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Archiv "Systemische Chemotherapie beim Urothelkarzinom" (18.10.1996)

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D

ie primäre Therapie ober- flächlicher Harnblasenkarzi- nome ist die transurethrale Elektroresektion des Tu- mors (TUR), eventuell gefolgt von der sich anschließenden intravesika- len Chemo- oder Immuntherapie.

Mit diesen lokalen Therapiemaßnah- men läßt sich die Rezidivhäufigkeit des Blasentumors im Vergleich zur alleinigen transurethralen Resektion signifikant reduzieren (9, 35). Die primäre Therapie der Wahl beim in- filtrierenden Harnblasenkarzinom ist die radikale Zystoprostatovesi- kulektomie beim Mann beziehungs- weise die vordere Exenteration unter Mitnahme von Harnblase, Uterus und gegebenenfalls der vorde- ren Scheidenmanschette bei der Frau. Die konsekutive supravesikale Harnableitung kann als kontinentes (Ileum-Neoblase, katheterisierbarer Pouch) oder auch als inkontinentes (Ileum-conduit) Harnableitungsver- fahren in Abhängigkeit vom Tumor- stadium, vom Alter des Patienten und von weiteren individuellen Ent- scheidungsmerkmalen durchgeführt werden.

Nach den genannten Operati- onsverfahren ist die Lebenserwar- tung der Patienten mit Harnblasen- karzinom sehr unterschiedlich: Pati- enten mit oberflächlichen Harnbla- senkarzinomen (Stadien pTa, pT1 und Carcinoma in situ) haben eine relativ gute Überlebensrate zwi- schen 80 bis 100 Prozent innerhalb von fünf Jahren (35). Die Prognose muskelinfiltrierender Tumoren des Stadiums pT2 oder tiefer infiltrie- render Stadien (T3a, T3b, und T4) ist deutlich schlechter. Die durch- schnittliche Fünf-Jahres-Überle- bensrate liegt auch bei den Patien- ten, welche vermeintlich durch eine radikale Operation geheilt sind, un- ter 50 Prozent. Entscheidend scheint hier die Begrenzung des Tumor- wachstums auf das Organ zu sein:

Während in jüngeren Arbeiten in den Stadien pT2 und pT3a in 77 Pro- zent der Patienten nach alleiniger ra-

dikaler Zystektomie ein krankheits- freies fünfjähriges Überleben be- richtet wurde (38), liegt die Überle- bensrate bei organüberschreiten- dem Wachstum in den Stadien pT3b

und pT4 unter 30 Prozent (17, 19).

Zur Beeinflussung dieser schlechten Prognose ist einerseits eine genaue Analyse der Ursachen hierfür und andererseits ein entschlossenes the- rapeutisches Vorgehen nötig. Die

folgende Übersicht beschäftigt sich mit den Ursachen der reduzierten Lebenserwartung und stellt Behand- lungsmöglichkeiten sowie deren Er- folgsaussichten dar.

Ursachenanalyse

Angesichts der schlechten Pro- gnose bei Patienten nach radikaler Operation muß zunächst die Frage geklärt werden, ob eine hohe opera- tive Mortalität zur schlechten Pro- gnose beiträgt. Der Vergleich der Literaturergebnisse aus den vergan- genen 40 Jahren zeigte erfreulicher- weise eine Senkung der operativen Mortalität von ungefähr 14 Prozent auf 1 bis 3 Prozent (14, 15, 24, 37).

Die operative Mortalität trägt somit nicht negativ zur Prognose der Pati- enten bei. Im gleichen Zeitraum läßt sich jedoch nur eine geringe Verbes- serung der Fünf-Jahres-Überlebens- rate darstellen. Nur etwa 30 Prozent der Patienten mit organüberschrei- tendem Wachstum des Harnblasen- karzinoms haben demnach auch heutzutage eine Chance, länger als fünf Jahre zu leben.

Ist mangelnde operative Radi- kalität eine andere mögliche Ursa- che für die reduzierte Lebenserwar- tung? Die Antwort ist: nein. Die In- zidenz von Lokalrezidiven nach ra- dikaler Zystektomie ist niedrig und liegt seit mehreren Jahrzehnten zwi- schen 6 und 10 Prozent. Offensicht- lich bestimmt also nicht die lokale, sondern eher eine systemische Pro- gression das Schicksal der Patienten mit infiltrierendem Urothelkarzi- nom der Harnblase. Insbesondere sind Patienten mit einer Lymphkno- tenmetastasierung eine prognostisch schlechte Untergruppe (Tabelle 1).

Bei nachgewiesenem Lymphknoten- befall haben die Patienten unabhän- gig von der Ausdehnung eine Fünf- Jahres-Überlebensrate von unter 20 Prozent. Lediglich innerhalb der er- sten drei Jahre haben Patienten mit nur einem positiven Lymphknoten

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M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 42, 18. Oktober 1996 (49)

Systemische Chemotherapie beim Urothelkarzinom

Andreas Böhle Dieter Jocham

Während beim oberflächlichen Harn- blasenkarzinom die Prognose der Pa- tienten eher günstig ist, sind die Ergeb- nisse beim muskelinfiltrierenden und organüberschreitenden Urothelkarzi- nom trotz radikaler Operation schlecht.

Bei geringer operativer Mortalität und geringer Lokalrezidivrate ist es im we- sentlichen eine systemische Progres- sion, die hierfür verantwortlich ist. In dieser Situation ist nur ein systemischer Therapieansatz sinnvoll – die systemi- sche Polychemotherapie. Die vorliegen- de Übersichtsarbeit untersucht die The- rapieergebnisse im adjuvanten Bereich und beim metastasierten Karzinom und gibt einen Überblick auf die zu erwar- tenden Nebenwirkungen und Risiken.

Klinik für Urologie (Direktor: Prof. Dr. med. Die- ter Jocham), Medizinische Universität zu Lübeck

Tabelle 1

Überleben nach radikaler Zystektomie bei Lymphknotenbefall

Überlebensrate in % 3 Jahre 5 Jahre

alle 27,0 19,0

pN1 30,0 23,3

pN2-3 18,5 18,5

(nach Roehrborn et al., 1991)

(2)

eine bessere Überlebensrate (30 Prozent) als Patienten mit zwei oder mehr befallenen Lymphknoten (18,5 Prozent). Nach fünf Jahren ist stati- stisch kein Unterschied mehr in der Überlebensrate zwischen beiden Gruppen vorhanden (18) (Tabelle 1).

Die eingetretene Lymphknotenme- tastasierung muß somit als ein Zei- chen einer systemischen Tumorpro- gression gesehen werden, die durch lokale Maßnahmen nicht mehr zu sa- nieren ist. Lediglich systemische Therapieansätze wie die systemische Chemotherapie können hier mit Aussicht auf Erfolg eingesetzt wer- den.

Systemische Chemotherapie

Mehrere zytotoxische Einzel- substanzen zeigen eine Aktivität ge- gen das Urothelkarzinom, wobei sich in klinischen Sudien insbesondere Cisplatin, Methotrexat und Doxoru- bicin/Adriamycin durch das Auftre- ten von Vollremissionen als wirksam ausgezeichnet haben. Die objektive Ansprechrate (die Summe aus Voll- remission und Teilremission) lag in Studien mit Einzelsubstanzen zwi- schen 14 und 40 Prozent, durch- schnittlich bei 27 Prozent. Erst duch eine Kombinationstherapie mit meh-

reren Zytostatika konnte ein weite- rer Fortschritt verzeichnet werden (Tabelle 2). Bei bis auf 70 Prozent an- steigender objektiver Remissionsra- te (durchschnittlich 53 Prozent) konnte nunmehr auch mit dem Auf- treten von Vollremissionen bei ei-

nem nicht geringen Teil der Patien- ten gerechnet werden. Die Kombina- tion aus Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin und Cisplatin (M-VAC) erschien hier erfolgversprechend, was sich in weiteren Studien bestätig- te. Die Ergebnisse meh-

rerer aktueller Studien zeigen, daß Vollremissio- nen heute bei durch- schnittlich 22 Prozent der Patienten erzielt werden können (2).

Mehrere Phase-III- Studien mit einem unse- lektionierten Patienten- gut untersuchten den Vorteil unterschiedli- cher Kombinationen sy- stemischer Polychemo- therapie im Vergleich zur Monotherapie mit

der wirksamsten Einzelsubstanz, dem Cisplatin (DDP) (Tabelle 3).

Während sich in den Studien zwi- schen Cisplatin und der Kombinati- on aus Cisplatin und Methotrexat (CM) (6) und zwischen Cisplatin und Cisplatin, Cyclophosphamid und

Adriamycin (CisCA) (8) kein signi- fikanter Unterschied zur Mono- therapie zeigt, wiesen Loehrer und andere (1990) die Überlegenheit der Kombinationschemotherapie mit M- VAC gegenüber der Monotherapie mit Cisplatin nach (10). Derzeit kann somit diese Kombination als die effektivste Chemotherapie bei Patienten mit einem fortgeschritte- nen Urothelkarzinom angesehen werden. Allerdings wird aus dieser Untersuchung auch deutlich, daß bei einem unselektionierten Patienten- gut die Rate an Vollremissionen auf 13 Prozent sinken kann.

In einer weiteren Studie wurden die Kombinationen CisCA und M- VAC miteinander verglichen (11).

Im CisCA-Patientenkollektiv war eine Vollremissionsrate von 25 Pro- zent gegenüber 35 Prozent im M- VAC-Patientenkollektiv zu ver- zeichnen. Obwohl hier bereits ein Unterschied zugunsten von M-VAC deutlich wird, erreichte dieser je- doch nicht das geforderte statisti- sche Signifikanzniveau. Die Rate an objektivem Ansprechen lag mit 46 Prozent in der CisCA-Gruppe eben- falls deutlich niedriger als mit 65 Prozent in der M-VAC-Gruppe (p < 0,05 Prozent). Entscheidend war jedoch die statistisch längere Überlebenszeit der Patienten, wel- che M-VAC erhalten hatten. Diese lag bei 62,6 Wochen gegenüber 40,4

Wochen im CisCA-Kollektiv (p <

0,05 Prozent). Aufgrund dieses ein- deutigen Überlebensvorteils wurde die Studie vorzeitig abgebrochen.

Die mittlere Überlebenzeit von 62,6 Wochen entspricht etwa 15 Mo- naten und bezieht sich auf alle Pati-

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M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

(50) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 42, 18. Oktober 1996 Tabelle 2

Kombinations-Chemotherapie

Autor (Jahr) Schema Patienten Ansprechrate in %

CR PR OR

Gagliano (1983) CA 37 3 40 43

Oliver (1986) CM 11 – – 64

Stoter (1987) CM 43 23 23 46

Carmichael (1985) CM 19 21 47 68

Troner (1981) CisCA 25 – – 38

Schwartz (1983) CisCA 28 7 39 46

Al-Sarraf (1985) CisCA 36 14 28 42

Logothetis (1988) CisCA 48 25 21 46

Harker (1985) CMV 50 28 28 56

Sternberg (1989) M-VAC 121 37 31 68

Logothetis (1990) M-VAC 54 35 30 65

Igawa (1990) M-VAC 58 17 40 57

(nach Trasher und Crawford, 1993)

Tabelle 3

Systemische Chemotherapie beim Urothelkarzinom*

)

Ansprechrate in % Patienten CR PR OR Autor

DDP 55 9 22 31 Hillcoat

CM 53 9 36 45 (1989)

DDP 61 10 17 27 Khandekar

CisCA 67 10 33 43 (1985)

DDP 114 3 6 9 Loehrer

M-VAC 110 13 20 33 (1992)

*) Vergleichende Studien (Phase III) Monotherapie mit Cispla- tin (DDP) vs. Kombinationstherapie

(3)

enten des M-VAC-Behandlungssche- mas. Welche Patienten profitieren je- doch tatsächlich von dieser Thera- pie? Diese Frage läßt sich bei Analy- se der Daten von Sternberg et al.

(1989) (28) beantworten. Die Auto- ren untersuchten das Langzeit-Über- leben von Patienten, welche nach systemischer M-VAC Chemotherapie mit einer Voll- remission (CR), partieller Re- mission (PR), unveränderten Krankheitszeichen (NC) oder Progression (PR) reagiert hat- ten. Lediglich Patienten, bei denen durch die Chemothera- pie eine Vollremission erzielt werden konnte, zeigten eine Verlängerung der Überlebens- zeit oder gar eine Heilung. In dieser Untersuchung mit her- ausragend guten Ergebnissen konnten immerhin 35 Prozent der Pa- tienten eine Vollremission verzeich- nen (28).

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Patient auf eine Chemotherapie an- spricht, läßt sich in gewissen Grenzen vorhersagen. Metastasen verschiede- ner Lokalisation reagieren unter- schiedlich gut auf die M-VAC-Che- motherapie. Es zeigten immerhin 41 Prozent der Patienten mit pulmona- len Läsionen ein vollständiges Ver- schwinden, während in der Leber nur 9 Prozent Vollremissionen zu ver- zeichnen waren. Auch bei Knochen- metastasen, welchen sonst üblicher- weise ein schlechtes Ansprechen nachgesagt wird, war eine Vollremis- sion in über 20 Prozent zu verzeich- nen (26, 28) (Tabelle 4). Patienten mit ausschließlich pulmonaler Filialisie- rung haben somit eine relativ günstige Ausgangssituation für eine syste- mische Chemotherapie.

Adjuvante Therapie

Wie eingangs dargelegt, stellen Patienten mit organüberschreitenden Tumoren (T3b) oder mit Lymphkno- tenmetastasen eine prognostisch außerordentlich ungünstige Populati- on dar. Ist bei diesen Patienten eine frühzeitige Chemotherapie – vor dem Auftreten manifester Fernmetastasen – zu vertreten? Mehrere Arbeitsgrup- pen haben sich mit der Frage nach

der adjuvanten Chemotherapie be- schäftigt (13, 25, 30, 32, 33). Die Pati- enten wurden in diesen Untersuchun- gen randomisiert in eine primär thera- pierte und in eine erst beim Auftreten von Metastasen therapierte Behand- lungsgruppe. Die Studien wiesen un-

terschiedliche Therapiekriterien auf und zeigten inhomogene Ergebnisse.

Bei nur geringer Fallzahl konnte in der jüngsten Untersuchung (31, 30) eine längere Zeit bis zum Progreß in der chemotherapeutisch behandelten Patientengruppe festgestellt werden.

Diese Studie wurde vorzeitig been- det, so daß eine weitere Bestätigung dieser an zwei Kliniken gewonnenen Daten in einer multizentrischen Un- tersuchung nötig ist. Aus diesem Grund wird zur Zeit im Rahmen der

Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) innerhalb der Deutschen Krebsgesellschaft ei- ne adjuvante Chemotherapie-Studie beim Harnblasenkarzinom durchge- führt, um die Indikation zur adjuvan- ten Chemotherapie und die Frage

nach einer Verlängerung der Überle- benszeit zu beantworten (AUO-Stu- die ABO Januar 1994).

Nebenwirkungen und Risiken

Der Preis für die Erfolge der sy- stemischen Chemotherapie ist hoch:

Alle Chemotherapieverfahren zeigen vergleichbar hohe Raten an Neben- wirkungen (Tabelle 5). Es muß nahe- zu immer mit Übelkeit, Myelosup- pression und anderen typischen Pro- blemen der systemischen Zytostase gerechnet werden. Die Sepsisrate liegt bei etwa vier Prozent, die Hospi- talisationszeit der Patienten liegt bei knapp einer Woche pro Behand- lungszyklus. Hier ergibt sich zwangs- läufig die Frage nach der Risiko-Nut- zen-Relation für unsere Patienten. Es muß in jedem Einzelfall entschieden werden, ob ein Patient für eine syste- mische Chemotherapie geeignet ist.

Wenn die biologischen Reserven aus- reichend sind und der Patient einwil- ligt, sollte die Indikation jedoch eher großzügig gefällt werden, da thera- peutische Alternativen zur systemi- schen Chemotherapie bisher nicht vorliegen. Hieraus ergibt sich für die klinische Therapieforschung die Auf- gabe, die Risiko-Nutzen-Relation zu

verbessern. Eine der wenigen gege- benen Möglichkeiten ist es, nach Sub- stanzkombinationen gleicher Effekti- vität, aber mit geringerer Nebenwir- kungsrate zu suchen, um hierdurch die Belastung für den Patienten zu verringern und die Lebensqualität zu

A-2699

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 42, 18. Oktober 1996 (51) Tabelle 4

Systemische Chemotherapie (M-VAC)

Ansprechrate in %

n CR PR OR

Lunge 22 41 36 77

Lymphknoten 50 28 38 66

Leber 11 9 55 64

Knochen 22 23 22 45

Ansprechrate in Abhängigkeit von Metastasenlokalisa- tion (Sternberg et al., 1988)

Tabelle 5

Nebenwirkungen (%) der Chemotherapieprotokolle

MVAC1) CiSCA2) CM3) CMV4)

Übelkeit 59 n. a. 100 100

Leukopenie 81 70 60 >30

Thrombopenie 36 27 33 22

Mucositis 41 n. a. 74 26

Nephrotoxität 31 11 60 30

Ototoxität 2 11 n. a. 6

Sepsis 4 7 4 4

1)Sternberg et al., 1988; 2)Logothetis et al., 1990; 3)Stoter et al., 1987;

4)Scher et al., 1988

(4)

verbessern. Vor diesem Hintergrund scheint die Kombination Etoposid- Ifosfamid bisherigen Phase-II-Un- tersuchungen zufolge ein günstigeres Nebenwirkungsprofil bei gleicher therapeutischer Effektivität zu ha- ben (20, 22). In einer aktuellen multi- zentrischen Phase-III-Studie wird deshalb die genannte Substanzkom- bination unter besonderer Berück- sichtigung von Nebenwirkungsrate und Lebensqualität gegen die eta- blierte Kombination mit M-VAC bei Patienten mit meßbaren Tumorpara- metern überprüft (Jocham D, Böhle A, Studienprotokoll bei den Verfas- sern anzufordern).

Zusammenfassend ist festzustel- len, daß die systemische Kombinati- ons-Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Urothelkarzi- nom der Harnblase die einzige The- rapieoption mit – wenn auch geringer – Aussicht auf Heilung darstellt. Nur Patienten, bei denen eine Vollremis- sion erzielt werden kann, haben die Chance, quoad vitam von der Thera- pie zu profitieren. Diese Chance darf geeigneten Patienten nicht vorent- halten werden. Sowohl die Fragen nach dem generellen Nutzen einer adjuvanten Therapie als auch nach verbesserten Therapiemöglichkeiten mit verringerter Nebenwirkungsrate lassen sich nur in multizentrischen Studien beantworten. Aus diesem Grunde sollte eine systemische Che- motherapie beim Harnblasenkarzi- nom grundsätzlich nicht außerhalb klinischer Studien durchgeführt wer- den. Nur so kann ein Erkenntniszu- wachs bei der Behandlung des Uro- thelkarzinoms erzielt werden, der auch unseren Patienten zugute kommt.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-2697–2700 [Heft 42]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Böhle Klinik für Urologie

Medizinische Universität zu Lübeck Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

A-2700

M E D I Z I N

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT

(52) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 42, 18. Oktober 1996

Während noch vor 15 Jahren ei- ne Dauertherapie bei Morbus Crohn aufgrund einer großen amerikani- schen Studie abgelehnt wurde, lie- gen zwischenzeitlich umfangreiche Daten vor, die zeigen, daß mit 5- ASA, niedrig dosierten, schlecht re- sorbierbaren Kortikosteroiden und Immunosuppressiva Rezidive ver- hindert oder hinausgeschoben wer- den können.

Die Autoren berichten über eine plazebokontrollierte Doppel- blindstudie, bei der 78 Patienten mit Morbus Crohn neun Kapseln Fischöl (2,7 g n-3-Fettsäuren) oder Plazebo erhielten. Unter der Fettsäurethera- pie lag die Rezidivrate bei 28 Pro-

zent, in der Plazebogruppe bei 69 Prozent. Fischöl hat antiinflammato- rische Eigenschaften. Unangeneh- mer Geschmack und Nebenwirkun- gen wie Flatulenz, Sodbrennen, Mundgeruch, Aufstoßen und Diar- rhö lassen Zweifel aufkommen, ob die dünndarmlöslichen Kapseln der angebotenen Fischölpräparate vom Patienten akzeptiert werden. w Beluzzi A, Brignola C, Campieri M, Pera A, Boschi S, Mignoli M: Effect of an enteric-coated fish-oil preparation on relapses in Crohn’s Disease. N Engl J Med 1996; 334: 1557–1560

Institute of Clinical Medicine and Ga- stroenterology, Department of Clinical Pharmacology, University of Bologna, Via Vizzani, 36, 40138 Bologna, Italien

Fischöl zur Morbus-Crohn-Prophylaxe

Die Pathogenese der Alzheimer- schen Krankheit ist nicht geklärt. Es wurden mittlerweile jedoch einige Proteine identifiziert, die bei dieser Krankheit eine Schlüsselrolle zu spie- len scheinen. So wird durch spezifi- sche proteolytische Spaltung des amy- loid-precursor-Proteins (APP) das Amyloid-beta Peptid (Ab) in den Ex- trazellularraum abgegeben. Bei der Alzheimerschen Krankheit aggregiert dieses Peptid und bildet extrazelluläre Plaques, die für den neuropathologi- schen Befund charakteristisch sind.

Jetzt ist es gelungen, einen Re- zeptor für Ab zu identifizieren und somit eine physiologische Rolle des Peptides zu beschreiben. Es handelt sich hierbei um RAGE (receptor for advanced glycation end products), welcher in Zellkulturen durch Bin- dung von Ab oxidativen Streß und Zytotoxizität auslösen kann (3). RA- GE, der auch auf der Oberfläche von Neuronen vorkommt, weist in den von Degeneration betroffenen Hirn- gebieten eine erhöhte Expression auf, was die mögliche Bedeutung die- ses Rezeptors für die Pathogenese unterstreicht.

Ein anderer Zielort für Abist der class-A-scavanger-Rezeptor (SR), der auf Mikroglia lokalisiert ist und unter anderem Endozytose und Degradie- rung verschiedener zellulärer Kom- ponenten vermittelt und so in die neu-

ronalen Abbauprozesse eingreifen kann (1).

Eine weitere Arbeit, die die Schlüsselrolle von Aß bei der Patho- genese unterstützt, basiert auf epide- miologischen Daten. So wurde festge- stellt, daß die Plasmakonzentration von Abbei Genträgern, die Mutatio- nen in den Proteinen APP, Presenilin 1 oder 2 haben und somit eine Prädis- position für ein frühes Auftreten der Demenz besitzen, signifikant erhöht ist (2). Da die Mutationen auf ver- schiedenen Proteinen zu finden sind, aber alle die gleiche Wirkung, nämlich die verstärkte Sekretion von Ab,her- vorrufen, unterstreicht dies die Be- deutung dieses Peptides für die Patho- genese. Mit der Identifizierung der beiden Rezeptoren ist ein potentieller Zielort für die pharmakologische Therapie identifiziert worden. me 1. Khoury, J E, Hickman, S E, Thomas, C A, Cao L, Silverstein, S C, Loike, J D:

Scavenger receptor-mediated adhesi- on of microglia to b-amyloid fibrils.

Nature 1996; 382: 716-71

2. Scheuner, D, Eckman, C, Jensen, M et al.: Secreted amyloid b-protein similar to that in the senile plaques of Alzhei- mer´s disease is increased in vivo by the presenilin 1 and 2 and APP muta- tions linked to familial Alzheimer´s disease. Nature Medicine; 1996; 2: 864- 870

3. Yan, S D, Chen, X, Fu, J et al.: RAGE and amyloid-bpeptide neurotoxicity in Alzheimer´s disease. Nature 1996; 382:

685-690

Rezeptor für Amyloid-beta Peptid entdeckt

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