Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Die Verantwortung bei Sterilisation
Die Verantwortung für eine Sterili- sation liegt weitgehend bei dem Arzt, der sie durchführt. Er muß zu- mindest die "Freiwilligkeit" unter die Lupe nehmen. Vorsicht bei un- ausgereiften Entschlüssen (Privat- dozent Dr. E. Eicher, II. Universi- täts-Frauenklinik München). Spe- ziell postpartal geäußerte Sterilisa- tionswünsche werden von den Frauen häufig revidiert. Dann kann den Arzt der Vorwurf treffen, er habe der psychischen Ausnahmesi- tuation nicht Rechnung getragen, in der sich viele Frauen im Wo- chenbett befinden. Erst sechs Mo- nate nach diesem Zeitpunkt kann man mit einem ausgereiften Ent- schluß rechnen (Eicher). Vorsicht auch bei neurotischer Symptoma- tik. Vorher Psychotherapie!
(6. Fortbildungskurs ,.Gynäkologie und Ge- burtshilfe", 19. März 1976, München)
Ursachen der Fett- stoffwechselstörungen
Nicht jede (mäßige) Hyperlipämie hat den gleichen Risikowert für die koronare Herzkrankheit (Prof. Dr.
H. Greten, Medizinische Universi- tätsklinik Heidelberg): Lipide von geringer Dichte (VLDL und VDL) sind wesentlich riskanter als Lipide von sehr hoher Dichte (HOL und VHDL). Solange man diese Lipide nicht mit einfachen Mitteln trennen kann, bleibt es vorerst bei der Cho- lesterin- und Triglyzeridbestim- mung. - Hyperlipidämien vom Typ II a sind meistens Ausdruck eines genetischen Rezeptorendefektes, durch den die inhibierende Rück- kopplung bei der endogenen Cho- lesterinsynthese teilweise oder völ- lig entfällt. Bei Typ 111 handelt es sich um eine gesteigerte VLDL- Synthese. Typ I und IV gehen auf Enzymdefekte zurück, die die wei- tere Metabolisierung drosseln. - Das dispositioneile Moment ist kein Grund zum Resignieren, son- dern im Gegenteil (Prof. Dr. G.
Schettler, Medizinische Universi-
tätsklinik Heidelberg): Diese Er- kenntnis verlagert die präventivme- dizinische Fettstoffwechselkontrol- le bloß in die Jugendjahre; denn bei diesen Probanden ist rechtzei- tige Erziehung zu einer lebenslan- gen defektangepaßten Ernährung besonders segensreich.
(1. Bühlerhöhe-Frühjahrssymposium, April 1976)
Hepatitis
durch Lebensmittel
Solche Infektionen sind immer häu- figer evident. Man muß nur die He- patitisepidemien exakt ergründen (Professor Dr. D. A. K. Mossel, In- stitut für medizinische Lebensmit- telmikrobiologie an der Universität Utrecht [NL]). Zwei Entstehungswe- ge sind dabei zu unterscheiden:
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Oropharyngealer Zyklus der He- patitisviren A: Lebensmittelinfek- tion durch Husten und dann Wei- tergabe des Virus mit den Lebens- mitteln (Epidemie in Massachu- setts/USA).8
Lebensmittel-Hepatitis durch Aflatoxin von Schimmelpilzen. Die- se Mykotoxine sind grundsätzlich leberpathogen, zum Teil sogar kanzerogen (Obermedizinaldirektor Dr. F. Legler, Bakteriologische Un- tersuchungsanstalt Erlangen- Bruck).(6. Arbeitstagung der Vereinigung der Ärzte der Medizinaluntersuchungsämter. März 1976, Düsseldorf)
Umweltfreundliche Kernkraftwerke
Kohlekraftwerke emittieren in ihren Abgasen neben den bekannten an- deren Schadstoffen mehr radioakti- ve Isotope als zum Beispiel in der ungünstigsten Nachbarschaft von Kernkraftwerken auftreten können (Professor Dr. K. Aurand, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygie- ne des Bundesgesundheitsamtes, Berlin). ln der Flugasche verschie- dener Kohlekraftwerke der Bun- desrepublik wurden Radium-226,
1976 Heft 30 vom 22.Juli 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT
Thorium-232 und Kalium-40 gefun- den. ln ungünstiger Umgebung von Kohlekraftwerken wird dadurch der Knochen des Menschen pro anno mit bis zu 43 mrem belastet, ge- genüber 1 mrem pro Jahr, die in der Umgebung von Kernkraftwer- ken an den ungünstigsten Stellen auftreten können. - Dazu zum Vergleich die mittlere ·genetische Strahlenexposition in der Bundes- republik Deutschland (nach F.-E.
Stieve, Abteilung Strahlenhygiene im Bundesgesundheitsamt, Berlin): .,... Natürliche Strahlenexposition ca.
110 mrem/anno.
.,... Medizinische Strahlenanwen- dung ca. 50 mrem/anno.
.,... Fallout von Kernwaffenversu- chen (noch immer!)
<
8 mrem/anno.
.,... Kerntechnische Anlagen: weni- ger als 1 mrem/anno.
(Wissenschaftliches Symposium des Bun- desgesundheitsamtes über .. Bewertung von Risiken für die Gesundheit", Mai 1976, Ber- lin)
Grippe-Impfung bei Hepatitis
Bei akuter Hepatitis wird niemand impfen. Bei chronisch persistieren- der Hepatitis kann auch eine Vi- rus-Lebend-Impfung kaum proble- matisch sein. Schwierig wird es nur bei Patienten mit chronisch ag- gressiver Hepatitis, vor allem unter einer gerade laufenden kombinier- ten Therapie mit Prednisolon und Azathioprin. Ähnliches gilt für flo- rierenden zirrhotischen Umbau. Un- tersucht ist die Frage offenbar noch nicht. Viele Kliniker sehen bei diesen Patienten dennoch von ei- ner Grippeschutzimpfung ab (Pro- fessor Dr. U. Gerlach, Medizinische Universitätsklinik Münster). Das ist vorerst eine rein empirisch begrün- dete Vorsichtsmaßnahme. Objekti- ve Gründe gibt es für diesen Ver-
dacht nicht. WP
(4. Internationales Kissinger Kolloquium, April 1976, Bad Kissingen)