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Archiv "NS-„Euthanasie“: Später Brief an ein schlichtes Mädchen" (14.09.2012)

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Anna war in der Sprache ihrer Zeit schwachsinnig. Sie reagierte lang- sam, las stockend und wusste nicht, wer Bismarck war. Doch eigentlich habe man sich mit ihr ganz normal unterhalten können. Sie sei ein sehr liebes, sanftmütiges Mädchen ge- wesen, erinnert sich ihr Bruder Fritz. 70 Jahre hat er die Erinnerung für sich behalten, wenn er sie nicht überhaupt verdrängte, wie seine (und Annas) Mutter das tat. Den verwehten Spuren des schlichten Mädchens geht die Tochter von Fritz (also Annas Nichte) seit einem Jahrzehnt nach. Und sie hat viel herausgefunden. Denn Patientenak- ten geben schon einiges her, wenn man sie einfühlsam und fachkundig interpretiert und die Zeitumstände einbezieht: den medizinischen Kenntnisstand, die politische Ideo- NS-„EUTHANASIE“

Später Brief an ein schlichtes Mädchen

logie und das Ruhrgebiets- milieu, schwankend zwi- schen Arbeiterschaft und Kleinbürgertum.

Anna wird 1935 sterili- siert, mit 19, wegen ange- borenen Schwachsinns, die Erblichkeit wird be- hauptet, aber nicht nachge- wiesen. 1936 bringt die Mutter auf ärztliches An- raten und wohl auch zur eigenen Erleichterung Anna in die Heil- und Pflegeanstalt Bedburg- Hau. Damit verschwindet das Mäd- chen aus der familiären Erinnerung.

1940 wird sie nach Grafeneck, in die frisch eingerichtete Gasmordan- stalt, verlegt und dort umgebracht.

Sie gehörte zu einem Transport von 457 Patienten aus Bedburg-Hau, der von Spitzenvertretern der Ak -

tion T4 selektiert und begleitet wur- de: Man wollte testen, ob das neu entwickelte Mordsystem reibungs- los funktionierte.

Am Beispiel von Anna be- schreibt Sigrid Falkenstein, unter- stützt durch den Aachener Psychia- ter Frank Schneider, in Briefform die Rassenpolitik der Nazis und wie sie umgesetzt wurde. Der eigentli- chen Spurensuche ist ein Teil über die Aufarbeitung nach 1945 ange- fügt. Hier allerdings stößt das Stil- mittel „Brief“ an seine Grenzen.

Denn die Aufarbeitung hat, wie die Autoren zutreffend schildern, allzu viele Facetten: verschweigen, leug- nen, verharmlosen einerseits. Ande- rerseits: aufklären, bekennen, um Verzeihung bitten. Wie es zum Bei- spiel die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde wesentlich auf Initiative von Frank Schneider ge- tan hat. Norbert Jachertz Sigrid Falkenstein:

Annas Spuren.

Ein Opfer der NS-

„Euthanasie“.

Herbig, München 2012, 192 Seiten, gebunden, 17,99 Euro

M E D I E N

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