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Archiv "Ernährung, Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit" (27.04.1984)

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(1)

ARTERIOSKLEROSE-SERIE

Ernährung, Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit

Günter Schlierf

Aus dem Klinischen Institut für Herzinfarktforschung an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. h. c. mult. Gotthard Schettler)

Eine vernünftige, der heutigen Lebensweise angepaßte Ernährung führt im Verein mit ausreichender körperlicher Bewegung zu deut- lichen Effekten auf wichtige kardiovaskuläre Risikofaktoren. Überge- wicht, Hyperlipidämien und Hypertonie lassen sich auf diese Weise

„kausal" behandeln bzw. verhüten. Ergebnisse von Langzeituntersu- chungen und klinische Studien zur Regression der Arteriosklerose belegen mittlerweile die Effizienz von Maßnahmen gegen Risikofak- toren. Entsprechende Empfehlungen sollten sich im Sinne einer all- gemeinen Prävention an die gesamte Bevölkerung richten; beson- ders intensive Bemühungen müßten darüber hinaus bei Personen mit besonders hohem Risiko durchgeführt werden.

N

eben anlagemäßigen Gege- benheiten, die im einzelnen noch wenig erforscht sind, spielen Umwelteinflüsse bei der Entwicklung der Arteriosklerose und deren Komplikationen eine gewichtige Rolle (32)*). Effekte umweltbedingter Risikofaktoren lassen sich quantifizieren und er- möglichen eine recht genaue Pro- gnose der Gefährdung im epide- miologischen Sinne. Logische Folge dieses Wissens sind Maß- nahmen zur Prävention und Be- handlung von Herz-Kreislauf-Er- krankungen durch Abbau und Ausschaltung umweltabhängiger Risikofaktoren. Hier kommt dem

„Geschwisterpaar" Ernährung und Bewegung eine Schlüsselrol- le zu.

Die folgende Übersicht soll darle- gen, daß eine effektive Prävention der koronaren Herzkrankheit und damit auch eine Verbesserung der Lebenserwartung mit großer

Wahrscheinlichkeit möglich ist.

Relevante Ernährungseinflüsse werden geschildert, Belege für die Wirksamkeit der empfohlenen Maßnahmen vorgelegt und Wege zu ihrer Realisierung aufgezeigt.

Schließlich wird der Stand der wissenschaftlichen Diskussion bezüglich der Zielgruppen von Er- nährungsmaßnahmen erörtert.

Übergewicht

Die Rolle des Übergewichts als Ri- sikofaktor wurde in den letzten Jahren kontrovers diskutiert (14, 17). Den Daten US-amerikani- scher Lebensversicherungsge- sellschaften zum Idealgewicht wurden Befunde aus einigen pro- spektiven Studien gegenüberge- stellt, die eine U-förmige Bezie- hung zwischen Körpergewicht und Gesamtmortalität beschrie- ben (11, 31). Demzufolge war die Mortalität sowohl bei deutlich

Übergewichtigen als auch bei Personen der untersten Gewichts- klassen erhöht, und die beste Le- benserwartung fand sich bei ei- nem Durchschnittsgewicht oder etwas darüber. Andere Langzeit- studien (20) sowie eine detaillierte Analyse der Übersterblichkeit Un- tergewichtiger, z. B. in der Fra- mingham-Studie (13), scheinen das „alte Idealgewicht" weitge- hend zu rehabilitieren und weisen dem Zigarettenrauchen (Raucher sind häufiger untergewichtig) ei- ne entscheidende Rolle bei der Übersterblichkeit Untergewichti- ger zu.

Wird demnach die prognostische Bedeutung eines erhöhten relati- ven Körpergewichts für die Le- benserwartung — aus methodi- schen Gründen wie ich glaube — noch kontrovers beurteilt, so be- legen alle relevanten Untersu- chungen übereinstimmend den Zusammenhang zwischen Über- gewicht und anderen kardiovas- kulären Risikofaktoren (41), wie er auch in unserer Heidelberger Querschnittsstudie (Tabelle 1) deutlich wird. Übergewicht ist nicht nur als Risikofaktor für Risi- kofaktoren, sondern mittlerweile auch „isoliert" ein prognostisch ungünstiger Befund bezüglich der koronaren Herzkrankheit (16); sei- ner Vorbeugung und Behandlung kommt eine Schlüsselrolle im Na- men einer risikomindernden Le- bensweise zu. Neben entspre- chenden Ernährungsmaßnahmen hat vermehrte körperliche Bewe- gung entscheidende Bedeutung für die dauerhafte Gewichtsreduk- tion.

Fettstoffwechselstörungen Hyperlipidämien rangieren, zu- sammen mit Hypertonie und Rau- chen, und in dieser Kombination besonders risikoträchtig, an vor- derer Stelle in der Pathogenese der Arteriosklerose und ihrer klini- schen Manifestationen (21). Bele-

') Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

(2)

Gewichtsgruppe (Broca)

> 1,1 1,1-0,9 <0,9 Blutzucker 110 mg/dl

Cholesterin 260 mg/dl Triglyzeride 200 mg/dl Harnsäure 3 8 mg/dl Hypertonie (> 160 oder > 95) Alkohol 60 g/Tag

7,5 5,6 13,1 9,9 18,2 7,5 17,8 6,3 46,9 21,1 30,9 22,1

2,0 3,4 1,4 0,7 12,2 12,1

Quelle: Arab, L., Schellenberg, B., Schlierf, G.: Ernährung und Gesundheit, Beiträge zu Infusionstherapie und klinische Ernährung 7, 1982

Prävalenz (%) von Risikofaktoren bei Männern in der Heidelberg-Studie ge für entsprechende Zusammen-

hänge lassen sich mit einer brei- ten Palette wissenschaftlicher

Methoden sammeln. Umgekehrt scheint die deutliche und langfri- stige Beeinflussung erhöhter

Blutfettspiegel Voraussetzung zu sein für die Prävention der koro- naren Herzkrankheit in epidemio- logischem Maßstab (33).

Die Ernährungsabhängigkeit der atherogenen Lipoproteine läßt sich durch vergleichende (18) und prospektive (30) epidemiologi- sche Studien erschließen und wird durch das kontrollierte Er- nährungsexperiment beim Men- schen belegt (22). Tabelle 2 faßt die gesicherten Wirkungen von Nährstoffen auf den Cholesterin- spiegel zusammen. Hohe LDL- und Gesamtcholesterinspiegel und hohe diurnale Triglyzerid-

und VLDL-Konzentrationen finden sich in Populationen mit einem hohen Anteil tierischer Lebens- mittel und damit einer hohen Fett- und Cholesterinaufnahme und ei- ner niedrigen Ballaststoffzufuhr (6), niedrigste Lipoproteinkonzen- trationen dort, wo der größte Teil der Nahrungsenergie aus kohle- hydrat- und ballaststoffreichen pflanzlichen Produkten stammt.

Daß nicht nur Steak und Schwei- nebraten, sondern auch die chine- sische oder japanische Küche, oder wenn man nicht so weit ge- hen möchte, die italienische von hohem Wohlgeschmack sein kön- nen, dürfte mittlerweile einem Volk von Globetrottern wie dem unseren nicht mehr unbekannt sein. Die Empfehlungen der Mehr- zahl wissenschaftlicher Fachorga- nisationen zur Ernährung für die primäre (bei gesunden Risikoträ-

Tabelle 1

Verminderte und modifizierte Zufuhr

von Fett (30%, P/S 1,0) — 21 mg/dl

Verminderte Cholesterinzufuhr (< 200 mg) — 8 mg/dl Erhöhte Zufuhr von Ballaststoffen (6 —> 46 g) — 8 mg/dl Modifizierte Eiweißzufuhr

(Steigerung des Verzehrs pflanzlicher Lebensmittel auf Kosten tierischer Proteinträger)

— 8 mg/dl Einfluß diätetischer Maßnahmen auf den Cholesterinspiegel

—45 mg/dl

Quelle: Lewis, B. (Chairman): Conference an the health effects of blood lipids: optimal distributions for populations. Prev. Med. 8 (1979) 679

Tabelle 2

gern) und sekundäre (bei Patien- ten) Prävention der Arteriosklero- se und ihrer Komplikationen stim- men weitgehend überein und wurden durch eine Gutachter- gruppe der DFG (9) in diesem Jahr wie folgt zusammengefaßt:

1. Durch Einschränkung des Fett- verzehrs und damit der Choleste- rinzufuhr sowie durch Verminde- rung eines erhöhten Verbrauchs von Zucker und Alkohol kann dem Auftreten von Risikofaktoren für degenerative Herz- und Kreislauf- krankheiten vorgebeugt werden.

2. Übergewicht ist bei vielen Per- sonen assoziiert mit Hypertonus, Hypertriglyzeridämie, Diabetes mellitus, koronarer Herzkrankheit bzw. Gallenblasenerkrankung.

Die durch diese Erkrankungen er- höhte Morbidität kann durch Ge- wichtsreduktion gesenkt werden.

3. Übergewicht, auch wenn es nicht mit den unter 2. genannten Erkrankungen verbunden ist, soll- te durch Einschränkung der Kalo-

rienzufuhr abgebaut werden.

4. Bei erhöhten Cholesterinwer- ten (LDL-Werten) ist eine Norma- lisierung auf Werte unter 220 mg/

dl (150 mg/dl) anzustreben. Re- duktion der gesättigten Fettsäu- ren, teilweiser Ersatz der gesättig- ten durch mehrfach ungesättigte

Fettsäuren und verminderte Cho- lesterinzufuhr sind in der genann- ten Reihenfolge wirksame diäteti- sche Maßnahmen zur Senkung ei- nes erhöhten Serumcholesterin- spiegels.

5. Bei einer Begrenzung der Fett- zufuhr auf 30 bis 35 Prozent der Kalorien sollte insbesondere der Verbrauch an tierischen Fetten (reich an gesättigten Fettsäuren und Cholesterin) eingeschränkt werden und ca. ein Viertel bis ein Drittel (8 bis 10 Prozent der Ge- samtkalorien) aus mehrfach unge- sättigten Fettsäuren bestehen.

Diese — nach fast allen vorliegen- den Studien risikomindernde — Er- nährungsweise wird seitens der

(3)

American Heart Association auch für Kinder und Jugendliche emp- fohlen (36). Unerwünschte Neben- wirkungen der empfohlenen Maß- nahmen sind nicht bekannt (1, 2, 37).

~ Wie stellt sich heute, 3 Jahre nach einer auch in diesen Seiten ausgetragenen Kontroverse in Sa- chen Ernährung und Arterioskle- rose, die Beweislage für die Effek- tivität einer Ernährungsumstel- lung als prophylaktische und the- rapeutische Maßnahme dar?

Nachdem die Langzeitstudien der

"ersten" Generation (12) durch kleine Fallzahlen und wenig aus- geprägte Effekte auf Lipidspiegel die Möglichkeit der Prophylaxe durch Ernährungsumstellung le- diglich wahrscheinlich gemacht hatten, ohne sie sicher belegen zu können (35), ließen die multifakto- riellen Interventionsstudien der Folgezeit aus statistischen Grün- den (deutlichere Beeinflussung des Risikoprofils insgesamt durch Einbeziehung mehrerer Risiko- faktoren) bessere Erfolge erwar- ten. Vier diesbezügliche Untersu- chungen seien ganz kurz skiz- ziert:

~in der Oslo-Studie (15) wurde bei 1232 gesunden Männern mit Hypercholesterinämie geprüft, ob die Infarkthäufigkeit durch Ernäh- rungsumstellung und Maßnah- men gegen das Zigarettenrau- chen innerhalb von 5 Jahren ge- senkt werden kann. Bei einer Senkung des Cholesterinspiegels um 13 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe und auch bei ei- ner stärkeren Abnahme des Ziga- rettenkonsums war die Häufigkeit von Infarkt und plötzlichem Herz- tod um 47 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe erniedrigt

(p

<

0,05). Die Untersuchung be-

legt auf methodisch saubere und statistisch abgesicherte Weise die Möglichkeit der Infarktprophylaxe durch Änderung der Lebens- weise.

~ Die MRFIT-(Multiple Risk Fac- tor Intervention Triai-)Studie in

Niedriges Risiko Nichtraucher Kein Diabetes

systolischer Blutdruck 30- -- --- - - -- - - - -

25--- -- - - -- -- - - - -

20--- - -

15---~~---

180 165 150 135 120 105

210 235 260 285 310

Hohes Risiko Raucher Diabetes

185 210 235 260 285 310

Darstellung 1: Risiko für koronare Herzkrankheiten in 8 Jahren (40jährige Männer, Framingham-Studie)

den USA (24) sollte bei 12 866 Männern mittleren Alters die Fra- ge beantworten, ob Versuche zur Beeinflussung der Risikofaktoren Hypercholesterinämie, Hyperto- nie und Zigarettenrauchen bei

"gesunden" Risikoträgern die Mortalität an der koronaren Herz- krankheit beeinflussen. Jeweils die Hälfte der Männer wurde einer Gruppe mit intensiven Bemühun- gen von Spezialisten zur Ände- rung der Lebensweise und einer anderen zugeordnet, die "nur"

von den jeweiligen Hausärzten betreut wurde ("Kontrollgrup- pe").

Im Verlauf der 7 Jahre dauernden Untersuchung kam es zu einem Abfall der Risikofaktoren in bei- den Gruppen (diastolischer Blut- druck um 12 bzw. 8 Prozent, An- zahl der Raucher von 59 auf 32 bzw. 46 Prozent und des Chole-

sterinspiegels von 254 auf 235 bzw. 240 mg/dl). Die Infarktmorta- lität unterschied sich mit 17,9 pro 1000 bzw. 19,3 pro 1000 in den zwei Gruppen nicht signifikant, war jedoch bereits in der Kontroll- gruppe um 44 Prozent niedriger, als bei unbeeinflußten Risikofak- toren hier erwartet worden war.

Dieses Ergebnis bei motivierten Freiwilligen in den USA zeigt, daß deutliche Effekte bezüglich einer Änderung der Risikofaktoren und offenbar auch bezüglich der ln- farktmortalität in diesem Land be- reits im Rahmen des etablier- ten Gesundheitssystems möglich sind.

~ Kornitzer und Mitarbeiter (19) prüften in Belgien bei 19 409 männlichen Beschäftigten der In- dustrie die Wirksamkeit einer Be- einflussung mehrerer kardiovas-

(4)

Risikofaktor Nährstoff Lebensmitte!

Übergewicht kcal Brot 18%

(2645 kcal/Tag) Fleischwaren 13%

alkohol. Getränke 10%

Fleisch 9%

Hyper- tierische Fette Fleischwaren 36%

cholesterinämie (89 g/Tag) Fleisch 22%

Butter 13%

Milch 8 0/.

Cholesterin Eier 30%

(483 mg/Tag) Fleisch 25%

Fleischwaren 18%

Butter 7%

Hypertonie NaCI Backwaren 31%

(11,3 g/Tag) Fleischwaren 26%

Brot 19%

Käse 9 0/0

Alkohol Bier 58%

(40 g/Tag) Wein 36%

Spirituosen 6 0/0

Quelle: Arab, L., Schellenberg, B., Schlierf, G.: Ernährung und Gesundheit. Beiträge zur Infusionstherapie und klinische Ernährung, 7, Karger-Verlag (1982)

Die für die Ernährungsgewohnheiten in Deutschland typischen Befunde zeigen, wo bei Risikofaktoren „gespart" werden kann und sollte. Umgekehrt ist zu einem vermehrten Verzehr von Kartoffeln, Gemüse und Obst zu raten; auch geeignete Brotsorten haben bei der „vernünftigen Ernährung" ihren wichtigen Platz

Tabelle 3: Risikofaktoren, relevante Nährstoffe und Lebensmittel nach Befunden bei 20- bis 40jährigen Heidelberger Männern

kulärer Risikofaktoren bezüglich Infarkthäufigkeit und Mortalität.

Bei einem Abfall des „Risikopro- fils" um 15 bis 20 Prozent in der

Interventionsgruppe in den 5 bis 6 Jahren der Studie war die Häufig-

keit von Infarkt und plötzlichem Herztod um 25 Prozent (p < 0,05) und die Gesamtmortalität um 18 Prozent (p < 0,05) erniedrigt.

II> Eine dieser Studie ähnliche Untersuchung in Großbritannien (28) bei 18 210 Männern war dage- gen erfolglos: Die Beeinflussung der Risikofaktoren war minimal (z. B. Senkung des Cholesterin- spiegels um 0,4 [I] Prozent), In- farktmorbidität und -mortalität blieben unbeeinflußt. Der Autor selbst kommentiert in der Diskus- sion seiner Arbeit das Ausbleiben der Cholesterinspiegelsenkung in seinem Land wie folgt: „... die In- formation über die Notwendigkeit einer Ernährungsumstellung und

Cholesterinspiegelsenkung war unzureichend und kontrovers, und in diesem Bereich wies unser Zentrum auch die geringsten Er- folge auf..." (28).

Relevant, wenngleich in der Regel unter Einbeziehung einer lipid- spiegelsenkenden Chemothera- pie, sind auch Untersuchungen über die Regression der Arterio- sklerose beim Menschen, die durch Fortschritte auf dem Gebiet der invasiven und nicht-invasiven Maßnahmen zur Messung der Ar- teriosklerose möglich geworden sind. Bisher vorliegende Ergeb-

nisse sind ermutigend (40, 10).

Der Schluß: Ernährungsmaßnah- men haben gute Erfolgschancen in einem multifaktoriellen Präven- tionskonzept; sollten sie isoliert wirksam sein, müssen wahr- scheinlich eingreifende (im Ver- gleich zum Ist-Zustand) Änderun-

gen der Nährstoffzufuhr zu eben- falls sehr deutlichen Effekten auf atherogene Lipoproteinkonstella- tionen führen (Vegetarier etc.).

Abschließend zu diesem Punkt ist daran zu erinnern, daß vermehrte körperliche Bewegung im Sinn von Ausdauersport zu ausgepräg- ten Effekten auf Blutfettspiegel führt, die unabhängig von der Er- nährung auftreten und im Zusam- menspiel mit ihr präventiv wirk- sam sein können (39, 42).

Bei allen Maßnahmen ist die bio- chemische Individualität zu be- achten, die im Einzelfall trotz un- günstiger Umwelteinflüsse niedri- ge Lipidspiegel bedingt oder bei exzellenter Diätadhärenz zu

„schlechten" Blutfettwerten füh- ren kann.

Hierzu gehören auch Personen mit verschiedenen Formen fami- liärer Hyperlipidämien, insbeson- dere der familiären Hyperchole- sterinämie.

Hypertonie

Das Risiko durch Hypertonie ist epidemiologisch quantifizierbar (siehe Abbildung 1), experimen- tell gründlich belegt und biolo- gisch plausibel. Blutdruckdiffe- renzen dürften' beispielsweise ganz entscheidend für die Lokali- sation der Arteriosklerose maß- geblich sein (fast ausschließlich im großen Kreislauf, außer bei pulmonaler Hypertonie und, ab- gesehen von Bypass-Gefäßen, nicht in den Venen).

Die Gefährdung bei der Kombina- tion der sogenannten Risikofakto- ren erster Ordnung wurde im Co- ronary Risk Handbook der Ameri- can Heart Association aufgelistet ( 7 ).

Drei Ernährungsaspekte stehen für die Genese der„essentiellen"

Hypertonie zur Diskussion (4, 8) und lassen sich therapeutisch nut- zen: Positive Energiebilanz und Übergewicht, Aufnahme von NaCI

(5)

und Alkohol in höheren Mengen.

Die Korrelation der genannten Nahrungsfaktoren mit der Hyper- tonie besteht unabhängig vonein- ander, Effekte scheinen additiv.

Die Wirkungen der Natriumre- striktion — zur Überprüfung der Compliance ist die Messung der Natriumausscheidung im Urin ge- eignet — sind deutlich und schnei- den in einigen Studien (z. B. 5) im Vergleich zur medikamentösen Blutdrucksenkung gut ab.

Für die Realisierung einer natri- umarmen Ernährung ist, ähnlich wie für Änderungen im Fettver- zehr, die Kenntnis der für die Na- triumzufuhr bedeutsamen Lebens- mittel nützlich (siehe Tabelle 3).

Der Nutzen einer konsequenten Behandlung der Hypertonie wur- de in zahlreichen Langzeitstudien untersucht (37). Die Ergebnisse lassen sich dahingehend zusam- menfassen, daß, zumindest bei deutlicher Hypertonie und Perso- nen mittleren Alters, eine Vermin- derung arteriosklerotischer Kom- plikationen und eine Verbesse- rung der Lebenserwartung resul- tiert.

Widersprüchliche Ergebnisse be- stehen u. a. noch bezüglich des Endpunkts Myokardinfarkt, der Behandlungsbedürftigkeit der milden Hypertonie, einer mögli- cherweise ungünstigen Wirkung/

Nebenwirkungsrelation einiger medikamentöser Verfahren sowie der Therapiebedürftigkeit der sy- stolischen Hypertonie im Alter.

Auch die Übertragbarkeit der Er- gebnisse medikamentöser Lang- zeitstudien auf die diätetische Blutdrucksenkung ist nicht ohne weiteres gegeben. Trotzdem schließen die meisten Ernäh- rungspläne für die Prophylaxe der koronaren Herzkrankheit eine Re- duktion der Natriumzufuhr auf et- wa die Hälfte ein (37). Probleme durch eine generelle Akzeptanz dieser Empfehlung könnten sich allenfalls bei starkem Schwitzen (Hitzearbeit, sportliche Ausdauer-

leistung, Tropenaufenthalt) oder chronischen gastrointestinalen Elektrolytverlusten (Erbrechen, Durchfälle) ergeben.

Zielgruppen

für präventive Maßnahmen Die überwiegende Mehrzahl na- tionaler und internationaler Ex- pertengruppen interpretiert den heutigen Wissensstand dahinge- hend, daß Empfehlungen zur Er- nährungsumstellung auf Popula- tionsbasis ohne weitere Verzöge- rung realisiert werden sollten (Li- teratur siehe 9, 37).

Eine Minderzahl von Experten will Maßnahmen zur Ausschaltung von Risikofaktoren lediglich auf einen Personenkreis mit hohem Risiko beschränkt und konzen- triert sehen (3, 25, 34), da die Nutzen/Schaden-Relation einer Ernährungsumstellung bei „Ge- sunden" nicht ausreichend beur- teilt werden könne.

Dieser Auffassung ist entgegenzu- halten, daß auch Nichthandeln ge- fährlich sein kann, wenn eine empfohlene Maßnahme mit gro- ßer Wahrscheinlichkeit nützlich ist und Nebenwirkungen sehr un- wahrscheinlich sind.

Die Situation scheint der bei häu- figen Mangelzuständen (z. B. Jod- mangel und allgemeine Jodpro- phylaxe) analog zu sein.

Die Entscheidung für eine Beein- flussung von Risikofaktoren nur bei Gruppen mit höchstem Risiko setzt außerdem voraus, daß alle Risikoträger identifiziert werden — durch Massen-„Screening" mög- lich — sie wird jedoch ohne konti- nuierliche „Überwachung" der Bevölkerung der Problematik nicht gerecht, daß sich Risikokon- stellationen in der Regel erst nach dem 20. Lebensjahr entwickeln und eine Vorhersage dieser Ge- fährdung heute nicht möglich ist.

Es ergibt sich außerdem das Pro- blem der Grenzziehung:

Das Risiko steigt vom niedrigsten zum höchsten Cholesterinwert, Blutdruck etc. mehr oder weniger kontinuierlich, und die Mehrzahl der Infarkte ereignet sich bei ge- ringgradig oder mäßig erhöhten Risikowerten und nicht bei den doch insgesamt selteneren Perso- nen der höchsten Risikokategorie (absolutes/relatives Risiko!).

Ein Wort schließlich zum soge- nannten „Paradox der Präven- tion" (27):

Mäßige Effekte auf Risikofaktoren lassen zwar deutliche Auswirkun- gen in der gesamten Population, jedoch nur eine geringe Verbes- serung der Prognose im Einzelfall erwarten. Nur ein ausgeprägter Abbau von Risikofaktoren wird auch zur Risikominderung im Ein- zelfall führen (38).

Vernünftig scheint daher folgen- des Rezept: Empfehlung der all- gemeinen Prävention durch ver- nünftige Ernährung (26, 29) und zusätzliche spezifische Anstren- gungen bei Personen mit hohem Risiko und bei Patienten.

Bei dem Versuch einer Änderung risikoträchtiger Lebensweisen ist der „Patient" in ganz besonderem Maße Partner einer gemeinsamen Unternehmung. Wie in anderen Lebensbereichen wird er, nach ausreichender Information, zu- sammen mit seinem Arzt die Ent- scheidung für oder gegen be- stimmte Maßnahmen fällen und tragen müssen.

Literatur im Sonderdruck, zu beziehen beim Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Günter Schlierf Klinisches Institut

für Herzinfarktforschung an der Medizinischen Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg 1

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