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Archiv "Amaurosis fugax: Warnsymptom vor Schlaganfall und Herzinfarkt" (08.11.1990)

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(1)

ZUR F i RTBILDUNG

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gerhard Rothacher, Günter Krämer

und Gisbert Richard

Das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts mit seinen häufig fatalen Folgen läßt sich bei einem Teil der Patienten vermindern, wenn vorausgehende Wamsymptome erkannt und entsprechend behandelt werden. Die ischämisch be- dingte, vorübergehende monokuläre Sehstörung (Amaurosis fugax) entspricht einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) der Retina. Schlaganfall- beziehungsweise Herzinfarkt- risiko sind bei diesen Patienten im Vergleich zu gleichal- trigen Kontrollpersonen um das Vier- bis Fünffache erhöht.

Amaurosis fugax:

Warnsymptom vor

Schlaganfall und Herzinfarkt

ine plötzliche Sehstö- rung ist häufig Aus- druck einer vaskulären Erkrankung und führt entsprechend ihrer Lo- kalisation zu unterschiedlichen Sym- ptomen. Erste Berichte über die Amaurosis fugax (AF) und Vermu- tungen über ihre ischämische Gene- se gibt es seit Mitte des letzten Jahr- hunderts (Ubersicht bei 5). Werden die hinter der Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum über der Hypo- physe) gelegene Sehbahn oder die Sehrinde beeinträchtigt, kommt es zur homonymen Hemianopsie, davor gelegene Läsionen betreffen meist die Retina und führen zu monokulä- ren Störungen. Im folgenden wird das klinische Bild der vaskulär-isch- ämisch bedingten AF beschrieben und anderen Ursachen der vorüber- gehenden monokulären Sehstörung gegenübergestellt.

Epidemiologie

Die AF tritt mit einer Inzidenz von etwa sieben pro 100 000 Einwoh- ner und Jahr auf, was etwa einem Viertel bis zu einem Fünftel der vor- übergehenden zerebralen Ischämien entspricht (4). Sie ist, wie die zere- brale transitorische ischämische At-

tacke (TIA), zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr am häufigsten (mehr als zwei Drittel der Fälle), Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen (3, 4, 23, 27).

Vergleichbar zur zerebralen TIA kommt der AF eine besondere Bedeutung als Indikator eines gene- ralisierten Gefäßprozesses zu. Von den zum Gehirn führenden Gefäßen ist die ipsilaterale A. carotis am häu- figsten betroffen und zeigt bei etwa 80 Prozent der Patienten arterioskle- rotische Veränderungen, davon 30 bis 40 Prozent ulzerierte Plaques oder höhergradige Stenosen (3, 17, 38, 21, 30, 31).

Die hohe Koinzidenz von Koro- nar- und Karotisstenosen spiegelt sich in dem gegenüber dem Alters- durchschnitt auf das Vier- bis Fünf- fache erhöhten Risiko eines tödli- chen Herzinfarktes und Schlaganfal- les wider (22, 23, 27). Das Risiko der Erblindung des betroffenen Auges ist hingegen gering und liegt bei zir- ka einem Prozent pro Jahr (4). Ge- genüber gleichaltrigen Kontrollper- Neurologische Klinik und Poliklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Hanns Christian Hopf) und

Augenklinik und Poliklinik (Direktor:

Prof. Dr. med. Arno Nover) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

sonen liegt die Gesamtmortalität dieser Patienten pro Jahr um den Faktor 1,5 höher.

Pathogenese

1952 erkannte Fisher erstmals die Bedeutung der AF als Warnsym- ptom eines Schlaganfalls im ipsilate- ralen Karotisstromgebiet (5). Einige Jahre später beobachtete er bei ei- nem Patienten ophthalmoskopisch kleine weiße Partikel, die von der Zentralarterie in Richtung Periphe- rie wanderten. Immer wenn ein sol- ches Partikelchen auftauchte, gab der Patient einen plötzlichen Visus- verlust an, der sich mit dem Ver- schwinden des Partikels wieder voll- ständig zurückbildete (6). Aus dieser später vielfach bestätigten Beobach- tung schloß er auf den embolischen Charakter der Sehstörung.

Embolien:

Als wichtigste Emboliequellen müssen ipsilaterale Karotisstenosen oder -verschlüsse und ulzerierte Pla- ques genannt werden. Mit zirka 25 Prozent steht die kardiale Embolie an zweiter Stelle (1, 2, 30). Bei etwa einem Drittel der Patienten ist eine A-3532 (52) Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990

(2)

Dauer (Min.)/Anteil (%) (Erst-)Autor n

Tabelle 1: Dauer von Amaurosis fugax (AF) — und zerebralen transi- torischen ischämischen Attacken (TIA)

Marshall 1968 (3) AF

Goodwin 1987 (2)

0-5' 43%

0-6' 57%

10-15' 5%

15-30' 12%

>15' 17%

30-60' 12%

>60' 12%

67

35

5-10' 10%

6-15' 23%

Levy 1988 (34) TIA

Bogousslavski 1986 (33)

0-30' 57%

0-15' 38%

15-30' 27%

30-60' 11%

30-60' 7%

205*

416 >60'

36%

>60' 27%

* davon 8% mit AF

eindeutige Zuordnung zu einer Em- boliequelle nicht möglich (30, 33).

In Abhängigkeit von ihrer Zu- sammensetzung lassen sich drei un- terschiedliche Embolustypen (gelbe, graue oder rote und weiße) unter- scheiden. Die häufigsten sind gelbe Cholesterinemboli (nach dem Erst- beschreiber als Hollenhorst-Emboli bezeichnet), die von ulzerierten Pla- ques des ipsilateralen Karotisstrom- gebiets ausgehen (7, 8). Hollenhorst- -Emboli können gelegentlich beim Spiegeln des Augenhintergrundes beobachtet werden (Abbildung 1).

Seltener sind graue oder rote, aus Fibrin und Thrombozyten zusam- mengesetzte Emboli. Sie sind häufi- ger asymptomatisch und lösen sich meist von der Oberfläche arterio- sklerotischer Wandveränderungen der ipsilateralen Arteria carotis (7, 9). Weiße Emboli enthalten Kalk und stammen von Herzklappenver- änderungen wie Mitral- oder Aor- tenstenose (7, 10) oder von rheuma- tischen Herzveränderungen (11).

Vereinzelt wurden bei intravenösem Drogenabusus auch Mikroemboli aus Talg beobachtet (7). Neben der direk- ten Beobachtung belegen auch chemi- sche Untersuchungen des gestreuten Materials und seiner Quelle die em- bolische Genese der Amaurosis fugax, ferner das Sistieren der AF-Sympto- matik nach Sanieren der Embolie- quelle in der Karotis beziehungsweise am Herzen und nicht zuletzt das An- sprechen auf Thrombozytenaggrega- tionshemmer.

Abbildung 1: Darge- stellt sind in einer rotlichtfreien Aufnah- me multiple Chole- sterinemboli (Hollen- horst-Plaques) in den Retinagefäßen einer 37jährigen Patientin.

Die Cholesterin- emboli waren für die Dauer von mehreren Stunden nachweis- bar, bis sie sich all- mählich aufgelöst hatten

Hämodynamische Störungen:

An zweiter Stelle kommt als Ur- sache der AF eine hämodynamische Störung in Betracht. Hierbei spielen neben einem Verschluß der ipsilate- ralen A. carotis interna auch vorge- schaltete hochgradige Stenosen im Gebiet der A. carotis interna, selten auch der A. ophthalmica oder der A.

carotis externa, eine Rolle. Ein Ab- fall des systemischen Blutdrucks oder eine stenosebedingte Änderung der Druckverhältnisse mit einer hier- aus resultierenden Umverteilung des Blutes (Stealphänomen) führen zu einer Minderdurchblutung der Reti- na (7, 12, 13). Gelegentlich können auch intrakranielle Gefäßmalforma-

tionen durch ein Stealphänomen ei- ne AF auslösen (1, 14). Klinisch ist eine hämodynamisch bedingte AF oft durch einen etwas langsameren Ablauf des Visusverlustes gekenn- zeichnet.

Andere Ursachen:

Auch eine im Rahmen einer ma- lignen Hypertonie auftretende Isch- ämie des Sehnervenkopfes kann die Symptomatik der AF auslösen. Dar- über hinaus spielen Veränderungen des Hämatokrits, des Blutgerin- nungssystems und entzündliche Ge- fäßerkrankungen eine wichtige Rolle in der Pathogenese (14). Vasospas-

Tabelle 2: Differentialdiagnose der vorübergehenden monoku- lären Blindheit

—Amaurosis fugax

—Migräne

Arteriitis temporalis hypertensive Krise

—Blutdruckabfall

— intraokuläre Ursachen (Blutung, Glaukom, Drusen) Papillenödem bei Hirndruck

— intraorbitale Tumoren (z. B. Hämangiom, Osteom)

— einseitige Ptosis

—funktionelle Störung ohne erkennbare Ursache

Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990 (55) A-3535

(3)

Abbildung 2: Kumulative Darstellung des zeitlichen Ablaufs von Amaurosis fugax (AF) und zerebralen transitorischen ischämischen Attacken (TIA). Auf der Abszisse ist die Dauer von AF beziehungsweise zerebraler TIA dargestellt, auf der Ordinate ist der Anteil an der unter- suchten Population aufgetragen (nach 2, 3, 33, 34)

men der Retinagefäße haben im Ge- gensatz zur Migräne bei der AF nur selten eine Bedeutung (1, 18). Der Krankheitsverlauf jüngerer Patien- ten unter 40 Jahren unterscheidet sich auch unbehandelt nicht von Ge- sunden (15, 22, 23). Eine Embolie- quelle läßt sich nur selten nachweisen, dagegen finden sich in dieser Alters- gruppe am häufigsten Hinweise auf ei- ne funktionelle Störung (15, 16).

Klinische Symptome

Die AF des Auges entspricht ei- ner TIA der Retina (4, 28). Sie ist durch einen schmerzlosen, plötzlich auftretenden Visusverlust auf einem Auge gekennzeichnet, der sich läng- stens nach 24 Stunden wieder voll- ständig zurückbildet. Die AF bildet sich in wenigen Sekunden aus und hält meist eine halbe bis zwei Minu- ten an. Sie ist somit kürzer als eine zerebrale TIA (Tabelle 1, Abbildung 2). Überwiegend ist das ganze Ge- sichtsfeld betroffen, in etwa einem Drittel der Fälle nur ein Teil, meist mit horizontaler Begrenzung zum Gesunden, und auffallend häufig das obere Drittel. In der Regel werden Negativsymptome wie Schwarz- oder Dunkelwerden genannt, helle Licht- erscheinungen sind selten (2, 3). Un- charakteristische Angaben wie Ne- bel- oder Schleiersehen können durch das Sehen mit einem kranken und ei- nem gesunden Auge entstehen, da die Patienten selten eine seitengetrennte Visusprüfung (durch Abdecken eines Auges) durchführen.

Häufig wird ein Vorhang oder Nebel beschrieben, der sich entspre- chend der betroffenen Retinaarterie von oben oder unten in das Gesichts- feld schiebt (Abbildung 3). Die Rück- bildungszeit ist von der Dauer der Erblindung abhängig; je länger sie anhält, desto länger dauert auch die Rückbildungsphase. Wiederholte AF-Attacken laufen meist mono- morph nach demselben Muster ab.

Gleichzeitig mit der AF auftretende fokal-neurologische Symptome sind extrem selten. Treten gleichzeitig mit der Sehstörung kardiale Palpita- tionen oder pektanginöse Beschwer- den auf, spricht dies für eine kardiale Emboliequelle (33).

Tabelle 3: Ischämische Ursa- chen der Amaurosis fugax

symptomatische Karotisstenose kardiale Embolie

—hämodynamisch bei Blutdruckabfall

—Hämokonzentration

—Arterienspasmus

—Karotisdissektion

—Gefäßmalformation

Fokalneurologische Symptome des Karotisstromgebietes (Aphasie, Hemisymptomatik), die zusammen oder unabhängig vom vorübergehen- den, schmerzlosen, monokulären Vi- susverlust auftreten, sprechen für das Vorliegen einer embolisch be- dingten AF. Auskultation von A. ca- rotis und Herz, Herzrhythmusstö- rungen oder Vorerkrankungen erge- ben Hinweise auf die Emboliequelle.

Das Auftreten eines ipsilateralen Hornersyndroms oder Schmerzen im Hals- beziehungsweise Schläfenbe- reich begründen im Zusammenhang mit einer AF den Verdacht auf eine Karotisdissektion.

Diagnostik der Arnaurosis fugax

Die wichtigsten diagnostischen Überlegungen lassen sich aus den anamnestischen Angaben ableiten, wobei häufig direktes Nachfragen nach den verschiedenen Leitsympto- men notwendig ist. Wie bei der zere- bralen TIA ist die Symptomatik selbst bei der Untersuchung in aller Regel nicht mehr nachweisbar.

Zunächst muß sicher sein, daß es sich um eine monokuläre Sehstö- rung gehandelt hat. Eine homonyme Hemianopsie mit Gesichtsfeldausfall nach einer Seite hin ist nicht immer leicht auszuschließen. Die längere Dauer und die im Gegensatz zur AF vertikale Begrenzung des Gesichts- felddefektes sprechen für eine die Sehbahn betreffende Störung. Be- gleitende fokalneurologische Sym- ptome wie kontralaterale Hemisym- ptomatik erlauben keine sichere Dif- ferenzierung, sind aber bei der ho- monymen Hemianopsie wesentlich häufiger. Bewußtseinsstörungen tre- ten bei der AF nie auf und sprechen für eine andere Genese oder Lokali- sation der Störung. Positive visuelle Symptome wie Flimmern, Blitze oder helle Zickzackfiguren finden A-3536 (56) Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990

(4)

sich zwar gelegentlich als retinales Reizsymptom am Rande der Isch- ämiezonen, sind aber bei der AF sel- ten und sprechen für eine andere Genese (meist Migräne).

Bei der augenärztlichen Unter- suchung (einschließlich Perimetrie) sollte vor allem auf lokale Ursachen eines monokulären Visusverlustes geachtet werden. Hierzu gehören unter anderem Erkrankungen der Papille (Drusenpapille, Stauungspa- pille), Glaukom und Glaskörpertrü- bungen, Tumoren und entzündliche Veränderungen der vorderen Au- genabschnitte. Lokale Gefäßverän- derungen der retinalen und der cho- roidalen Gefäße lassen sich fluores- zenz- oder videoangiographisch be- urteilen (19). Das Ausmaß lokaler oder vorgeschalteter Strömungshin- dernisse kann videoangiographisch durch das Bestimmen differenzierter Kreislaufzeiten eingeschätzt werden (37, 39).

Bei der internistischen Untersu- chung müssen in erster Linie eine kardiale Emboliequelle und beste- hende Gefäßrisikofaktoren wie arte- rielle Hypertonie, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen abge- klärt werden. Die routinemäßig er- mittelten Laborparameter schließen ein Blutbild einschließlich Hämato- krit und Thrombozytenzählung, ei- nen Gerinnungsstatus und eine BSG ein. Als kardiologische Basisdiagno- stik sollte immer ein Ruhe-EKG durchgeführt werden.

Auskultatorische Hinweise auf ein Vitium müssen gegebenenfalls echokardiographisch, Herzrhythmus- störungen mit einem Langzeit-EKG abgeklärt werden. Bei Patienten mit

Abbildung 3: Synopti- sche Darstellung der Dynamik von Ge- sichtsfeldveränderun- gen (a), retinalen Ischärnieterritorien (b), und Gefäßpro- zessen in den Reti- naarterien (c) bei Amaurosis-fugax-At- tacken. Mit wech- selnder Lokalisation des Gefäßverschlus- ses (1-4) ändert sich auch die Symptoma- tologie entsprechend dem Ischämieterrito- rium (aus Gelmers, H. J., G. Krämer, W.

Hacke, M. Hennerici:

Zerebrale Ischämien.

Springer-Verlag, Ber- lin-Heidelberg-New York 1989; nach 29)

Vorhofflimmern erhöht ein echokar- diographisch nachgewiesener vergrö- ßerter linker Vorhof die Wahrschein- lichkeit einer kardialen Embolie. War in den letzten sechs Monaten vor dem Ereignis ein Herzinfarkt aufgetre- ten, sollte sonographisch ein wand- ständiger intrakardialer Thrombus ausgeschlossen werden. Hinweise auf eine koronare Herzkrankheit sollten im Belastungs-EKG und ge-

gebenenfalls mit Koronarangiogra- phie abgeklärt werden.

Patientinnen, die orale Kontra- zeptiva einnehmen, sollten zumin- dest vorübergehend eine andere Form der Empfängnisverhütung wählen.

Zur neurovaskulären Basisdia- gnostik stehen die Doppler- und Du- plexsonographie der Karotiden so- wie die transkranielle Dopplersono- graphie zur Verfügung. Nahezu alle Gefäßveränderungen der A. carotis, insbesondere an Bifurkation und Ka- rotissiphon, lassen sich sonogra- phisch darstellen (17, 38). Die hohe Ubereinstimmung von doppler- und duplexsonographischen Befunden mit der Karotisangiographie (bis 95 Prozent) machen die Sonographie bei fehlendem Untersuchungsrisiko zur idealen Screeningdiagnostik. Die venöse DSA der Karotiden bietet ge- genüber der Duplexsonographie kei- ne zusätzliche Information; die Ka- rotisbifurkation läßt sich sonogra- phisch meist besser beurteilen. D Tabelle 4: Diagnostik bei Amaurosis fugax

—klinische Untersuchung

(internistisch, kardiologisch, neurologisch, ophthalmologisch)

—Karotis-Dopplersonog,raphie

—B-Scan- und Duplexsonographie

—transkranielle (inklusive transorbitale) Dopplersonographie

—EKG

—Schädel-Computertomographie

—zerebrale Angiographie

—Langzeit- oder Belastungs-EKG

—Echokardiographie

—Fluoreszenz- bzw. Videoangiographie

Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990 (59) A-3539

(5)

Tabelle 5: Therapie der Arnaurosis fugax

Thrombozytenaggregationshemmer (Azetylsali- zylsäure 300 mg/die) oder alternativ ipsilaterale Karotisthrombendarterektomie

symptomatische Karotisstenose:

akut hochdosierte Heparingabe 1000-1200 E/h i. v. bis aktivierte partielle Thromboplastinzeit (PTT) auf das 2-2,5fache verlängert; Langzeit- prophylaxe mit Antikoagulantien (Cumarin-Deri- vaten)

kardiale Emboliequelle:

Mitralklappen- prolapssyndrom:

Thrombozytenaggregationshemmer (Azetylsalizylsäure 300 mg/die) kein Embolie-

quellennachweis:

probatorisch Azetylsalizylsäure 300 mg/die über ein Jahr Die arterielle DSA beziehungs-

weise Blattfilmangiographie ist die derzeit genaueste Untersuchung des extra- und intrakraniellen Karotis- stromgebiets. Sie ist aber auch mit dem höchsten Untersuchungsrisiko für den Patienten verbunden und deshalb nur bei besonderen Frage- stellungen (Vaskulitis, Tumor, in- trakranielle Stenose) oder vor einer möglichen operativen Intervention indiziert.

Da ihr Schlaganfallrisiko nicht groß ist, sollten AF-Patienten unter 55 Jahren nur ausnahmsweise angio- graphiert werden (38, 20, 22). Hier empfehlen sich sonographische Ver- laufskontrollen. Erst bei rascher Pro- gredienz des Gefäßprozesses ist vor einer möglichen operativen Inter- vention unter Umständen eine An- giographie erforderlich.

Drei Viertel der Patienten mit einer potentiellen kardialen Embo- liequelle haben auch ipsilaterale ar- teriosklerotische Karotisveränderun- gen, und etwa 25 Prozent der Patien- ten mit Karotisveränderungen haben eine potentielle kardiale Embolie- quelle (30, 33). In diesen Fällen sprechen ein Karotisverschluß, eine hochgradige (> 75 Prozent) Karotis- stenose, eine ulzerierte Oberfläche der Plaques beziehungsweise ein in- homogenes Echomuster der Plaques für eine „Karotis"-Emboliequelle, während mit der AF einhergehende Palpitationen, pektanginöse Be- schwerden oder glatt begrenzte, ge- ringgradige (< 30 Prozent) Karotis- stenosen eher bei kardialen Embo- liequellen zu beobachten sind (30, 33, 40, 41).

Computertomographisch finden sich bei einem Viertel aller Patien- ten Hinweise auf stattgehabte zere- brale Ischämien. Zur Frage der Em- boliequellen geben die CT-Befunde keine Information: Multiple, über beide Hemisphären verteilte und verschiedene Gefäßgebiete betref- fende Infarktareale finden sich bei kardialen und karotisbedingten Em- bolien gleich häufig (33).

Dagegen kann die Zahl der (auch klinisch stumm verlaufenden) zerebralen Ischämien eine Entschei- dungshilfe für das weitere therapeu- tische Vorgehen darstellen. Bei un- typisch verlaufenden AF-Attacken

müssen eine intrakranielle Raumfor- derung oder eine Gefäßmißbildung ausgeschlossen werden.

Differentialdiagnosen

• Die häufigste Differentialdia- gnose sind die einer Migräne voraus- gehenden Sehstörungen. Durch die anschließenden Kopfschmerzen mit Übelkeit und Lichtscheu und der meist schon viele Jahre bestehenden Migräneanamnese lassen sie sich re- lativ einfach von der AF abgrenzen;

Kopfschmerzen gehören nicht zum klinischen Bild der AF. Phänomeno- logisch überwiegen bei der Migräne positive visuelle Erscheinungen wie Blitze, Flimmern oder Verlust des Farbsehens und Weißwerden des Gesichtsfeldes. Diese Sehstörungen halten gegenüber der AF länger an und betreffen vor allem das zentrale Sehen mit vergrößertem Zentralsko- tom (2, 8).

• An eine Riesenzellenarteri- itis muß bei Schmerzen im Schläfen- bereich, beim Bewegen des Auges oder beim Kauen, mit verdickter, stärker geschlängelter und druck- schmerzhafter A. temporalis gedacht werden. Eine allerdings nur bei zwei Dritteln der Fälle stark beschleunig- te BSG ist Hinweis auf eine entzünd- liche Gefäßerkrankung. Schon auf- grund der Verdachtsdiagnose sollte eine Kortisontherapie eingeleitet werden, noch vor dem Sichern der Diagnose durch Biopsie der Tempo- ralarterie.

• Bei einem einseitigen Visus- verlust infolge eines akuten Glau- komanfalls bestehen heftige Kopf- und Augenschmerzen. Die Erblin- dung hält meist länger als eine Stun- de an. Das Auge ist gerötet, die Pu- pille vergrößert und der Augapfel steinhart. Beim Engwinkelglaukom wird allerdings gelegentlich eine kurzdauernde Blindheit ohne beglei- tende Schmerzen beobachtet (meist unter einer Minute). Da der Augen- innendruck im Intervall normal sein kann, ist die Diagnose in solchen Fällen schwer zu stellen (14).

• Patienten mit einer Stau- ungspapille als Ausdruck eines er- höhten Hirndrucks berichten immer wieder über eine vorübergehende monokuläre Blindheit von ein bis zwei Minuten Dauer. Auslösemecha- nismus ist hierbei oft eine rasche Kopfbewegung.

• Die hypotoniebedingte mon- okuläre Blindheit wird durch eine konzentrische Einengung des Ge- sichtsfeldes eingeleitet und hält län- ger an als eine AF. Bei der Rückbil- dung kehrt das Gesichtsfeld von zen- tral zur Peripherie hin zurück.

Therapie bei Amaurosis fugax

Bestehende Gefäßrisikofaktoren sind konsequent zu behandeln. Bei Hämokonzentration (Hk>45) ist die Durchführung eines isovolämischen Aderlasses angezeigt. Unter einer Therapie mit dem Thrombozyten- A-3540 (60) Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

An•bole Steroide und

Fortpflanzungsfunktionen bei Bodybuildern

aggregationshemmer Acetylsalicyl- säure (ASS) oder nach einer ipsilate- ralen Karotisthrombendarteriekto- mie sinkt die Frequenz der RF-At- tacken oder sie sistieren. Dauer und Anzahl der AF-Attacken haben kei- nen Einfluß auf die Prognose der Er- krankung, so daß im Gegensatz zur zerebralen TIA häufige AF-Attak- ken alleine keine Indikation zur the- rapeutischen Heparinisierung dar- stellen. Dagegen wird bei nachgewie- sener kardialer Emboliequelle meist eine sofortige hochdosierte Heparin- gabe mit anschließender Marcumari- sierung durchgeführt.

Eine Sonderstellung nimmt der Mitralklappenprolaps ein, der als kardiale Emboliequelle diskutiert werden muß und mit ASS behandelt werden kann.

Bei Patienten mit symptomati- schen Karotisstenosen wird das Risi- ko eines tödlichen Schlaganfalles oder Herzinfarktes durch die alleini- ge Gabe von Thrombozytenaggrega- tionshemmern oder durch eine ipsi- laterale Karotisthrombendarteriek- tomie mit anschließender Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern in einem vergleichbaren Umfang um etwa 25 Prozent vermindert (12, 24, 25). Keines der beiden Therapiekon- zepte hat sich bislang als überlegen gezeigt. In großen multizentrischen randomisierten Studien wird derzeit in Europa und den USA geprüft, für welche Patienten die Operation und für welche ein ausschließlich konser- vatives Vorgehen am günstigsten ist (35, 36).

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über die Verfasser.

Anschriften der Verfasser:

Dr. med. Gerhard Rothacher Dr. med. Günter Krämer Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität Langenbeckstraße 1 W-6500 Mainz

Prof. Dr. med. Gisbert Richard Universitäts-Augenklinik Langenbeckstraße 1 W-6500 Mainz

O

bwohl die Anwendung anaboler Steroide durch Leistungssport- ler und Bodybuilder der Öffentlich- keit gut bekannt ist, weiß man über das Ausmaß dieses Mißbrauchs, die einzelnen Präparate, ihre Dosierun- gen und Nebenwirkungen relativ we- nig. Licht in dieses Dunkel bringt ei- ne Untersuchung des Instituts für Reproduktionsmedizin der Westfäli- schen Wilhelms-Universität in Mün- ster.

Die ausführliche Befragung von 41 Bodybuildern (mittleres Alter 26,7 Jahre) ergab, daß von ihnen in den letzten 12 Monaten vor der Un- tersuchung über 40 verschiedene Anabolikapräparate verwandt wur- den. Am häufigsten wurden Testo- steron-Ester, 19-Nortestosteron-E- ster, Methandrostenolon, Methono- lonacetat und Stanazolol eingesetzt, die zusammen etwa 88 Prozent des Verbrauchs ausmachten. Die monat- lich von den Bodybuildern konsu- mierten Steroidmengen übertrafen die klinisch eingesetzten Dosen er- heblich, in Einzelfällen bis um das 40fache! Meist wurden unterschied- liche Arten von Anabolika gleichzei- tig für drei bis fünf Monate einge- setzt. An diese Einnahmezeiten schlossen sich dann einnahmefreie Intervalle gleicher Länge an. Danach begann die Einnahme von neuem.

Dieses Einnahmeverfahren wird als

„stacking" bezeichnet.

Während es sich bei einigen Prä- paraten um in der Bundesrepublik zugelassene Medikamente handelt, die von Ärzten verschrieben werden können, stammen andere aus illega- len und internationalen Quellen, die einen florierenden Schwarzmarkt beliefern. Selbst nur für den Veteri- närbereich im Ausland zugelassene Steroide wie Trenbolon kamen zum Einsatz.

Über die negative Beeinflussung der Fortpflanzungsfunktion durch Anabolika gab es bisher nur Vermu- tungen oder anekdotenhafte Berich- te. Die Münsteraner Forscher gingen

der Frage genauer nach. Sie unter- suchten die Spermien der 41 Body- builder und verglichen die Ergebnis- se mit den von 41 altersentprechen- den Normalpersonen. Nur fünf der normalen Freiwilligen hatten Sper- mienkonzentrationen unter der Normgrenze von 20 Mill./ml (Oligo- zoospermie); bei den Bodybuildern waren es jedoch 24 der 41 Personen, von denen acht überhaupt keine Spermien aufwiesen (Azoospermie).

Im Mittel lag die Spermienkonzen- tration der Kontrollgruppe bei ei- nem Median von 57 Mill./ml, die der Bodybuilder bei 4,3 Mill./ml. Je län- ger die Einnahme der Anabolika zu- rücklag, desto höher war wieder die Spermienkonzentration.

Daraus wird gefolgert, daß auch die Einnahme extrem hoher Anabo- likadosen die Spermienproduktion nur vorübergehend unterdrückt. Da darüber hinaus bis auf eine Gynäko- mastie bei einem der Bodybuilder keine akuten Nebenwirkungen beob- achtet wurden, wird das Ergebnis dieser retrospektiven Studie dahin- gehend interpretiert, daß anabole Steroide durchaus als männliches Kontrazeptivum in Frage kommen — dann allerdings in niedriger klini- scher Dosierung! Ungeklärt bleibt, welche Folgen die von den Bodybuil- dern eingenommenen extrem hohen Steroiddosen langfristig auf Herz- kreislaufsystem, Leber und Prostata haben können. nec

Knuth, U. A., H. Maniera, E. Nieschlag:

Anabolic steroids and semen parameters in bodybuilders. Fertility and Sterility 52:

1041-1047, 1989 (December 1989).

Prof. Dr. med. Eberhard Nieschlag, Direk- tor des Instituts für Reproduktionsmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität, Steinfurter Straße 107, W-4400 Münster.

Dt. Ärztebl. 87, Heft 45, 8. November 1990 (63) A-3543

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