A
A232 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 4½½½½25. Januar 2002
D
er Fall: Der geburtshilfli- che Chefarzt eines katho- lischen Krankenhauses ist vertraglich verpflichtet, bei Diagnostik und Therapie kirchliches Recht zu befolgen.Der Vertrag sieht vor, dass Gründe für eine fristlose Kün- digung auch Tatbestände im Verhalten oder der Person des Arztes sein können, die nicht mit dem kirchlichen Charakter der Klinik vereinbar sind. Der Chefarzt erwägt Optionen ho- mologer Insemination bei kin- derlosen Paaren. Auf Anfrage erklärt der Träger, künstliche Befruchtung sei mit einer theologischen Verlautbarung unvereinbar, an die man sich gebunden fühle. Diese Ver- lautbarung untersagt Verfah- ren, die den technischen Ein- griff an die Stelle des ehelichen Aktes setzen. Sie gestattet aber Eingriffe, die „den Voll-
zug erleichtern“ oder den
„ehelichen Akt bei der Zieler- reichung unterstützen“, solan- ge er „in normaler Weise“ voll- zogen wird. Als der Chefarzt bei Patientinnen Ejakulat aus deren Scheiden entnimmt und dieses im Gebärmutterhalska- nal platziert, kündigt ihm der Klinikträger fristlos. Der Chef- arzt habe in erheblicher Weise gegen Grundsätze des Kir- chenrechts verstoßen.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung für unwirk- sam befunden, jedoch klarge- stellt, dass ein Verstoß gegen die tragenden Grundsätze des Kirchenrechts in bestimmten Fällen durchaus Grund für eine fristlose Kündigung sein kann.
Ob ein Verstoß gegen Kirchen- recht hier vorlag, konnte unent- schieden bleiben, da der Chef- arzt vor der Kündigung hätte abgemahnt werden müssen.
Wer ein Anstellungsver- hältnis einseitig fristlos auflö- sen will, braucht einen „wichti- gen Grund“ (§ 626 BGB). Die- ser ist gegeben, wenn Tatsa- chen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden nicht zuge- mutet werden kann, den Ver- trag bis zum Ablauf der Kün- digungsfrist oder bis zur ver- einbarten Beendigung fortzu- setzen. Es gibt mithin keine
„absoluten“ gesetzlichen Kün- digungsgründe, vielmehr ist stets eine Bewertung im Ein- zelfall erforderlich. Der Fall verdeutlicht, dass auch ver- traglich „absolute Kündi- gungsgründe“ darüber hinaus rechtswirksam nicht festgelegt werden können.
Bei einer fristlosen Kündi- gung ist eine Frist von 14 Tagen einzuhalten. Geht die Kündi- gung nach Kenntnis vom wich- tigen Grund nicht innerhalb
dieser Frist schriftlich zu, so ist sie unwirksam. Die fristlose Kündigung muss die unaus- weichlich letzte Maßnahme darstellen. Andere zumutbare mildere Mittel, wie zum Bei- spiel Abmahnung oder ordent- liche Kündigung, müssen ent- weder erschöpft oder dem Kündigenden nicht mehr zuzu- muten sein. Bei verhaltensbe- dingten Kündigungen ist Vor- aussetzung, dass der Gekün- digte rechtswidrig und schuld- haft seine vertraglichen Pflich- ten verletzt hat.
Im Fall des Chefarztes, der den Vertrauensbereich be- traf, wäre vor Ausspruch ei- ner fristlosen Kündigung ei- ne Abmahnung erforderlich gewesen. Er durfte damit rechnen, für sein Verhalten nicht gekündigt zu werden, da er nicht versuchte, kirch- lich missbilligte Methoden der homologen Insemination anzuwenden, sondern ledig- lich einen die Natur unter- stützenden Eingriff vorge- nommen hat. Ein bewusstes
„Sich-Hinwegsetzen“ über kirchliche Grundsätze lag daher nicht vor, auch nicht vor dem Hintergrund der vertraglichen Regelung über Kündigungsgründe, die kei- ne wirksame Abweichung über das gesetzliche Maß des
§ 626 BGB hinaus darstell- ten. RA Volker Werxhausen CBH Rechtsanwälte, Köln S T A T U S
Fristlos gekündigt
„Verstoß gegen Grundsätze des
Kirchenrechts“
Arbeitsrecht
Foto: Peter Wirtz