• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Neuordnung des Arzneimittelmarktes: Gleiche Chancen auch für besondere therapeutische Richtungen" (02.05.1974)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Neuordnung des Arzneimittelmarktes: Gleiche Chancen auch für besondere therapeutische Richtungen" (02.05.1974)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Die moderne

Krankenhausbibliothek Die Struktur des Gesundheitsamtes der Zukunft Berufspolitische Grundsatz- und

Tagesfragen im Kreuzfeuer Hilfen für ältere Menschen im Straßenverkehr

FEUILLETON:

Kinder, Kranke, Alte und Sieche:

Symbole menschlicher Hinfälligkeit und Größe

REISE:

Oslo und Stockholm — zwei königliche Schwestern

WIRTSCHAFT:

Die Talfahrt der

Konjunktur geht zu Ende

PRAXIS UND HAUS:

Elektrostatisches Luftreinigungsgerät

AUTO:

Lancia Beta 1800 mit hoher Leistung und Ausstattung

Es gibt eine naturwissenschaftlich ausgerichtete medizinische Wis- senschaft, die heute an allen medi- zinischen Hochschulen gelehrt wird, aber es gibt kein wissen- schaftlich begründbares Recht auf Ausschließlichkeit für diese. Trotz des Vorherrschens dieser Richtung an den Universitäten muß man ei- nen Pluralismus medizinisch-wis- senschaftlicher Methodik als gege- ben akzeptieren. Es muß anerkannt werden, daß neben jenen Mitteln, die wir der naturwissenschaftlichen Denkweise in der Medizin verdan- ken, auch jene berechtigt Anwen- dung finden, die aus anderen Vor- aussetzungen stammen.

Berühmte Ärzte wie Paracelsus, Hufeland oder Hahnemann hatten zwar nach heutigem Maßstab nur sehr beschränkte naturwissen- schaftliche Kenntnisse, sie bezo- gen aber ihr Wissen aus Einsichten in das Verhältnis von Mensch und Natur, die ihnen Heilmöglichkeiten erschlossen, welche auch heute noch zum Nutzen der Patienten an- gewendet werden können. Es gibt

auch keinen Grund, die im engen persönlichen Kontakt von Arzt und Patient liegenden Heilimpulse ge- ring zu schätzen, wenn es um die Verwendung dieser oder ähnlicher naturgemäßer Arzneimittel geht.

Vielmehr ist die Frage zu stellen, ob eine ausschließliche Verwen- dung starkwirkender chemischer Pharmaka nicht sogar mehr scha- den als nutzen wird, wenn in Zu- kunft ausschließlich, d. h. bei allen gesundheitlichen Störungen, nur noch mit stärksten Mitteln behan- delt werden dürfte. Schon heute werden rund 30 Prozent aller Kran- kenhausbetten von arzneimittelge- schädigten Patienten belegt.

Viele Krankheiten lassen sich auf mehr als eine Art erfolgreich be- handeln. Bei einer Infektionskrank- heit kann einerseits chemothera- peutisch bzw. antibiotisch, ande- rerseits mit Mitteln gearbeitet wer- den, die die Abwehrkräfte des Or- ganismus anregen. Letztere Mittel mögen sogar auf längere Sicht sinnvoller, weil gesundender sein als die Anwendung von Antibiotika,

Neuordnung des Arzneimittelmarktes:

Gleiche Chancen auch für besondere

therapeutische Richtungen

Gottfried Büttner

Im Hinblick auf die anstehende Reform des Arzneimittelrechts, vor allem aber auch auf geplante EG-Maßnahmen, plädiert der Verfas- ser für die Erhaltung der Therapiefreiheit „für alle, deren Arbeit durch ein neues Arzneimittelgesetz bedroht scheint". Er setzt sich für die Verwendung naturgemäßer Arzneimittel als Therapie-Alter- native ein und für den gleichberechtigten Status aller besonderen therapeutischen Richtungen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 2. Mai 1974 1331

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzneimittelmarkt

weil diese in der Regel eine Im- munsuppression bewirken. Die Im- munologie hat auf diesen Tatbe- stand hingewiesen. Es besteht also aller Grund, an die Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte zu denken und Therapien gelten zu lassen, die u. a. gerade diese Stär- kung bezwecken. Über die letzten Ursachen bei sogenannten Infek- tionskrankheiten ist ohnehin noch sehr wenig bekannt. Wenn W. Krei- enberg (DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT, Heft 44/1973) als engagier- ter Vertreter einer antibakteriellen Therapie davon spricht, daß die Entstehung von resistenten Bakte- rien und die Überwindung soge- nannter Persister, „die Mithilfe des Organismus bei der Überwindung mancher Infektionen noch notwen- dig macht", so ist das sicher nicht nur charakteristisch für die thera- peutische Einstellung dieses pro- minenten Mitgliedes der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärz- teschaft. Das von mir unterstriche- ne noch zeugt für den therapeuti- schen Optimismus, diese sachliche Misere durch ein weiteres Antibio- tikum eines Tages zu überwinden.

Es beweist aber auch, daß man erst dann auf die körpereigenen Abwehrkräfte zurückzukommen für nötig hält, wenn durch vorherge- gangene antibiotische Behandlung sowohl die Erreger resistent ge- worden als auch die Immunmecha- nismen außer Funktion gesetzt worden sind. Man kann das hier aufgezeigte therapeutische Pro- blem auch von vorneherein anders ansehen.

Die Arzneitherapie ist ein weites Feld. Hier ist nicht beabsichtigt, ir- gendeine therapeutische Denkwei- se zu kritisieren. Sinnvoll angewen- det, hat die antibiotische Behand- lung ihre unbestreitbare Berechti- gung. Als alternativlose Methode muß sie jedoch abgelehnt werden.

Ähnliches gilt für andere „auf streng naturwissenschaftlicher Grundlage" entwickelte Mittel, de- ren Wirksamkeit nach heutigen Maßstäben ebenso außer Zweifel steht wie ihre hohe Nebenwir- kungsquote.

Im angeführten Artikel von W. Krei- enberg, der den Titel „Bedeutung der pharmazeutischen Forschung für die ärztliche Berufsausübung"

trägt, heißt es: „Moderne Arznei- stoffe sind wirkungsvoller, haben aber mehr Nebenwirkungen, die In- dikation ist enger, die Gegenindi- kation aber strenger..." Da nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken neuer Arzneistoffe größer sind, wird von den Ärzten kriti- sches Kalkül verlangt. In diesem Zusammenhang gibt Kreienberg die „Halbwertzeit" pharmakothera- peutischer Kenntnisse mit sieben Jahren an. Sein Fazit ist: intensi- vierte Fortbildung der praktizieren- den Ärzte und Bereinigung des Arzneimittelmarktes von sogenann- ten „unseriösen" Präparaten, von einer Vielzahl zugelassener Spezia- litäten, unter denen die „unwirksa- men und nutzlosen auszusondern"

sind, wie er postuliert.

Keine einseitige „Bereinigung"

des Arzneimittelmarktes

Sehr entschieden muß vor einer Neuordnung des Arzneimittelmark- tes gewarnt werden, wenn darunter eine einseitige „Bereinigung" ver- standen wird. Wir sehen darin eine Gefahr, weil hier nach Maßstäben verfahren wird, die nicht von al- len approbierten Ärzten anerkannt werden. Es wird eine bestimmte wissenschaftliche Ansicht zur Dok- trin erhoben. Diese erklärt sich zum Maßstab für alle Arzneimittel und erläubt sich, von „unwirksa- men, bedenklichen oder hinsicht- lich ihrer therapeutischen Wirk- samkeit und Unbedenklichkeit längst überholten und veralteten Arzneimitteln" zu sprechen (W.

Kreienberg).

Die Konsequenz einer solchen Marktbereinigung wäre in erster Li- nie die Beschneidung der Thera- piefreiheit jener Ärzte, die Wert auf die Verwendung angeblich veralte- ter oder „unwirksamer" Mittel le- gen. Es entstünde aber ferner für alle Ärzte ein realer Zwang, jede noch so geringfügige gesundheitli- che Störung mit schwerstem Ge-

schütz zu bekämpfen, und das wäre meiner Meinung nach zum Schaden vieler Patienten. Die von der EG-Kommission vorgeschlage- nen Richtlinien für den Nachweis der Wirksamkeit, (neuerdings spricht man nur noch von Unbe- denklichkeit, weil eine Unschäd- lichkeit kaum zu erwarten ist) — diese Richtlinien sind so ausgelegt, daß selbst Vertreter einer rigoro- sen Neuordnung Angst davor ha- ben.

Nach Ansicht des amerikanischen Pharmakologen und Klinikers Fein- stein*), könnten so gebräuchliche Mittel wie Aspirin nicht mit einer Zulassung rechnen, wenn sie den anvisierten EG-Richtlinien unterzo- gen würden, denn schon in tier- experimentellen Voruntersuchun- gen würden die teratogenen Wir- kungen bei Ratten sie ausschlie- ßen. Wenn die Maßstäbe für so ein- fache, leicht zu definierende Che- mikalien schon unzureichend sind, wie viel schwieriger muß das Ver- fahren bei komplizierten Molekü- len, Stoffgemischen oder Gemen- gen, Pflanzenauszügen usw. sein.

Feinstein mißt deshalb „der durch- dachten Urteilskraft und Vernunft"

von „full-time practicing doctors"

größere Bedeutung bei, weil sie mit dem totalen Bild des Kranken ver- traut sind als sogenannte Exper- ten, in einer Situation, wie Fein- stein sagt, „in der die Wissenschaft bisher versagt hat".

Differenzierte,

abgestufte Arzneitherapie nötig Der praktizierende Arzt unterliegt heute vielen Zwängen. Es ist vor allem sein Zeitmangel, der sich nachteilig auf seine Therapie aus- zuwirken scheint. Klinisch gebildet, beherrscht er heute oft mehr Tech- nik als vor einigen Jahrzehnten mancher Klinikbetrieb. Hat er die Diagnose, stellt sich fast reflexar- tig ein Medikamentenname ein. >

*) Vortrag vom 31. Oktober 1972 in Brüs- sel „Über die Notwendigkeit einer ver- menschlichten Wissenschaft bei der Be- wertung medikamentöser Verordnung"

1332 Heft 18 vom 2. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzneimittelmarkt

Dabei wird ihm „therapeutische Hilfe" durch die empfehlende Indu- strie zuteil. So scharf sieht es je- denfalls ein Report von Elmar He- genauger mit dem bezeichnenden Titel: „Wie aus dem Äskulapstab eine Zuchtrute wird", gesendet vom Bayerischen Rundfunk (abge- druckt in „gehört — gelesen",Verlag Lambert Müller, München): „So ist in unserer Heilkunde der groteske Fall eingetreten, daß der überlaste- te Arzt, der es früher als eine sei- ner ersten Pflichten und höchsten Künste ansah, die Auswahl, die Do- sierung und die Kombination der Arzneistoffe für den jeweiligen Ein- zelfall genau festzulegen, nun von den Arzneimittelfabrikanten vorwie- gend mit Hilfe von Reklamesprü- chen gesagt bekommt, was für Prä- parate er für welche Krankheiten verschreiben soll. — Damit aber sind wesentliche Teile der ärztli- chen Tätigkeit an die chemische Indu- strie abgegeben und Arzt wie Apo- theker zu Handlangern pharmazeu- tischer Kaufleute geworden.

Mit Hilfe der simplen Frohbotschaft:

„Hier die Diagnose — da das Prä- parat" ist die Heilkunde in eine schier lückenlose Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen gera- ten..." Das trifft, Gott sei Dank!, nicht für alle Ärzte und nicht für viele Kollegen ausschließlich zu, auch wenn zugegeben werden muß, daß hier eine große Gefahr aufgezeigt worden ist.

Der praktizierende Arzt muß eine differenzierte, der Schwere des Krankheitsprozesses angemessene abgestufte Arzneitherapie betrei- ben können. Eine repräsentative Umfrage hat ergeben, daß immer- hin 75 Prozent aller niedergelasse- nen Ärzte nicht mit nur „wissen- schaftlich allgemein anerkannten Arzneimitteln" auskommen. Das ist ein hoher Prozentsatz, der zu den- ken gibt.

Als langjährigem Praktiker geht es mir in dieser Stellungnahme nicht um Urteile über diese oder jene therapeutische Richtung, die von meinen Kollegen vertreten wird, sondern allein um die Erhaltung

der Therapiefreiheit für alle jene, deren Arbeit durch ein neues Arz- neimittelgesetz bedroht scheint.

Wohl hat Ministerialdirigent Dr. jur.

Dr. phil. P. Walter vom Bundesmini- sterium für Jugend, Familie und Gesundheit am 26. August 1973 in Karlsruhe gesagt (zitiert nach der Monatsschrift des Marburger Bun- des, September 1973): „Bei be- stimmten Arzneimitteln ist vor al- lem der Wirksamkeitsnachweis nicht ohne weiteres hinreichend exakt zu führen. Gleichwohl möch- ten viele Ärzte auf Grund langjähri- ger Erfahrungen nicht auf solche Arzneimittel verzichten." Er hofft,

„daß den Besonderheiten einzelner Arzneimittelgruppen hinreichend Rechnung getragen wird und diese Arzneimittel wenigstens national im Rahmen der Phytotherapie zur Ver- fügung stehen werden". Er folgert ferner: „Die Reform wird eine dif- ferenzierte Behandlung der Arznei- mittel bei der Registrierung brin- gen müssen..." Das klingt hoff- nungsvoll. Wie aber wird die Wirk- lichkeit aussehen?

Über das Arzneimittelgesetz darf keine bestimmte medizinische Richtung bevorzugt werden

Eine individuelle medikamentöse Behandlungsart findet man bei al- ten Praktikern, bei Ärzten mit Na- turheilverfahren häufiger als bei jüngeren Kollegen. Man findet sie aber speziell bei den vorwiegend homöopathisch verordnenden und den anthroposophisch eingestell- ten Ärzten, die versuchen, eine di- rekte Beziehung zwischen ihrer Art der Diagnostik und einer auf den Einzelfall abgestimmten Therapie herzustellen. Allen diesen Ärzten muß das Gesetz gestatten, Arznei- mittel (und Arzneispezialitäten) ih- rer Wahl weiterhin zu gebrauchen.

Ganz gleich, wie diese Arzneimittel gefunden worden sind oder gefun- den werden, ob aus Erfahrung am Gesunden (Hahnemann), aus der sogenannten Volksmedizin oder aus therapeutischer Intuition, die es übrigens von jeher gegeben hat,

auch wenn man heute vielleicht meint, auf diese Quellen verzichten zu können. Diese bedeutenden Gruppen sind auch vom wissen- schaftlichen Gesichtspunkt aus in- teressant und durchaus keine

„Quantitö nägligeable".

Der Gesetzgeber muß sich hüten, eine medizinische Richtung gegen- über allen anderen zu bevorzugen.

Wissenschaftliche Anschauungen von heute können morgen schon wanken oder umstürzen. Es gibt eine Reihe von Problemen des Menschseins — und damit von Krankheit und Heilung — die nicht mit naturwissenschaftlichen (che- misch-physikalischen) Mitteln ge- löst werden können. Heute gilt es als anerkannt, daß eine Anzahl kör- perlicher Krankheiten auch psy- chotherapeutisch erfolgreich be- handelt werden kann. Es gibt auch die Möglichkeit der Akupunktur usw. Ebenso muß anerkannt wer- den, daß es arzneiliche Heilungen gibt, die zum Erstaunen mancher Theoretiker mit potenzierten ho- möopathischen Heilmitteln ganz gezielt bewerkstelligt werden. Hier kann von einer Dosis-Wirkungs-Ab- hängigkeit nicht in gleicher Art wie sonst üblich gesprochen werden, weshalb auch nicht der gleiche Wirkungsnachweis verlangt werden kann.

Trotzdem handelt es sich bei Hei- lungen mit potenzierten Heilmitteln nicht lediglich um Psychotherapie und auch nicht um Placeboeffekte, wie Gegner dieser Behandlungs- weise nicht müde werden zu be- haupten.

Eine Körperbeeinflussung ist je- denfalls nicht grundsätzlich an jene Pharmaka gebunden, die leicht faß- bare Effekte im Organismus erzie- len. Und für die praktische Nütz- lichkeit ist es völlig belanglos, ob eine Heilwirkung heute schon aus- reichend theoretisch erklärbar ist oder nicht. Die neuere Physiologie (G. Hildebrandt, Marburg) hat die theoretische Erklärbarkeit jedoch gefördert. Auf F. Hoffs klinischen Beobachtungen aufbauend, betont sie die indirekten oder sekundären

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 18 vom 2. Mai 1974 1333

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Arzneimittelmarkt

Wirkungen therapeutischer Maß- nahmen. Begriffe wie Selbstord- nung, Regularisierung, Ökonomisie- rung usw. weisen auf die gesun- denden Kräfte des Organismus hin, auf die eine individuell abgestimm- te Reiztherapie auch mit Arzneimit- teln seit eh und je einzuwirken be- müht ist. Die Vielfalt dieser Mög- lichkeiten haben die Verfasser der EG-Prüfungsrichtlinien überhaupt nicht berücksichtigt.

Kriterien

für den Wirksamkeitsnachweis den Ärzten selbst überlassen Es wird deshalb gefordert, daß der Gesetzgeber, im Sinne der Äuße- rungen von Ministerialdirigent Dr.

P. Walter, eine individuelle Verord- nungsweise schützt und eine diffe- renzierte Behandlung der Arznei- mittel bei einer eventuellen Regi- strierung zuläßt. Die Kriterien für den Wirksamkeitsnachweis müssen dabei den Ärzten selbst überlassen werden. Zu diesem Zweck könn- te das Gesetz die Bildung von ärztlich-wissenschaftlichen Gesell- schaften fordern, die die von die- sen gewünschten und gebrauchten Arzneimittelspezialitäten anmelden könnten. Schon die ganz andere Indikationsstellung verbietet eine Gleichsetzung mit Mitteln anderer Art.

Deshalb darf der Wirksamkeits- nachweis nicht an bestimmte diagnostische Vorstellungen ge- bunden werden. So wie es Sache der Ärzte ist, „adäquate Prüfungs- methoden" für besondere Arznei- mittelgruppen anzuwenden, so ist es andererseits selbstverständlich, daß diese Ärztegesellschaften für

„ihre" Mittel verantwortlich sind.

Im übrigen scheint mir eine Regi- strierungspflicht für alle Heilmittel (entsprechend der Empfehlung des Deutschen Ärztetages und eines Ge- setzentwurfes der CDU) weit über- trieben und auch fast undurchführ- bar.

Für starkwirkende Pharmaka hin- gegen sollten strenge Maßstäbe für die Verschreibung gefordert wer-

den. Langdauernde Rezeptpflicht wäre das mindeste. Damit würde die Aufmerksamkeit der verordnen- den Ärzte besonders auf diese Mit- tel gerichtet und die Möglichkeit ei- nes Mißbrauchs weitgehend einge- sch rän kt.

Es muß außerdem berücksichtigt werden, daß in jedem Behand- lungsfall dem Arzt (oder dem Kran- kenhaus) vom Patienten ein Be- handlungsauftrag erteilt wird. Die- sen Behandlungsauftrag müssen die Ärzte nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen. Wie aber könn- ten die Ärzte das tun, wenn ihnen eine Behandlungsmethode entzo- gen würde, die sie für die richtige halten? Nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die ärztlichen Stan- desorganisationen empfehlen den Schutz des Individuums vor uner- wünschten Eingriffen und das gilt auch für das freie Arzt-Patienten- Verhältnis. Nicht nur der Deutsche Ärztetag, auch der Weltärztebund unter seinem neuen Präsidenten, Prof. Ernst Fromm, hat sich dazu nachdrücklich bekannt. Das muß die Therapiefreiheit der Ärzte ein- schließen, sonst wäre das eine Farce.

Wenn sich ein Patient in Erwar- tung von Heilung oder Linderung einem Arzt anvertraut, der eine be- sondere therapeutische Richtung vertritt, so ist das allein seine An-

gelegenheit.

Bedenklich wäre es, wenn ein neu- es Arzneimittelgesetz so engherzig wäre, daß nur Ausnahmeregelun- gen (die zumal jederzeit widerruf- bar sein könnten), die Existenz und Weiterentwicklung besonderer the- rapeutischer Richtungen ermögli- chen würden. Dadurch wäre die Gefahr der Zweiteilung des Arznei- mittelmarktes gegeben. Hier „wis- senschaftlich geprüfte", da angeb- lich „ungeprüfte" (was nicht zuträ- fe). Das käme dem Versuch einer Diskriminierung gleich, und gewiß fänden sich dann Versicherungen, die zum Schaden ihrer Versicher- ten die Kostenerstattung für angeb- lich „minderwertige" Arzneimittel ablehnten.

Keine

„schwedischen Verhältnisse"

schaffen

Ein Arzneimittelgesetz muß wissen- schaftlich neutral sein. Es kann nicht im öffentlichen Interesse lie- gen, daß mit Hilfe staatlicher Machtmittel einer ohnehin starken Mehrheit innerhalb der Ärzteschaft eine Alleinherrschaft übertragen würde.

Daß es so etwas gibt, beweist ein Blick über die Grenzen. Nicht nur in den Ostblockstaaten, sondern auch in Skandinavien greift der Staat in das Arzt-Patienten-Verhält- nis durch entsprechende Arznei- mittelgesetze ein. In Schweden gibt es bereits eine Strafandrohung gegen vier Kollegen, die homöo- pathische Arzneimittel verordnet haben. Wohlgemerkt: es liegt hier kein Kunstfehlervorwurf vor, der Er- folg der Behandlung wird nicht in Frage gestellt.

Obwohl der schwedische Reichs- tag ausdrücklich verfügt hat, daß die Prüfungsvorschriften des Arz- neimittelgesetzes nicht gegen die Homöopathie verwendet werden dürfen, hat die Arzneimittelbehör- de deren Benutzung untersagt und gegen diese vier Kollegen gericht- liche Schritte eingeleitet.

Damit ist auf die Gefahren, die bei einer Neuordnung des Arzneimittel- marktes auch uns drohen, hinge- wiesen. Es ist zu hoffen, daß nicht nur das zuständige Bundesministe- rium diese Gefahren sieht und ent- sprechend handelt, sondern auch die ganze deutsche Ärzteschaft.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Gottfried Büttner Arzt für Allgemeinmedizin 35 Kassel-Wilhelmshöhe Wilhelmshöher Allee 273

1334 Heft 18 vom 2. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Durch sie wurden aber auch erstmals Menschen von einer medizinischen Lei- stung ausgeschlossen: Nicht nur eine nicht kurativ behandelte bösartige Tu- morerkrankung,

Durch die Einrichtung einer Koordinierungs- stelle soll die transparente Organge- winnung ebenso gesichert werden wie die Einhaltung der gesetzlichen Regeln für die Organentnahme..

Christine Han- cock vom Royal College of Nursing merkte an, daß die Spanne zwischen dem Abstellen der künstlichen Er- nährung und dem Tod des Patienten eine äußerst schwierige

Diese Gründe werden im Jahr 1999 dazu führen, daß die staatlich vorgegebenen Budgets trotz aller Bemühungen der Kassenärzte und Kassenärztlichen Vereinigungen um eine

Hierzu liegen inzwi- schen aktuelle experimentelle Ergeb- nisse vor, nach denen eine HWS-Ver- letzung für den Regelfall ausgeschlos- sen ist, wenn die medizinische Unter- suchung

In eigener Handarbeit sind hier exklusive Kränze, Gestecke und Aufleger entstanden, die dem Trend der Zeit entsprechen. Kun- den können hier ihre individuellen Wünsche äußern

phern und Gleichnissen beschrieben. Honecker sagt über das Motiv „Chri- stus der Arzt": „Der Sinn der Aufnahme der Christus-medicus-Vorstellung ist zunächst einmal der

Für mich bedeutet der Europäische Traum, dass wir auf einem Kontinent leben, auf dem sich jede und jeder frei entwickeln kann, gute Chancen auf gute Arbeit und eine gute