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Archiv "Von schräg unten: Polypharmazie" (03.09.2012)

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VON SCHRÄG UNTEN

Polypharmazie

Dr. med. Thomas Böhmeke

W

er fordert nicht vom Fortschritt, in formidabler Form fröhlich alt zu werden? Wir Ärzte können unseren Mitmen- schen diesen Wunsch immer mehr erfüllen, je üppiger sich das Füllhorn phänomenaler Phar- mazeutika füllt. Ja, wir brauchen diese nur über unsere Schützlinge auszuschütten, nur die Unter- schrift auf dem Rezept zu leisten, so einfach ist das. Jeden Tag haben wir solche wunderba- ren Gelegenheiten, heute bin ich dran.

Der Sohn einer etwas älteren Dame legt mir den Entlassungsbrief aus dem Krankenhaus vor, man habe ihr zu mehr

Bewegung und Gewichtsreduktion geraten, eine Medi- kation sei nicht erforderlich. Kann das denn wirklich al- les sein? Nein, so stachelt mich mein Sendungsbewusst- sein an, das ist schier unmöglich! Keine Tablette der gu- ten Tat? Keine Pille zur Prophylaxe? So etwas geht gar nicht. So um die 65 Jahre alt ist die Mutter. Aha, da ha- ben wir es schon. Kein Mensch in diesem Alter hat noch normale Gefäße, das ist wissenschaftlich belegt. Also müssen wir die thrombozytäre Cyclooxygenase mit Ace- tylsalicylsäure stören, da darf auch ein HMG-CoA- Reduktasehemmer nicht fehlen, flankiert von Omega- 3-Fettsäuren! Sind diese Plaques gar in den Koronarien?

Eine Sünde, keinen Betablocker, kein Retardnitrat, kein Molsidomin, kein Pentaerythrityltetranitrat zu verord- nen! Alles ist indiziert, alles erlaubt! Wie kommen die Kollegen nur darauf, sie sollte sich mehr bewegen? Hat sie etwa erhöhte Blutdruckwerte? Da ist es schnöde The- rapieverweigerung, keinen ACE-Hemmer, besser einen AT1-Blocker, ach nein, nehmen wir gleich beide; kein Dihydropyridin, kein Hydrochlorothiazid zu rezeptie- ren! Der Sohn ist beeindruckt. Das darf er auch weiter- hin sein, denn mit Sicherheit hat seine Mutter auch eine Osteoporose, da ist eine Vitamin-D-Therapie, gepaart

mit Bisphosphonaten und selektiven Östrogen-Rezep- tor-Modulatoren nicht nur erlaubt, sondern zwingend er- forderlich! Sie möchte doch bei Wohlbefinden und guter Gesundheit alt werden, oder?! Da darf man auch keine Magenschmerzen haben, dafür gibt es Protonenpumpen- hemmer; kein Ischias darf drücken, dagegen gibt es nichtsteroidale Antirheumatika, kein Lüftchen fehlen, dafür gibt es Sympathomimetika, Anticholinergika, Leu- kotrienantagonisten – mal als Tablette, mal als Spray!

Ich platze wie ein Spannungsabzess vor Glück, heute so viel Gutes tun zu dürfen. Der Nächste, bitte. Ein über 90-jähriger Patient möchte sich vergewissern, ob sein Herz noch gut pumpen würde. Ob er etwas zu beklagen hätte, will ich wissen. „Nein, es geht mir rundum gut.“

Das ist ungewöhnlich, das ist seltsam. Keine Luftnot, kein Drücken in der Brust?! „Nein, gar nichts.“ Das ist verdächtig. Wie viel Medikamente er denn nehmen würde. „Keine.“ Das ist unmöglich! Hat er denn nie eine Tablette genommen?! „Nein, noch nie.“ Das ge- hört verboten! Wie konnte er überhaupt so alt werden?!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

S C H L U S S P U N K T

[136] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 35–36

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3. September 2012

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