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Archiv "NS-„Euthanasie“: Zentrales Aktenverzeichnis" (10.10.2003)

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gefördertes Forschungsprojekt wid- met sich derzeit den Krankenakten als den letzten von den Opfern hinter- lassenen Spuren (10). Die bisherige Forschung war, auch weil die Kran- kenakten als verschollen galten, eher auf die Täter und die Abläufe der

„Aktion T4“ konzentriert (16, 17).

Das Forschungsprojekt teilt sich in zwei zentrale Bereiche: Zum einen er- folgt eine quantitativ-statistische Aus- wertung anhand einer Stichprobe von 3 000 Krankengeschichten, wobei je- weils mehr als 90 Kriterien untersucht werden. Hierbei liegt die Konzentra- tion auf drei thematischen Schwer- punkten: Es werden Variablen zur Person erhoben, die im engeren und weiteren Sinne die soziale Herkunft der Opfer nach äußeren Kriterien (zum Beispiel durch Zuordnung der Berufe) bestimmen. Ferner sollen Transportdaten und Verlegungsorte aufgenommen werden, um die bishe- rigen Kenntnisse zum räumlichen und zeitlichen Ablauf dieser Phase der

„Euthanasie“-Aktion zu ergänzen.

Nicht zuletzt werden Informationen zu medizinischen Bewertungen und anderen Akteninhalten (Arbeitslei- stung, Pflegebedürftigkeit, Verhalten und geistige Fähigkeiten) gesammelt, die den Tätern als Selektionskriterien gedient haben können.

Das Forschungsprojekt:

Krankenakten als letzte Spur

Zum anderen sollen detaillierte bio- grafisch-qualitative Analysen aus- gewählter Lebensläufe das leisten, was eine quantitative Untersuchung nicht vermag: die Individualität der Opfer, sei es in typischen, sei es in außergewöhnlichen Charakterzügen, Erlebnissen oder Lebensgeschichten, deutlich werden zu lassen. Hierzu sol- len auch die Akten bestimmter Pati- entengruppen wie Kinder oder jüdi- sche Patienten genauer analysiert werden, denn Kinder und Jugendliche wurden nicht nur in den auf Kindertö- tungen spezialisierten Kinderfachab- teilungen ermordet („Kindereutha- nasie“), sondern auch in die „Aktion T4“ mit einbezogen (18, 2). Die jüdi- schen Anstaltspatienten wurden fast

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4110. Oktober 2003 AA2627

NS-„Euthanasie“:

Zentrales Aktenverzeichnis

Staatsministerin Christina Weiss: Wir wollen nicht nur aufklären, sondern auch den Op- fern ihre Würde wiedergeben.

Ein zentrales Verzeichnis der Archivbestände zur Geschichte der „Euthanasie“-Verbrechen in der NS-Zeit steht ab sofort allen Inter- essierten in Form einer Online-Datenbank (www.bundesarchiv.de) zur Verfügung. Das Quellenverzeichnis ist das Ergebnis einer rund dreijährigen Inventarisierungsarbeit in 296 Archiven in Deutschland, Polen, Österreich und Tschechien. In Anwesenheit von Staats- ministerin Dr. Christina Weiss, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, wurde das Projekt des Bundesarchivs, geför- dert durch die Deutsche Forschungsgemein- schaft und die Robert Bosch Stiftung, am 30.

September in Berlin der Öffentlichkeit vorge- stellt. Initiiert und vorbereitet wurde das Un- ternehmen vom „Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen ,Euthanasie‘ und Zwangssterilisation“, von der Bundesärzte- kammer sowie zahlreichen Fachleuten aus wissenschaftlichen Instituten und Archiven.

Nicht zuletzt die Patientenakten zu Opfern der „Euthanasie“-Aktionen, die sich nach der Wende im so genannten NS-Archiv des Mini- steriums für Staatssicherheit fanden, waren mittelbar der Anlass für die Realisierung des zentralen Quelleninventars. Von den ur- sprünglich etwa 70 000 Akten der in der „Ak- tion T4“ ermordeten Patienten hatten rund 30 000 Akten das Kriegsende unzerstört über- dauert. Das Ministerium für Staatssicherheit übernahm den Aktenbestand im Jahr 1960 und legte eine Täterkartei an, um zum einen

„verdiente“ DDR-Ärzte, die in die NS-„Eu- thanasie“ verwickelt waren, vor einer Entlar- vung zu schützen und zum anderen belastete Ärzte in Westdeutschland gezielt desavou- ieren zu können. Auf der Grundlage des Eini- gungsvertrags gelangten die Patientenakten 1990 in den Besitz des Bundesarchivs. Nach ihrer archivalischen Erschließung stehen sie nunmehr den Recherchen von Angehörigen und der historischen Forschung zur Verfü- gung.

Im Zuge der Bearbeitung wurde aber auch deutlich, dass viele Quellenbestände zur Ge- schichte der NS-„Euthanasie“ bisher über- haupt noch nicht oder nur unzureichend für die Forschung und die Recherchen von An- gehörigen erschlossen waren. Dieses Manko zu überwinden, hatte sich das Projekt „Inven-

tar der Quellen zur Geschichte der ,Euthana- sie‘-Verbrechen 1939–1945“ zum Ziel gesetzt – so Dr. Christina Vanja, Vorsitzende des wis- senschaftlichen Beirats. Als eine „moralische und wissenschaftliche Pflicht“ bezeichnete es der Vizepräsident des Bundesarchivs, Dr. Klaus Oldenhage, die Datenbank über die „Eu- thanasie“-Opfer für längere Zeit im Internet bereitzuhalten. Die Online-Darstellung er- mögliche es zudem, auch zukünftig Ergänzun- gen des Quelleninventars vorzunehmen.Aller- dings könne auch eine noch so umfassende Bestandsübersicht nicht die jeweilige Nut- zung der Akten vor Ort überflüssig machen.

Der Ehrenpräsident der Bundesärztekam- mer, Prof. Dr. med. Karsten Vilmar, verwies dar- auf, dass sich die deutsche Ärzteschaft in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit den Ver- brechen, die von Ärzten im Dritten Reich ver- übt wurden, befasst habe. Nur sehr schwer er- träglich sei für ihn die Erkenntnis, „dass Ärz- tinnen und Ärzte nicht nur weggesehen und geschwiegen haben, sondern aktiv an der sy- stematischen Ermordung von Kranken und so genannten gesellschaftlichen Randgruppen mitgewirkt haben“. Die „Euthanasie“-Ver- brechen seien eine stete und eindringliche Mahnung, die ärztlichen Grundwerte gegen den Zeitgeist und staatliche Eingriffe zu ver-

teidigen. Thomas Gerst

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