3. Ergebnisse
3.1. Beschreibung Gesamtstichprobe und Studienverlauf
3.1.1. Teilnehmerrekrutierung
Im Zeitraum vom 24.01.2017 bis zum 20.06.2017 konnten insgesamt 70 Patienten aus neun sozialpsychiatrischen Einrichtungen zur Studienteilnahme rekrutiert werden. Davon ent-schieden sich 33 an der HELPS-Intervention teilzunehmen (Interventionsgruppe). Die rest-lichen 37 Studienteilnehmer bildeten die Kontrollgruppe und erhielten die gleiche, von der Intervention unabhängige Behandlung wie zuvor (TAU). Die bei der Fallzahlplanung festge-legte Mindesteilnehmerzahl konnte dadurch erreicht werden.
37
Tabelle 1: Verteilung der Studienteilnehmer auf die teilnehmenden sozialpsychiatrischen Einrichtungen bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Pro-moting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit; AWO = Arbeiterwohlfahrt; kbo = Kliniken des Bezirks Oberbayern /
1 Standorte AWO Waldkraiburg und München wurden in dieser Darstellung zusammengefasst; 2offene Angebote und ge-schlossenes Übergangswohnheim wurden in dieser Darstellung zusammengefasst
gesamt TAU HELPS
AWO1; n (%) 15 (21,43%) 6 (16,21%) 9 (27,27%)
Frauentherapiezentrum; n (%) 4 (5,71%) 2 (5,41%) 2 (6,06%)
Paritätische - Sozialpsychiatrisches Zentrum München; n (%) 8 (11,42%) 4 (10,81%) 4 (12,12%) Caritas - Sozialpsychiatrischer Dienst Schwabing; n (%) 4 (5,71%) 3 (8,11%) 1 (3,03%) kbo-Sozialpsychiatrisches Zentrum2; n (%) 19 (27,14%) 8 (21,62%) 11 (33,33%) Soziale Dienste Psychiatrie - Wohnprojekt Berg am Laim; n (%) 11 (15,71%) 5 (13,51%) 6 (18,18%) Sozialpsychiatrischer Dienst Perlach; n (%) 9 (12,85%) 9 (24,32%) 0 (0,00%)
Anzahl an Teilnehmern; n 70 37 33
Für die qualitativen Multiplikatoreninterviews konnten im Zeitraum vom 04.06.18 bis zum 17.07.18 von den insgesamt 17 ausgebildeten Multiplikatoren 12 (70,59%) zur Teilnahme rekrutiert werden. Somit konnte aus jeder Einrichtung, die Interventionspatienten be-treute, mindestens jeweils ein Multiplikator befragt werden. Hauptgründe für eine Nicht-Teilnahme am Interview waren Beschäftigungswechsel und Elternzeit.
Tabelle 2: Interviewteilnahme und Verteilung der Multiplikatoren auf die teilnehmenden sozialpsychiatrischen Einrich-tungen bei 17 Multiplikatoren zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promo-ting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit; AWO = Arbeiterwohlfahrt; kbo = Kliniken des Bezirks Oberbayern /
1 Standorte AWO Waldkraiburg und München wurden in dieser Darstellung zusammengefasst; 2offene Angebote und ge-schlossenes Übergangswohnheim wurden in dieser Darstellung zusammengefasst; 3die Einrichtung „Sozialpsychiatrischer Dienst Perlach“ betreute keine Interventionsteilnehmer und ließ deshalb keine Multiplikatoren ausbilden
gesamt Teilnahme am
Interview
AWO1; n (%) 3 (17,65%) 3 (25,00%)
Frauentherapiezentrum; n (%) 2 (11,76%) 2 (16,67%)
Paritätische - Sozialpsychiatrisches Zentrum München; n (%) 2 (11,76%) 1 (8,33%) Caritas - Sozialpsychiatrischer Dienst Schwabing; n (%) 3 (17,65%) 2 (16,67%)
kbo-Sozialpsychiatrisches Zentrum2; n (%) 5 (29,41%) 3 (25,00%)
Soziale Dienste Psychiatrie - Wohnprojekt Berg am Laim; n (%) 2 (11,76%) 1 (8,33%)
Sozialpsychiatrischer Dienst Perlach3; n (%) 0 (0,00%) 0 (0,00%)
Anzahl an Multiplikatoren; n 17 12
38 3.1.2. Studienverlauf
Die Patientenbefragungen fanden im Zeitraum vom 24.01.2017 bis zum 12.12.2018 statt.
16 Patienten brachen die Studie vorzeitig ab, darunter auch ein Todesfall. Zwei Patienten konnten jeweils zu einem Messzeitpunkt nicht befragt werden (Visite 1: 0; Visite 2: 1; Visite 3: 1). Hauptursachen für einen Studienabbruch waren die psychische Verfassung und der zeitliche Aufwand. Nachfolgende Tabelle zeigt, wie viele Patienten der Interventions- und Kontrollgruppe an der jeweiligen Visite teilnahmen.
Tabelle 3: Darstellung der Teilnahme der Studienteilnehmer an den Visiten 1-4 bei 70 Patienten mit psychischen Erkran-kungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Re-sidents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit
gesamt TAU HELPS
Visite 1; n (%) 70 (100%) 37 (100%) 33 (100%)
Visite 2; n (%) 59 (84,29%) 30 (81,08%) 29 (87,87%)
Visite 3; n (%) 56 (80,00%) 28 (75,68%) 28 (84,85%)
Visite 4; n (%) 54 (77,14%) 26 (70,27%) 28 (84,85%)
Die höchste Studienabbruchsrate war zwischen Visite 1 und Visite 2 zu finden. Insgesamt nahmen 52 Patienten (74,3%) an allen vier Befragungszeitpunkten teil. Bei den stattgefun-denen Befragungen wurden alle Fragebögen meist vollständig ausgefüllt. Aus diesem Grund wurde wie schon zuvor beschrieben auf eine multiple Imputation der fehlenden Da-ten verzichtet. Lediglich für die Propensity Score-Schätzung wurden die eingeschlossenen Variablen einfach imputiert, um für jeden Teilnehmer einen PS ermitteln zu können. Diese imputierten Werte wurden jedoch für die weitere Analyse nicht verwendet.
Die Multiplikatoreninterviews fanden im Zeitraum vom 06.06.2018 bis zum 01.08.2018 statt. Den Befragten wurde unbegrenzt Zeit gegeben auf die Interviewfragen zu antworten oder Ergänzungen anzubringen. Im Durchschnitt dauerten die Interviews 30 min, mit einer maximalen Dauer von 38 min und einer minimalen Dauer von 23 min. Mit Ausnahme eines Interviews, welches persönlich mit der Unterstützung eines Gebärdendolmetschers in der Einrichtung stattfand, wurden alle Befragungen telefonisch durchgeführt.
39 3.1.3. Studienkollektiv
Im Folgenden wird das Patientenkollektiv des quantitativen Studienanteils mithilfe der er-hobenen Baseline-Daten beschrieben. Zunächst werden dabei soziodemographische Daten (Abschnitt 3.1.3.1.) und klinische Merkmale (Abschnitt 3.1.3.2.) dargestellt. Anschließend (Abschnitt 3.1.3.3.) werden die Baseline-Ergebnisse des Fragebogens zur Einschätzung des eigenen Gesundheitsverhaltens aus Patientensicht beschrieben. Diese stellen kein Out-come-Kriterium dar, können jedoch als Orientierungshilfe zur Einschätzung des Interventi-onsbedarfs dienen.
3.1.3.1. Soziodemographische Daten
In das Projekt eingeschlossen werden sollten Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren mit einer diagnostizierten psychischen, insbesondere schizophrenen Erkrankung. Aufgrund von Rekrutierungsschwierigkeiten wurden jedoch die Einschlusskriterien in Bezug auf das Alter gelockert, sodass sieben Patienten älter als 65 Jahre waren und das Höchstalter 76 Jahre betrug.
Die soziodemographischen Daten der Studienteilnehmer werden in nachfolgender Tabelle dargestellt. Im Durchschnitt waren die Patienten zur Baseline-Erhebung 50 Jahre alt. Mit einem Anteil von 38,6% weiblichen Patientinnen überwog der männliche Patientenanteil.
Bezüglich Alter und Geschlecht ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Versorgungsgruppen. Lediglich ein Patient der Interventionsgruppe gab an, in einer festen Partnerschaft zusammenzuleben, sodass 98,6% des Studienkollektivs entweder le-dig, geschieden, getrennt lebend oder verwitwet waren. Bemerkenswert ist jedoch, dass signifikant mehr Patienten der Interventionsgruppe häufiger als einmal pro Monat Kontakt zur Familie pflegten und diese außerdem, wenn auch nicht signifikant, häufiger angaben, Kinder zu haben. Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Patienten einen größeren fami-liären Rückhalt erlebten. Von Kontakt zu Freunden häufiger als einmal pro Monat berich-teten 82,9% der Teilnehmer ohne signifikante Versorgungsgruppenunterschiede. Ungefähr ein Drittel der Patienten erreichten einen Schulabschluss höher als Hauptschule und circa zwei Drittel berichteten von einer Berufsausbildung jeglicher Art.
40
Tabelle 4: Deskriptive Darstellung der soziodemographischen Merkmale an der Baseline-Messung bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit; m = Mittelwert; sd = Standardabweichung des Mittelwerts / Pearson Chi2 -Test für kategoriale Variablen und t--Test für kontinuierliche Variablen; signifikante Effekte (p < 0,05) sind fett gedruckt
gesamt TAU HELPS p
Alter in Jahren; m (sd) 50,34 (11,83) 50,43 (11,73) 50,24 (12,11) 0,9471
Kinder; n (%) 20 (28,57%) 7 (18,92%) 13 (39,39%) 0,0584
weiblich; n (%) 27 (38,57%) 15 (40,54%) 12 (36,36%) 0,7201
Schulabschluss, höher als Hauptschule; n (%) 23 (32,86%) 12 (32,43%) 11 (33,33%) 0,9362 Berufsausbildung jeglicher Art; n (%) 43 (63,24%) 20 (55,56%) 23 (71,88%) 0,1636 in fester Partnerschaft zusammenlebend; n (%) 1 (1,43%) 0 (0,00%) 1 (3,03%) 0,2862 Kontakt zur Familie, häufiger als 1x pro Monat; n (%) 43 (61,43%) 18 (48,65%) 25 (75,76%) 0,0200 Kontakt zu Freunden, häufiger als 1x pro Monat; n (%) 58 (82,86%) 28 (75,68%) 30 (90,91%) 0,0914
3.1.3.2. Klinische Merkmale
Hinsichtlich der erhobenen klinischen Merkmale zu psychischen Erkrankungen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe. Ab einem durchschnittlichen Alter von 31,5 Jahren litten die Patienten an ihrer jeweiligen psy-chischen Erkrankung (Hauptdiagnose) mit einer durchschnittlichen Erkrankungsdauer von circa 19 Jahren. Die Hälfte der Teilnehmer gab mehr als eine psychiatrische Diagnose an.
Am häufigsten waren dabei schizophrene Erkrankungen (F20-F29 nach ICD-10), an denen 57,1% der Patienten als Haupt-, Zweit- oder Drittdiagnose litten. Am zweithäufigsten (37,1%) waren die Studienteilnehmer an einer affektiven Störung (F30-F39 nach ICD-10) und am dritthäufigsten (22,6%) an einer neurotischen, Belastungs- oder somatoformen Störung (F40-F48 nach ICD-10) erkrankt. Bedingt durch die psychischen Erkrankungen hat-ten die Patienhat-ten bei Studienbeginn durchschnittlich sieben bis acht frühere stationäre Kli-nikaufenthalte, 21% der Patienten auch einen Aufenthalt im vergangenen Jahr. 91,4% der Patienten gaben deshalb an, in den vergangenen 18 Monaten vor Baseline-Erhebung ver-schreibungspflichtige Medikamente aufgrund der psychischen Erkrankung eingenommen zu haben. Hinsichtlich der Einschränkung durch psychische Symptome (HoNOS-Gesamt-wert) unterschieden sich die Versorgungsgruppen kaum.
41
Tabelle 5: Deskriptive Darstellung der klinischen Merkmale in Bezug auf die psychische Gesundheit an der Baseline-Mes-sung bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „Euro-pean Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standard-versorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit; m = Mittelwert; sd = Standardabweichung des Mittelwerts / Pearson Chi2 -Test für kategoriale Variablen und t--Test für kontinuierliche Variablen; signifikante Effekte (p < 0,05) sind fett gedruckt;
HoNOS = Health of the Nation Outcome Scales; ICD-10 = International Classification of Diseases (Version 10); *Ergebnis-parameter
gesamt TAU HELPS p
Erkrankungsdauer Hauptdiagnose in Jahren; m (sd) 18,84 (13,07) 19,11 (13,14) 18,55 (13,18) 0,8588 Alter bei Ersterkrankung; m (sd) 31,50 (13,82) 31,32 (12,76) 31,70 (15,11) 0,9113 Alter erster stationärer Aufenthalt; m (sd) 31,21 (12,80) 31,25 (11,78) 31,17 (14,13) 0,9792 Anzahl an Klinikaufenthalten; m (sd) 7,54 (10,11) 8,36 (11,18) 6,63 (8,85) 0,4838 Klinikaufenthalt im vergangenen Jahr; n (%) 14 (21,21%) 5 (14,29%) 9 (29,03%) 0,1436 psychische Störung und Verhaltensstörung durch
psychotrope Substanzen (F10-F19 nach ICD-10); n (%) 9 (12,86%) 3 (8,11%) 6 (18,18%) 0,2088 schizophrene Erkrankung (F20-F29 nach ICD-10); n (%) 40 (57,14%) 21 (56,76%) 19 (57,58%) 0,9449 affektive Erkrankung (F30-F39 nach ICD-10); n (%) 26 (37,14%) 15 (40,54%) 11 (33,33%) 0,5333 neurotische, Belastungs- oder somatoforme Störung
(F40-F48 nach ICD-10); n (%) 16 (22,62%) 8 (21,62%) 8 (24,24%) 0,7944 Persönlichkeitsstörung oder Verhaltensstörung
(F60-F69 nach ICD-10); n (%) 10 (14,29%) 4 (10,81%) 6 (18,18%) 0,3790 mehrere psychische Diagnosen; n (%) 35 (50,00%) 17 (45,95%) 18 (54,55%) 0,4726 Einnahme von Medikamenten aufgrund der
psychischen Erkrankung in den vergangenen 18 Monaten; n (%)
64 (91,43%) 32 (86,49%) 32 (96,97%) 0,1178 HoNOS-Gesamtwert*; m (sd) 10,16 (6,17) 10,54 (7,27) 9,73 (4,71) 0,5882
Hinsichtlich der Parameter zur Einschätzung der physischen Gesundheit der Studienteil-nehmer ergab sich lediglich für die gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung ein signifi-kanter Versorgungsgruppenunterschied, wobei ein hoher Summenwert einer geringen in-ternen gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung entspricht. Dies gibt Hinweis darauf, dass die Teilnehmer der Interventionsgruppe durchschnittlich überzeugter waren von einer möglichen Einflussnahme eigenen Verhaltens auf ihre körperliche Gesundheit. Dies könnte in Zusammenhang mit der fehlenden Randomisierung dieser Studie und einem dadurch bedingten Selektionsbias stehen und bedeuten, dass Patienten mit größerer gesundheits-bezogener Kontrollüberzeugung sich eher für die Intervention entschieden.
In den weiteren Parametern ergaben sich keine signifikanten Versorgungsgruppenunter-schiede. Mehr als zwei Drittel der Studienteilnehmer litt zum Zeitpunkt der Baseline-Befra-gung unter einer oder mehreren physischen Erkrankungen. Im körperlichen Wohlbefinden unterscheiden sich Interventions- und Kontrollgruppe nicht signifikant. Mit einem durch-schnittlichen BMI der Studienteilnehmer von 32,63 kg/m2 konnten nach WHO-Definition
42 82,6% als übergewichtig und über die Hälfte (56,5%) als adipös eingestuft werden. Bei den Teilnehmern der Interventionsgruppe war diese Problematik nicht signifikant größer.
92,5% der Patienten hatten einen Taillenumfang, der nach WHO mit einem erhöhten Risiko für metabolische Komplikationen einhergeht. Auch die durchschnittliche WHR von 0,97 birgt laut WHO ein diesbezüglich deutlich erhöhtes Risiko. Ein Drittel der Studienteilneh-mer pflegte eine ausreichende Mundhygiene, davon mehr Patienten der Interventions-gruppe.
Ungefähr die Hälfte (55,7%) des Studienkollektivs gab zu Studienbeginn an, zu rauchen. Nur 15,7% der Studienteilnehmer gaben an, öfter als einmal pro Monat Alkohol zu trinken. Dies korreliert mit den im nachfolgenden Gliederungspunkt beschriebenen Ergebnissen zur Ein-schätzung des Gesundheitsverhaltens in Bezug auf Alkoholkonsum.
Bezüglich der Bewegung gemessen am Sportmusterindex sowie der aus dem Bewegungs-protokoll ermittelten mittleren Bewegungsdauer pro Tag bestanden keine bemerkenswer-ten Gruppenunterschiede. Nicht signifikant, jedoch wesentlich deutlicher unterschieden sich die Versorgungsgruppen im Ernährungsmusterindex. Der HDI wies jedoch darauf hin, dass keine relevanten Unterschiede in Bezug auf die Ernährungsqualität zwischen den bei-den Gruppen bestanbei-den.
43
Tabelle 6: Deskriptive Darstellung der klinischen Merkmale in Bezug auf die physische Gesundheit an der Baseline-Mes-sung bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „Euro-pean Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standard-versorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
n = absolute Häufigkeit; % = relative Häufigkeit; m = Mittelwert; sd = Standardabweichung des Mittelwerts / Pearson Chi2 -Test für kategoriale Variablen und t--Test für kontinuierliche Variablen; signifikante Effekte (p < 0,05) sind fett gedruckt;
BMI = Body-Mass-Index (kg/m2); WHR = Waist-to-Hip-Ratio; FEW-16 = Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohl-befindens; HDI = Healthy Diet Indicator; erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Taillenumfang definiert als Taillenumfang
≥ 94 cm für Männer und ≥ 80 cm für Frauen; ausreichende Mundhygiene definiert als Zähneputzen mindestens zweimal täglich für ≥ 2 min;*Ergebnisparameter
gesamt TAU HELPS p
eine oder mehrere physische Erkrankungen; n (%) 48 (68,57%) 22 (59,46%) 26 (78,79%) 0,0821
BMI*; m (sd) 32,63 (8,27) 31,11 (7,15) 34,29 (9,17) 0,1117
Übergewicht (BMI ≥ 25)*; n (%) 57 (82,61%) 28 (77,78%) 29 (87,88%) 0,2688 Adipositas (BMI ≥ 30)*; n (%) 39 (56,52%) 18 (50,00%) 21 (63,64%) 0,2537 erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Taillenumfang*; n
(%) 62 (92,54%) 32 (91,43%) 30 (93,75%) 0,7180
Gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung*; m (sd) 37,77 (8,37) 39,89 (7,87) 35,39 (8,39) 0,0237
3.1.3.3. Einschätzung des Gesundheitsverhaltens aus Patientensicht
Hinsichtlich der Einschätzung des eigenen Gesundheitsverhaltens ergaben sich zur Base-line-Erhebung keine signifikanten Gruppenunterschiede. Am problematischsten wurden von den Teilnehmern das eigene Gesundheitsverhalten in den Bereichen Ernährung und Bewegung mit durchschnittlich 6 von 10 bejahten Items eingeschätzt, wobei eine Zustim-mung auf ungünstiges Verhalten schließen lässt. Fast gar nicht problematisiert wurde ein übermäßiger Alkoholkonsum mit durchschnittlich nicht einmal einem bejahten Item. Dies korreliert mit dem zuvor beschriebenen geringen Alkoholkonsum des Studienkollektivs.
44
Tabelle 7: Deskriptive Darstellung der Einschätzung des Gesundheitsverhaltens aus Patientensicht an der Baseline-Mes-sung bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „Euro-pean Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standard-versorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
m = Mittelwert; sd = Standardabweichung des Mittelwerts / t-Test für kontinuierliche Variablen; signifikante Effekte (p < 0,05) sind fett gedruckt
gesamt TAU HELPS p
Ernährung; m (sd) 6,07 (3,08) 5,59 (3,21) 6,61 (2,89) 0,1726
Bewegung; m (sd) 6,26 (3,27) 5,68 (3,42) 6,91 (3,00) 0,1157
Rauchen; m (sd) 3,69 (3,78) 3,31 (3,86) 4,09 (3,72) 0,4015
Alkohol; m (sd) 0,28 (0,97) 0,29 (0,86) 0,27 (1,10) 0,9567
Mundhygiene; m (sd) 3,29 (3,13) 2,86 (2,98) 3,76 (3,26) 0,2357
3.1.4. Schätzung der Propensity Scores
Zur Schätzung der Propensity Scores wurden in einem primären Selektionsschritt 36 Vari-ablen ausgewählt, welche entweder einen signifikanten Zusammenhang zum Outcome (FEW-16) (p<0,10) oder zur Gruppenzugehörigkeit (d>0,10) aufwiesen. In einem zweiten Auswahlschritt wurden dann die 20 Variablen herausgearbeitet, die letztendlich in die PS-Schätzung einbezogen wurden. Dabei wurden binäre Variablen, für welche die Zellbe-setzung in der Kreuztabelle mit der Gruppenzugehörigkeit kleiner gleich 5 war, nicht ein-bezogen. Ausgeschlossen wurde außerdem die Variable zur Kategorisierung des Bewe-gungsverhaltens in ungünstig, normal und günstig, da diese auf dem eingeschlossenen Sportmusterindex beruht und demzufolge mit diesem eine hohe Korrelation aufweist.
Ebenfalls nicht eingeschlossen wurden der BMI und das Körpergewicht sowie der Hüft- und Taillenumfang, da hier ein hoher Zusammenhang mit Adipositas bzw. der WHR besteht.
Nachfolgende Tabelle fasst diese Variablenauswahl zusammen.
45
Tabelle 8: Übersicht der Variablenauswahl für die Schätzung des Propensity Scores bei 70 Patienten mit psychischen Er-krankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwi-schen 2017 und 2018
prior / post = vor / nach Anwendung der Propensity Score (PS)-Adjustierung, p = Signifikanzmaß für den Zusammenhang zwischen Variable und Zielkriterium (Differenz des FEW-16-Gesamtwertes von Visite 1 und Visite 4), d = Absolutwert der standardisierten Differenz / signifikante Zusammenhänge (p < 0,10) und Gruppenunterschiede (d > 0,10) sind fett ge-druckt / HoNOS = Health of the Nation Outcome Scales; FEW-16 = Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbe-findens; BMI = Body-Mass-Index (kg/m2); ICD-10 = International Classification of Diseases (Version 10); ausreichende Mundhygiene definiert als Zähneputzen mindestens zweimal täglich für ≥ 2 min; erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Tail-lenumfang definiert als TailTail-lenumfang ≥ 94 cm für Männer und ≥ 80 cm für Frauen; WHR = Waist-to-Hip-Ratio / PS kenn-zeichnet Variablen, welche in einem primären (p prior < 0,10 oder d prior > 0,10) bzw. sekundären (zusätzlicher Ausschluss aller binären Variablen, für welche die Zellbesetzung in der Kreuztabelle mit der Gruppenzugehörigkeit ≤ 5 war) Selekti-onsschritt für die PS-Schätzung ausgewählt wurden (fett gedruckt sind diejenigen, die letztendlich in die Schätzung ein-bezogen wurden) / 1die Variable zur Kategorisierung des Bewegungsverhaltens in ungünstig, normal und günstig wurde aufgrund hoher Korrelation mit dem Sportmusterindex nicht in der PS-Schätzung berücksichtigt / 2 die Variablen BMI, Körpergewicht, Hüft- und Taillenumfang wurden aufgrund hoher Korrelation mit den Variablen Adipositas bzw. WHR nicht in der PS-Schätzung berücksichtigt
p prior d prior PS
primär
PS
sekundär d post
Erkrankungsdauer Hauptdiagnose in Jahren 0,47 0,04 0,26
Anzahl Klinikaufenthalte im gesamten Leben bis
Baseline 0,86 0,17 PS PS 0,16
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Rauchen 0,05 0,21 PS PS 0,33
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Alkohol 0,51 0,01 0,44
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens
Alter erster stationärer Aufenthalt in Jahren 0,86 0,01 0,13
Schulabschluss höher als Hauptschule 0,47 0,02 0,06
Berufsausbildung jeglicher Art 0,03 0,34 PS PS 0,09
in fester Partnerschaft zusammenlebend 0,01 0,25 PS 0,13
Anzahl Kinder 0,09 0,63 PS 0,13
46
p prior d prior PS
primär
PS
sekundär d post Existenz einer psychischen Störung und
Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen (F10-F19 nach ICD-10)
0,73 0,30 PS 0,31
Existenz einer schizophrenen Erkrankung bzw.
Störung (F20-F29 nach ICD-10) 0,94 0,02 0,04
Existenz einer affektiven Störung (F30-F39 nach
ICD-10) 0,42 0,15 PS PS 0,09
Existenz einer neurotischen, Belastungs- oder
somatoformen Störung (F40-F48 nach ICD-10) 0,57 0,06 0,13
Existenz einer Essstörung (F50 nach ICD-10) 0,65 0,36 PS 0,24
Existenz einer Persönlichkeitsstörung oder
Verhaltensstörung (F60-F69 nach ICD-10) 0,07 0,21 PS 0,14
Existenz einer Verhaltens- oder emotionalen Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98 nach ICD-10)
0,38 0,02 0,05
mehrere psychische Diagnosen 0,94 0,17 PS PS 0,26
Klinikaufenthalt im vergangenen Jahr 0,48 0,36 PS 0,50
Einnahme von Medikamenten aufgrund der psychischen Erkrankung in den vergangenen 18 Monaten
erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Taillenumfang 0,73 0,09 0,25
Geschlecht 0,69 0,09 0,28
Die Balance-Tests zeigten, dass auch nach der Propensity Score-Adjustierung keine Balance zwischen den Gruppen erzielt werden konnte. Ein Großteil der Variablen (N = 37) wies nach der Adjustierung eine absolute standardisierte Differenz größer 0,1 auf. Dies deutete auf zahlreiche Gruppenunterschiede hin.
47 In der „Common Support Region“ befanden sich 45 Studienteilnehmer (64,3 %). Dies ent-sprach 19 Teilnehmern der Kontrollgruppe (51,4 %) und 26 Teilnehmern der Interventions-gruppe (78,8 %).
Die drei Variablen Berufsausbildung, Kontakt zur Familie und gesundheitsbezogene Kon-trollüberzeugung hatten auch im multivariaten logistischen Regressionsmodell der PS-Schätzung einen signifikanten Einfluss auf die Gruppenzugehörigkeit. Patienten mit ei-ner Berufsausbildung hatten gegenüber Teilnehmern ohne Berufsausbildung eine 16-mal so hohe Chance in der Interventionsgruppe zu sein (OR = 16,066). Bei Kontakt zur Familie häufiger als einmal pro Monat sank dagegen die Chance in der HELPS-Gruppe zu sein (OR = 0,110). Auch mit jedem Punkt im Gesamtwert der gesundheitsbezogenen Kontroll-überzeugung, also mit einer abnehmenden internen KontrollKontroll-überzeugung, sank die Chance, in der Interventionsgruppe zu sein (OR = 0,859).
48
Tabelle 9: Darstellung der Odds-Ratio-Schätzer für die Schätzung der Propensity Scores bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
OR = Odds-Ratio-Schätzer; 95 %-CI = 95 %-Konfidenzintervall des Odds-Ratio-Schätzers / ICD-10 = International Classifi-cation of Diseases (Version 10); ausreichende Mundhygiene definiert als Zähneputzen mindestens zweimal täglich für
≥ 2 min; BMI = Body-Mass-Index (kg/m2); HoNOS = Health of the Nation Outcome Scales; FEW-16 = Fragebogen zur Er-fassung des körperlichen Wohlbefindens; WHR = Waist-to-Hip-Ratio / Die Propensity Scores (PS) wurden basierend auf 20 Variablen berechnet
OR 95% - CI
Berufsausbildung jeglicher Art (ja vs. nein) 16,066 1,301 - 198,427
Existenz einer affektiven Störung (F30-F39 nach ICD-10) (ja vs. nein) 0,229 0,029 - 1,794
mehrere psychische Diagnosen (ja vs. nein) 1,462 0,227 - 9,423
physische Erkrankung (ja vs. nein) 14,744 0,873 - 248,948
Kontakt zur Familie häufiger als 1x / Monat (ja vs. nein) 0,110 0,013 - 0,923
Raucher (ja vs. nein) 20,269 0,267 - 1538,789
ausreichende Mundhygiene (ja vs. nein) 35,424 0,811 - 1547,104
Adipositas (BMI ≥ 30) (ja vs. nein) 0,171 0,015 - 2,012
Kinder (ja vs. nein) 1,474 0,108 - 20,129
Anzahl Klinikaufenthalte im gesamten Leben bis Baseline in Jahren [+1] 1,009 0,914 - 1,114
Sportmusterindex [+1] 1,008 0,811 - 1,251
HoNOS-Gesamtwert [+1] 0,841 0,647 - 1,095
Gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung (Gesamtwert) [+1] 0,859 0,739 - 0,998
FEW-16-Gesamtwert [+1] 0,829 0,261 - 2,637
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Ernährung [+1] 1,048 0,640 - 1,717 Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Bewegung [+1] 1,420 0,738 - 2,729
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Rauchen [+1] 1,429 0,816 - 2,504
Einschätzung des Gesundheitsverhaltens Mundhygiene [+1] 1,200 0,896 - 1,606
Ernährungsmusterindex [+1] 0,862 0,738 - 1,007
WHR [+1] 109,004 0,001 - 16180927,258
3.2. Quantitative Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die quantitativen Hauptauswertungen bezüglich der Interventi-onsauswirkungen dargestellt. Dazu werden die Zielgrößen im Zeitverlauf getrennt für beide Versorgungsgruppen zunächst beschrieben (Abschnitt 3.2.1.) und anschließend analysiert (Abschnitt 3.2.2.). Im Abschnitt 3.2.3. wird auf die durchgeführten Zusatzanalysen einge-gangen.
49 3.2.1. Deskription der Zielgrößen
Im Folgenden wird die Entwicklung der Zielgrößen im Studienverlauf dargestellt. Dazu wer-den unadjustierte Mittelwerte und Standardabweichungen für kontinuierliche Variablen beziehungsweise absolute und relative Häufigkeiten für kategoriale Variablen für alle vier Messzeitpunkte und getrennt für beide Versorgungsgruppen in den folgenden Tabellen zu-sammengefasst.
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Tabelle 10: Deskriptive Darstellung des primären (FEW-16) und verschiedener kontinuierlicher, sekundärer Ergebnispa-rameter bei 70 Patienten mit psychischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „Eu-ropean Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Stan-dardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018
N = Anzahl an Beobachtungen, m = Mittelwert, sd = Standardabweichung des Mittelwertes / FEW-16 = Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens; HoNOS = Health of the Nation Outcome Scales; BMI = Body-Mass-Index (kg/m2); WHR = Waist-to-Hip-Ratio; HDI = Healthy Diet Indicator
gesamt TAU HELPS
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Tabelle 11: Deskriptive Darstellung verschiedener kategorialer, sekundärer Ergebnisparameter bei 70 Patienten mit psy-chischen Erkrankungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Residents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum Mün-chen zwisMün-chen 2017 und 2018
N = Anzahl an Beobachtungen, n = absolute Häufigkeit, % = relative Häufigkeit / BMI = Body-Mass-Index (kg/m2); ausrei-chende Mundhygiene definiert als Zähneputzen mindestens zweimal täglich für ≥ 2 min; erhöhtes Gesundheitsrisiko durch Taillenumfang definiert als Taillenumfang ≥ 94 cm für Männer und ≥ 80 cm für Frauen
gesamt TAU HELPS
3.2.2. Analyse der Zielgrößen
In diesem Abschnitt werden die PS-adjustierten Ergebnisse der mixed-effects Regressions-modelle dargestellt.
Für jede Zielgröße wurden dabei folgende, PS-adjustierte Parameter bestimmt:
1. Differenz der Gruppenmittelwerte der jeweiligen abhängigen Variable zu Visite 1 (HELPS)
52 2. Veränderung der abhängigen Variable über die vier Messzeitpunkte in der
52 2. Veränderung der abhängigen Variable über die vier Messzeitpunkte in der