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Archiv "Die IPPNW muß jetzt Farbe bekennen" (11.12.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

in

ie Verleihung des Frie- densnobelpreises an die

„Internationalen Ärzte zur Verhütung eines nukle- aren Krieges" (kurz, nach der englischen Bezeichnung, IPPNW) weckt Erinnerungen an 1973. Damals verteilte das erleuchtete Komitee in Oslo den Preis ebenfalls „ausge- wogen" an Repräsentanten aus Ost und West, an Henry Kissinger und Le Duc Tho.

Die Verleihung war von An- fang an umstritten; sie geriet zu einer einzigen Peinlich- keit, als sich hinterher heraus- stellte, welche „Verdienste"

die beiden Preisträger sich tatsächlich erworben hatten.

Um des Friedens willen kön- nen wir der IPPNW in Ost und West nur wünschen, daß es um ihre Sache besser bestellt ist als um jenen Deal, in des- sen Gefolge Millionen Men- schen verschachert wurden.

Und um der Tausende von Medizinern willen, die die IPPNW aktiv unterstützen, um ihrer ehrlichen Besorgnis wil- len, um ihres Idealismus und guten Glaubens willen kön- nen wir nur hoffen, daß die Preisverleihung nicht eben- falls hinterher zur Peinlich- keit gerät.

Dazu kann die IPPNW selbst beitragen. Sie muß sich mit den Vorwürfen, die jetzt auf sie einprasseln, ohne Wehlei- digkeit auseinandersetzen und schließlich Farbe beken- nen. Und wenn es die Interna- tionale nicht tut, wenn sie we- gen ihrer Ost-West-Parität womöglich gehindert ist, dann muß es die bundesdeut- sche Sektion tun — um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises ist kei- ne Heiligsprechung.

Der Mitgründer der IPPNW, Jevgenij Tschasow, ist nicht, wie sein Pendant Bernhard Lown, nur „ein bekannter Kardiologe". Die IPPNW hat das lange glauben gemacht, obwohl sie es zumindest in ih- rem östlichen Teil besser

Die IPPNW muß jetzt

Farbe bekennen

wußte. Tschasow ist vor allem

— und das war schon lange vor Gründung der IPPNW so — ein hoher sowjetischer Funktio- när — stellvertretender Ge- sundheitsminister, zuständig für die medizinische Behand- lung hoher Kreml-Funktionä- re, ausgestattet mit höchsten Posten in der sowjetischen Wissenschaftshierarchie, Mit- glied des Obersten Sowjet und des Zentralkomitees der KPdSU. Man muß schon sehr blauäugig sein, um diese Her- kunft zu übersehen. Tschasow ist auch nicht ein heimlicher Dissident innerhalb der Funk- tionärsriege, der aus persön- licher, ärztlicher Besorgnis Friedenspolitik betriebe. Das Auftreten der IPPNW kam der Politik seines Landes fast im- mer entgegen. Ins ZK kam Tschasow nach Gründung der IPPNW. Er hat sich eben um sein Land und jene, die es be- herrschen, verdient gemacht.

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rofessor Tschasow hat 1973 zusammen mit 24 weiteren Medizinfunktio- nären der Sowjetunion in der

„Iswestija" eine Stellungnah- me veröffentlichen lassen, die dazu beitrug, daß dem sowje- tischen Atomphysiker Andreij Sacharow der Boden für das weitere wissenschaftliche Wirken entzogen wurde. Die- ser offene Brief ist ein schänd- liches Dokument (wir senden interessierten Lesern gerne eine Übersetzung zu). Mit ihm wird die soziale Ausmerze ei- nes mißliebigen Wissen- schaftlerkollegen begründet — mit einer ideologischen Argu- mentation, die jener gleicht, mit der unter den Nazis der Friedensnobelpreisträger von 1935, Carl von Ossietzky, fer- tiggemacht wurde.

Sacharow, dem Tschasow und Genossen 1973 Friedens- feindschaft vorwarfen, bekam 1975 den Friedensnobelpreis verliehen. Das norwegische Komitee würdigte dabei, daß er „unter schwierigen Ver- hältnissen die Achtung vor den Werten gestärkt (hat), um die sich alle wahren Friedens- freunde sammeln". Es ist nicht nur eine kleine Ironie des Schicksals, daß Sacharow den Friedensnobelpreis 1975 nicht entgegennehmen durf- te, Tschasow aber die Reise- genehmigung bekommt

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ie IPPNW und deren bun- desdeutsche Sektion hät- ten allen Grund, sich von Tschasow zu distanzieren; sie könnten damit zugleich kund- tun, wieviel Unabhängigkeit sie sich leisten können. Die IPPNW und deren bundes- deutsche Sektion sollten sich bei der Gelegenheit auch un- mißverständlich zu den Vor- würfen äußern, sowjetische Funktionäre der IPPNW miß- brauchten die Psychiatrie zu politischen Zwecken. Das Ab- schieben der Frage auf die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheil- kunde oder die Weltvereini- gung der Psychiater genügt nicht. Es stinkt im eigenen La- den. Die IPPNW erhebt einen hohen moralischen Anspruch;

sie bringt ihn gegenüber an- ders Gesonnenen nicht selten mit Hochmut vor. Sie mag ihn jetzt gegen sich selbst geltend machen.

Auf Klarstellung und Distanz haben auch die weit über 100 000 Ärzte in aller Welt, die sich reinen Herzens der Friedenspolitik der IPPNW verschrieben haben, einen Anspruch; auch sie sollten nicht politisch mißbraucht werden. Eine säuberliche Scheidung tut nicht zuletzt auch aus Achtung vor jenen Hunderttausenden von Ärz- ten in der Sowjetunion not, die unter schwierigen Bedin- gungen die unsichtbare Flag- ge verteidigen. NJ

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 50 vom 11. Dezember 1985 (1) 3733

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