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Archiv "Prävention als Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung" (08.08.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Prävention als Aufgabe Fritz Beske

der gesetzlichen Krankenversicherung

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Der Gesetzesentwurf des Gesundheits-Re- formgesetzes, der zur Zeit in Bundestag und Bundesrat beraten wird, eröffnet den

1 Krankenkassen einen relativ weiten Spiel- raum in der Prävention. Dem Verfasser geht dieser Gesetzesauftrag zu weit; er

j setzt sich zudem für eine realistische Be-

urteilung der präventiven Möglichkeiten ein. Beske gehört der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zur Struktur- reform der Gesetzlichen Krankenversiche- rung an. Die Kommission berät in einer Ar- beitsgruppe auch über das Thema Präven- tion. Die Redaktion

D

ie gegenwärtige Diskus- sion über die Bedeutung der Prävention in der Ge- sundheitspolitik und in al- len Bereichen des Gesundheitswe- sens läßt den Eindruck erwecken, als wenn die Erkenntnis der Bedeu- tung der Prävention eine Erfindung unserer Tage ist und eine nur richtig betriebene Prävention die kurative Medizin nahezu zur Bedeutungslo- sigkeit verurteilt.

Tatsächlich hat die individuelle Prävention und die Prävention durch Lebensführung und Umwelt- gestaltung eine lange Tradition. Sie war immer Teil ärztlichen Handelns.

Der öffentliche Gesundheitsdienst ist gerade auch in der Gestaltung der Umwelt überwiegend präventiv ge- wesen. Dabei ist es sicher nicht zum Nachteil, wenn durch eine stärkere Betonung des präventiven Gedan- kens die Prävention an Bedeutung gewinnt und nachhaltig gefördert wird.

Zu den gängigen Forderungen gehört der Vorrang der Prävention vor der kurativen Medizin. Das kann in einzelnen Bereichen richtig sein. Dort, wo durch präventive Maßnahmen Krankheiten oder Un- fälle verhütet werden können, sollen sie angewandt werden.

• Niemals jedoch kann es eine grundsätzliche Vorrangstellung der Prävention vor der kurativen Medizin geben. Beide stehen gleichrangig ne- beneinander. Die Bevölkerung for- dert beides. Der Gedanke, Möglich- keiten der modernen Medizin, auch wenn sie teuer sind, zugunsten der Fi- nanzierung vonpräventiven Maßnah- men zurückzustellen oder nicht zu ge- währen, dürfte auf den einhelligen Widerstand der betroffenen Patien- ten, aber auch von Gesundheitspoliti- kern stoßen. Wer einen Rettungswa- gen oder einen Notarzt braucht, wird nicht damit zu trösten sein, daß der Einsatz beider verzögert sein kann, weil die hierfür erforderlichen Mittel vorrangig für Präventivmaßnahmen eingesetzt worden sind.

I Prävention spart keine Kosten

Immer wieder wird behauptet, daß Prävention Kosten spart und daß es aus diesem Grunde gerecht- fertigt sei, Mittel von der kurativen Medizin zur präventiven Medizin umzuschichten. Dies ist in einer Rei- he von Einzelfällen sicher richtig.

Die Fluoridierung des Trinkwassers oder die Zahnprophylaxe generell reduzieren die Karies und schieben die Notwendigkeit konservierender oder prothetischer Maßnahmen hin- aus. Schutzimpfungen haben Infek- tionskrankheiten zurückgedrängt, ja ausgerottet. Vorsorgeuntersuchun-

gen von Schwangeren und von Kleinkindern helfen Krankheiten zu verhüten. Die Früherkennung be- stimmter Krebsformen führt zur rechtzeitigen Therapie. Der Sicher- heitsgurt im Auto verringert die Zahl von unfallbedingten Verletzun- gen und von Todesfällen.

• Bezogen auf die Gesamtbe- völkerung jedoch führt die Präven- tion nicht zu einer Kostenverminde- rung, sondern zu einer Kostensteige- rung. Das letzte Ziel präventiver Maßnahmen ist die Förderung der Gesundheit, die Verhütung von Krankheit und die Verlängerung des Lebens. Gerade aber die Verlänge- rung des Lebens führt dazu, daß im- mer mehr Menschen ein Alter errei- chen, in dem sie vermehrt medizini- sche Leistungen erfordern. Der ent- scheidende Gewinn präventiver Maßnahmen ist also die Verbesse- rung der Lebensqualität. Dies ist ge- wollt. Hierfür sind wir auch bereit zu zahlen. Im übrigen ist unbestritten, daß der Ausbau der Prävention nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer zusätzliche Mittel erfordert.

Die für die Prävention erforderlichen Leistungen müssen bezahlt werden.

Drei Formen der Prävention

Es werden drei Formen der Prä- vention unterschieden.

0 Die primäre Prävention dient der Förderung der Gesundheit

I Gleichrangigkeit von Prävention und kurativer Medizin

1

Dt. Ärztebl. 85, Heft 31/32, 8. August 1988 (21) A-2201

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und der Verhütung von Krank- heiten. Maßnahmen der primären Prävention sind insbesondere die Beeinflussung von Lebensgewohn- heiten durch Gesundheitserziehung oder Gesundheitsaufklärung und die Verhütung von gesundheitsschäd- lichen Einflüssen aus der Umwelt.

© Die sekundäre Prävention dient dem Ziel, Krankheiten in ei- nem symptomlosen Zustand so rechtzeitig zu erkennen, daß sie mit Erfolg behandelt werden können.

Früherkennung ist sekundäre Prä- vention.

(i) Die tertiäre Prävention soll Rückfälle vermeiden und die Ver- schlimmerung von Krankheiten ver- hüten. Sie dient der medizinischen und beruflichen Wiederherstellung.

Rehabilitation ist tertiäre Präven- tion.

I Die Rolle der gesetzlichen

Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversi- cherung (GKV) ist in allen drei Be- reichen der Prävention tätig. Von politischer Seite und seitens der Krankenversicherung wird die Aus- weitung des Aufgabenkataloges der GKV insbesondere in der primären und in der sekundären Prävention gefordert. Diese Forderungen gehen so weit, daß damit offenbar eine Än- derung des Selbstverständnisses der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden ist. Ausdruck dieses ge- änderten Selbstverständnisses ist die neueingeführte Bezeichnung der Ortskrankenkassen als „AOK — Die Gesundheitskasse".

Abgrenzbar und wohl im we- sentlichen unumstritten ist die Er- weiterung des Aufgabenkatalogs der GKV in der Individualprophylaxe und in der Früherkennung. Die Be- ratung des einzelnen Patienten hin- sichtlich seiner Lebensführung oder der Änderung von Verhaltensweisen muß mehr noch als bisher ein Schwerpunkt ärztlichen Handelns sein. Maßnahmen zur Früherken- nung von Krankheiten, wie sie ins- besondere in § 181 RVO bei Kin- dern bis zur Vollendung des vierten

Lebensjahres und zur Früherken- nung von Krebskrankheiten vorge- sehen sind, sollten immer dann aus- geweitet werden, wenn es hierfür re- lativ einfache Methoden der Früh- diagnostik und Frühtherapie gibt, die in großen Bevölkerungsgruppen angewandt werden können. Die wis- senschaftlich nachgewiesene Effekti- vität muß allerdings Voraussetzung für die Aufnahme neuer Früherken- nungsuntersuchungen sein.

Völlig anders ist das Bild im Be- reich der primären Prävention. Zu- nächst einmal sind wohl alle Kassen der gesetzlichen Krankenversiche- rung in der primären Prävention tä- tig, und dies nicht erst seit heute.

Aufsätze über Fragen des Gesund- heitswesens, einer gesunden Le- bensführung und der Verhütung von Krankheiten finden sich in allen Mit- gliederzeitschriften der gesetzlichen Krankenversicherung. Ausstellun- gen in Kundenzentren und die Ver- teilung von Broschüren sind nahezu zur Selbstverständlichkeit gewor- den. Auf allen Ebenen, in Bund, Ländern und Gemeinden, arbeiten die gesetzlichen Krankenkassen in Arbeitsgemeinschaften zur Gesund- heitserziehung oder zur Gesund- heitsförderung mit. Gefordert wird jedoch mehr.

§ 20 des Entwurfes eines Geset- zes zur Strukturreform (Gesund- heits-Reformgesetz — GRG), Bun- destags-Drucksache 11/2237, lautet:

„(1) Die Krankenkassen haben ihre Versi- cherten allgemein über Gesundheitsgefährdun- gen aufzuklären und darüber zu beraten, wie Gefährdungen vermieden werden können. Sie sollen den Ursachen von Gesundheitsschäden nachgehen und auf ihre Beseitigung hinwirken.

(2) Die Krankenkasse hat in der Satzung Leistungen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit ihrer Versicherten vorzusehen und Art und Umfang dieser Leistungen zu bestim- men.

(3) Die Krankenkassen sollen bei der Durchführung von Maßnahmen zur Gesund- heitsförderung mit den dafür zuständigen Stel- len, den kassenärztlichen Vereinigungen, und mit auf diesem Gebiet bereits tätigen und erfah- renen Ärzten eng zusammenarbeiten."

Mit diesen sehr unbestimmten Formulierungen wird der gesetzli- chen Krankenversicherung ein sehr weitgehender Auftrag zur Präven- tion erteilt. Die Forderung, daß die Krankenkassen den Ursachen von Gesundheitsschäden nachgehen und auf ihre Beseitigung hinwirken sol-

len, eröffnet den Krankenkassen vom Grundsatz her ein weites Betä- tigungsfeld, das in alle Bereiche der Lebens- und Arbeitswelt und der Umweltgestaltung hineinreichen kann. Zwar heißt es in der Begrün- dung zu § 20 des Gesundheits-Re- formgesetzes, daß diese Regelung die Krankenkasse zu bestimmten Aufklärungs- und Beratungstätig- keiten verpflichtet, die allerdings auf die bei ihr Versicherten beschränkt sind, doch sollen sich diese Tätig- keiten auch auf arbeitsbedingte Ge- sundheitsschäden erstrecken. In der Begründung zu den beiden folgen- den Absätzen steht ebenfalls die Be- ratung im Vordergrund. Der Auf- trag, der sich aus § 20 für die Kran-.

kenkassen generell ergibt, geht je- doch weiter.

So sieht es auch der AOK-Bun-.

desverband. In Nr. 3 seiner Zeit- schrift „Standpunkt" 1) , die unter dem Thema „Priorität Prävention"

steht, heißt es:

„Immer mehr setzt sich aber die Erkennt- nis durch, daß Prävention — wenn sie erfolgreich sein will — an den unterschiedlichen Lebensla- gen und Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppe ansetzen muß. Es geht dabei um die Beeinflus- sung des individuellen Verhaltens (Verhältnis- prävention) in der sozialen und ökologischen Umwelt sowie der Arbeitswelt."

Und weiter heißt es:

„Prävention muß auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen zugleich ansetzen.

Um einer Verzettelung vorzubeugen, konzen- triert sich die AOK zunächst vorrangig auf das, was am besten und sinnvollsten erscheint — auf die Beeinflussung des persönlichen Lebensstils.

Mit dem Ziel, dem einzelnen zu einer eigenver- antwortlichen, aktiven und vom Medizinbetrieb weitestgehend unabhängigen gesundheitsge- rechten Lebensgestaltung zu verhelfen, die Vi- talität aus bewußt erlebter Gesundheit vermit- telt. Das schließt langfristig nicht aus, auch wei- tergehende Initiativen für gesundheitsgerechte Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ergrei- fen."

• Hier wird der Anspruch auf weitergehende Aktivitäten der ge- setzlichen Krankenversicherung un- ter dem Anspruch der Prävention deutlich. Vom Grundsatz her ist da- mit der Ausweitung der Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenversiche- rung mit der Begründung, im not- wendigen Umfang präventiv tätig zu sein, keine Grenze gesetzt. Die ge- setzliche Krankenversicherung wird damit zum Partner, ja zum Initiator von krankheitsverhütenden Maß- nahmen bis hin zur Umweltgestal- tung.

A-2202 (22) Dt. Ärztebl. 85, Heft 31/32, 8. August 1988

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„Von der Krankenkasse zur Gesundheitskasse”. Ganz ungeniert spricht der AOK-Bun- desverband von seinem „neuen Auftritt": Bei der „Unternehmenskonzeption zur Neu- positionierung der AOK" habe der Gedanke der Prävention einen zentralen Stellenwert

Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber seinen Auftrag an die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Prävention unzwei- deutig bestimmt.

Diese Entwicklung wirft die Frage nach dem Standort der gesetz- lichen Krankenversicherung im Rahmen der Prävention auf.

Die gesundheitspolitische For- derung, daß die Gesundheitspolitik und die Organe des Gesundheitswe- sens maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung der gesamten Lebens- welt mit dem Ziel der Gesundheits- förderung und der Verhütung von Gesundheitsschäden und Unfällen haben müssen, ist unumstritten. In einer pluralistischen Gesellschafts- ordnung sind die Zuständigkeiten jedoch geteilt. Der Staat ist mit sei- ner Gesetzgebung und mit dem öf- fentlichen Gesundheitsdienst für weite Bereiche der Prävention und des Umweltschutzes zuständig. Ge- werbeaufsicht und Berufsgenossen- schaften dienen dem Arbeitsschutz,

um nur einige wenige Bereiche zu nennen.

Die Aufklärung der Bevölke- rung zur Förderung einer gesunden Lebensweise und zur Verhütung von Krankheiten wird von zahlreichen Institutionen wahrgenommen, dar- unter wiederum auch von dem öf- fentlichen Gesundheitsdienst, für den dies eine Pflichtaufgabe ist. Die Medien haben sich in zunehmendem Umfang gesundheitlicher Themen angenommen Kaum ein Fernseh- tag, kaum ein Rundfunktag ohne die Behandlung von gesundheitlichen Themen mit hohem Informations- wert. Kaum eine Tageszeitung, schon gar keine Illustrierte, ohne Aufsätze über Gesundheit und Krankheit mit Hinweisen zur gesun- den Lebensführung.

Kressin hat in einer Dissertation

„Primäre Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik Deutschland" 2) einen umfangreichen Katalog von Institutionen und Publikationen ein- schließlich von Informationsmaterial zur Primärprävention veröffentlicht.

Der Kongreß „Prävention und Ge- sundheitserziehung. Kooperativer Ansatz, multidisziplinäre Aufgabe"

in Bielefeld vom 23. bis 27. Septem- ber 1986 3) hat die Vielfalt von Maß-

I Ist die Ausweitung der Prävention

in der GKV erforderlich?

nahmen der Primärprävention ver- deutlicht. Es ist also nicht so, daß die gesetzliche Krankenversicherung im Rahmen der Primärprävention eine Lücke zu füllen hat. Das Ange- bot an Informationsmaterial ist na- hezu unübersehbar. Und umfangrei- ches Informationsmaterial steht für jedermann von der vom Bund getra- genen Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung zur Verfügung.

Die Diskussion muß sich daher we- niger an der Notwendigkeit und dem Umfang primärpräventiver Maßnah- men und dabei insbesondere der In- formation orientieren als vielmehr an der Frage der Messung der Effek- tivität und der Effizienz. Es geht al- so mehr um Methoden, um Wirk- samkeit. Von daher ist es fraglich, welchen Beitrag die GKV über eine Ausweitung ihres Leistungskatalo- ges in dem Bereich der Primärprä- vention zu leisten vermag.

I Ausgabendämpfung in der gesetzlichen Krankenversicherung

Zu den Schwerpunkten jeder Reform oder Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung gehört die Dämpfung der Ausgaben dort, wo es möglich ist. Der Auftrag der GKV, ihren Versicherten eine flächendeckende, moderne Medizin zu gewährleisten, mit einem An- spruch auf Teilhabe am medizinisch- technischem Fortschritt, ist unbe- stritten. Gerade dies wird von Ge- sundheitspolitikern und Versicher- ten gefordert.

• Die gesetzliche Krankenver- sicherung ist mit ihrem Schwerpunkt unverändert eine Versicherung für den Krankheitsfall. Aufgaben, die sich aus diesem Auftrag ergeben, können nicht auf andere Leistungs- träger verlagert werden. Die gesetz- liche Krankenversicherung hat hier voll für ihre Versicherten einzuste- hen. Von daher scheint die Feststel- lung gerechtfertigt, daß es in erster Linie Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist, diesen Auftrag zu erfüllen und die dafür er- forderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. In keinem Fall kann eine Mittelumschichtung von der kurati- Dt. Ärztebl. 85, Heft 31/32, 8. August 1988 (23) A-2203

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DIE GLOSSE

Beim Betrachten alter Schulfotos

Alte Klassenfotos im „Hei- matblatt" einer Organisation schlesischer Vertriebener (nach dem Motto: Erinnerungsstücke an die Heimat gehören bei einer Saushaltsauflösung nicht in die Mülltonne). Dabei kann man volksgesundheitliche Betrachtun- gen anstellen.

Abgebildet sind eine offen- bar einklassige Dorfschule („Zwergschule") im Jahre 1934 oder 1935 und eine städtische Sexta im Jahre 1928, insgesamt 58 Jungen und 30 Mädchen (plus ein Lehrer und ein Studienrat).

Soweit erkennbar, trug nie- mand einen Gürtel. Bei den Sex- tanern ist allerdings nur ein Paar Hosenträger zu sehen. Von den

24 haben 13 Matrosenanzüge oder im Stil ähnliche Pullover an;

man sieht also nicht, was darunter steckt. In der Dorfschule gibt es nur zwei Matrosenanzüge. Bei den 34 Jungen sind zumindest zwölf Paar Hosenträger zu erken- nen (unübersehbar komisch: ein abgerissener Knopf).

Von den elf Paar Jungenbei- nen in der ersten Reihe sind acht barfuß — hatten sie keine Schuhe, oder brauchten sie keine? (Zum Vergleich: Die elf Sextaner in de- ren erster Reihe haben sämtlich Schuhe an. Vier tragen kurze Socken, sechs Kniestrümpfe, ei- ner lange schwarze Strümpfe.)

Ob es aber wohl heute mög- lich wäre, 88 deutsche Schulkin- der und zwei Lehrer zu fotogra- fieren, ohne daß auch nur eine einzige Brille aufs Bild kommt?

Hatten Sie keine, oder brauchten sie keine . . . ? gb ven Medizin in den Bereich der Pri-

märprävention dann erfolgen, wenn im ureigensten Bereich der gesetzli- chen Krankenversicherung, in Dia- gnose, Therapie und Rehabilitation, Aufgaben zu erfüllen sind, die stei- gende Mittel erfordern. Im übrigen ist das Kriterium einer Versicherung immer noch die Versicherbarkeit, gleichgültig, ob die Versicherung so- lidar oder individuell erfolgt. Kran- keit ist versicherbar — Gesundheit nicht.

I Der Schwerpunkt muß bei den Mitgliedern liegen

Prävention ist eine Aufgabe für alle Bereiche des Gesundheitswe- sens, wobei jeder Bereich die ihm gegebenen Möglichkeiten in der Prävention wahrzunehmen hat.

Prävention ist eine allgemeinge- sellschaftliche, eine die Gesamtheit aller Bürger betreffende Aufgabe.

Von daher kommt dem Staat eine besondere Bedeutung insbesondere in der Primärprävention zu. Er

nimmt diese Aufgabe wahr, so über den öffentlichen Gesundheitsdienst, über die Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung oder über die Förderung zahlreicher Institutionen und Maßnahmen im Bereich der Prävention.

In der gesetzlichen Krankenver- sicherung liegt der Schwerpunkt in der mitgliederorientierten Präven- tion. Hierzu gehören die individuel- le Beratung und die Früherkennung.

Primärprävention als Auftrag an die gesetzliche Krankenversicherung gibt die Möglichkeit zur Information der Mitglieder zum Beispiel über Mitgliederzeitschriten, über Aus- stellungen in den Kundenzentren oder über die Verteilung von Infor- mationsmaterial zu Fragen einer ge- sunden Lebensführung und der Ver- hütung von Krankheiten. Die ge- setzliche Krankenversicherung ist weiterhin aufgefordert, wie bisher auf allen Ebenen in Vereinigungen und Arbeitsgemeinschaften mitzu- wirken, die insbesondere der Ge- sundheitserziehung, der Gesund- heitsförderung, der Verhütung von Krankheiten und damit der Primär-

prävention dienen. Hier kann und muß die gesetzliche Krankenversi- cherung ihre besonderen Erfahrun- gen, ihre Daten und ihre Initiativen einbringen. Ein allgemeiner Auftrag zur Prävention, ein Auftrag, der die gesamte Gesellschaft umfaßt und damit alle Bereiche, in denen Pri- märprävention vorstellbar und nötig ist, muß jedoch abgelehnt werden.

Dies ist nicht Aufgabe der gesetzli- chen Krankenversicherung.

I Schlußbemerkung

Die gesetzliche Krankenversi- cherung ist in erster Linie eine Ver- sicherung für den Krankheitsfall — dies sollte sie bleiben. Die Versi- cherten in der gesetzlichen Kranken- versicherung haben Anspruch auf Versorgung im Krankheitsfall nach dem letzten Stand der medizinischen Wissenschaft. Sie haben Anspruch auf Teilhabe am medizinisch-techni- schen Fortschritt. Ihr Anspruch rich- tet sich ausschließlich gegen die ge- setzliche Krankenversicherung und ist auf keinen anderen Leistungsträ- ger übertragbar.

Prävention ist eine allgemeine gesundheitspolitische Aufgabe. Je- der Teilbereich des Gesundheitswe- sens muß die präventiven Maßnah- men durchführen, die für sein Auf- gabengebiet adäquat und spezifisch sind. Dies gilt selbstverständlich auch für die gesetzliche Krankenver- sicherung.

1) Standpunkt. AOK-Bundesverband zu aktuellen The- men Nr. 3. Hrsg.: AOK-Bundesverband, Bonn, Fe- bruar 1988

2) Kressin, Udo: Primäre Gesundheitserziehung in der Bundesrepublik Deutschland Ein Überblick über Grundlagen, Möglichkeiten, Grenzen und Wider- stände primärpräventiver Beeinflussung der Bevöl- kerung - Konstanzer Dissertationen, Bd. 41.2 Aufl., Hartung-Gorre-Verlag, Konstanz 1987.

3) Laaser, NL, G. Sassen, G. Murza, P. Sabo (Hrsg.):

Prävention und Gesundheitserziehung. Springer- Verlag, Berlin Heidelberg 1987. ISBN 3-540-18488-0.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Fritz Beske Institut für

Gesundheits-System-Forschung Beselerallee 41

2300 Kiel A-2204 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 31/32, 8. August 1988

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