Mit einer Inzidenz von fast drei Prozent der Bevöl- kerung ist die Onychomykose ein verbreitetes Leiden. Ze- hennägel sind viermal so häu- fig befallen wie Fingernägel.
Der Befall ist bei älteren Per- sonen erheblich häufiger als bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Abwehrschwäche (Diabetes, HIV-Infektion, Hämodialyse, Tumor- und Leukämiepatien- ten, Down-Syndrom) begün- stigt die Entwicklung der Onychomykose mit multi- plem Nagelbefall. Nach englischen Untersuchungen (Evans) ist der Pilzbefall des Nagels für sieben Prozent der Zehenamputationen bei Dia- betikern verantwortlich.
Infektionsquellen Die Pilzinfektion der Nä- gel ist eine häufig traumatisch ausgelöste Folge einer jahre- lang vorbestehenden Pilzin- fektion der Haut, die vor al- lem bei intertriginösem Be- fall oft nicht beachtet wird.
Infektionsquellen sind be- kanntlich Schwimmbäder, Fitneßzentren und Sporthal- len. N. Raboobee (Dur- ban/Südafrika) verglich gläu- bige Moslems mit Personen, die nicht regelmäßig Mo- scheen besuchten. 78 Prozent der Muslime waren im Ver- gleich zu 42 Prozent der Kon- trollen von einer Tinea pedis et ungium befallen. Bar- fußlaufen ist auch hier die Ursache für die weite Ver- breitung der Pilze, deren Spo- ren sich massenhaft auf den Teppichen finden.
Kommt es nach Aushei- lung der Onychomykose zum Wiederaufflackern der Er- krankung, so handelt es sich um eine neu erworbene Fuß- pilzinfektion. Für die Entste- hung der Onychomykose werden individuelle prädis-
ponierende Faktoren mit ver- antwortlich gemacht. Für die dauerhafte Lösung des Pro- blems ist es wichtig, eine bestehende Onychomykose konsequent zur Ausheilung zu bringen und eine sinnvolle Rezidivprophylaxe zu betrei- ben.
Nach ihrem klinischen Bild werden fünf Formen der Onychomykose unterschie- den:l die distal-laterale sub- unguale
l die oberflächliche weiße l die proximale subun- guale
l die dystrophe Ony- chomykose und
l die fast ausschließlich die Fingernägel befallende Candida-Onychomykose.
Die subunguale Ony- chomykose befällt immer Na- gelmatrix und Nagelplatte in ihrer ganzen Tiefenausdeh- nung. Nur die bei AIDS- Patienten oft mit Befall aller Nägel auftretende, durch Trichophyton menta- grophytes verursachte ober- flächliche weiße Onychomy- kose beschränkt sich auf die oberste Schicht der Nagel- platte. Die proximale Ony- chomykose findet sich bei
AIDS-Patienten und bei Pati- enten mit peripherer Vascu- lopathie. Die Candida-Infek- tion wird häufig als Sekun- därinfektion bei Paronychie oder bei Patienten mit chro- nischer mukokutaner Candi- dose gesehen; vor allem aber bei Frauen, die ihre Hände viel im Wasser haben.
Wegen der Verwechs- lungsmöglichkeiten mit nicht infektiös bedingten Nagel- veränderungen, vor allem bei Psoriasis, wird die mykologi- sche Diagnose als Vorausset- zung für die Verordnung ei- ner antimykotischen Thera- pie bei Onychomykose gefor- dert (D. T. Roberts, Glas- gow). Als Goldstandard gilt der mikroskopische Nach- weis des Pilzes im KOH-
Präparat, kombiniert mit po- sitiver Pilzkultur.
Evans verweist auf die Notwendigkeit, adäquates Material möglichst nahe an dem proximalen Teil des Her- des, beispielsweise durch sehr kurzes Schneiden der Nägel und Entnahme von subun- gualem Debris, zu gewinnen und das Material trocken zu versenden, um ein Überwu- chern mit gramnegativen Keimen und damit den Un-
tergang der Pilze zu vermei- den. Auch bei adäquater Pro- bennahme und Kulturtechnik muß jedoch in 30 Prozent der Fälle damit gerechnet wer- den, daß die Kultur negativ bleibt, obwohl mikroskopisch Pilze im Nagelpräparat nach- zuweisen sind.
Im Gegensatz zu anderen oberflächlichen Pilzinfektio- nen ist die Onychomykose in ihrem Erregerspektrum welt- weit gut vergleichbar. Haupt- erreger sind Dermatophyten (> 80 Prozent der Fälle), vor- wiegend Trichophyton ru- brum, seltener Trichophyton mentagrophytes.
Candida ist vor allem mit den Spezies Candida albicans und Candida parapsilosis vertreten. Andere Pilze wie Scopulariopsis, Aspergillus und Fusarium werden für an- nähernd fünf Prozent der Onychomykosen, vor allem in Form einer Sekundärinfek- tion, verantwortlich gemacht.
Nach einer von D. H.
Ellis (Adelaide, Neuseeland) an umfangreichem Material durchgeführten mykologi- schen Studie sind Schimmel- pilze, die in der Kultur aus Nagelmaterial wachsen, in der Mehrzahl der Fälle Kolo- nisatoren. Nur in 2,5 Prozent der Fälle wurden wiederholt identische Stämme isoliert und entsprechend als Erreger eingestuft.
Pilze verfügen über Enzy- me, mit denen sie das Keratin aufbrechen und sich – wie beispielsweise Fusobacteri- um – in den entstandenen Kanälen vermehren (M. D.
Richardson, Glasgow). Ohne adäquate Therapie geht im Laufe der Infektion die ge- samte Nagelplatte zugrunde.
Patienten erleben deutli- che Funktionsdefizite, wenn die Schutzfunktion der Nägel entfällt, wenn sie ihre Schuhe nicht mehr anziehen können und Schmerzen haben, wenn die aufgespaltenen, von Pil- zen befallenen Fingernägel ständig irgendwo hängen- bleiben, feine manuelle Tätigkeiten nicht mehr durchgeführt werden kön- nen. Die Nagelmykose ist auch – aber nicht allein, wie A-902 (58) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 15, 10. April 1998
V A R I A AUS UNTERNEHMEN
Onychomykose
Höhere Heilungsraten und kürzere Therapiedauer
Klinisches Bild einer Onychomykose am Fuß. Die Pilzinfektion der Haut führt
häufig zum Pilzbefall der Fußnägel. Foto: Sandoz
fälschlich angenommen wird – ein kosmetisches Problem.
Die pilzbefallenen Nägel wer- den als abstoßend und ekeler- regend erlebt. Zehen- und Fingernägel, die durch eine Onychomykose befallen sind, entwickeln sich oft zu einem ernsthaften Problem in der Partnerbeziehung. Die Kon- tagiosität der Infektion ver- bietet die Fortsetzung berufli- cher Tätigkeiten, bei Befall der Finger beispielsweise bei Krankenhauspersonal und al- len Personen, die in der Nah- rungsmittelbranche tätig sind.
Potente Substanz Terbinafin
In der Behandlung der Pilzinfektionen der Nägel konnten im vergangenen Jahrzehnt entscheidende Fort- schritte verzeichnet werden.
Unter den neuen Antimyko- tika haben Terbinafin, Itra- conazol und Fluconazol ge- genüber Griseofulvin deutli- che Vorteile der signifikant höheren Heilungsraten bei kürzerer Therapiedauer und besserer Verträglichkeit.
Terbinafin wird dabei in der Wirkung gegen Derma- tophyten (fungizide Wir- kung, sehr niedrige minimale Hemmkonzentrationen von 0,001 bis 0,01 mg/l, die bei ho- her Anreicherung im Keratin der Haut und Nägel 1 000fach und mehr überschritten wer- den) als potenteste Substanz eingeschätzt (Roberts). Um- fangreiche Studien belegen im direkten Vergleich die kli- nische Überlegenheit des Al- lylamins Terbinafin gegen- über den Azolen Itraconazol und Fluconazol (kontinuierli- che Therapie oder Intervall- therapie).
Eine Therapiezeit von zwölf Wochen bei täglicher Gabe von 250 mg Terbinafin bei Zehennagel- und von sechs Wochen bei Fingerna- gelbefall wird als Standard empfohlen. Dabei bleibt Ter- binafin noch wochenlang nach der letzten Applikation in biologisch wirksamer Form im Nagel. Laut Ellis können mit Terbinafin bis zu 94 Pro- zent der Patienten geheilt
werden, wenn bei unbefriedi- gendem Ergebnis der Primär- behandlung ein zweiter The- rapiekursus verabreicht wird.
Für S. Dole (Paris) stellt die Kombination von Ter- binafin (über zwölf bezie- hungsweise sechs Wochen 250 mg/Tag) mit dem Amo- rolfin-Nagellack (einmal wö- chentlich über 15 Monate) die effizienteste Therapie der subungualen Nagelmy- kose dar.
In der Verträglichkeit werden Terbinafin, Itracon- azol und Fluconazol als glo- bal vergleichbar beurteilt.
Terbinafin, das unabhängig von der Mahlzeit eingenom- men werden kann, wurde auch bei Kindern (vor allem bei Tinea capitis) mit Erfolg und bei guter Verträglichkeit eingesetzt. Die Dosisempfeh- lung liegt bei 250 mg/Tag bei
> 40 kg KG, bei 125 mg/Tag bei 32 bis 40 kg KG und bei 62,5 mg bei < 20 kg KG.
Als Vorteil gegenüber den Azolen wird gewertet, daß Terbinafin nicht in Interakti- on mit dem P450-Cytochrom- Enzymsystem der Leber tritt und folglich ein erheblich ge- ringeres Potential für Arznei- mittelinteraktionen hat.
Aufgrund der verbesser- ten Behandlungsfähigkeit von Onychomykosen greifen nur noch wenige Dermatolo- gen zu der – von Patienten ge- fürchteten – Nagelextraktion.
Studien zur Rezidivprophyla- xe der Tinea pedis ließen er- kennen, daß diese Maßnah- me zugleich auch die wichtig- ste Präventivmaßnahme ge- gen ein Wiederauftreten des Nagelbefalls ist. Neben den
bekannten Maßnahmen zur Desinfektion der Schuhe und Strümpfe, dem Tragen von geeignetem Schuhwerk in al- len mit Pilzen kontaminierten Bereichen ist die lokale An- wendung eines Antimykoti- kums im wöchentlichen Tur- nus sinnvoll. Dabei sollten sy- stematisch immer Nagelfalz und Zehen- beziehungsweise Fingerkuppe behandelt wer- den.
Dr. med. E. Gabler-Sandberger
Bereits wenige Monate nach seiner Markteinführung wurde der neue Kalziumka- nal-Blocker Mibefradil in die aktuellen „Empfehlungen zur Hochdruckbehandlung“
der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen Blut- drucks e. V. aufgenommen.
In der Tabelle der antihyper- tensiv wirksamen Monosub- stanzen repräsentiert Mibe- fradil derzeit dort als erster Vertreter die Gruppe der Kalzium-Antagonisten vom T-Typ.
Der von Hofmann-La Roche entwickelte Kalzium- kanal-Blocker ist unter dem Warenzeichen Posicor® seit September 1997 zur Therapie der essentiellen Hypertonie und stabilen Angina pectoris zugelassen und eingeführt.
Weltweit wurden zwischen- zeitlich mehr als 250 000 Pa- tienten mit der Substanz be- handelt. Die Vorzüge von
Mibefradil liegen neben guter Wirksamkeit und Verträg- lichkeit auch in der nützli- chen Herzfrequenzsenkung ohne begleitende negative
Inotropie. EB
In der Bundesrepublik be- trägt der Anteil übergewich- tiger Frauen über 20 Prozent, der der Männer gut 18 Pro- zent. Kalorienreduzierte Diät in Verbindung mit verhal- tenstherapeutischen Maß- nahmen ist die Basis jeder Gewichtsreduktion. Wirksa- me Medikamente wie das Si- butramin befinden sich der- zeit in der Zulassung. Diese katecholaminerge und sero- toninerge Substanz unter- stützt die natürlichen Körper- funktionen zur Gewichtskon- trolle. Sie hemmt die Wieder- aufnahme von Neurotrans- mittern, die das natürliche Sättigungsgefühl verstärken und den Energieverbrauch erhöhen.
In mehreren klinischen Studien mit mehr als 6 000 übergewichtigen Patienten wurden mit Sibutramin (Reductil®, Knoll GmbH) Gewichtsreduktionen bis zu zehn Prozent erreicht, zum Teil auch noch mehr. Da- bei, so betonte Prof. Rolf Kretzschmar (Freiburg), wur- de die Gewichtsminderung über den vollen Zeitraum der Studie von zwölf Monaten
beibehalten. hoc
A-903 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 15, 10. April 1998 (59)
V A R I A AUS UNTERNEHMEN