In der ersten Juniwoche stiegen die Ozonwerte saisonbedingt und durch die Zufuhr sehr warmer, feuch- ter Luftmassen (Temperaturen bis 35 Grad Celsius) wieder stark an. Die er- sten Überschreitungen des Schwel- lenwertes der Europäischen Union mit 180 Mikrogramm/m3 (1-h-Wert) lassen vermuten, daß auch in diesem Sommer die Ozondiskussi-
on weiter geführt wird. Des- halb an dieser Stelle einige, manchen sicherlich bekann- te, Informationen zu Ozon.
Oft wird die Frage ge- stellt, aus welchen Quellen sich Ozon zusammensetzt.
Die folgenden Angaben sind Näherungswerte und sollen vor allem eine bessere Einordnung der Sinnhaftig- keit verschiedener kurzfri- stiger Maßnahmen zur Re- duktion von Ozon geben.
220 Mikrogramm/m3 Som- merozon setzen sich in etwa zusammen (nach Lufthygie- neamt beider Basel, 1995):
1aus 30 (± 10) Mikro- gramm natürlichem Ozon, welches auf dem in der At- mosphäre vorkommenden, aufgrund natürlicher Vor- gänge gebildeten boden- nahen Ozon beruht. Wenig bekannt ist, daß die biolo- gischen, ungesättigten Koh- lenwasserstoffe, die 90 Pro- zent aller ungesättigten Kohlenwasserstoffe in der Atmosphäre ausmachen, zum photochemischen Smog beitragen; ebenso, daß Bäu- me mit etwa 10 Prozent an der Produktion von Vorläu- ferschadstoffen für Ozon (Terpen) beteiligt sind.
1aus 70 (± 20) Mikro- gramm Hintergrund-Ozon, welches durch Dauerluft- belastungen entsteht, die
durch gesamteuropäische Emissio- nen verursacht werden. Hier gibt es deutliche saisonale Schwankungen.
Die Wettersituation hat jedoch kaum Einfluß auf die Belastung mit Hinter- grund-Ozon.
1aus 80 (± 30 Mikrogramm) Reservoir-Ozon, das aufgrund von Emissionen im Umkreis von einigen
Hundert Kilometern entsteht. Hier sind größere Schwankungen von Tag zu Tag zu beobachten. Reservoir- Ozon kann in höheren Luftschichten gespeichert werden und wird durch Regionalwindsysteme verfrachtet.
Daneben sind vor allem Schwach- windwetterlagen dafür zuständig, daß die höchsten Ozonwerte nicht in Ballungsgebieten, sondern in ländli- chen Gebieten und Reinluftzonen gemessen werden, weil über Trans- portvorgänge vorbelastete Luftmas- sen in Außenzonen der Städte „ge- schoben“ werden. Solche Vorgänge können über mehrere 100 Kilometer hinweg stattfinden. Kurzfristige Maßnahmen zur Ozonsenkung grei- fen deshalb lediglich bei großräumigen Emissions- einschränkungen. Die Wet- tersituation hat auf die Be- lastung mit Reservoir-Ozon starken Einfluß.
1aus 40 (± 20) Mikro- gramm lokal produziertem Ozon, dessen Ausmaß durch lokale Emittenden in einem Umkreis von 50 Kilo- metern bestimmt wird. Die Abhängigkeit von der Wet- terlage und vor allem von lo- kalklimatischen Besonder- heiten (Hangwindsysteme, Land-Seewind-Zirkulation etc.) ist sehr groß. Durch kurzfristige administrative Maßnahmen ist diese Ozon- belastung beeinflußbar.
Eine andere häufige Frage ist die nach der unge- fähren chemischen Zusam- mensetzung der Ozonvor- läuferstoffe. Die nachfol- gende Unterteilung gibt ei- ne grobe „Richtschnur“
(Umweltbundesamt, 1993):
¿ Stickoxide, die zu 55 Prozent aus Verkehrsbela- stungen und zu 27 Prozent aus der Industriefeuerung stammen;
À flüchtige organische Kohlenwasserstoffe, die zu 42 Prozent aus Verkehrs- emissionen und zu 42 Pro- zent aus der Lösemittelver- wendung stammen.
Sieht man sich die Ozonkonzentrationen des A-1748 (16) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 26, 28. Juni 1996
P O L I T I K AKTUELL
Umweltthema im Juni
Ozon: Zusammensetzung aus mehreren Quellen
Lokale Unregelmäßigkeiten bei Verbrennungsprozessen führten vom 29. April bis 2. Juni 1996 kurzzeitig zu Spitzenkonzentrationen von Schwefeldioxid. Die höchsten Werte traten in Brunsbüttel auf (761 Mikrogramm/m3), in Greppin (799 Mikrogramm/m3), Annaberg-Buchholz (1 073 Mikrogramm/m3) und Heilbronn (639 Mikrogramm/m3). Sonst bewegen sich die Schwefeldioxid- belastungen während dieser Jahreszeit auf einem extrem niedrigen Niveau.
Schwefeldioxidbelastung in Deutschland im Mai 1996
(½-h-Maximalwerte)
letzten Sommers an, so zeigt sich, daß die 8-h-Mittelwerte im allgemeinen von Nord nach Süd anstiegen. Rein- luftgebiete und industrieferne ländli- che Gebiete waren besonders betrof- fen. Eine genaue Analyse ist nicht möglich, da in wichtigen Bereichen keine Ozonstationen stehen. So ist beispielsweise Bayern im Bereich des Voralpenraums (Fremdenverkehrs- zentren) nur mit wenigen Meßstatio- nen ausgestattet. Gerade dort können durch die besondere topographische Lage aber hohe Konzentrationen an Vorläuferschadstoffen entstehen.
Daß die Ozonbelastung gegen Abend abnimmt, ist nicht immer zu- treffend. Sowohl in topographisch un- günstigen Gegenden (Muldenlage) als auch in Waldgebieten und ländlichen Zonen lassen sich noch gegen Mitter- nacht Werte von weit mehr als 120 Mikrogramm/m3 als ½-Stunden-Wert (MIK-Wert des Vereins Deutscher In- genieure) bzw. 80 Prozent des am Tag aufgetretenen Maximalwerts messen.
Als kurzfristige Maßnahme sind nach der im vergangenen Jahr erlasse- nen „Sommersmogverordnung“ Ver- kehrssperrungen möglich,
! wenn an zwei Punkten im Ab- stand von mehr als 50 km und einem Punkt im Abstand von weniger als 200 km eine Ozonkonzentration von 240 Mikrogramm/m3 oder mehr ge- messen wird und
! der Deutsche Wetterdienst für die nächsten 24 Stunden eine Vor- hersage für eine austauscharme Wet- terlage mit Windgeschwindigkeiten unter 3 m/Sekunde macht und
! die jeweiligen Landesämter ihrerseits eine Ozonprognose erstel- len, die für die nächsten 24 Stunden eine Belastung von mehr als 240 Mi- krogramm/m3vorhersagt.
Diverse Ausnahmeregelungen sollten erfragt werden, da sie teil- weise recht unterschiedlich gehand- habt werden.
Prof. Dr. med. Heyo Eckel Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann Dr. rer. nat. Claus Rink
Rückfragen zur Karte: Georisk GmbH, Schloß Türnich, 50169 Kerpen, Tel 0 22 37/6 12 22 Rückfragen zum Text: Dr. Claus Rink, Fax 0 22 71/9 17 25, e-mail 1000526.2351@compuserve.
com, e-mail: Rink.UDS.enviroreport-@t-online.de
A-1749
P O L I T I K AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 26, 28. Juni 1996 (17)
D
ie Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesver- einigung begrüßen prinzipi- ell die Absichten des Ge- setzgebers und der Bonner Koaliti- on, den Leistungskatalog der ge- setzlichen Krankenversicherung (GKV) dort gezielt zu entlasten und dadurch die Beitragssätze zu stabili- sieren, wo dies medizinisch sinnvoll ist und obsolet gewordene Leistun- gen ins Kraut schießen. Allerdings müsse dies mit „Augenmaß“ ge- schehen; keinesfalls dürften alle Maßnahmen zur Gesundheitsförde- rung (§ 20 SGB V) in Frage gestellt und die Maßnahmen ausschließlich auf die Propagierung von Maßnah- men zur Vorsorge, Krankheits- früherkennung und Prävention (Impfung) beschränkt werden. Die Bundesärztekammer betonte, auch die Einschaltung von Selbsthilfe- gruppen und gezielte Maßnahmen zur gesundheitlichen Förderung in den Betrieben seien sinnvoll, sollten also nicht gestrichen werden. Ande- rerseits unterstützt die Ärzteschaft die Absichten, einseitig auf Mitglie- derwerbung (Marketing) ausge- richtete kassenbezogene Maßnah- men per Gesetz zu unterbinden.Krankenkassen:
Fehlkalkulation Die Verbände der Krankenkas- sen erklärten, der geplante Bei- tragssatz-Stop und die ab Januar 1997 wirksam werdende Beitrags- satzsenkung um 0,4 Prozentpunkte erschüttere die finanzielle Stabilität der Krankenversicherung. Das
„Sparpaket“ (7,5 Milliarden DM schwer) sei zudem sozial unausge-
wogen, gesundheitspolitisch ver- fehlt und basiere auf einer eklatan- ten Fehlkalkulation. Die Kassen würden veranlaßt, den Beitragssatz pauschal um 0,4 Prozentpunkte zu senken, ohne die tatsächlich vor- handenen Rationalisierungsreser- ven ausschöpfen zu können.
Inzwischen sind die Selbstver- waltungen der Kassenärzte und Krankenkassen unter dem Druck der Kostendämpfung aktiv gewor- den. Sie wollen dem Gesetzgeber ein gemeinsam abgestimmtes Kon- zept zur wirksamen Entlastung des Leistungskatalogs und zur Umset- zung im vertragsärztlichen Bereich schon in Kürze offerieren. Ein von der Selbstverwaltung getragenes Konzept sei sachgerechter und wirksamer als ein von der Politik oktroyiertes Programm zur Lei- stungsbegrenzung und Rationie- rung. Darin finden die Ärzte und Krankenkassen auch Unterstützung seitens der Krankenhausträger, die eine pauschale Kürzung im Klinik- sektor (Stichwort: „Abbau von Fehlbelegungen“) auf der Basis von längst überholten Hochrechnungen (von 1986) strikt ablehnen.
Übrigens: Beim Bonner Hea- ring war eine illustre Gruppe von In- teressentenverbänden aufgeboten.
Neben den Ärzten und Krankenkas- sen kamen auch Einzelgruppen zu Wort: so etwa das Frauengesund- heitszentrum Göttingen e.V., die Vereinigung Demokratischer Zahn- medizin e.V., die ENCA European Network of Childbirth Associations und die Qi Gong und Taiji Quan- Dozenten im Verein ImPuls, eine Vereinigung für chinesische Medizin und „Schattenboxen auf Kranken- schein“. . . Dr. Harald Clade