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Archiv "Die IPPNW muß jetzt Farbe bekennen: Lenins „Idioten“" (19.03.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

IPPNW

menschen` (drüben!) ge- prägte Unfähigkeit, hüben`

und ‚drüben' friedliebende Menschen in einer Organi- sation verbunden zu se- hen, ist durch die IPPNW in ihren Grundfesten bedroht.

Analyse: Die Ursachen die- ser Allergie sind unbewußt, beim Einzelmenschen wie beim Kollektiv bedingt durch jahrtausendelange Machtideologie von Män- nern gegen Männer, gegen Frauen, gegen die Natur — anstatt Freude und Ver- trauen zum Leben, zu Freunden, zu Frauen, zur Natur. Therapie: Teilnahme an allen Friedensaktionen, gleichgewichtige Beteili- gung der Frauen auf allen Gebieten des Lebens. Ende der Macht, Ende der Angst, Ende der tödlichen Gefahr für die Menschheit ..."

> Neben den rund 150 Briefen zu dem Kommentar in Heft 50 sind noch eine Reihe weiterer Zuschriften eingegangen, die sich auf frühere Veröffentlichun- gen, teils auch auf Leser- briefe, beziehen, die aber im gleichen Zusammen- hang stehen.

Zivilschutz

Dr. med F. Otto, Weißen- see, schreibt beispielswei- se zu dem Leserbrief von Herrn Dr. Eisenberg in Heft 47/82:

„Ich freue mich mit Herrn Dr. Eisenberg, zu hören, daß in der USSR Kinder und Jugendliche besser über die Folgen eines Nu- klearkrieges Bescheid wis- sen als in den USA. Ich bin davon überzeugt, wenn ich im ,Handbuch für die Zivil- verteidigung für die Studie- renden in der USSR` lese:

;Indem man die Sowjet- menschen über die Atom- waffen informiert, kann man sie mit den Wirkungs- komponenten dieser Waffe und mit den Möglichkeiten des Schutzes vor diesen Waffen vertraut machen und dazu beitragen, daß

die panische Angst vor die- sen Waffen überwunden wird' und ,Man muß jedem Menschen bewußt ma- chen, daß es auch gegen die modernsten Waffen Mittel und Verfahren des Schutzes gibt' ..."

Feigenblatt

Dr. med. Albrecht Nickel zum Leserbrief von Herrn Dr. Gnauck in Heft 47/85:

„... natürlich, die IPPNW arbeitet den Sowjets in die Hände! Dank Dr. Gnauck wissen wir es endlich!

Dann folgt eine Katastro- phe ...: Professor Tscha- sow trage Schuld am Un- glück Sacharows. Längst bekannt ist, daß Tschasow einmal eine Unterschrift gegen Sacharow geleistet hat (1973), seither nichts mehr gegen ihn getan oder geschrieben hat. Kennen wir die Bedingungen dieser Unterschrift? Auch der Mu- siker Schostakowitsch un- terschrieb zum Beispiel ei- nen Brief gegen Solcheni- zyn — unter Druck. Wissen wir, ob Tschasow sein Ver- halten nicht inzwischen be- dauert?

Das Nobelkomitee wird auch diese Unterschrift Tschasows berücksichtigt haben. Außerdem verleiht sie den Preis der IPPNW und nicht Tschasow, aber das gerade scheint Herrn Gnauck nicht zu passen.

Daher muß auch der Ameri- kaner Professor Lown her- untergemacht werden:

Tschasow bediene sich zur Legitimierung seiner Ziele des Amerikaners.

Lown also ein ,moralisches Feigenblatt', der Mann, der seit 20 Jahren gegen Atom- rüstung kämpft, lange be- vor es die IPPNW gab. Aber wahrscheinlich ist auch er ein verkappter Kommunist!

Und dann das Schlimmste:

Tschasow ist Mitglied einer ,kriegführenden Nation`!

Wer darf dann in der Welt überhaupt noch seinen Mund aufmachen? ..."

Vogel Strauß

Auch Dr. W. Eilles aus Nürnberg bezieht sich auf verschiedene Leserbriefe:

„Die Diskussion ... gibt denn doch Anlaß zur Anre- gung, etwas weniger Emo- tionen und etwas mehr graue Substanz zu zeigen.

IPPNW und ihre Angehöri- gen sind eine Sache, Kata- strophenmedizin ist eine andere. Beides zu vermen- gen und daraus den Schluß zu ziehen: ,Wer das tut, der frißt auch kleine Kinder', scheint mir, höflich gesagt, verfehlt. Die grausamen Er- eignisse in Kolumbien und Mexiko — Naturkatastro- phen — und in Seveso und Bhopal — menschenge- macht — sollten als ein- dringliche Beispiele für die Notwendigkeit stehen, alle Ärzte für Katastrophenfälle besser zu schulen, als dies im derzeitigen Ausbil- dungsgang geschehen kann. Es ist Vogel-Strauß- Manier, nur gebannt auf die nukleare Bedrohung zu schauen und, in selbstzu- friedener Nabelbetrach- tung, nicht zu sehen, wie katastrophenträchtig unse- re alltägliche Umgebung sein kann...."

Lenins „Idioten"

Zur gesamten Leserbrief- diskussion äußert sich Dr.

med. Helmut Hoyme:

„Uns Ärzte geht es beson- ders an, wenn mit dem so- wjetischen Psychiater Ma- rat Vantanyan ein Mann mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, der die Tradition der Nationalso- zialisten in der Politisie- rung der Medizin fortge- setzt hat (politische Gegner sind Psychopathen und deshalb auszumerzen!), und ein anderer namens Professor Tschasow, der als Gesundheitsminister des sowjetischen Big Brother die Verfolgung ei- nes anderen Friedensno- belpreisträgers einleitete,

der heute in der Verban- nung dahinvegetiert! Erin- nert sei, daß die sowjeti- sche Sektion der Welt- psychiater quasi geächtet wurde. Auch will ich in die- sem Beitrag weniger über die Rolle der IPPNW als Le- nins ‚Idioten' oder den Ni- hilismus ihrer Sendung sprechen, als mehr über die total unärztliche Hoff- nungslosigkeit, die inhu- mane Drückebergerei, den intellektuell nicht bewältig- ten phylogenetischen Tot- stellreflex, die gerade den Ärzten (die zur Verantwor- tungsethik, nicht zur Ge- sinnungsethik erzogen werden sollten!) so übel ansteht. Die Begründung der Verleihung ist lächer- lich, denn gerade die IPPNW hat verschleiert, was doch wissenschaftlich situationsbezogen geklärt werden müßte und wo Prohphylaxe am Platze wä- re! ..."

Worte auf den Weg

Dr. med. Eberhard Gründ- ler aus Buchenberg:

„... Wenn es um die Erhal- tung des Friedens geht, sollte gerade in unserem ärztlichen Standesblatt en- gagiert und sachlich über diese unser aller Existenz- frage geredet werden...

Auch nach meiner Über- zeugung wird der Frieden nur erhalten bleiben, wenn wir Menschen es bald ler- nen, anders als in unserer bisherigen Geschichte mit- einander umzugehen. Dem Frieden dient es nicht, wenn wir Herrn Tschasow absprechen, aus persön- licher, ärztlicher Besorgnis Friedenspolitik zu betrei- ben. Woher wissen wir das so genau? Warum sind wir nicht bereit, Menschen ,aus dem anderen Lager' bei jeder möglichen Gele- genheit immer wieder bei ihrem Wort zu nehmen? ...

Ich fände es aber bedauer- lich, wenn dieser Streit um Personen von den ent- scheidenden Sachfragen

768 (16) Heft 12 vom 19. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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IPPNW

ablenkte, um die es doch eigentlich geht.

Ob und wie die IPPNW in dieser Situation reagieren sollte, wird sie jedoch selbst am besten wissen.

Und hoffentlich freuen sich die Kollegen über die im Artikel auch ausgesproche- ne Anerkennung ihrer ,ehr- lichen Besorgnis' sowie ih-

res ,Idealismus und guten

Glaubens'. Ebenso hört man dort sicherlich gerne von ,weit über 100 000 Ärz- ten in aller Weit, die sich reinen Herzens der Frie- denspolitik der IPPNW ver- schrieben haben'. Also nun doch auch im Ärzteblatt versöhnliche Worte der An- erkennung und damit Wor- te auf dem Wege zum Frie- den."

Anmerkungen

Zu dem Kommentar ,.Die IPPNW muß jetzt Farbe be- kennen" sind rund 150 Briefe eingegangen. Die Auswahl gibt die mitgeteil- ten Argumente insgesamt wohl vollständig wieder.

ln dem Kommentar wur- den, zusammenfassend, drei Punkte angesprochen, zu denen die IPPNW Farbe bekennen sollte:

1. Die Stellung von Profes- sor Tschasow innerhalb des politischen Systems der Sowjetunion und damit die Frage, inwieweit Tscha- sow für sich und als Arzt handelt oder im Auftrag der Mächtigen, die hinter ihm stehen

2. Die Haltung Tschasows in Sachen Sacharow 3. Das Verhältnis der russi- schen Sektion der IPPNW zum politischen Mißbrauch der Psychiatrie

Abschließend wurde der IPPNW empfohlen, sich von Tschasow zu distanzie- ren. Das hat die bundes- deutsche Sektion nicht ge- tan und wohl auch nicht tun können. Wieweit die Ar-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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gumente der Freunde der IPPNW die oben kurz noch einmal skizzierte Problem- lage befriedigend beant- worten, kann getrost dem Urteil der Leser überlassen werden. Zu zwei Punkten, zu denen der Kommentator häufig angesprochen wor- den ist, noch einige ergän- zende Bemerkungen:

..,.. Woher rührt der Ver- dacht, daß Professor Tschasow die IPPNW mög- licherweise in höherem Auftrag mit ins Leben geru- fen hat? Dazu ein Zitat aus der in Ost-Berlin erschei- nenden ,.Berliner Zeitung";

die BZ Ost hatte im Jahre 1982 Professor Tschasow interviewt. Ein Auszug: ,.BZ: Auf dem XXVI. Partei- tag der KPdSU empfahl Leonid lljitsch Breschnew, ,ein autoritatives Komitee zu bilden, das die Lebens- notwendigkeit der Verhü- tung einer nuklearen Kata- strophe aufzeigt'. Welches Echo hat dieser Vorschlag in der Weit gefunden?

J. I. Tschasow: Ich möchte hier nur für die Medizin sprechen, wo ich diese Be- wegung am besten kenne.

Das Bedürfnis der Wissen- schaftler, mit ihren Kennt- nissen und Forschungen zu helfen, einen verheeren- den Atomkrieg zu verhin- dern, ist in der Weit sehr groß, über alle weltan- schaulichen und religiösen Grenzen hinweg. Diese Be- wegung hat einen gewis-

sen organisatorischen Rahmen gefunden, der sich gerade gegenwärtig immer stärker ausdehnt.

BZ: Könnten Sie in diesem Zusammenhang etwas nä- heres sagen, wie die inter- nationale Bewegung ,Ärzte für die Verhinderung eines Nuklearkrieges' entstand und sich entwickelt?

J. I. Tschasow: Die Idee wurde bei einem Treffen sowjetischer und amerika- nischer Mediziner im Okto- ber 1980 in Schweden ge- boren, an dem u. a. Profes- sor Bernard Lown und Dr.

Jim Miller, unsererseits die Akademiemitglieder Kusin, lljin und ich teilnahmen. Wir besprachen damals schon gemeinsam die Prin- zipien einer solchen Bewe- gung."

..,.. Ist es nicht weit herge- holt, so ein anderer Vor- wurf, zwischen der IPPNW Sektion Sowjetunion und dem politischen Mißbrauch der Psychiatrie in der So- wjetunion Parallelen zu zie- hen? Muß es nicht genü- gen, daß die IPPNW eine einzige ,.gute Sache" ver- tritt? Weshalb kann nicht jemand, der in Sachen Atomkrieg zutreffend ur- teilt, in Sachen Psychiatrie unverantwortlich handeln?

Die Parallele ist schlicht und einfach aus morali- schen Gründen vertretbar und geboten. Die IPPNW wirft in ihren Äußerungen das moralische Gewicht 770 (18) Heft 12 vom 19. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

der ärztlichen Stimmen in die Diskussion. Ihre gesam- te Argumentation, sofern sie politisch wird, setzt aufs Moralische. Wer in dieser Weise moralisch kommt, muß sich auch die Frage nach der allgemeinen Mo- ral gefallen lassen.

Das sehen übrigens auch namhafte Vertreter der IPPNW. Zitiert sei ein Aus- spruch von Professor Dr.

Horst Eberhard Richter.

Richter stellt in einem State- ment, das für ,.Panorama"

verfaßt wurde, fest: ,.Natür- lich müssen wir engagier- ten Ärzte uns gefallen las- sen, daß man uns an ande- ren Maßstäben - zumal als Nobelpreisträger- mißt als die Politiker. Unsere Stan- desethik, auf die wir uns berufen, verbietet uns strikt, um des Ganzen wil- len die Rechte einzelner zu relativieren. So wie gerade wir bundesdeutschen Ärzte der IPPNW prinzipiell eine Kriegsmedizin ablehnen, die andere Prioritäten als die Hilfsbedürftigkeit des einzelnen vorschreiben will (Triage), so ist uns in der Frage der individuellen Menschenrechte keine Halbherzigkeit gestattet.

Die Verbannung Sacha- rows und deren Verharmlo- sung durch Tschasow kön- nen wir nicht schweigend übergehen, so wie wir die Menschen rechtsverletzu n- gen innerhalb des eigenen Bündnisses - z. B. in der Türkei - ebensowenig ver- drängen dürfen. Die Be- schwörung einer gemein- samen Friedensethik, hip- pokratisch begründet, ent- hebt uns natürlich nicht er- heblicher Konflikte, die aus dem Gegensatz der Syste- me erwachsen. Aber wir se- hen diese Probleme klar, wir reden über sie mitein- ander über die Blockgren- zen hinweg, und wir lassen uns nur deshalb, weil unse- re östlichen Kollegen mit ihren Oberen enger verwik- kelt sind als wir mit den un- seren im Westen, noch lan- ge nicht politisch korrum- pieren." NJ

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