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4. Diskussion

4.2. Vergleich mit anderen Projekten bezüglich der Wirksamkeit

Vorliegende Ergebnisse konnten für die erhobenen Zielgrößen keine Wirksamkeit des HELPS-Projektes aufzeigen. Es existiert eine große Bandbreite an Lebensstilinterventionen zur Verbesserung der körperlichen Gesundheit psychisch kranker Menschen, ebenso wie an zur Wirksamkeitsanalyse erhobenen Outcome-Kriterien [48]. Diese Vielfalt an

123 Einflussfaktoren erschwert einen direkten Vergleich der Wirksamkeit anderer Projekte un-tereinander sowie mit dem HELPS-Projekt. Aus den Ergebnissen eines systematischen Re-views mit 42 Studien folgerten die Autoren jedoch die grundsätzliche Wirksamkeit von Le-bensstilinterventionen bei psychisch kranken Menschen [44]. Die Interventionen beruhten auf psychosozialer Edukation und Instruktionen zur Verhaltensänderung, wie beispiels-weise Diätberatung oder Sportprogrammen, meist in Kombination [44]. Neben Rau-cherentwöhnung und einer Reduktion des Alkoholkonsums zielten diese Interventionen vor allem auf Ernährung und körperliche Bewegung mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion ab, wobei von signifikanten Verbesserungen in Gewicht und BMI berichtet wurde [44]. Ein weiterer, 108 Studien umfassender Review untersuchte die Evidenz von Interventionen, die auf den körperlichen Gesundheitszustand sowie auf gesundheitsbezogenes Risikover-halten bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen abzielten [92]. Bei den ein-geschlossenen Studien handelte es sich vor allem um Lebensstil- und pharmakologische terventionen. Lebensstilinterventionen zur Gewichtsreduktion und pharmakologische In-terventionen zur Gewichtsreduktion und Verminderung des Tabakkonsums wurden als ef-fektiv bewertet, wobei die Autoren für andere Interventionen zu dem Ergebnis einer eher geringen Evidenz kamen [92]. Es besteht bei grundsätzlich erfolgsversprechenden Ergeb-nissen weiterer Forschungsbedarf zur Wirksamkeit von Lebensstilinterventionen bei psy-chisch erkrankten Menschen. Durch verschiedene Faktoren, auf welche im Folgenden nä-her eingegangen wird, werden ein solcnä-her Wirksamkeitsnachweis sowie die Vergleichbar-keit derartiger Projekte erschwert.

Abgesehen von pharmakologischen Interventionen verfolgen viele dieser Interventionen einen edukativen Ansatz beziehungsweise stellen klare Verhaltensvorgaben, wie Diätpläne oder Sportprogramme an die Patienten. Dies unterschiedet sich vom Ansatz des HELPS-Pro-jektes, der darauf abzielt, dass mithilfe der zentralen Methode der Motivierenden Ge-sprächsführung die Patienten befähigt werden, sich aus eigenem Antrieb solche Ziele und Handlungspläne selbst zu erarbeiten. Die Anwendung dieser Methode als Ursache für die fehlende Wirksamkeit der Intervention erscheint jedoch unwahrscheinlich, da diese theo-retisch fundiert und durch Forschungsergebnisse anerkannt ist. So zeigte ein systemati-scher Review mit Meta-Analyse statistisch signifikante, positive Auswirkungen von Inter-ventionen unter Einsatz der Methode der Motivierenden Gesprächsführung in verschiede-nen medizinischen Versorgungssettings auf eine Reihe von Zielgrößen, darunter Karies,

124 Körpergewicht, Alkoholkonsum, Rauchen, körperliche Inaktivität und Lebensqualität im Vergleich zu Kontrollgruppen [83]. Kein statistisch signifikanter Effekt zeigte sich dagegen für gesunde Ernährung [83]. Ebenso berichten einige weitere Reviews von positiven Effek-ten der Motivierenden Gesprächsführung in Bezug auf gesundheitsbezogene Zielgrößen und Veränderungen in diesbezüglich relevanten Verhaltensweisen [14, 67, 84, 85, 113]. Es existieren jedoch kaum Studien zur Wirksamkeit der Motivierenden Gesprächsführung be-züglich des Gesundheitsverhaltens bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es konn-ten jedoch positive Effekte auf Zielkriterien wie das Suchtverhalkonn-ten [21] und das Hilfesuch-verhalten [76] gezeigt werden, sodass die Motivierende Gesprächsführung auch bei Men-schen mit psychiMen-schen Erkrankungen eine effektive, therapeutische Maßnahme sein kann.

Diese Studienergebnisse zeigen eine potentielle Wirksamkeit der Motivierenden Ge-sprächsführung und lassen diese auch im Setting des HELPS-Projektes vermuten. Diskutiert werden muss jedoch, ob diese Methode in vorliegender Studie in ausreichendem Umfang umgesetzt wurde (siehe Abschnitt 4.3.3.).

Viele Lebensstilinterventionen konzentrieren sich außerdem auf lediglich einen Aspekt ge-sundheitsrelevanten Verhaltens. HELPS deckt mit den fünf Bereichen Ernährung, Bewe-gung, Rauchen, Alkoholkonsum und Mundhygiene ein sehr großes Spektrum ab, was die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der Patienten vergrößert und einheitliche Vgleichsparameter kaum zulässt. Diese große Zahl an möglichen Outcome-Kriterien er-schwert auch einen direkten Vergleich zu anderen Projekten. Die Relevanz eines sogenann-ten multiple health behavior change (MHBC)-Ansatzes, dem das HELPS-Projekt folgt, ist je-doch dennoch gegeben [105]. So sind einige körperliche Erkrankungen bedingt durch das Zusammenspiel mehrerer verschiedener gesundheitsbezogener Risikoverhalten [105]. Bei-spielsweise ist das Risiko metabolischer Erkrankungen bei ungesunder Ernährung in Kom-bination mit Bewegungsmangel erhöht. Die häufigsten Todesursachen in der Allgemeinbe-völkerung wie Herz-Kreislauferkrankungen und Krebsleiden werden durch diese Risikofak-toren sowie Rauchen und Alkoholkonsum negativ beeinflusst. Oftmals werden außerdem mehrere derartige, gesundheitsschädliche Verhaltensweisen innerhalb eines Individuums beobachtet [37, 79, 94]. Populationsbezogene MHBC-Interventionen zielen aus diesem Grund auf mehrere solcher Risikoverhalten ab. Die einzelnen Interventionsteilnehmer be-handeln aus diesem Programm möglicher Interventionsthemen jedoch nur diejenigen, für die sie ein Risikoverhalten aufweisen [105]. Bisherige Forschungsergebnisse deuten bei

125 weiterem Forschungsbedarf auf komplexe Interaktionen zwischen gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen hin [142]. Interventionen, die lediglich einen Aspekt gesundheitsrelevan-ten Verhalgesundheitsrelevan-tens forcieren, führen oft zu größeren Verhalgesundheitsrelevan-tensänderungen in diesem Bereich als MHBC-Interventionen. Dahingegen werden bei MHBC-Interventionen eher Verände-rungen in ganzheitlichen, übergreifenden Zielparametern beobachtet. So kam ein Review zu dem Ergebnis, dass Interventionen, die lediglich auf körperliche Bewegung oder Diät abzielen, effektiver das jeweilige Verhalten beeinflussen, kombinierte Interventionen je-doch einen größeren Gewichtsverlust zur Folge hatten [134].

Auch das In SHAPE Projekt adressiert mit Ernährung und Bewegung zwei gesundheits-schädliche Risikoverhalten bei Menschen mit psychischen Erkrankungen und erzielte in ei-ner Pilotstudie erfolgversprechende Ergebnisse im Sinne von mehr Bewegung, der Bereit-schaft die Kalorienaufnahme zu reduzieren sowie einer Reduzierung des Taillenumfangs [23]. Die Diagnosen der Studienteilnehmer umfassten vor allem schwere depressive Stö-rungen, bipolare Störungen und Schizophrenie sowie schizoaffektive Störungen [23]. Die In SHAPE Intervention ähnelt HELPS in mehreren Aspekten. So betont In SHAPE einen indi-viduell auf die jeweiligen Bedürfnisse der Patienten zugeschnittenen Ansatz [23]. Die Teil-nehmer sollten dabei unterstützt werden persönliche Fitness-Ziele zu stecken und einen individuellen Plan zur Gesundheitsförderung in Bezug auf Ernährung und Bewegung zu ent-werfen [23]. Dies geschah in wöchentlichen Sitzungen mit einem sogenannten Gesund-heitsmentor, der neben Fitnesstraining und Ernährung auch in der Methode der Motivie-renden Gesprächsführung geschult war [23]. Im Unterschied zu HELPS lag jedoch ein großer Schwerpunkt auf körperlicher Aktivität und so erhielten alle Interventionsteilnehmer freien Zugang zu einer lokalen Fitnesseinrichtung [23]. Darüber hinaus fanden edukative Grup-penstunden zu Ernährung und Bewegung sowie Gruppenfeiern, in denen unter anderem Preise für erreichte Ziele vergeben wurden, statt [23]. In einer einjährigen randomisierten, kontrollierten Studie zum Vergleich der In SHAPE Intervention mit einer alleinigen Mitglied-schaft mit Instruktionen im Fitnessstudio konnten die positiven Ergebnisse der Pilotstudie bestätigt werden [8]. So erzielten knapp die Hälfe der Interventionsteilnehmer entweder eine klinisch signifikante Verbesserung der kardiosrespiratorischen Fitness (6-Minu-ten-Gehtest) oder einen Gewichtsverlust von 5% oder mehr. Circa ein Viertel erreichten sowohl als auch [8]. Diese Ergebnisse konnten in einer weiteren randomisierten Studie in verschiedenen Zentren unter Realweltbedingungen repliziert werden [9]. Die Teilnehmer

126 der In SHAPE Intervention besuchten im Vergleich zur Kontrollgruppe mit alleiniger Fitness-studio-Mitgliedschaft dieses dreimal so häufig, betätigten sich doppelt so häufig körperlich und beschäftigten sich stärker mit gesunder Ernährung [8]. Durch den Vergleich der In SHAPE Intervention mit einer aktiven Kontrollbedingung (Fitnessstudio-Mitgliedschaft) unterstreichen diese Studienergebnisse den wichtigen Beitrag des Gesundheitsmentors zur Wirksamkeit der In SHAPE Intervention [9]. So scheint dieser eine besondere Bedeutung zur Motivation und Unterstützung der Patienten zu haben [8, 9]. Die Rolle eines solchen Gesundheitsmentors nehmen im HELPS-Projekt die Multiplikatoren bzw. Bezugsbetreuer ein. Beschriebene Studienergebnisse konnten also die Wirksamkeit einer multiplen Verhal-tensintervention mit Gesundheitsmentor als Bezugsperson unter Anwendung der Motivie-renden Gesprächsführung aufzeigen. Auch wenn Unterschiede zum HELPS-Projekt, wie bei-spielsweise der große Fokus auf körperlicher Aktivität durch eine kostenlose Fitnessstu-dio-Mitgliedschaft oder edukative Elemente bestehen, so lässt dies trotz ausbleibendem Wirksamkeitsnachweis in dieser Studie eine potentielle Wirksamkeit des HELPS-Ansatzes vermuten.