Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen Hilfe für die Dritte Welt
Krankenversorgung gebaut oder bauen lassen. Es gibt auch einiges an Literatur (zum Teil Ausfluß der alternativen Bewegung, mit der Folge, daß diese Literatur nicht so ohne weiteres zu bekommen ist).
Von einer gezielten Anwendung und überlegten Forderung ist man jedoch offensichtlich noch weit entfernt.
Dem stehen nicht zuletzt zwei Hin- dernisse entgegen:
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Alternative Technologie geht einstweilen nicht aus den Entwick- lungsländern selbst hervor, son- dern wird von Entwicklungshel- fern, die aus technologisch höher entwickelten Ländern kommen, importiert. Die Folge: "Die Leute meinen, ihnen sollte zweitrangige Technik aufgeschwatzt werden"(Finger).
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Alternative Technologie ist nicht immer so simpel, wie sie scheint. Das Ausdenken einfacher Vorrichtungen erfordert nicht sel- ten erhebliches "westliches"Fachwissen, und zwar gerade dann, wenn das Gerät auf seine einfachste Funktion zurückge- führt werden muß. Wer etwa mit örtlichen Mitteln eine Pumpe baut, muß Physik und Mechanik der Pumpe bis auf den Grund begrif- fen haben. Wer nicht soviel weiß, kann mit einem gekauften InstrU- ment, dessen Teile einfach ausge- wechselt werden müssen, besser bedient sein. Freilich: Wenn ein Teil defekt wird, muß es ausge- tauscht werden, oder die Pumpe vergammelt. Aber nicht nur die ge- kaufte Pumpe kann verrotten, son- dern auch die "angepaßte", so- bald der Entwicklungshelfer, der sie verstanden hat, abgereist ist.
Soll der Basisgesundheitsdienst funktionieren, so muß er nicht nur mit der Pyramide verbunden sein, sondern auch über Helfer verfü- gen, die von der Bevölkerung an- genommen werden. Auswahl und Ausbildung des "Worker" gehö- ren zu den wichtigsten Aufgaben in der medizinischen Entwick- lungshilfe.
Viel Geduld - nicht nur
bei der Ausbildung der "Worker"
Nimmt man den Worker, der sich schon beim ersten Kontakt anbie- tet, gerät man oft an den falschen, zum Beispiel an den Karrieristen.
Frau Dr. Marquart (vom Deutschen Institut für ärztliche Mission in Tü- bingen) rät, sich genügend Zeit zu lassen: "Die Europäer wollen im- mer alles zu schnell". Der auswäh- lende Arzt müsse erst die sozialen Strukturen des Dorfes kennenler- nen. Wer als Europäer glaubhaft in der Dritten Welt arbeiten wolle, müsse bereit sein, unter den glei- chen Bedingungen zu leben, wie die Bevölkerung selbst. Und sie rät den Organisationen, die Entwick- lungshelfer entsenden: Schickt die jungen Leute dorthin, wo sie zunächst sechs Wochen zuhören können.
~ Genügend Zeit für die Auswahl, die Ausbildung und geduldige Ein- arbeitung - das bedeutet für die Projektträger, daß sie die Projekte über Jahre hin übernehmen müssen.
Takt und Einfühlungsvermögen sind auch bei der Zusammenarbeit mit dem fertig ausgebildeten
"Worker" gefragt. Frau Marquart:
Der Arzt darf den "Worker" nie durc;:h besseres Können bloßstel- len und so das Vertrauen zwi- schen "Worker" und Dorf unter- graben. Der Arzt wird, wenn er im Dorf ist, zum Beispiel nur die Me- dikamente gebrauchen, die auch der "Worker'' gewöhnlich zur Ver- fügung hat.
Vom Arzt, der in die Entwicklungs- hilfe geht - und der das doch oft tut, um endlich etwas machen zu können -, wird also Selbstbe- scheidung verlangt, ja, er wird so- gar lernen müssen, seine Kennt- nisse zurückzuhalten. "Am schwierigsten ist das für den, der sein Wissen gerade erworben hat", meint ein Entwicklungs- helfer.
Wer in die Entwicklungshilfe geht, sollte sich also in Gelassenheit
üben. Gelassenheit schützt auch vor Resignation (die an manchem heimgekehrten Entwicklungshel- fer auffällt). Gelassenheit täte auch hierzulande allen gut, die in der Entwicklungshilfe ein Faß oh- ne Boden sehen, die schnelle Er- folge erwarteten, so man nur ge- nügend Geld und Personal hinein- steckt, und mit Rückschlägen kon- frontiert wurden.
ln Geduld und mit Gelassenheit werden auch wir schnellen Euro- päer ansehen müssen, wie Länder der dritten und vierten Welt ein- fach mehr selbst und nach eige- nem Geschmack tun möchten - auch wenn die Ergebnisse in un- seren Augen nicht perfekt sein mögen (aber vielleicht angepaßt im Sinne der einheimischen Be- völkerung sind).
Und mit Sicherheit werden sich die Gesundheitsdienste nicht un- bedingt nach einem weltweiten einheitlichen Konzept entwickeln, sondern in einem Land vielleicht auf Basis-Gesundheitsdiensten aufbauen, im anderen vielleicht gar einem westlichen Muster fol- gen. Norbert Jachertz WHO
Impfbescheinigungen für Pocken überflüssig
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine allgemein gehalte- ne Aufforderung an die Öffentlich- keit gerichtet, ihr alle Fälle zu mel- den, wo Grenzbehörden oder ein- zelne Beamte noch immer bei ei- ner Einreise eine Impfbestätigung für Pocken verlangen. Offiziell soll das überhaupt nicht mehr der Fall sein - mit Ausnahme der zentral- afrikanischen Republik Tschad.
Auch einzelne Reisende, die nach dem Zertifikat gefragt werden, sol- len der Weltgesundheitsorganisa- tion genaue Angaben machen - Datum, Tageszeit und Ort des Grenzüberganges sowie, wenn möglich, den Namen des Beam- ten, der das Pocken-Impfzeugnis
gefordert hat. bt
80 Heft 38 vom 24. September 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B