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Archiv "Influenza-Pandemieplanung der Ärzteschaft: Der Gesetzgeber muss Farbe bekennen" (17.11.2006)

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A3076 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006

P O L I T I K

B

ei einer Influenzapandemie drohen Situationen, die mit Großschadensereignissen oder Ka- tastrophensituationen vergleichbar sind. Im Gegensatz zu diesen ist die schädigende Wirkung jedoch nicht örtlich oder zeitlich begrenzt, son- dern wirkt mit Eigendynamik über Wochen und Monate fort. Deshalb sollte man sich national und interna- tional rechtzeitig auf eine Influenza- pandemie vorzubereiten. Die Ärzte- schaft wird hierzu ihren Beitrag auf vielen Ebenen leisten.

Bund und Länder beabsichtigen, eine Pandemie weitestgehend im Rahmen der Regelversorgung zu bekämpfen. Auf diese Weise müssen sie nicht den Katastrophenfall ausru- fen und die Verantwortung überneh-

men. Erkennbar wird die Absicht, diese Verantwortung anderen Akteu- ren – ohne existierende gesetzliche Grundlage – zuzuweisen, wie zum Beispiel den Ärztinnen und Ärzten.

Dies muss die Ärzteschaft ableh- nen. Die Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesver- einigung (KBV) haben sich dennoch zu der Verantwortung der Ärzte- schaft bekannt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die ärztliche Ver- sorgung auch im Pandemiefall auf- rechtzuerhalten. Um die zahlreichen Aktivitäten auf Bundes- und Landes- ebene aufeinander abzustimmen, ha- ben beide Koordinierungsgremien

eingerichtet. Allerdings sind noch viele zuständigkeits- und haftungs- rechtliche Fragen sowie auch die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenversicherungen offen.

Kassen nicht zuständig?

Die Forderung von BÄK und KBV, Rechtsgrundlagen zu schaffen, wird von Bund und Ländern bislang ab- gelehnt, sodass finanzielle und haf- tungsrechtliche Probleme auf Ärz- tinnen und Ärzte zukommen wer- den. Bund und Länder gehen zwar davon aus, dass die gesetzliche und die private Krankenversicherung die Pandemievorbereitung und -bekämp- fung finanzieren. Konkrete Ver- handlungen der zuständigen Gremien der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung mit Vertretern der ge- setzlichen Krankenversicherung haben aber gezeigt, dass sich die Krankenversicherer für die Finanzierung für nicht zustän- dig halten.

Die Bundesregierung muss gesetzliche Rahmenbedingun- gen erstellen, die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen fest- schreiben und klären, ob der Staat oder die Krankenversicherungen die Kosten für die Vorbereitung auf eine Pandemie und die Behandlung der Patienten im Pandemiefall mit dem damit verbundenen ärztlichen Mehr- aufwand übernehmen.

Die wirkungsvollste Maßnahme, um die Bevölkerung vor einer In- fluenzapandemie zu schützen, ist die Gabe eines spezifischen Pan- demieimpfstoffs. Zur konkreten Durchführung von Massenimpfun- gen im Pandemiefall gibt es ebenfalls

INFLUENZA-PANDEMIEPLANUNG DER ÄRZTESCHAFT

Der Gesetzgeber muss Farbe bekennen

Die Bundesärztekammer appelliert an die Politik, sich rechtzeitig auf eine Influenzapandemie vorzubereiten und die Zuständigkeiten klar festzulegen. Ein Abschie- ben der Verantwortung auf die Ärzteschaft lehnt sie ab.

Kosten für Strafprozesse, Haftaufent- halte, vermiedene Infektionen und Krankenhausaufenthalte betrachtet, die durch die Behandlung eingespart werden. Bei Methadon werden 14 280 Euro eingespart; abzüglich der direkten Behandlungskosten er- gibt sich eine jährliche Einsparung von 7 280 Euro pro Substituierten.

Bei Heroin werden dagegen 24 280 Euro eingespart – wegen der besse- ren Ablösung aus der Kriminalität –, weshalb abzüglich der Behandlungs- kosten 6 280 Euro eingespart wer- den – also nicht viel weniger als bei Methadon. (Zahlen aus Wittchen et al.

2006, Schulenburg, 2006)

Gesetzesänderungen nötig

Die Politiker müssen sich einig wer- den, weil es verschiedener Gesetzes- änderungen bedarf, um die Heroinbe- handlung in die Regelversorgung aufzunehmen. Diamorphin muss von einem nicht verkehrsfähigen in ein verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel umgestuft wer- den. Dazu müssen Änderungen am Betäubungsmittelgesetz, an der Be- täubungsmittelverschreibungsverord- nung und am Arzneimittelgesetz vorgenommen werden. Zudem muss das Medikament vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinproduk- te, von dem es bereits positiv als Arz- neimittel evaluiert wurde, als Betäu- bungsmittel zugelassen werden. Die Zulassung ist die Voraussetzung für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), aktiv zu werden: Der G-BA entscheidet über die Aufnahme der Herointherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Wenn die Gesetzesänderungen voll- zogen sind, wird die BÄK nach eige- nen Angaben die Richtlinien für die Indikation und Behandlung mit Dia- morphin sowie die Qualifikation der behandelnden Ärzte festlegen.

Warum die Union das Heroinpro- jekt blockiert, bleibt unverständlich.

Das Argument, noch mehr Zeit für Beratungen zu brauchen, wirkt vor- geschoben, denn die Ergebnisse der Studie sind bereits seit April bekannt.

Eines sollte beim politischen Spiel nicht vergessen werden: Für viele schwer kranke Junkies ist die Heroin- behandlung die letzte Chance. I Petra Bühring

Die Bundesregierung muss die Aufgaben und Verantwortlich- keiten festschreiben und klären, wer die Kosten trägt.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006 A3077

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noch viele offene Fragen, beispiels- weise in welchem Zeitraum für die jeweilige Region die notwendigen Impfdosen zur Verfügung stehen, ob die (Vor-)Finanzierung der Impf- stoffbereitstellung geklärt ist und welche Personengruppen prioritär geimpft werden sollen. Zudem haben viele Länder nicht die notwendigen Medizinprodukte/Zusatzmaterialien, wie Kanülen und Spritzen, in ausrei- chender Menge bevorratet.

Im Sommer 2005 forderten die Gesundheitsministerkonferenz und die Bund-Länder-Abteilungsleiter-

Arbeitsgruppe die Bundesärztekam- mer und die Kassenärztliche Bun- desvereinigung auf, für den Fall einer Pandemie Risikogruppen zu definieren, die bevorzugt medika- mentös versorgt werden sollten.

Eine Priorisierung lehnt die Ärzte- schaft jedoch strikt ab, da dies auf eine harte Rationierung hinauslau- fen würde. Gesundheitsrisiken und Überlebenschancen eines behand- lungsbedürftigen Patienten gegen- über den anderen, meist noch un- bekannten Patienten abwägen zu

müssen, ist zutiefst unethisch und mit der ärztlichen Berufsauffassung nicht vereinbar. Auch rechtlich ist der Arzt seinem Patienten gegen- über individuell verantwortlich.

Bei gegebener Indikationsstellung müssen Ärztinnen und Ärzte trotz der Mittelknappheit im Gesundheits- wesen unter ethischen und rechtli- chen Aspekten antivirale Arzneimit- tel rezeptieren. Dabei muss ange- sichts dieser Knappheit die Indika- tion jedoch besonders sorgfältig ge- stellt werden. Inwieweit das Rezept in einer Apotheke eingelöst werden kann, hängt allein davon ab, wie lange der Vorrat reicht.

Diese Position akzeptierte die Bund-Länder-Koordi- nierungsgruppe. Die Länder haben andere Lösungen in ihren jeweiligen Landes- pandemieplänen gefunden, wie das Austeilen von Bezugsscheinen für Schlüsselpersonen, die antivirale Arz- neimittel aus einem gesonderten Kontingent des Vorrats beziehen können. Es ist die Aufgabe von Bund und Ländern, Strategien zum Um-

gang mit der Knappheit zu ent- wickeln, die sie durch eine zu geringe Bevorratung von antiviralen Arznei- mitteln verursacht haben.

Konsequentes Vorgehen

Ziel der Bundesärztekammer und der Landesärztekammern ist es, durch geeignetes politisches Vorge- hen auf Bund und Länder einzuwir- ken, um den nationalen Pandemie- plan mit Festlegungen der Verant- wortlichkeiten bis in den kommuna- len Bereich hinein auszudifferenzie- ren. Eine klare Festlegung der Zu- ständigkeiten und Verantwortlich- keiten von Bund und Ländern ist un- abdingbar. Vor allem wird eine kon- sequente Vorgehensweise zur Be- vorratung und Vergabe von antivi- ralen Arzneimitteln zu therapeuti- schen und/oder prophylaktischen Zwecken und eine zeitadäquate Ver- fügbarkeit von wirksamen Pande- mieimpfstoffen für die Bevölkerung gefordert. Fragen, wie die der Kosten- übernahme der Pandemievorberei- tung und -bekämpfung durch den Staat oder durch die Krankenver- sicherungen, der Sicherstellung der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung sowie der allgemeinen Kranken- versorgung, der stationä- ren und der ambulanten Versorgung, sind dringend zu klären.

Die Bundesärztekammer und die Landesärztekam- mern treten gegenüber Bund und Ländern dafür ein, dass für Aufgabenbereiche, für die keine Bundeskompetenz be- steht, aber für die ein einheitli- ches Handeln geboten ist, zu- mindest eine funktionierende Koordinierungsstelle mit Ent- scheidungsbefugnis gemeinsam von Bund und Ländern einge- richtet werden muss. Ferner sollte die Bund-Länder-Koordi- nierungsgruppe den Dialog mit der Bundesärztekammer wieder aufnehmen, um die Pandemie- vorbereitung voranzutreiben. I Dr. med. Annegret Schoeller Bundesärztekammer

Langfassung des Beitrags unter:

www.aerzteblatt.de/plus4606

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Es ist die Aufgabe von Bund und Ländern, Strategien zum Umgang mit der Knappheit zu entwickeln.

INFORMATIVE BROSCHÜRE

Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gibt die Bundesärztekammer aktuell den 20-seitigen Flyer „Fragen und Ant- worten zur Vogelgrippe“ für die Praxis und das Krankenhaus heraus.

Fragen wie „Wer ist gefährdet?“, „Wie steckt man sich an?“, „Wie wahrscheinlich ist eine Pandemie?“ oder „Ei und Geflügel – worauf sollte man achten?“ sowie Fragen zu Impfung, Behandlung und Prophylaxe werden übersichtlich geordnet und leicht verständlich beantwortet. Die Landesärztekammern oder Kassenärztlichen Vereinigungen können die erforderlichen Exemplare – mit ihrem eigenen Logo versehen – selbst drucken. Den Flyer kann man aber auch bereits jetzt auf den Internetseiten von BÄK und KBV einsehen und herunterladen. Dies ist auch über das Onlineangebot des Deutschen Ärzteblattes (www.aerzteblatt.de/plus4606) möglich.

Neben dieser Patienteninformation veröffentlichten BÄK und KBV unter Mitarbeit der Arzneimittel- kommission der Ärzteschaft bereits im Dezember 2005 für Ärztinnen und Ärzte die Empfehlungen

„Saisonale Influenza, Vogelgrippe und potenzielle Influenzapandemie – Empfehlungen zum Einsatz insbesondere von antiviralen Arzneimitteln“ (www.aerzteblatt.de/plus4606). Eine weitere medizinische Empfehlung zur Thematik der Postexpositions- und Langzeitprophylaxe mit antiviralen Arzneimitteln wird derzeit erarbeitet und demnächst im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht. ER

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