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4. Diskussion

4.4. Stärken und Limitationen der Untersuchungsmethode

4.4.1. Quantitative Teilstudie

4.4.1.1. Studiendesign und -verlauf

Eine vollständige Datenerhebung zur allen vier Messzeitpunkten konnte mit 74,3% der Pa-tienten stattfinden. Die tatsächliche Rate an Studienausscheidern war damit kaum größer als die bei der Fallzahlplanung berücksichtigte Drop-out-Rate von 15%. Diese durch Drop-outs bedingte Stichprobengrößenreduzierung hat eine Herabsetzung der Power zur Folge, jedoch wurde die bei der Fallzahlplanung angestrebte Power mit 90% höher gewählt als per Richtlinie mit 80% vorgeschlagen [57, 117]. Ein systematischer Review zur Effektivi-tät von Lebensstilinterventionen bei psychisch erkrankten Menschen gab eine durch-schnittliche Drop-out-Rate von 20,6% in der Interventions- und 11,5% in der Kontroll-gruppe an [151]. Auch ein weiterer Review berichtet von hohen Drop-out-Raten in vielen Lebensstilinterventionen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen [48]. Die in vorlie-gender Studie beobachtete Drop-out-Rate liegt in der Nähe dieser Durchschnittswerte.

Dies lässt vermuten, dass die relativ hohe Abbruchrate nicht primär auf die HELPS-Inter-vention zurückzuführen ist, sondern dass im Allgemeinen Studien zu Lebensstilinterventio-nen bei dieser Zielgruppe eine besondere Herausforderung darstellen. So geht aus den qua-litativen Ergebnissen zu Abbruchursachen hervor, dass die psychische Belastung als Ursa-che im Vordergrund stand und die angeführten Schwierigkeiten in Bezug auf die Patienten

134 verdeutlichen deren multiple Belastungen. Ausgefüllte Fragebögen waren jedoch, mit einem geringen Anteil an lückenhaften Dokumenten, meist vollständig.

Darüber hinaus zeichnet sich diese Studie durch einen relativ langen Erhebungszeitraum aus. Van Hasselt et al. berichtete in einem systematischen Review mit 22 Interventionsstu-dien zur Verbesserung der körperlichen Gesundheit bei psychisch kranken Menschen von Erhebungszeiträumen zwischen zwei und 18 Monaten [48]. Mit einem Erhebungszeitraum von 18 Monaten wird vorliegende Studie also von keiner Vergleichsstudie dieses Reviews übertroffen.

Da alle Auswertungen dem Intention-to-Treat-Prinzip folgten, ist eine Unterschätzung des Interventionseffektes denkbar. Alle Patienten, welche an mindestens einem Termin des Gesundheitskurses teilnahmen, wurden so ausgewertet, als ob sie die komplette Interven-tion erfahren hätten. Da jedoch immer mit Abbrüchen der Teilnahme am Projekt gerechnet werden muss und es das Ziel dieser Studie ist, die Interventionsauswirkungen unter Real-weltbedingungen zu erforschen, erscheint dieser Ansatz realitätsnäher als eine Per-Proto-col-Analyse. Außerdem besuchte ein Großteil der Interventionsgruppenteilnehmer alle sechs Kurstermine. In Anbetracht der nur sehr gering ausgefallenen Nachbetreuung, fiel ein Interventionsabbruch nach Ende des Gesundheitskurses vermutlich nur sehr geringfü-gig ins Gewicht.

Ein häufiger in den Multiplikatoreninterviews aufgekommener Kritikpunkt am Rekrutie-rungsprozess war eine Beschränkung der Studienteilnahme auf AOK-Versicherte, was auf einer Projektteilfinanzierung durch die AOK-Bayern beruhte. Fraglich ist, ob dies einen möglichen Selektionsbias zur Folge hatte. Mit der Einführung der gesetzlichen Krankenver-sicherung in den 1880er Jahren waren die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) neben den Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen eine der drei Kassenarten [106]. Bis zur Einführung der freien Kassenwahl im Jahr 1996 war die AOK eine Basiskasse und für Arbeiter in der Regel die Pflichtkrankenkasse [106]. Heute hat die AOK in Bayern einen Marktanteil von rund 40 % [3]. Dies lässt vermuten, dass Menschen mit schweren psychi-schen Erkrankungen eher bei der AOK als flächendeckende und gesetzliche Krankenkasse versichert sind und nicht beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse als ehemalige „Ein-geschriebene Hilfskasse für Architekten, Ingenieure und Techniker“ [137] oder privaten Krankenkassen, die sich durch einen tendenziell höheren Sozialstatus der Versicherten

135 auszeichnen. Ein Selektionsbias erscheint aus diesem Grund unwahrscheinlich. Diese Ein-schränkung könnte jedoch ein Grund für die Rekrutierungsschwierigkeiten gewesen sein.

Ein Vorteil in der Beschränkung auf eine Krankenkasse besteht in dem gleichen Leistungs-angebot der Regelversorgung für alle Patienten.

Des Weiteren war vorliegende Studie auf den Raum München begrenzt, was einen mögli-chen regionalen Einfluss auf die Studienergebnisse bedeuten könnte und die Vergleichbar-keit sowie GeneralisierbarVergleichbar-keit einschränkt. Positiv ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Studie nicht nur auf ein Zentrum beschränkt war, sondern in neun Einrichtungen durchgeführt wurde und mit einer Einrichtung der AWO in Waldkraiburg auch ein mittel-städtisches Setting miteinbezogen war. Der Lebensraum kann Einfluss auf die Gesundheit nehmen. Darauf geht auch die WHO in ihrem Bericht über Gesundheit in Städten ein [168].

Bezüglich der Verfügbarkeit gesundheitsfördernder Ressourcen, bieten Städte viele Vor-teile im Vergleich zu ländlichen Regionen [168]. So ist aufgrund besserer Infrastruktur und größerem Angebot der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Fachkräften sowie auch zu gesundheitsfördernden Faktoren wie Bildung und Beschäftigung erleichtert [168]. An-dererseits stellen Bewegungsmangel und das städtische Ernährungsumfeld einen Risiko-faktor für die Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen, chronischen Atemwegser-krankungen und Diabetes dar [168]. Eine in Städten oftmals stärker ausgeprägte Kluft zwi-schen Armut und Wohlstand als in ländlichen Gebieten nimmt zusätzlichen Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner [168]. Als Großstadt bringt auch München verschiedene Vor- und Nachteile mit sich, die die Entwicklung der Studienteilnehmer im Rahmen der Inter-vention beeinflusst haben könnten. München gilt als eine der teuersten Städte Deutsch-lands. Dies könnte die Umsetzung einer gesundheitsbewussten Lebensweise erschwert ha-ben. Einen Hinweis darauf gaben auch die Multiplikatoreninterviews, in denen die finanzi-elle Begrenzung der Patienten beispielsweise beim Kauf von gesunden Lebensmitteln an-gesprochen wurde. Auch die WHO sieht in ihrem Report die begrenzte Verfügbarkeit von erschwinglichen, gesunden Lebensmitteln in Städten als eine mögliche Ursache für die Än-derung der Ernährungsgewohnheiten hin zu Fertiggerichten [168]. Ebenso könnte die Nut-zung des im Vergleich zu in ländlichen Regionen vermutlich größeren Sport- und Freizeit-angebotes dadurch limitiert worden sein. Darüber hinaus besteht eine höhere Bevölke-rungsdichte als auf dem Land. Unter anderem bedingt durch derartige Stressoren sind

136 psychiatrische Störungen häufiger in städtischen als in ländlichen Regionen Deutschlands [30]. Nicht nur die Prävalenz psychiatrischer Erkrankungen, sondern auch das Leben psy-chisch erkrankter Personen könnte durch Stressfaktoren in der Stadt beeinflusst werden.

So erschwert eine hohe Bevölkerungsdichte für Patienten mit Angststörungen vermutlich Aktivitäten außerhalb der Wohnung. Eine oftmals anonymere Wohnkultur als auf dem Land schränkt soziale Kontakte und Rückhalt ein.

Es kann zusammengefasst werden, dass das Leben in einer Großstadt bisher noch nicht vollständig erforschte, positive und negative Auswirkungen auf die körperliche und psychi-sche Gesundheit hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch München als Studien-setting die Umsetzung eines gesundheitsbewussten Lebensstils der Interventionsteilneh-mer beeinflusste. Weitere Studien zur Evaluation der HELPS-Intervention sollten dies be-rücksichtigen und zur besseren Generalisierbarkeit der Ergebnisse auch Einrichtungen in ländlicheren Regionen miteinbeziehen.

Aufgrund der Organisation der Studie war eine Randomisierung der Teilnehmer nicht mög-lich. Dies könnte einen Selektionsbias zur Folge haben, was bedeutet, dass sich die Inter-ventions- und Kontrollgruppe hinsichtlich bekannter aber auch unbekannter Variablen un-terscheiden und so die interne Validität der Studie herabgesetzt ist [69]. Im Studiengrup-penvergleich der Baseline-Daten zeigten sich nur wenig signifikante Gruppenunterschiede.

Patienten der Interventionsgruppe pflegten signifikant häufiger Kontakt zur Familie. Außer-dem gaben im Vergleich zur Kontrollgruppe fast doppelt so viele Teilnehmer der Interven-tionsgruppe an, eines oder mehr Kinder zu haben. Dies könnte auf einen höheren sozialen Rückhalt der Interventionsgruppenteilnehmer hindeuten. Bemerkenswert ist außerdem der signifikante Versorgungsgruppenunterschied bezüglich der gesundheitsbezogenen Kontrollüberzeugung. So wiesen Studieneilnehmer, die sich für die Intervention entschie-den, eine höhere interne gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugung auf und waren somit überzeugter von einer möglichen Einflussnahme eigenen Verhaltens auf ihre körperliche Gesundheit. Dies könnte Hinweis auf einen durch fehlende Randomisierung bedingten Se-lektionsbias sein.

Um zumindest bekannte Störgrößen zu kontrollieren, wurden die Ergebnisse mittels Pro-pensity Score-Methode adjustiert [69]. In der Literatur besteht jedoch kein Konsensus dar-über, welche Variablen in das PS-Modell eingeschlossen werden sollen [5]. So gibt es

137 theoretisch die Möglichkeiten, alle zu Baseline erhobenen Kovariaten einzuschließen oder nur diejenigen, die mit der Therapiezuteilung, dem Outcome oder beidem in Verbindung stehen [5]. In vorliegender Studie wurden zur PS-Schätzung für die Hauptanalyse sowohl Variablen, die mit der Gruppenzuteilung, als auch Variablen, die mit dem Interventionser-folg in Verbindung stehen, berücksichtigt, sodass 20 Variablen in die Schätzung miteinbe-zogen wurden. Eine Verzerrung der Studienergebnisse aufgrund von in dieser Schätzung nicht berücksichtigten, unbekannten Störgrößen und Merkmale der Studienteilnehmer, die nicht in die Vorauswahl der 50 Variablen zur PS-Schätzung aufgenommen wurden, ist je-doch nicht auszuschließen. Die Balance-Tests zeigten, dass auch nach der PS-Adjustierung keine Balance zwischen den Gruppen erzielt werden konnte und gaben Hinweis auf zahl-reiche Gruppenunterschiede. In der „Common Support Region“ befanden sich lediglich 64,3 % der Studienteilnehmer, was ebenfalls auf eine mögliche Verzerrung der Studiener-gebnisse trotz statistischer Kontrolle hinweist.

Um die Robustheit der Ergebnisse zu überprüfen, wurden Sensitivitätsanalysen für den FEW-16-Gesamtwert durchgeführt. Im Rahmen dieser Zusatzanalysen wurde ein gemisch-tes Regressionsmodell ohne PS-Adjustierung berechnet sowie eine andere Methode zur Variablenselektion gewählt und nur Variablen mit einbezogen, welche einen signifikanten Zusammenhang zur Gruppenzugehörigkeit aufwiesen. Die Ergebnisse hielten sich unab-hängig von der gewählten Methode und Variablenauswahl konstant.

Neben einer Variation der Variablenauswahl zur PS-Schätzung wurden in den Zusatzanaly-sen zudem die wichtigsten Confounder, darunter auch oben genannte Variablen Familien-kontakt, Kinder und GKU, einzeln im Modell ohne PS-Adjustierung aufgenommen. In einem dieser Modelle zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen der Zeit und der Versorgungsgruppenzugehörigkeit (b = 0,17; p = 0,0423). Im Zusammenhang mit den an-sonsten konstanten Ergebnissen, unabhängig von der Methode zur Kontrolle des Selekti-onsbias, und aufgrund des multiplen Testproblems mit Alphafehler-Kumulierung, wurde dieses Ergebnis nicht als aussagekräftig bewertet.

Die Fallzahlkalkulation basierte auf einem ANOVA Messwiederholungsmodell mit vier Messzeitpunkten. Es handelte sich um eine Pilotstudie mit geringer Fallzahl (N = 70).

Verhaeghe et al. diskutiert in seinem Review die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse von Lebensstilinterventionen bei psychisch erkrankten Menschen aufgrund zu geringer

138 Fallzahlen [151]. Vorliegende Studie strebt jedoch keine Generalisierbarkeit an, sondern soll als Pilotstudie in Deutschland mögliche Auswirkungen des HELPS-Projektes sowie be-einflussende Faktoren erforschen. Eine Studienpopulation von 70 Patienten entspricht den in der Fallzahlkalkulation gestellten Anforderungen und ist darüber hinaus mit der Fallzahl der Pilotstudie der In SHAPE Intervention (76 Patienten) vergleichbar [23].

Wichtig bei der Interpretation der Ergebnisse ist außerdem die Behandlung der Kontroll-gruppe, welche wie schon zuvor die in den Einrichtungen übliche Regelversorgung (TAU) erhielt. TAU stellt jedoch keine passive Behandlungsform dar, sondern nimmt möglicher-weise ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung der Patienten und untersuchten Outcome-Kri-terien [18, 81]. Die Förderung eines gesundheitsbewussten Lebensstils nehme laut Aussa-gen der Multiplikatoren in dieser Regelversorgung einen immer größeren Stellenwert ein.

Dies wurde als ein förderlicher Faktor für eine regelmäßige Nachbetreuung empfunden. So seien die Themenbereiche des HELPS-Projektes keine neu aufgebrachten Gesprächsin-halte, sondern bereits wichtige Aspekte in der regulären Standardversorgung, die regelmä-ßig in den Sitzungen aufkämen. Dies bedeutet aber auch, dass sich die Teilnehmer der Kon-trollgruppe (TAU) ebenso mit der Thematik einer gesundheitsförderlichen Lebensweise auseinandersetzen. Vorliegende Studienergebnisse können also lediglich relative Effekte der HELPS-Intervention in Abgrenzung zur Standardversorgung widerspiegeln, welche ver-mutlich kleiner ausfallen als absolute Effekte, bei der die Kontrollgruppe keinerlei Versor-gung erfährt [81]. Solch kleinere, relative Effekte sind folglich schwerer nachzuweisen.

Ebenso ist die internationale Vergleichbarkeit der Studien eingeschränkt [81]. Viele der Stu-dien zur Erforschung der Wirksamkeit von Lebensstilinterventionen bei psychisch erkrank-ten Menschen wurden in den USA bzw. Nordamerika durchgeführt [36, 44, 151]. Kulturelle Unterschiede im Lebensstil sowie vermutlich unterschiedliche Kontrollbedingungen bei TAU-Kontrollgruppen limitieren somit die Übertragbarkeit positiver Studienergebnisse auf andere Länder [81]. Es kann also zusammengefasst werden, dass TAU als aktiver Ver-gleichsparameter einen möglichen Einfluss auf die untersuchten Outcome-Kriterien nimmt, internationalen Unterschieden sowie einem zeitlichen Wandel gemäß den aktuellen Ver-sorgungsstandards unterliegt und somit keinen einheitlich definierten Vergleichsparame-ter darstellt [81]. Dies muss bei der InVergleichsparame-terpretation der Ergebnisse bedacht werden.

139 4.4.1.2. Datenerfassung und Erhebungsinstrumente

Aufgrund des großen Spektrums an Lebensstilbereichen, auf die das HELPS-Projekt abzielt sowie die individuelle Gestaltbarkeit sowohl auf institutioneller als auch auf individueller Ebene stellte die Auswahl einer geeigneten primären Zielgröße eine besondere Herausfor-derung dar. Diese sollte ein großes Spektrum möglicher Entwicklungen sowie individueller Verläufe mit der dafür notwendigen hohen Sensitivität widerspiegeln. Die Schwierigkeit diesen Ansprüchen zu genügen, wird in den Multiplikatoreninterviews deutlich. So schil-derten diese eine Vielzahl von beobachteten Interventionsauswirkungen, die jedoch zu vielfältig und oftmals zu geringgradig waren, um durch quantitative Methoden erfasst wer-den zu können. Studien zur Erforschung der Wirksamkeit von Lebensstilinterventionen bei psychisch erkrankten Menschen umfassen eine ebenso große Bandbreite an eingesetzten Zielgrößen. Allgemein sollten diese Outcome-Kriterien immer mit dem letztendlichen Ziel, die körperliche Gesundheit dieses Klientels zu verbessern, in Verbindung stehen und dieses abbilden [48]. Eine mit diesem Ziel am häufigsten genutzte Zielgröße, stellt die Entwicklung des Körpergewichts dar [48]. Körpergewicht als primäre Zielgröße erschien jedoch für vor-liegende Studie nicht geeignet, da hiermit nicht alle fünf Themenbereiche des HELPS-Pro-jektes erfasst worden wären. Aus diesem Grund wurde letztendlich der „Fragebogen zur Erfassung des körperlichen Wohlbefindens“ (FEW-16) als primäres Outcome-Kriterium ge-wählt. Unabhängig vom individuell gewählten Schwerpunkt der Interventionsteilnehmer, kann dieses Kriterium von allen fünf Themenbereichen des HELPS-Projektes beeinflusst werden und möglichst umfassend das körperliche Befinden der Teilnehmer widerspiegeln.

Dadurch können auch individuell empfundene Benefits mit in die Bewertung eingehen. Auf der anderen Seite bringt der FEW-16 als Selbstbeurteilungsinstrument die Schwächen sub-jektiver Messmethoden mit sich. So geht aus den qualitativen Interviews hervor, dass man-che Patienten sich nach Einschätzung der Multiplikatoren von dem Beantworten vieler Fra-gebögen zu den Erhebungszeitpunkten überfordert fühlten und dies als ein Faktor deren Zufriedenheit mit der Intervention einschränkte. Eine solch negatives Empfinden der Be-fragungen könnte die spontanen Antworten der Teilnehmer beeinflussen und verzerren.

Des Weiteren ist unklar, wie schnell sich eine Verhaltensänderung auf das körperliche Wohlbefinden auswirken kann oder ob der FEW-16 eher ein langfristiges Outcome-Krite-rium darstellt.

140 Aus diesem Grund wurde ergänzend noch eine große Bandbreite an weiteren Daten erho-ben, darunter auch objektive Zielgrößen wie anthropometrische Kennwerte. Es ist jedoch zu beachten, dass es kaum validierte Testmethoden gibt, um das Gesundheitsverhalten bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu erfassen. So wurden auch die Fra-gebögen zur Erfassung des Ernährungs- und Sportmusterindexes bislang nur in der Allge-meinbevölkerung validiert [46, 163]. Im Gegensatz zum FEW-16 bildeten diese Daten au-ßerdem spezifische Zielgrößen ab, die nur für einen Lebensstilbereich relevant sind. Durch den Fokus der Patienten auf lediglich einen dieser Bereiche sind jedoch auch nur Verände-rungen in den entsprechenden Zielkriterien und keine Effekte in allen Bereichen zu erwar-ten. Zur Erfassung würde dies eine Subgruppenanalyse notwendig machen, die aber in vor-liegender Studie aufgrund zu geringer Stichprobengrößen nicht möglich war. Erst durch eine längere Interventionsdauer und intensivere Betreuung könnten mehrere Ziele und Handlungspläne verfolgt werden und sich in einem additiven Effekt auf diese Zielgrößen abbilden.

Darüber hinaus wurde mit der HoNOS die psychische Gesundheit der Studienteilnehmer erfasst, obwohl die Intervention auf eine Verbesserung der körperlichen Gesundheit ab-zielte. Auch in einigen anderen derartigen Interventionsstudien ist dies der Fall [48]. Dies ist sinnvoll, um mögliche negative Interventionsauswirkungen auf das psychische Befinden der Teilnehmer frühzeitig zu erkennen [48]. So erwähnten die Multiplikatoren in den Inter-views eine mögliche psychische Belastung der Interventionsteilnehmer durch Misserfolgs-erlebnisse und die Auseinandersetzung mit eigenem gesundheitsschädlichem Verhalten.

Aus der Auswertung der HoNOS ging jedoch keine Verschlechterung der psychischen Ge-sundheit der Patienten hervor, was darauf hindeutet, dass diese negativen Erlebnisse den psychischen Zustand der Teilnehmer nicht beeinflussten bzw. von den positiven Ergebnis-sen aufgewogen werden konnten.

4.4.1.3. Statistische Methoden

Bei multiple health behavior change (MHBC)-Interventionen besteht aufgrund der Analyse verschiedener Risikofaktoren und der damit verbundenen Vielzahl an Outcome-Kriterien und wiederholten statistischen Tests die Gefahr der alpha-Fehler-Inflation und somit das Erzielen falsch positiver Ergebnisse [105]. Diesem multiplen Testproblem könnte mit der Bonferroni-Korrektur, also dem Herabsetzen des alpha-Fehlers entgegengewirkt werden,

141 was jedoch wiederum eine verringerte Power zur Folge hätte [159]. Aufgrund des lediglich hypothesengenerierenden Charakters dieser Pilotstudie wurde auf eine solche Korrektur-maßnahme verzichtet.