• Keine Ergebnisse gefunden

3. Ergebnisse

3.3. Qualitative Ergebnisse

3.3.2. Interventionsauswirkungen aus Sicht der Multiplikatoren

Wie im vorausgehenden Abschnitt beschrieben, war mithilfe quantitativer Methoden keine Wirksamkeit der Intervention messbar. Dennoch zeigte sich als Ergebnis der inhaltsanaly-tischen Auswertungen der Multiplikatoreninterviews, dass eine Mehrzahl der Befragten die HELPS-Intervention befürwortet und positive Interventionsauswirkungen bei ihren Patien-ten beobachPatien-ten konnte. Effekte wurden dabei von den Multiplikatoren sehr individuell und auf verschiedenen Ebenen von der reinen Bereitschaft, sich mit der Thematik auseinander-zusetzen bis hin zur Verhaltensänderung definiert. Die beschriebenen positiven Auswirkun-gen der Intervention spiegelten sich nicht nur im Gesundheitsverhalten und -bewusstsein der Patienten wieder, sondern sind auch in anderen Lebensbereichen sowie deren Zufrie-denheit mit der Intervention zu finden. Diese werden von folgender Abbildung zusammen-gefasst und anschließend im Detail dargestellt.

106

Abbildung 3: Positive Interventionsauswirkungen aus Sicht der Multiplikatoren bei 70 Patienten mit psychischen Erkran-kungen zum Vergleich einer Intervention im Rahmen des Projektes „European Network for Promoting the Health of Re-sidents in Psychiatric and Social Care Institutions“ (HELPS) mit der Standardversorgung (TAU) im Raum München zwischen 2017 und 2018

Negative Effekte der Intervention wurden auf direkte Nachfrage hin meist verneint. In manchen Fällen konnten die Multiplikatoren jedoch negative Effekte bei ihren Patienten feststellen. Diese waren nach Ansicht der Multiplikatoren bedingt durch zwei Ursachen, welche in Misserfolgen und der belastenden Auseinandersetzung mit eigenem Fehlverhal-ten gelegen hätFehlverhal-ten.

Nach Aussagen mancher Multiplikatoren hatten die Patienten mit Misserfolgserlebnissen zu kämpfen. Wie Erfolgserlebnisse das Selbstwertgefühl der Patienten steigern konnten, so hätte dieses Gefühl des Scheiterns einen gegenteiligen Effekt gehabt. Davon wurde jedoch wesentlich seltener als von Erfolgen berichtet.

Positive Effekte auf das Gesundheitsverhalten

Steigerung der Bereitschaft

Problem- und Gesundheitsbewusstsein

konkrete Handlungen

Positive Effekte über das Gesundheitsverhalten hinausgehend

Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit

Tagesstruktur

Steigerung des Selbstwertgefühls

Austausch und sozialer Benefit

Psychische Effekte

Zufriedenheit der Patienten mit der Intervention

107

„Ja, dass es frustrierend ist für manche, die es halt einfach nicht schaffen da dran zu blei-ben, weil es ihnen einfach egal ist und sie auch nicht die Energie hablei-ben, das umzusetzen, weil sie mit ihren psychischen oder mit anderen Problemen so beschäftigt sind, dass sie dafür nicht die Energie haben.“ [HELPS_M10_w:91]

„Also ich glaube, das hat ihn unter Druck gesetzt und auch damit konnte er schlecht um-gehen, zu sehen, dass er da jetzt eigentlich kein Erfolgserlebnis hatte.“

[HELPS_M04_w:63]

Ein anderer negativer Effekt der Intervention sei, dass die Auseinandersetzung mit eigenem gesundheitsschädlichem Verhalten und eine empfundene Erwartungshaltung von Seiten des Multiplikators oder Betreuungspersonals die Patienten belastet habe.

„Aber, mei, ich denke, bei der ist das einzige was passiert ist, dass sie halt echt in Not ge-kommen ist durch dieses Bewusstsein. […] was denkt sie, was erwartet wird. Und was ist sie in der Lage und bereit, davon umzusetzen“ [HELPS_M09_w:65]

„Also das dann Krisen ausgelöst werden können nach der Intervention. Also, dass jemand sich zu stark damit beschäftigt und dann in ein Loch fällt.“ [HELPS_M01_w:82]

So wurden Patienten beschrieben, welche nicht aus Eigenmotivation gehandelt, sondern lediglich eine Erfüllung der ihnen, nach ihrem Empfinden, entgegengebrachten Ansprüche angestrebt hätten.

„Na ja, also es hat ein Training stattgefunden dahin, was man gerne von ihr hören möchte (lacht).“ [HELPS_M09_w:63]

„In gewisser Weise natürlich auch tut, um es mir recht zu machen.“ [HELPS_M05_w:85]

Im Falle einer Patientin habe der Multiplikator einen übermäßigen Gewichtsverlust im In-terventionszeitraum beobachtet, konnte dies jedoch nicht sicher auf die Intervention oder einen Klinikaufenthalt zurückführen.

108 Neben diesen beobachteten negativen Interventionsauswirkungen wurde auch von gänz-lich ausbleibenden Effekten, welche weder als positiv noch als negativ gewertet wurden, berichtet. In diesem Zusammenhang wurde aber auch deutlich angemerkt, dass „eine wirk-lich radikale Veränderung [...] [von den Klienten] nicht wirkwirk-lich gewünscht“77 gewesen, son-dern „eher diese kleinen Veränderungen“77 angestrebt worden seien.

3.3.2.1. Positive Effekte auf das Gesundheitsverhalten

In den folgenden Gliederungspunkten werden die von den Multiplikatoren in den Inter-views angeführten positiven Auswirkungen der Intervention auf das Gesundheitsverhalten der Patienten dargestellt. Die Multiplikatoren kamen dabei auf eine große Bandbreite an individuellen Entwicklungen zu sprechen, die sich grob in drei Phasen untergliedern lassen.

So habe die Intervention zunächst einmal, sofern noch nicht vorhanden, die Bereitschaft der Patienten gefördert, sich mit den Themen des Gesundheitskurses auseinanderzusetzen und diese zu bearbeiten. In einem weiteren Schritt hätte das Problem- und Gesundheits-bewusstsein einiger Patienten geweckt werden können, was wiederum bei manchen Pati-enten in einer Veränderung gesundheitsrelevanten Verhaltens gegipfelt sei.

Steigerung der Bereitschaft

Als Grundlage zur Verbesserung des Gesundheitsverhaltens konnte die Intervention nach Aussagen der Multiplikatoren bei manchen Patienten, die zunächst „sehr, sehr verschlos-sen“78 und mit „Vorbehalte[n]“78 in die Intervention gekommen seien, eine Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den relevanten Themen schaffen. Die Schilderung eines Fall-beispiels stellt diesen Verlauf besonders gut dar. So sei es einer Patientin, die zu Beginn der Intervention eine Auseinandersetzung mit ihrem Ernährungsverhalten aufgrund negativer Erfahrungen strikt ablehnte, gelungen, sich im Verlauf des Gesundheitskurses freiwillig die-sem für sie schwierigen Thema zu stellen.

„Ja, also gerade bei (einer Klientin), die am Anfang das Ernährungsthema absolut verneint hat, die uns quasi schon gesagt hat ‚also, nee, wenn Ernährung hier stattfindet, geht sie‘.

Sich selber zu diesem Thema aber dann... Selbst den Wunsch hatte, sich zu beschäftigen, das war ein wahnsinniger Effekt. Das hätte ich nie gedacht.“ [HELPS_M12_w:85]

109 Problem- und Gesundheitsbewusstsein

Angesprochen auf das Problembewusstsein und Gesundheitsverhalten der Patienten im Verlauf, berichteten viele Multiplikatoren von einem gesteigerten Bewusstsein der Inter-ventionsteilnehmer durch den Gesundheitskurs. Dabei bezogen sie sich zum einen auf ein wachsendes Problembewusstsein bezüglich eigener, bestehender gesundheitsschädlicher Verhaltensweisen, zum anderen aber auch auf ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein im Hinblick auf eine gesundheitsfördernde Lebensweise zum Teil schon in Bezug auf kon-krete Verhaltensaspekte.

In den folgenden Ausführungen werden deshalb die Aussagen der Multiplikatoren einge-teilt in gesteigertes Problem- bzw. Gesundheitsbewusstsein, auch wenn im Gespräch im-mer nach dem Problembewusstsein gefragt wurde und somit eine diesbezügliche Unter-teilung von Seiten der Multiplikatoren nicht vorgenommen wurde.

Gesteigertes Problembewusstsein

In den Interviews kamen einige Multiplikatoren auf ein gesteigertes oder meist erst ge-wecktes Problembewusstsein der Teilnehmer im Interventionsverlauf zu sprechen.

Einem Teil der beschriebenen Patienten sei laut Einschätzungen der Multiplikatoren ihr ge-sundheitsschädliches Verhalten gar nicht bewusst gewesen und diesen erst durch die The-matisierung und Information im Rahmen der Intervention deutlich geworden. Durch „die-ses Bewusstsein […] ist ja der erste Keim schon gesetzt“79 und nach Beurteilung der Multi-plikatoren eine wichtige Grundlage in Richtung Verhaltensänderung gelegt.

„Also davor, also der eine hat halt nur Süßgetränke getrunken davor und gar kein Wasser und hat auch überhaupt nicht gesehen, dass das ein Problem ist. […] Also auf jeden Fall hat er jetzt Bewusstsein darüber, wo er seine Grenze des Gesunden überschreitet. […] Sie haben mehr Bewusstsein dafür, was gesund wäre, setzen das auch teilweise um, schaffen es natürlich nicht immer.“ [HELPS_M10_w:65]

Der andere Teil der Patienten habe ein zuvor bestehendes Problembewusstsein, welches durch die Gespräche aufgearbeitet und verstärkt werden konnte, übergangen.

110

„Und das sind ja alles Gründe, die er im Grunde vorher schon weiß, die er zubuddelt oder die man dann halt noch mal hoch geholt hat und die ihm dann einfach bewusster sind.“

[HELPS_M05_w:85]

Gesteigertes Gesundheitsbewusstsein

Die Multiplikatoren kamen außerdem oft auf ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein ih-rer Patienten zu sprechen. Im Unterschied zum zuvor beschriebenen Problembewusstsein, geht dies über eine reine Analyse und Erkenntnis eigener problematischer Verhaltenswei-sen hinaus. So sei eine gesundheitsbewusste Lebensweise stärker in das Bewusstsein der Interventionsteilnehmer gerückt und auch die Eigenverantwortlichkeit („dass er es auch ein bisschen in der Hand hat“80) sowie konkrete Umsetzungsmöglichkeiten seien diesen klargeworden.

„Er hat ein besseres Bewusstsein noch mal dafür entwickelt, dass er selbstverantwortlich was tun müsste, muss. Na ja und er ist da ein bisschen aufmerksamer geworden, also guckt da mehr drauf. Das heißt noch nicht, dass er immer handelt, aber er merkt es zumin-dest.“ [HELPS_M05_w:67]

Im Vordergrund der Erzählungen der Multiplikatoren standen dabei die beiden Bereiche

„Bewegung“ und „Ernährung“. Die Patienten wüssten nun genauer, worauf sie bei einer gesundheitsbewussten Ernährung zu achten haben und wie sie mehr Bewegung in ihren Tagesablauf integrieren können. Dabei sei es nicht um „eine gravierende Verhaltensände-rung“81 gegangen, sondern um „eine gewisse Überführung [des Bewusstseins] in den All-tag“81, wie beispielsweise „das Stückchen jetzt nicht mit dem Bus zu fahren, sondern viel-leicht doch zu Fuß zu gehen“81.

„Also es war schon das Bewusstsein da, ich beschäftige mich mit den Themen und ich möchte auch was erreichen, also ein Ziel haben. Das haben sie in ihrem eigenen Tempo umgesetzt und dieses Bewusstsein, wo kann ich überall Bewegung in meinem Alltag ein-bauen, das wurde immer größer.“ [HELPS_M12_w:63]

111 Handlungen

Auf der Basis eines wachsenden Problem- und Gesundheitsbewusstseins und steigender Motivation zur Verhaltensänderung konnten die Multiplikatoren zahlreiche Fallbeispiele nennen, wie die Patienten versuchten, nach diesen neuen Erkenntnissen zu handeln und ihr Gesundheitsverhalten zu verbessern. Besonders die Bereiche Ernährung und Bewegung standen dabei im Fokus, jedoch auch zu Mundhygiene und Rauchen wurden Fallbeispiele von den Multiplikatoren erwähnt. Eine Reduzierung eines möglicherweise erhöhten Alko-holkonsums wurde in keinem Interview angesprochen.

Ernährung und Bewegung

Die beiden Aspekte Ernährung und Bewegung wurden häufig mit dem Ziel einer Gewichts-reduktion gemeinsam thematisiert und werden deshalb auch in den folgenden Auswertun-gen nicht voneinander getrennt.

Ausmaß der Verhaltensänderung

Die Multiplikatoren schilderten eine große Bandbreite an Verhaltensänderungen in Bezug auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten ihrer Patienten, die von sehr kleinen, indivi-duellen Schritten bis hin zu, wenn auch selten, messbaren Effekten reicht.

Von solch messbaren Effekten wurde nur in einigen wenigen Fällen von den Multiplikato-ren berichtet, wobei es sich um eine Gewichtsreduktion oder -stabilisierung und eine Sen-kung der Blutzuckerwerte handelte.

„Also der hat auch diesen Schwerpunkt eben Ernährung gehabt, war jetzt ganz positiv. Im Kurs hat er vier Kilo abgenommen, dann war noch mal, krankheitsbedingt, war noch mal Anstieg. Aber mittlerweile hat er durchaus […] 14 Kilo abgenommen. Also das ist wirklich sehr positiv... Passt jetzt auch ein bisschen auf bei den Lebensmitteln und einfach auch, was ganz wichtig ist, er hat viel mehr Bewegung in sein Leben eingebaut.“

[HELPS_M03_w:59]

112

„Eine hat zehn Kilo abgenommen mittlerweile und kocht frisch am Abend, isst überwie-gend Gemüse und Obst und keine Süßigkeiten mehr.“ [HELPS_M10_w:61]

„Also die Zuckerwerte haben sich verringert. Also bei einem Klienten, den hatte ich da in-tensiv geschult und der war auch stolz, dass er seine Zuckerwerte da einfach senken konnte.“ [HELPS_M11_w:37]

Meist jedoch hätte die Verhaltensänderung „in wirklich kleinen Schritten“82 stattgefunden, sodass die Patienten nun „einen Minischritt weiter“ 83 seien.

Im Folgenden wird beispielhaft aufgezeigt, welche derartigen, erfolgreich umgesetzten Verhaltensumstellungen die Multiplikatoren beschrieben.

Ernährungsverhalten

Als Grundlage hin zu einer gesünderen Ernährung erlangten laut eines Multiplikators die Patienten durch die Intervention einen Wissenszuwachs in Bezug auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung, vor allem hinsichtlich des Nährwertes verschiedener Lebensmit-tel.

Viel häufiger als eine solche abstrakte Wissenserweiterung, auf welche der Interventions-ansatz gar nicht abzielt, können jedoch in den Interviews konkrete Beispiele gefunden werden, wie die Patienten ihr persönliches Ziel einer gesünderen Ernährung umsetzten.

Bei Getränken wurde laut Multiplikatoren der Konsum zuckerhaltiger Softdrinks sowie übermäßiger Kaffeekonsum reduziert und auf Wasser umgestellt.

„Und bei dem anderen Klienten, da war schon auch so ein gewisser Stolz und ‚ich trinke jetzt keine gesüßten Limonaden mehr‘ und ‚ich habe für mich auch Wasser entdeckt‘ und

‚ich merke, ich trinke total gerne Leitungswasser‘ […].“ [HELPS_M09_w:77]

„Also der eine Bewohner eben, der da mitgemacht hat, der trinkt nicht mehr drei Liter Cola-Mix. Mittlerweile trinkt er nur noch eineinhalb Liter. […] Ich kann Ihnen jetzt sagen, dass er nur noch am Wochenende drei Liter trinkt und unter der Woche nur noch einein-halb Liter.“ [HELPS_M10_w:59]

113 In Bezug auf die Ernährung hätten sich manche Patienten zunächst erfolgreich darauf kon-zentriert, Mahlzeiten, insbesondere ein Frühstück in regelmäßigen Abständen einzuneh-men und so ein übermäßiges Hungergefühl im Tagesverlauf zu reduzieren.

„Zum Beispiel frühstücken, der hat immer nicht gefrühstückt. Wo wir dann darüber ge-sprochen haben, dass das dann schwierig ist, weil er dann später so viel Hunger kriegt. Der isst jetzt immer Banane in der Früh.“ [HELPS_M07_w:63]

Andere Patienten hätten schon mit einer Ernährungsumstellung begonnen und dazu aus-probiert, welche gesunden, bisher nicht oder nicht mehr konsumierten Lebensmittel ihnen zusagen und zukünftig in ihren Speiseplan integriert werden könnten. In diesem Zusam-menhang wurde berichtet, dass dabei „verschiedene Experimente mit Salaten gemacht“84 und „wieder mehr auf den Lust-Aspekt beim Essen […] [ge]achte[t]“84 worden sei.

„Ja, eben so Sachen ‚ich probier jetzt mal Haferflocken aus‘, oder der Klient, der Diabetes hat, hat sich ein Vollkornbrot gekauft und das mal probiert.“ [HELPS_M07_w:63]

Menge und Art der Nahrungsmittel werde von den Patienten nun bedachter „hin zu mehr gesunden oder bekömmlichen Lebensmitteln in einer normalen Menge“85 gewählt.

„Also das Frustessen ist weg. Also, nicht weg, das ist übertrieben, aber hat abgenommen.“

[HELPS_M08_w:73]

Die Multiplikatoren kamen außerdem darauf zu sprechen, dass weitere Interventionsteil-nehmer schon ganz konkrete Ziele, wie beispielsweise einen Tag in der Woche auf Fleisch und einen Tag auf Süßigkeiten zu verzichten oder bewusst regelmäßig ein bestimmtes ge-sundes Gericht in die Ernährung zu integrieren, umsetzen würden. So „kochen [die Klien-ten] jetzt auch am Abend Erbsensuppe zum Beispiel, was es früher nie gegeben hätte“86. Auch wenn dies laut Aussage der Multiplikatoren noch kein „optimales Ernährungs- und Bewegungsverhalten“87 sei, so zeigt es doch eine individuell angemessene und realistische Verhaltensänderung als Reaktion auf ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein.

114

„Was positiv ist, ist dass sie das oft positiv erwähnen, so ‚da hat die Gesundheitsgruppe doch was gebracht‘, wenn sie wieder anstatt Pommes wirklich Eintropf oder Suppe oder Salat machen. Das ist ihnen ja auch klar und dann erwähnen sie das auch immer so, dass sie sich extra etwas Gesundes gemacht haben für die Gruppe. Dass sich das halt schon ver-ankert. Und dass, ja.“ [HELPS_M10_w:89]

Bewegungsverhalten

Auch in Bezug auf das Bewegungsverhalten der Patienten konnten die Multiplikatoren von positiven Beispielen eines Bewegungszuwachses berichten. Wiederum handelte es sich da-bei um eher kleine Effekte. Hierda-bei sei nicht die sportliche Leistung, sondern die Integration von mehr Bewegung in den Alltag im Vordergrund gestanden, beispielsweise durch das Be-vorzugen von Treppen oder die Verringerung von Busfahrten.

„Eine Klientin hat dann zum Beispiel angefangen Treppen zu steigen statt Aufzug zu fah-ren. Dass sie mindestens einmal am Tag durch die Stadt läuft. Oder dass sie eine Station früher aus dem Bus ausgestiegen sind.“ [HELPS_M06_w:72]

Auch von darüberhinausgehenden sportlichen Aktivitäten, wie Fahrradfahren, Schwim-men, Spaziergängen oder dem Besuch eines Fitnesscenters bzw. Reha-Sportzentrums wurde berichtet.

„Und der Wunsch, auch was zu verändern, das heißt, mich wirklich an diesem Reha-Sport zu beteiligen, das war für (eine Klientin) oder wie für (eine Klientin), die eben mehr schwimmen gehen wollte ganz, ganz wichtig. Und das Schöne war, die haben beide das Ziel erreicht. Also das war richtig schön.“ [HELPS_M12_w:63]

„Und geht täglich eine Runde spazieren.“ [HELPS_M10_w:63]

„Ja. Und der ist einmal in der Woche Fahrrad gefahren.“ [HELPS_M10_w:59]

115 Mundhygiene

Auch positive Effekte hinsichtlich einer verbesserten Mundhygiene wurden von den Multi-plikatoren angesprochen. Dabei ging es vor allem um regelmäßiges Zähneputzen, welches von den Patienten angestrebt und oftmals auch erreicht worden sei. Die Multiplikatoren sprachen von „deutliche[n] Fortschritte[n]“88, sodass „Klienten, die sich gar nicht die Zähne geputzt haben“88, sich nun bemühen würden, dies regelmäßig umzusetzen.

„Also wir hatten, also eine Klientin, die war sehr zielorientiert. Die hat es dann wirklich ge-schafft, während dem Gesundheitskurs zu erarbeiten, dass sie morgens und abends die Zähne putzt von ‚Ich putze mir die Zähne gelegentlich einmal die Woche‘ Und bei den an-deren… Also es hat schon dazu geführt, dass sie öfters die Zähne geputzt haben und viel-leicht auch öfters dran gedacht haben ‚Hey, ich muss meine Zähne jetzt putzen‘. Aber so richtig hm, so richtig zielorientiert wie diese eine Klientin, waren die anderen eher nicht.“

[HELPS_M06_w:58]

In einem Interview wurde in diesem Zusammenhang darüber hinaus von einer Patientin berichtet, die nun Zahnseide und Mundwasser benutze und von einem neu erlebten

„Frischegefühl“89 profitiere.

Rauchen

Nur wenige Multiplikatoren berichteten von einer angestrebten Raucherentwöhnung oder Reduzierung des Zigarettenkonsums und lediglich ein Multiplikator konnte von einem Er-folg diesbezüglich berichten. Der Patient habe im Zeitraum der Intervention erEr-folgreich aufgehört zu rauchen, wobei dies laut Einschätzung des Multiplikators nicht im Zusammen-hang mit dem Gesundheitskurs stand, sondern ein unabhängiger Entschluss des Patienten gewesen sei, der zufällig in den Interventionszeitraum gefallen sei und vom Multiplikator als „Side Effect“90 bezeichnet wurde.

116 3.3.2.2. Positive Effekte über das Gesundheitsverhalten hinausgehend

Auch positive Effekte über eine reine Verbesserung des Gesundheitsverhaltens hinaus konnten die Multiplikatoren bei ihren Patienten beobachten. Allgemein bewerteten sie als positiv „zu sehen, dass Veränderungen stattfinden“91 und die Tatsache, dass es den Inter-ventionsteilnehmern „wirklich viel gebracht“92 hätte. Diese positiven Interventionsauswir-kungen werden im Folgenden ausgeführt.

Förderung der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit

Die Intervention förderte laut Multiplikatoren außerdem die Selbständigkeit und Eigenver-antwortlichkeit der Patienten. Durch im Kurs erarbeitete Problemlösestrategien und -ansätze hätten die Teilnehmer Selbstvertrauen erlangt und seien so in ihrer Selbst-wirksamkeitserwartung und Handlungsfähigkeit gestärkt worden, sodass „die Art, darüber nachzudenken und die Probleme, die damit im Zusammenhang stehen, zu lösen […] sich verändert“93 hätte.

„Und die ja oft kommen und sagen, sie können nichts, sie haben alles falsch gemacht.

Was dann natürlich dann, wenn man sieht, das ist super und das ist super und da sind sie einfach, da können sie durchhalten. Also es geht ja uns auch oft immer wieder ein biss-chen Selbständigkeit, mehr auf sich zu schauen.“ [HELPS_M01_w:91]

Tagesstruktur

Auf Nachfrage nach Veränderungen in der Tagesstruktur der Patienten hin, konnten die Multiplikatoren vereinzelt von kleinen, aber positiven Veränderungen berichten. Insbeson-dere wurde dabei das Ziel, sich regelmäßig die Zähne zu putzen und damit verbundenes pünktliches Aufstehen erwähnt.

„Sie hatte dann sozusagen, war präsenter, ja? Und man hatte das Gefühl, ah, jetzt ist sie aufgestanden, […] Ja, hat sich immer einen Wecker gestellt und das war schwieriger, sie manchmal aus dem Bett zu kriegen. Und so hatte sie ein Ziel, wollte das ja unbedingt mit-teilen, dass sie Zähneputzen geschafft hat.“ [HELPS_M01_w:97]

117 Steigerung des Selbstwertgefühls durch Erfolgserlebnisse

Durch Erfolgserlebnisse beim Erreichen der persönlich gesetzten Ziele und damit verbun-denem Stolz der Teilnehmer wurde von den Multiplikatoren eine Steigerung des Selbst-wertgefühls beschrieben. Dieser Stolz habe sich durch regelmäßiges Berichten von erfolg-reich umgesetzten Zielen gegenüber Einrichtungsmitarbeitern geäußert. Durch solch

Durch Erfolgserlebnisse beim Erreichen der persönlich gesetzten Ziele und damit verbun-denem Stolz der Teilnehmer wurde von den Multiplikatoren eine Steigerung des Selbst-wertgefühls beschrieben. Dieser Stolz habe sich durch regelmäßiges Berichten von erfolg-reich umgesetzten Zielen gegenüber Einrichtungsmitarbeitern geäußert. Durch solch