zweitägigen Multiplikatorenschulung und die darauffolgende Durch-führung eines sechswöchigen Gesundheitskurses mit den Studienteilnehmern der

33 Interventionsgruppe sowie die Einwilligung zur Studienteilnahme waren die Einschlusskri-terien für die Experteninterviews.

Diese erhielten per Mail eine schriftliche Teilnehmerinformation, in der sie über das Vor-haben informiert sowie über Freiwilligkeit, Anonymisierung, Schweigepflicht, Datenschutz, Nutzen und Risiken einer Teilnahme aufgeklärt wurden. Auf deren Kontaktaufnahme hin wurde ein Termin für das Telefoninterview vereinbart. Per Post wurde um eine informierte Einwilligung zur Teilnahme sowie zur elektronischen Aufzeichnung des Gesprächs gebeten und mit Unterschrift dokumentiert. Es wurde außerdem darüber informiert, dass dieses Einverständnis zur anonymen Aufbewahrung und Auswertung der Daten jederzeit wider-rufen werden kann, ohne dass daraus Nachteile für die betreffende Person entstehen. Alle Multiplikatoren, welche sich nicht innerhalb von drei Wochen zurückgemeldet hatten, wur-den erneut postalisch kontaktiert und zur Interviewteilnahme eingelawur-den. Insgesamt konn-ten 12 der 17 Multiplikatoren auf diese Weise rekrutiert werden.

2.3.2. Datenerfassung und Erhebungsinstrumente

Im Folgenden wird im Detail auf die Datenerfassung sowie die Erstellung des Interviewleit-fadens eingegangen.

2.3.2.1. Erstellung Interviewleitfaden

Flexibel eingesetzte teilstandardisierte Interviews stellen eine in der Forschung häufig ein-gesetzte Variante qualitativer Interviews dar. Dabei wird ein Interviewleitfaden zur Orien-tierung eingesetzt. Dieser jedoch ist offen für Abänderungen in den Frageformulierungen, Nachfragestrategien sowie in der Abfolge der Fragen [53]. Auch für das vorliegende For-schungsvorhaben wurde ein solcher Leitfaden eingesetzt. Dieser wurde erst nach der Er-stellung der Fragebögen des quantitativen Studienteils ausgearbeitet. Dabei wurde analy-siert, was mit diesen bereits standardisiert abgefragt und erfasst werden kann und in wel-chen Bereiwel-chen noch darüberhinausgehende Informationen notwendig sind, die mithilfe der Interviews abgefragt werden können. Der Interviewleitfaden wurde nach den erarbei-teten Forschungsfragen in drei Themenblöcke gegliedert:

1. Implementierung der Intervention durch die Multiplikatoren

2. Positive und negative Effekte der Intervention auf die Patienten aus Sicht der Mul-tiplikatoren

34 3. Bewertung hinsichtlich der zukünftigen Anwendung der Intervention

Für jeden Themenblock wurden Leitfragen formuliert, welche durch ebenfalls vorformu-lierte Aufrechterhaltungsfragen und konkrete Nachfragen bei stockendem Redefluss der Interviewpartner flexibel ergänzt werden konnten. Der nach diesem Prinzip erstellte Leit-faden wurde vor Einsatz mit erfahrenen Wissenschaftlern diskutiert und überarbeitet. Der Interviewleitfaden befindet sich im Anhang.

2.3.2.2. Datenerhebung

Die Daten wurden mittels bereits beschriebenen, teilstandardisierten Leitfadeninterviews gewonnen. Diese wurden telefonisch durchgeführt und elektronisch aufgezeichnet. Eine Ausnahme stellte das Interview mit einer taubstummen Multiplikatorin in einer Einrichtung für gehörgeschädigte Patienten dar, welche persönlich in Anwesenheit ihres Gebärdendol-metschers interviewt wurde. Zu Beginn eines jeden Interviews wurde nochmals über Ano-nymität und Datenschatz aufgeklärt und um Einverständnis zur Aufzeichnung des Gesprä-ches gebeten. Außerdem wurde in einer kurzen Information zum Ablauf des Interviews da-rauf hingewiesen, dass der Interviewer möglichst nur gesprächsleitende Fragen stellt und sich ansonsten soweit wie möglich zurückhält, damit die Befragten spontan und möglichst umfangreich und uneingeschränkt ihre Gedanken und Ansichten äußern können. Zu jedem Themenblock wurden zunächst weitgefasstere Fragen gestellt. Bei Abbruch des Redeflus-ses oder wenn die Antwort noch nicht alle interessierenden Aspekte erfasste, wurden diese durch konkretere Nachfragen präzisiert. Solche Nachfragen wurden flexibel an das jewei-lige Gespräch angepasst. Im zeitlichen Bezug auf die Intervention fanden die Interviews im Zeitraum der 3. und 4. Visite (t0 + 12 Monate und t0 + 18 Monate) zur Erhebung der quan-titativen Daten ab Juni 2018 statt und wurden im August 2018 abgeschlossen. Das bedeu-tet, dass die Multiplikatorenschulung, welche im April 2017 stattfand sowie der darauffol-gende sechswöchige Gesundheitskurs bereits ein Jahr zurücklagen. Die Interviews fanden also im Zeitraum der Nachbetreuung der Patienten statt. Dieser Zeitpunkt wurde gewählt, um sowohl den Ablauf des Gesundheitskurses als auch längerfristige Interventionsauswir-kungen in der Phase der Nachbetreuung zu erfassen. Die Audiodateien wurden von der Firma Fonoskript, welche auf das Transkribieren qualitativer Interviews nach wissenschaft-lichen Transkriptionsregeln und Standards spezialisiert ist, wortgetreu verschriftlicht. Dabei wurden auch nonverbale Äußerungen, wie beispielsweise Lachen, festgehalten. Da wie

35 oben beschrieben bei diesen Experteninterviews der Fokus auf dem Inhalt des Gesagten und nicht auf der Art der Kommunikation lag, wurde eine detaillierte Transkription, bei der beispielsweise Sprechpausen verschriftlicht werden, nicht als notwendig erachtet. Diese Trankskripte wurden vom Interviewer nochmals Korrektur gehört. Dabei wurden jegliche personen- oder einrichtungsbezogenen Daten anonymisiert.

2.3.3. Qualitative Inhaltsanalyse

Die Auswertung der transkribierten Interviews erfolgte in Anlehnung an die strukturie-rende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring [90]. In diesem Prozess wurden zunächst Kurzzusammenfassungen der Transkripte erstellt, in denen die wesentlichen Inhalte des Gesagten herausgearbeitet wurden, mit dem Ziel, einen ersten Überblick zu erlangen. Im Anschluss daran wurde eine detailliertere, computergestützte Analyse mithilfe der Soft-ware MAXQDA 11 durchgeführt. Dieses Programm dient zur einfacheren Strukturierung und Organisation der erhobenen Interviewdaten, leistet jedoch keine inhaltliche Interpre-tation [61]. Dabei wurde zunächst deduktiv ein initialer Codebaum anhand der Fragen des Interviewleitfadens erstellt. Anschließend wurden die Interviewtranskripte kleinschrittig analysiert. Jeder Sinnabschnitt wurde mit einem oder mehreren Codes, die die jeweils an-gesprochenen Aspekte zum Ausdruck bringen versehen. Im Verlauf wurde dadurch der ur-sprüngliche Codebaum induktiv immer wieder modifiziert und ergänzt. Zu jedem Abschnitt wurden außerdem Textmemos eingefügt, die eine umfangreichere Interpretationen, wei-terführende Gedanken und direkte Zitate beinhalteten und mit den entsprechenden Codes verknüpft wurden. Der gesamte Analyseprozess wurde im Team diskutiert.

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