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Archiv "Geteiltes Echo auf Lahnstein-Kompromiß" (30.10.1992)

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AJ

f geteiltes Echo ist inzwi- chen der parteiübergreifen- e Kompromiß zwischen Re- gierungskoalition und der SPD-Op- position zur geplanten "Gesund- heits-Strukturreform 1993" bei Par- teien und Verbänden gestoßen.

Der stellvertretende Fraktions- vorsitzende der SPD und ihr sozial- politischer Experte im Bundestag, Rudolf Dreßler, MdB aus Wupper- tal, kommentierte die Lahnsteiner Eckwerte-Beschlüsse als die "tief- greifendste Umgestaltung des Kran- kenversicherungssystems seit 1945".

Der SPD-Sprecher bezeichnete den Kompromiß als besonderen Erfolg der SPD, weil in vier Punkten SPD- Essentials durchgedrückt werden konnten:

~ eine grundlegende Organisa- tionsreform der gesetzlichen Kran- kenversicherung in Form eines bun- desweiten Risikostrukturausgleichs;

~ Abmilderung der ursprüng- lich von der Koalition geplanten Pa- tienten-Direktbeteiligung. Die SPD habe sie nur dort akzeptiert, wo von

ihr "mengensteuernde Wirkungen"

ausgehen können (GKV-Arzneimit- telmarkt);

~Weitreichende Neuordnung des GKV-Arzneimittelmarktes durch eine "rationale und preisgünstige Arzneimitteltherapie durch den Kas- senarzt";

~ Festschreibung von Elemen- ten zu einer stärkeren Wettbewerbs- orientierung im Gesundheitswesen.

DasSPD-Präsidium wertete den Kompromiß als "eine historische Chance, die genutzt werden sollte".

Die Industriegewerkschaft Metall lobte die SPD, weil sie dem Regie- rungsentwurf "einige Giftzähne" zie- hen konnte.

Der sozialpolitische Experte der FDP, Bundestagsvizepräsident Die- ter-Julius Cronenberg, MdB aus Arnsberg, bezeichnete die Lahnstei- ner Beschlüsse als einen "vertretba- ren Kompromiß", der auch von den Liberalen mitgetragen werden kön- ne. Der Vorsitzende des Gesund- heitsausschusses des Bundestages, der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Dieter Thomae, MdB aus Sinzig, und der stellvertretende Fraktions- vorsitzende sowie sozialpolitische Sprecher der FDP, Dr. med. Bruno

Menzel, MdB aus Dessau, kommen- tierten: "Wesentliche Forderungen der FDP konnten ... umgesetzt wer- den." Die beiden FDP-Politiker un- terstellen, daß das GSG 1993 eine umfassende Reform der gesetzlichen Krankenversicherung in Gang setze und einen ersten Einstieg in die Kas- sen- und Organisationsreform bewir- ke. Indem mehr Selbstbeteiligung vor allem im Arzneimittelbereich in- stalliert worden sei, würden auch marktwirtschaftliche Steuerungsele- mente realisiert, wofür die Liberalen stets plädiert hätten. Zudem bedeute

Geteiltes Echo

auf

Lahnstein-

Kompromiß

die beschlossene Krankenhausfinan- zierungsreform eine "Reform an Haupt und Gliedern". Die Libe- ralen hätten, um Kompromisse bei einem parteiübergreifenden Kon- sens zu erzielen, Zugeständnisse beim Risikostrukturausgleich ma- chen müssen.

In Baden-Württemberg spra- chen sich CDU, SPD, FDP und Grü- ne gegen den bundesweiten Risiko- strukturausgleich unter den Kran- kenkassen aus. Eine Subventionie- rung "ungesunder" Strukturen in al- len Bundesländern dürfe es zu La- sten baden-württembergischer Ver- sicherter nicht geben, meinte Mini- sterpräsident Erwin Teufel (CDU).

Ortskrankenkassen zufrieden

Hochzufrieden mit dem Lahn- stein-Kompromiß zeigt sich der AOK-Bundesverband. Seine Vor- standsvorsitzenden, Wilhelm Heitzer (Versichertenvertreter) und Gert Nachtigal (Arbeitgebervertreter), se-

hen im Eckwertepapier alle Chan- cen, die "erste wirkliche Strukturre- form im Gesundheitswesen" zu be- wirken. Dagegen werteten die Er- satzkassenverbände die Pläne zur Organisationsreform als einen

"Schlag gegen die Angestellten- Krankenkassen" und die Angestell- ten-Organisationen insgesamt. Eine Öffnung der Angestellten-Ersatzkas- sen für alle Versicherten ebne den Weg in eine Einheitskrankenversi- cherung, kommentierte die Deut- sche Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Hamburg.

Der Bundesverband der Be- triebskrankenkassen, Essen, begrüß- te die strukturellen Regelungen im Bereich der Leistungserbringer und die Belastungsverschiebung zugun- sten der Versicherten sowie die mit- telfristig vorgesehenen erweiterten Wahlrechte der Versicherten. Dage- gen lehnt der Verband der Betriebs- krankenkassen die Beschlüsse zur Organisationsreform der Kranken- versicherung weitgehend ab. Die Kritik richtet sich gegen den kassen- artenübergreifenden Risikostruktur- ausgleich und den geplanten Zeit- punkt seiner Einführung (1994). Der vorgesehene Ausgleich könne dazu führen, daß Kassen mit hohen Bei- tragssätzen Ausgleichszahlungen an Kassen mit niedrigen Sätzen leisten müßten.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Köln, sieht das mit der Ge- sundheitsreform angestrebte ur- sprüngliche Sparziel infolge der

"Verwässerung der Selbstbeteili- gung" gefährdet. Die Arbeitgeber bedauern den Wegfall der ursprüng- lich beabsichtigten Unterscheidung zwischen Regel- und Wahlleistungen beim Zahnersatz. Damit verstelle der Gesetzgeber Weichen in Rich- tung einer Auflockerung des Lei- stungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung und unterlasse die von den Liberalen ursprünglich angestrebte größere Wahlfreiheit und damit eine Individualisierung auf der Beitragsseite. Die BDA legt Wert darauf, daß der Risikostruktur- ausgleich nur externe Einnahmerisi- ken berücksichtigt. Dadurch solle verhindert werden, daß der Wettbe- werb zwischen den Kassenarten Dt. Ärztebl. 89, Heft 44, 30. Oktober 1992 (27) Ac3639

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übermäßig eingeschränkt wird und die Gefahr in Richtung einer Ein- heitsversicherung wächst.

Der Bundesverband der Phar- mazeutischen Industrie e.V. (BPI), Frankfurt, kritisiert, daß die Versi- cherten künftig von den 11,4 Milliar- den DM jährlichen Einsparungen nur noch rund eine Milliarde DM tragen sollen. Das sei nicht die ver- sprochene Symmetrie. Arzneimittel- industrie, Apotheken und Pharma- zeutischer Großhandel würden über Gebühr belastet. Auch gehe die „Po- litik einen Schritt in die falsche Rich- tung, hin zu einem staatlichen Ge- sundheitssystem".

Zweifel an der „sozialen Sym- metrie" des Kompromisses äußerten auch Vertreter der Apothekerschaft.

Nach Schätzungen der Bundesverei- nigung Deutscher Apothekerverbän- de (ABDA), Frankfurt, sind durch die Reform rund 20 Prozent der Apotheken in ihrer Existenz be- droht.

Die meisten mittelständischen Arzneimittelhersteller sehen sich ebenfalls in ihrer Existenz bedroht, sollten viele ihrer Produkte mit der Einführung einer Positivliste aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallen.

Der Marburger Bund (Verband der angestellten und beamteten Ärz- te Deutschlands) verteilt zum GSG- Kompromiß von Lahnstein Lob und Tadel. Begrüßt wird insbesondere die nunmehr vorgesehene finanzielle Beteiligung des Bundes und der Krankenkassen an den Kranken- haus-Investitionskosten in den neuen Bundesländern. Positiv bewertet der Klinikärzte-Verband auch die beab- sichtigte Zulassung der Polikliniken und Fachambulanzen an den ost- deutschen Krankenhäusern über das Jahr 1995 hinaus. Auch der beabsich- tigte kassenartenübergreifende Risi- kostrukturausgleich in der GKV und die Einführung der Wahlfreiheit für alle Versicherten seien deckungs- gleich mit Essentials des Marburger Bundes. Der Marburger Bund, der ursprünglich für eine völlige Ab- schaffung der Selbstbeteiligung von Krankenhauspatienten plädierte, will sich aber auch mit der deutlich abgemilderten Zuzahlungspflicht von Klinikpatienten anfreunden. Die

Möglichkeit für Krankenhäuser, Pa- tienten auch ambulant zu operieren und zeitlich befristet prä-/poststatio- när zu betreuen, findet den Beifall des Marburger Bundes. Dadurch würden „echte Einsparpotentiale im Verhältnis zwischen ambulantem und stationärem Bereich" eröffnet.

Ebenfalls positiv sei, daß bestehende Verträge von den vorgesehenen Ein- griffen bei Chefärzten (höhere Ab- gaben an die Krankenhausträger) ausgenommen werden sollen.

Mehrere

Verfassungsklagen?

Dagegen wendet sich der Mar- burger Bund gegen die unverändert geplanten drastischen Verschärfun- gen bei der Zulassung zur kassen- ärztlichen Tätigkeit. Diese Maßnah- men führten ab 1993 zu einer fakti- schen Niederlassungssperre für Fachärzte und ab 1999 zu einer tota- len Niederlassungssperre und einem faktischen Berufsverbot für nieder- lassungswillige Ärzte. Dies sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Marburger Bund werde prüfen, „so schnell wie möglich" das Bundesver- fassungsgericht anzurufen.

Auch die Apotheker erwägen ei- ne Verfassungsbeschwerde in Karls- ruhe gegen den vorgesehenen Preis- abschlag bei Medikamenten. Die Verwirklichung der im GSG 1993 verankerten Maßnahmen werde da- zu führen, daß das Einkommen der Apotheker im nächsten Jahr vor Steuern um fast 30 Prozent sinken wird und mittelfristig 25 Prozent der Apotheken in Deutschland schließen müßten. Dadurch seien bis zu 20 000 Arbeitsplätze gefährdet.

Die Deutsche Krankenhausge- sellschaft (DKG), Düsseldorf, gab schon in Lahnstein zu erkennen, daß man notgedrungen mit der völligen Aufhebung des herkömmlichen Selbstkostendeckungsprinzips und einer zeitlich befristeten Budgetie- rung auch des stationären Sektors le- ben wolle, wenn unter der Decke- lung noch Spielraum zum selbstver- antwortlichen Handeln bleibt, so DKG-Präsident Roland Ries. Kran- kenhausträger wie Verwaltungsdi- rektoren befürchten, daß sich vor al- lem bei freigemeinnützigen und

kirchlichen Krankenhausträgern in den drei „Deckelungsjahren" ein Defizit von drei Millionen DM je Krankenhaus ergeben könne. Auf al- le Krankenhäuser hochgerechnet er- warte man ein Defizit von vier Milli- arden DM pro Jahr. Die DKG drängt darauf, daß die tagesklini- sche, vor- und nachstationäre Dia- gnostik und Behandlung sowie das ambulante Operieren im Kranken- haus gefördert werden. Für die Krankenhausträgerorganisation ist es zweifelsfrei, daß im Krankenhaus Rationalisierungsmöglichkeiten dann bestehen, wenn die vollstatio- näre Behandlung bei geeigneten Pa- tienten auf das medizinisch notwen- dige Maß reduziert und die stationä- re Behandlung aufgelockert und die Institution Krankenhaus für teilam- bulante und ambulatorische Behand- lungsmaßnahmen weit geöffnet wer- den, gleichzeitig die fachärztliche Behandlung an das Krankenhaus zentriert wird.

Der Verband der Privaten Kran- kenversicherung e.V. (PKV), Köln, befürchtet, daß liquidationsberech- tigte Krankenhausärzte unter dem Druck der höheren Abgabenrege- lung höhere Liquidationen ausstel- len werden. Dirigistische Eingriffe und Zwangssparmaßnahmen im Be- reich der gesetzlichen Versicherung könnten zu Kompensationseffekten der Leistungserbringer zu Lasten der privaten Krankenversicherung füh- ren. Die PKV werde befürchtete

„Negativ-Auswirkungen" bei der an- stehenden Vierten Novelle zur GOÄ auf den Tisch bringen.

Die Zahnärzteschaft, insbeson- dere die Kassenzahnärztliche Bun- desvereinigung, Köln, sieht in den Lahnstein-Beschlüssen eine Ver- schlimmerung der Auswirkungen der ursprünglichen Koalitionsbeschlüsse für die Zahnärzte. Der Freie Ver- band Deutscher Zahnärzte e.V.

(FVDZ), Bonn, hat angekündigt, Zahnärzte würden ihre kassenzahn- ärztliche Tätigkeit niederlegen und nur noch privat behandeln, sofern sich mehr als 75 Prozent einem Aus- stieg aus dem Kassensystem an- schlössen. Eine „Körbchen"-Aktion mit einer angedrohten Niederlegung der Kassenzulassung ist bereits ge- startet worden. HC A1-3640 (28) Dt. Ärztebl. 89, Heft 44, 30. Oktober 1992

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