• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "BSE und Ernährung: Gründe für mehr Gelassenheit" (15.06.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "BSE und Ernährung: Gründe für mehr Gelassenheit" (15.06.2001)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

E

s besteht kein Zweifel: Die BSE-

„Katastrophe“ hat den Speiseplan vieler Menschen in Deutschland verändert. Wenn eine Umfrage in nie- dersächsischen Krankenhäusern reprä- sentativ ist, wird heute auch an den meisten Klinikküchen rindfleischlos ge- kocht. 96,4 Prozent der Krankenhäuser gaben an, den Verbrauch von Rind seit Bekanntwerden des ersten BSE-Falles in Deutschland reduziert zu haben, wo- bei 80,4 Prozent völlig auf Rindfleisch verzichten. Da bisher nur 85 von 300 Kliniken die Umfrage, die bei einer Ta- gung in der Ärztekammer Niedersach- sen vorgestellt wurde, beantwortet ha- ben, ist ein Selektionsbias nicht auszu- schließen – man darf aber von einem rindfleischlosen Trend in den Klinik- küchen ausgehen.

Ob dies sinnvoll ist, wird von vie- len Wissenschaftlern jedoch bezweifelt.

Prof. Peter Schauder von der Akademie für Ernährungsmedizin in Hannover meinte, dass der unkritische Verzicht auf Rindfleisch die Fehlernährung auf anderen Gebieten eher verstärkt habe.

BSE sei auf keinen Fall ein Grund, völ- lig auf Fleisch zu verzichten: „Ich kenne kein schlechteres Argument für den Ve- getarismus als BSE.“ Neben dieser pau- schalen Aussage bot die Veranstaltung jedoch einige Anregungen für eine per- sönliche Risikoabschätzung.

Es beginnt damit, dass noch keines- wegs sicher ist, dass der Verzehr von BSE-kontaminiertem Fleisch die Ursa- che der neuen Variante der Creutzfeldt- Jakob-Erkrankung (vCJD) ist. Selbst der „Entdecker“ der Prionen, Prof.

Stanley Prusiner, setzt in seiner jüng- sten Übersicht zum Thema (NEJM 2001; 344: 1516–26) noch ein Fragezei- chen hinter diese pathogenetische Hy- pothese. Für einen Zusammenhang

spräche die geographische Verteilung von vCJD und BSE, die beide zuerst in Großbritannien auftraten und dort die meisten Opfer forderten. Es gebe je- doch keine diätetischen Unterschiede zwischen den Erkrankten und Nichter- krankten. Für Prusiner ist es unerklär- lich, warum vor allem Jugendliche und junge Erwachsene erkranken, aber nicht ältere Erwachsene. Gleichwohl hält Prusiner einen Zusammenhang für wahrscheinlich.

Schnelltest-Engpass behoben

Auch Prof. Walter Schulz-Schäffer von der Abteilung für Neuropathologie an der Universität Göttingen, wo sämtli- che Fälle von (konventioneller) CJD in Deutschland zentral ausgewertet wer- den, ist von einer Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen überzeugt. Das akute Risiko einer Ansteckung hält er jedoch für gering. Als Argument nann- te er die geringe Infektiosität von Prio- nen bei oraler Ingestion. In Tierversu- chen sind bei der oralen Aufnahme 106 mal höhere Dosen (infektiöse Einhei- ten) notwendig als bei einer intrazere- bralen Injektion.

Die Menge der mit rindfleischhalti- ger Nahrung aufgenommenen Erreger sei jedoch gering, solange kein Material aus Gehirn oder Rückenmark in die Nahrungskette gelangt. Gehirn und Rückenmark enthalten 106 bis 109 in- fektiöse Einheiten pro Gramm, im Muskelgewebe seien es höchstens 102 pro Gramm. Bisher gebe es keinen Hin- weis darauf, dass der Verzehr von Rind- fleisch die Krankheit übertragen habe.

Auch Dr. Martin Groschup von der Bundesforschungsanstalt für Virus- erkrankungen (Insel Riems) rät zur

Gelassenheit, zumal die nach dem er- sten BSE-Fall beschlossenen Maßnah- men offenbar greifen. Bis Ende Mai 2001 waren 67 Fälle von BSE-Er- krankungen in Deutschland gemel- det. Zu diesem Zeitpunkt wurden 650 000 Schnelltests durchgeführt, da- von 580 000 in Schlachthöfen und 70 000 im Rahmen des Monitorings kli- nisch auffälliger oder notgeschlachteter Tiere. Der anfängliche Engpass bei den Schnelltests sei inzwischen behoben. Es gebe eine Überkapazität von 30 bis 40 Prozent. Der zunehmende Wettbewerb habe sogar zu einem „Probentouris- mus“ geführt. Nicht selten würden Ge- webeproben aus Bayern jetzt in Ham- burg und umgekehrt untersucht.

Eine Epidemie wie in Großbritan- nien sei in Deutschland nicht zu be- fürchten. Auch in Großbritannien scheint das Problem weitgehend gelöst, trotz 1 537 neuer BSE-Erkrankungen im Jahr 2000. Wie Groschup ausführte, datieren die Infektionen bis auf zwei aus der Zeit vor dem Verbot des Tier- mehlbesitzes im März 1996. Bei den bei- den späteren Infektionen handele es sich vermutlich um eine vertikale Übertra- gung von der Mutterkuh auf das Rind.

In Deutschland hat es bisher keinen Fall einer vCJD gegeben. In Großbri- tannien sind es derzeit 99 Fälle. Sie sind in Relation mit kumulativ 180 000 BSE- Erkrankungen bei Rindern zu setzen.

Im günstigsten Fall wird in Großbritan- nien mit etwa 300 vCJD-Erkrankungen gerechnet. Das Szenario geht davon aus, dass sich die heutigen Patienten auf dem Höhepunkt der Epidemie 1992 an- gesteckt haben, als es 37 280 BSE-Er- krankungen bei Rindern gab.

Im ungünstigsten Fall wird in Groß- britannien mit 300 000 Erkrankungen gerechnet. Dieses Modell geht davon aus, dass sich die heutigen Patienten be- reits 1987 oder vorher angesteckt ha- ben, als es in Großbritannien bereits 446 BSE-Fälle gab. In diesem Fall müsste die Zahl der vCJD-Patienten in den nächsten Jahren ebenso sprunghaft steigen wie die BSE-Zahlen Ende der 80er-Jahre. Sofern Deutschland von ei- nem derartigen Anstieg der BSE-Er- krankungen bei Rindern verschont bleibt, ist auch nicht mit einem „Worst- case“-Szenario in Deutschland zu rech-

nen. Rüdiger Meyer

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1604 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 24½½½½15. Juni 2001

BSE und Ernährung

Gründe für mehr Gelassenheit

Ein halbes Jahr nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland ist die

anfängliche Panik einer realistischen Risikoabwägung gewichen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Prinzipiell denkbar wären jedoch verschiedene Übertragungswege: So ist beispielsweise Gelatine ein un- verzichtbarer Grundstoff für die Herstellung von Kapseln oder

Inzwischen haben zu- mindest die Patienten gemerkt, dass die Ärzte (und anderen Leistungser- bringer) gar nicht anders können, als eine rationierende Gesundheitspo- litik, die sie

Das generelle Tiermehlverbot ist da- her konsequent, zumal noch nicht end- gültig geklärt ist, ob die Krankheit auch auf andere Tiere übertragen werden kann.. Schweine

Damit soll auch der Ge- fahr einer Übertragung auf das Tier, zum Bei- spiel über pelletiertes Hunde- und Katzenfutter oder über Tierkörpermehl für Rinder und Schweine

In zahl- reichen Studien wurde gezeigt, daß das infektiöse Agens von Scrapie in groben Präparationen gegen Nuklea- severdauung, UV-Bestrahlung bei 254 nm, Behandlung mit Zink-Ionen

Wie die Universität Tübingen mitteilte, bildet der Vertrag die Grundlage für eine in- tensive Zusammenarbeit in Krankenversorgung, For- schung und Ausbildung für die

Die beklemmendste Zahl dieser Oxford-Studie ist aber, daß die Kon- sumenten britischer Wurst und Fleischpasteten zwischen 1980 und 1989, als die Regierung erste Vor-

S ANDER P, H AMANN H, D RÖGEMÜLLER C, K ASHKEVICH K, S CHIEBEL K, L EEB T (2005) Bovine prion protein gene (PRNP) promoter polymorphisms modulate PRNP expression and may be