A 866 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 20|
16. Mai 2014 Die Veröffentlichung einer berufsgerichtlichenVerurteilung in einem Ärzteblatt, in der der Na- me des beschuldigten Arztes genannt wird, ist zulässig. Dies hat das Bundesverfassungsge- richt (BVerfG) entschieden.
Ein in einem berufsgerichtlichen Verfahren verurteilter Arzt hatte sich gegen die Veröffent- lichung der Entscheidung eines Landesberufs- gerichts für Heilberufe gewandt, die in einem Ärzteblatt unter voller Namensnennung abge- druckt worden war. Ihm war der Vorwurf der wiederholten Falschabrechnung nach der Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) gegenüber Pri- vatpatienten gemacht worden. Das Berufsge- richt hatte festgestellt, dass er gegen seine Berufspflichten verstoßen hatte. Der Arzt war deswegen auf die Entziehung des passiven Berufswahlrechts sowie zu einer Geldbuße in Höhe von 20 000 Euro verurteilt worden.
Zudem hatte das Gericht angeordnet, dass die Ärztekammer berechtigt sei, das Urteil nach Rechtskraft im Ärzteblatt ge-
mäß § 60 des nordrhein-westfälischen Heil- berufsgesetzes (HeilBerG NRW) zu veröffent- lichen. Nach Ansicht des Gerichts lag ein be- sonderer Fall vor. Die Bedeutung der Angele- genheit resultiere aus der negativen Vorbild- wirkung, die von einem Verhalten im Abrech- nungswesen ausgehe, wie es der Arzt in sei- ner Praxis praktiziert habe.
Der Arzt rügte daraufhin die Verletzung sei- ner Grundrechte mit einer Verfassungsbe- schwerde. Dem ist das BVerfG jedoch nicht gefolgt. Die nicht anonymisierte Veröffentli- chung der Entscheidung des Landesberufsge- richtes für Heilberufe sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 60 HeilBerG NRW könne eine rechtskräftige berufsgerichtli- che Verurteilung mit Namensnennung veröf- fentlicht werden. Eine solche Maßnahme finde ihre Rechtfertigung in einem berechtigten Inter - esse der Allgemeinheit an einer Information – insbesondere der Gemeinschaft der Versicher- ten als auch der Kammerangehörigen, die ihr
Verhalten nach Kenntnis einer solchen Verfeh- lung steuern können.
Nach Meinung des BVerfG dient die Veröf- fentlichung neben dieser informationellen und im Grundsatz generell präventiven Wirkung auch der weiteren Sanktionierung eines indivi- duellen Fehlverhaltens. Zwar setze die Veröf- fentlichung einer berufsgerichtlichen Verurtei- lung mit der Namensnennung den Arzt in der Öffentlichkeit herab und betreffe seine soziale Stellung in negativer Weise. Allerdings könne das Persönlichkeitsrecht eingeschränkt werden, wenn ein berechtigtes Interesse der Allgemein- heit an einer Information bestehe. Diesen Anfor- derungen genügt § 60 Abs. 3 HeilBerG NRW nach Auffassung des BVerfG. Der Staat dürfe insbesondere Verhaltensweisen entgegenwir- ken, die den Eindruck vermitteln können, der Arzt stelle die Gewinnerzielung über das Wohl des Patienten und dessen ordnungsgemäßer Gesundheitsversorgung. Patientinnen und Pa- tienten sollen darauf vertrauen können, dass sich ein Arzt nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt (BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014, Az.: 1 BvR 1128/13). RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Bei Verstoß gegen Berufspflichten darf Name des Arztes im Ärzteblatt genannt werden
In Deutschland ist in der Anästhe- siologie ein sehr hoher Sicher- heitsstandard erreicht. Nach einer von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv- medizin (DGAI) und dem Berufs- verband Deutscher Anästhesisten (BDA) initiierten Analyse von 1,36 Millionen Narkosen, be- steht ein anästhesiebedingtes Risiko ANÄSTHESIE
Neue Daten belegen: Narkosen sind sehr sicher
für schwere Zwischenfälle von 7,3 pro einer Million Narkosen (British Journal of Anaesthesia, veröffent- licht online am 5. Mai, doi:10.1093/bja/aeu094).
Untersucht wurden Doku- mentationen von Anästhe- sien bei elektiven Opera- tionen bei ansonsten weit- gehend gesunden Patien- ten. Erhoben wurden die Daten in den Jahren 1999 bis 2010 auf Basis des sogenannten Kerndaten- satzes Anästhesie, einem freiwilli- gen und anonymen Qualitätssiche- rungssystem
Bei den untersuchten 1,36 Mil- lionen Fällen traten bei 36 Patienten Komplikationen auf, deren Resultat von den behandelnden Anästhesis- ten als „Tod oder bleibender Dauer- schaden“ angegeben wurde. „Ein Expertenteam hat überprüft, ob es
sich eher um ein Anästhesiepro- blem oder eventuell um eine opera- tive oder andere Komplikation han- delte“, so Erstautor Dr. Dr. med.
Jan-H. Schiff, MPH, vom Klinikum Stuttgart. „In zehn Fällen konnten die schweren Zwischenfälle und Komplikationen eindeutig der An- ästhesie zugeordnet werden.“ Die Auswertung hat somit ergeben, dass es bei mindestens einem von 140 000 Patienten (7,3/1 000 000;
95-%-CI, 3,9–12,3) zu einem schwe- ren Zwischenfall gekommen ist, der auf die Anästhesie zurückgeführt werden kann.
In neun Fällen waren Intubati- onsprobleme aufgrund eines uner- wartet schwierigen Luftweges die Komplikationsursache. In einem Fall handelte es sich um einen Bron- chospasmus. Offen bleibt, wie sich die zehn Fälle, bei denen ein Tod oder ein bleibender Dauerschaden festgestellt wurde, aufteilen. zyl Auf 140 000 Nar-
kosen kommt ein schwerer Zwi- schenfall, der sich auf die Anästhesie zurückführen lässt.
Foto: dpa