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Archiv "Blick hinter die Kulissen" (03.02.1977)

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Die Information:

Bericht und Meinung PRESSESTIMMEN

„Die einzelnen klagegegenständli- chen Behauptungen sind, soweit sie Tatsachenbehauptungen darstellen, von den diesbezüglich beweisbela- steten Beklagten [Anmerkung der Redaktion: Passauer Neue Presse und Oskar Hatz] überwiegend glaubhaft gemacht, soweit sie Mei- nungsäußerungen darstellen, sind sie, da unter der Grenze der soge- nannten Schmähkritik liegend, zu- lässig und im übrigen durch den Ge- sichtspunkt der Wahrnehmung be- rechtigter Interessen gerechtfer- tigt", stellte die Kammer unter ihrem Vorsitzenden, Professor Dr. Putzo, fest.

Und das Gericht kommentierte wei- ter: „Die Datenerfassung verstößt auch gegen den ‚Datenschutz'. Zwar gibt es noch keine detaillierten Be- stimmungen über den,Datenschutz'. Eine Erfassung von ärztlichen Dia- gnosen, Weitergabe dieser Daten an Dritte oder Einblickgewähren an Dritte tangiert jedenfalls den durch Artikel 2 des Grundgesetzes ge- schützten Intim- und Privatbereich des Staatsbürgers. Eingriffe in die- sen grundgesetzlich geschützten Bereich sind überhaupt nur unter besonderen Voraussetzungen zuläs- sig. Der Durchschnittsleser des Arti- kels wird die Behauptung der Be- klagten, es sei gegen den Daten- schutz verstoßen worden, in diesem Sinne interpretieren. Die Beklagten haben hierzu glaubhaft gemacht, daß die Datenerfassung als solche und die Art und Weise der Erfassung

nicht diesen Schutz des Intim- und Privatbereichs des einzelnen Staats- bürgers gewährleistet. Die Behaup- tung der Beklagten ist daher im Kern zutreffend. Im übrigen ist sie als kri- tische Meinungsäußerung durch Ar- tikel 5 des Grundgesetzes gedeckt."

Daß unser Vorwurf, die Ortskranken- kassen-Manager hätten diese Da- tenerfassung geheimgehalten, be-

PassauerNeue Presse

rechtigt war, bestätigt das Urteil des Gerichts wie folgt: „Die Aktion wurde auch — zumindest vor der Ärz- teschaft — geheimgehalten, wie sich aus mindestens zwei unwiderspro- chen gebliebenen Äußerungen von Repräsentanten des Klägers [An- merkung der Redaktion: der Lan- desverband der Ortskrankenkas- sen], nämlich vom 30. 9. und 13. 9.

1976 ergibt. Hinzu kommt, daß eben- falls unwidersprochen geblieben ist, daß zwei vom Arbeitsamt angebote- ne Ärzte nicht eingestellt wurden, obwohl es dem Kläger doch angeb- lich darum ging, die Aktion ,wissen- schaftlich begleiten' zu lassen, wozu doch wohl in erster Linie Fachleute wie Ärzte in der Lage gewesen wären."

Vernichtend ist die Feststellung der Pressekammer des Landgerichts München I, unsere Zeitung habe

„auch glaubhaft gemacht, daß die Aktion personell und fachlich man- gelhaft betrieben wurde. Dies ergibt sich aus dem von den Beklagten [Anmerkung der Redaktion: ,Pas- sauer Neue Presse' und Oskar Hatz]

vorgelegten Privatgutachten des Jo- hann-Wolfgang-Goethe-Klinikums Frankfurt".

Und in der Urteilsbegründung heißt es dazu noch weiter: „Die von der AOK (Lindau) angestellten Arbeits- kräfte waren offenkundig — verglei- che auch das oben genannte Gut- achten — überwiegend auch bei gu- tem Willen zu einer zutreffenden Er- fassung der einzelnen Diagnosen und Daten nicht in der Lage. Um diese Feststellung zu treffen, bedarf es nicht einmal des Hinweises auf die von den Beklagten zitierten ,krassen Fehlleistungen'."

Die Behauptung in „Blick hinter die Kulissen", die zuständigen Orts- krankenkassen-Manager hätten es zugelassen, daß für den Aufbau ei- ner Datenbank aus Leistungsbele- gen, Arbeitslose vom Arbeitsamt Verwendung fanden, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten,

„ist daher nicht nur tatsächlich, son- dern auch als Meinungsäußerung richtig", heißt es im Urteil weiter.

Auch wäre „überwiegend glaubhaft gemacht (worden), daß die Datener- fassungsaktion, jedenfalls so wie sie von den Ortskrankenkassen prakti ziert wurde, vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und So- zialordnung nicht gebilligt war".

Dies habe sich aus den vorgelegten Unterlagen wie aus glaubhaften Zeugenaussagen ergeben.

Dem Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Schreiben vom 11. März 1976, in dem über die ge- plante Datenerfassung um weitere Unterrichtung und förmlichen Be- richt gebeten wurde, sei der Landes- verband der Ortskrankenkassen ,.unbestritten" in der Folgezeit bis September 1976 nicht nachgekom- men, stellte das Gericht fest. Es weist darauf hin, daß es im Brief von Arbeitsminister Pirkl, vom 27. Sep- tember 1976 sinngemäß heißt, er

Blick hinter die Kulissen

Wie das Landgericht München den bayerischen AOK-Verband abblitzen ließ, notiert und kommentiert Oskar Hatz

Vor dem Landgericht München I hat die „Passauer Neue Presse" gegen den bayerischen AOK-Verband auf der ganzen Linie obsiegt, der dieser Zeitung und ihrem Kolumnisten Hatz die weitere Anprangerung von Einzelheiten des Lindauer Datenskandals verbieten lassen wollte. Das nachstehend wieder- gegebene und kommentierte Gerichtsurteil erhellt Hintergründe und Um- stände der anhaltenden Auseinandersetzung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (Vorsitzender: Prof. Dr. Sewering) und dem bayeri- schen Ortskrankenkassenverband (Geschäftsführer: Hans Sitzmann):

282 Heft 5 vom 3. Februar 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

habe erstmals durch eine auf Pres- semitteilungen hin eingeleitete Son- derprüfung vom Forschungsvorha- ben Kenntnis erlangt. Minister Pirkl habe daher, bezogen auf den we- sentlichen Kern der Behauptung der Repräsentanten des Landesverban- des der Ortskrankenkassen, „die Ak- tion erfolge mit Kenntnis und Billi- gung des Ministeriums, nicht bestä- tigt." Es stelle „daher lediglich eine journalistische Übertreibung einer im Kern richtigen Tatsache dar", wenn es in unserer Zeitung hieß, die maßgebenden Persönlichkeiten des Landesverbandes der Ortskranken- kassen seien „in dem Brief von Mini- ster Pirkl vom 27. September (prak- tisch), der Lüge geziehen worden' ".

Ablenkungsmanöver mißglückt Bekanntlich wollte der Landesver- band der Ortskrankenkassen auch unsere Feststellung verboten wis- sen, daß die wegen ihres linksradi- kalen Zustandes in ganz Deutsch- land verrufene Berliner Universität schon viele Monate im Zusammen- hang mit dem „Aufbau einer Daten- bank aus Leistungsbelegen der Ein- richtung der medizinischen Versor- gung" einen Forschungsauftrag in der Tasche habe.

Dazu stellte nun die 9. Zivilkammer des Landgerichts München I fest, daß die Technische Universität

„schon nach eigenem Vortrag" des Landesverbandes der Ortskranken- kassen „in enger Beziehung" zur Vorbereitung und Durchführung der Datenerfassung stand. „Daß die Technische Universität eine solche Mitarbeit entweder nicht ohne (be- reits erteilten) Auftrag oder im Hin- blick auf den (mit hoher Wahr- scheinlichkeit auf Grund vorange- gangener ,unverbindlicher' Zusagen zu erwartenden) Auftrag erbringt, bedarf keiner weiteren Ausführung", hieß es dazu im Urteil sarkastisch, nachdem es bei der Verhandlung schon auf der Richterbank Geläch- ter gab, als der Rechtsanwalt des Landesverbandes der Ortskranken- kassen feststellte, die Berliner Uni- versität sei „ohne Auftrag" und „ko- stenlos" tätig geworden.

Schließlich kamen die drei Richter der Pressekammer beim letzten Punkt des Verbotsantrags, wonach wir nicht mehr behaupten dürften, die Ortskrankenkassen hätten bei ei-

•nem Gespräch mit Arbeitsminister Pirkl ganz offen zugegeben, daß die Datenerfassung bis zu diesem Ge- spräch keinesfalls „wissenschaftlich begleitet" war, zu der Feststellung, daß unsere Behauptungen in diesem Punkt durch Zeugenaussagen „im wesentlichen bestätigt" seien.

Das Gericht stellte in der schriftli- chen Urteilsbegründung abschlie- ßend fest, der Landesverband der Ortskrankenkassen „hat daher bei keiner der klagegegenständlichen Behauptungen" gegen unsere Zei- tung und gegen mich „einen An- spruch auf Unterlassung. Die Klage war daher abzuweisen".

Womit die Richtigkeit unserer Ent- hüllungen und damit auch die Not- wendigkeit der Information der Öf- fentlichkeit bewiesen sein dürfte.

Vorwürfe immer noch im Raum Immer noch im Raum stehen jedoch unsere weiteren Vorwürfe, daß ent- gegen den Grundsätzen des Daten- schutzes, durch Genehmigung der Verantwortlichen der AOK Lindau, ein zeitlich begrenzt beschäftigter Aushilfsangestellter sogar Kranken- belege mit ärztlichen Angaben über Intimdaten der einzelnen Versicher- ten zur privaten Auswertung aus den Diensträumen mit nach Hause neh- men durfte.

Weiter noch im Raum stehen auch die Vorwürfe, daß maßgebliche Per- sönlichkeiten der AOK Lindau bei der Geheimaktion gegen den Ärzte- präsidenten Professor Sewering sinngemäß sagten: „Das wäre die Spitze; wenn wir den erwischen, wäre alles gewonnen — den müssen wir unbedingt erwischen, dann wäre die ganze Sache schon gelaufen".

Gerade diese Vorhaltungen — die gravierendsten, die unsere Zeitung in dieser Sache überhaupt erhob — aber versucht man beim Landesver- band der Ortskrankenkassen immer noch totzuschweigen ... Oskar Hatz

Widerstand

gegen Regierungsplan

„Bei den Krankenkassen regt sich Widerstand. Denn die Politiker brau- chen die Beitragserhöhung in der Krankenversicherung nicht selbst zu beschließen. Die Selbstverwaltungs- organe der Kassen, die von Arbeit- gebern und Arbeitnehmern be- schickt werden, müssen diesen un- populären Schritt tun. Sie sollen die fehlenden Milliarden eintreiben. Die Kassen allerdings denken schon halblaut über Möglichkeiten nach, den Schwarzen Peter zurückzuspie- len. Da könnte sich die eine oder andere Kasse darauf berufen, daß der Höchstbetrag vor Jahren gesetz-

Mem etafterngig«

lich auf acht Prozent festgeschrie- ben wurde. Die Anhebung auf die heute weit darüber liegenden Sätze war nur mit Hilfe von Ausnahmever- fahren möglich. Versteifen sich die Kassen darauf, dann müßte der Bun- destag entweder die Mindestbeiträ- ge heraufsetzen, womit er auch vor dem Wähler die volle Verantwortung übernehmen würde; oder er hätte den Kassen mit Finanzspritzen unter die Arme zu greifen. Weil die Ren- tenversicherungen sechs Milliarden weniger für die Krankenversorgung der Rentner an die Kassen überwei- sen werden, der Anteil der Rentner in den Kassen aber unterschiedlich ist, sollen diese untereinander die Finanzen ausgleichen. Ein kompli- zierter Verschiebebahnhof für die Beitragsmilliarden mit hohem Ver- waltungsaufwand soll dafür einge- richtet werden. Das System der Krankenversicherungen, durch das heute schon kaum mehr jemand hin- durchsieht, würde noch verschlun- gener: ein Ansatzpunkt für jene, die der Einheitsversicherung das Wort reden. Die wäre in der Tat übersicht- licher. Aber sie bedeutete auch den ersten Schritt auf einer abschüssi- gen Bahn, die beim staatlichen Ge- sundheitsdienst enden könnte."

Alfons Schiele

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 5 vom 3. Februar 1977 283

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