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Archiv "Bayern-Vertrag hat ordnungspolitische Wirkung gezeitigt" (28.01.1987)

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HEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

D

as Rätselraten um die Be- gleitstudie zum Bayern- Vertrag ist beendet. Nach- dem der Auftraggeber, das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, sie nicht veröffentlichen wollte, haben die Mitarbeiter des beauftragten In- stituts für Medizinische Informatik und Systemforschung (MEDIS) der Gesellschaft für Strahlen- und Um- weltforschung mbH (GSF), Mün- chen, unter ihren Namen — Prof. Dr.

Detlef Schwefel, Prof. Wilhelm van Eimeren, Walter Satzinger, M.A. — das Gutachten veröffentlicht.

(Springer-Verlag, Berlin, Heidel- berg, Auflage von 750 Stück; Preis von 220 Mark.)

Das Fazit vorweg: Der 1979 ab- geschlossene Vertrag zwischen den bayerischen Krankenkassen-Ver- bänden und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) unter der Devise „soviel ambulant wie möglich, so viel stationär wie nötig"

hat sein Kostendämpfungsziel nicht erreicht. Dagegen hat er nach dem Urteil der Experten durchaus „Wir- kung im ordnungs- und strukturpoli- tischen Feld" gezeigt.

Die Kostendämpfungsstrategie des Bayern-Vertrages setzte im Krankenhaus-Sektor an: Stationäre Leistungen sollten im Rahmen des medizinisch Verantwortbaren zu- nehmend durch ambulante ärztliche Leistungen ersetzt werden. Prämisse war, daß ambulante ärztliche Be- handlung oft einer stationären medi- zinisch gleichwertig und zudem billi- ger ist sowie, daß die niedergelasse- nen Arzte in der Lage sind, ihre Tä- tigkeit entsprechend auszudehnen.

Das Mittel zum Ziel, nämlich die Substitution vermeidbarer Kran- kenhauseinweisungen, war neben moralischen Appellen und standes- politischen Argumenten das Ver- sprechen, daß ihre dafür aufgewand- ten Leistungen ohne jeden Honorar- deckel von den Kassen vergütet wür- den.

Hier lag nach Meinung der Gut- achter aber auch der Haken: Da es sich um einen „kollektiven Anreiz"

handelte, war er für den einzelnen Arzt unverbindlich. Weder konnte ein Arzt, der Krankenhaus-Aufent- halte vermied, sicher sein, daß ihm

daraus ein wirtschaftlicher Nutzen entstehen würde, noch war es dem einzelnen praktisch verwehrt, seine eigene Tätigkeit zu intensivieren, ohne auch die Zahl der Einweisun- gen zu reduzieren.

Der Arzt tappt hier in eine „Ra- tionalitäten-Falle": Da der einzelne von der Erreichung der Ziele profi- tiert, gleichgültig, ob er durch sein eigenes Verhalten dazu beigetragen hat oder nicht, ist es für ihn nicht ra- tional, die Last der Durchführung der gemeinsamen Interessen auf sich zu nehmen. Weil viele so denken, hat das die Konsequenz, daß die an- gestrebten Ziele insgesamt nicht durchgesetzt werden können.

Die MEDIS-Autoren haben auch einen Weg aufgezeigt, über den dieser Mangel behoben werden könnte: Ein auf die gemeinsamen Vertragsziele orientiertes Handeln

Bayern-Vertrag hat ordnungspolitische Wirkung gezeitigt

der Ärzte könnte über einen Anreiz erzielt werden, der nicht wie das Kollektivgut unterschiedslos auf die Gruppe als Ganzes wirkt, sondern selektiv auf die einzelnen Personen in der Gruppe. Das bedeutet: Jene Ärzte, die nicht auf das Gruppenziel hinarbeiten, können anders behan- delt werden als solche, die dies tun.

Das können also negative Anreize für „Verweigerer" bzw. positive Anreize für diejenigen sein, die im Sinne der Gruppe arbeiten.

Ein Drittel der Ärzte z. B. sah sich zu Krankenhaus-Einweisungen veranlaßt, weil es keine häusliche oder pflegerische Betreuung gab.

Obwohl die Arzte auch in einem Flächenstaat wie Bayern gut wissen, welche Kollegen welcher Fachrich- tung sich im Einzugsbereich ihrer Praxen befinden, ist damit nicht ga- rantiert, daß sie sich des diagnosti- schen und therapeutischen Lei- stungsangebots voll bedienen, um stationäre Einweisungen zu vermei- den. Die Vermutung von AOK-Ge-

schäftsführer Hans Sitzmann (Mün- chen), daß der Arzt Angst habe, der Patient komme „vom Feindflug"

nicht zurück, läßt sich aber nach den Ergebnissen der MEDIS-Studie nicht belegen, „freilich auch nicht völlig widerlegen".

Das Klassenziel wurde nicht erreicht

Das Kalkül der Kassen, so das Gutachten, ging nicht auf: Weder gelang es, Überkapazitäten im sta- tionären Versorgungsbereich offen- zulegen, noch sahen sich dort, wo diese erkennbar wurden, die Kran- kenhausträger zu einschneidenden Maßnahmen genötigt. Die Partner des Bayern-Vertrages haben aus ih- rer Sicht nicht nur die Möglichkeiten der niedergelassenen Ärzte über- schätzt, sondern auch die Entschlos- senheit der Krankenhausträger un- terschätzt, an den bestehenden Ein- richtungen festzuhalten und eventu- elle Defizite zu tragen.

Die Vertragspartner haben zahl- reiche Krankenhausträger, aber auch Krankenhausärzte und deren Verbände gegen sich aufgebracht und dem Vertrag mit zunehmender Laufzeit ein Negativ-Image ver- schafft. Die Folge: Gründung der

„Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus in Bayern (AKB)" am 20. Juli 1983, zu der neben der Bayerischen Kran- kenhausgesellschaft die Fachvereini- gung der Verwaltungsleiter, der Chefarzt-Verband, der Marburger Bund und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenpflegeberufe gehören.

Der Bayern-Vertrag hatte aber auch ein ordnungspolitisches Ziel.

Er wollte ein spektakuläres Zeichen regionaler Autonomie setzen und die rechtliche Unverbindlichkeit von Bundesempfehlungen faktisch auf- zeigen. Daß dies gelungen ist, be- scheinigen die Experten und bezeu- gen die Nachahmer in Hessen oder Niedersachsen. Aus dem „Trendop- ponenten" wurde, so das Gutach- ten, bald der „Trendvorreiter".

Als Erfolg ist

auch zu buchen,

daß aus dem zeitweise gespannten Verhältnis zwischen Krankenkassen und Kassenärzten eine partnerschaft- liche Kooperation wurde. A+ S Dt. Ärztebl. 84, Heft 5, 28. Januar 1987 (19) A-187

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